Die kleinen Arbeiter und die großen mit den glatten und glänzenden Köpfen, welche wir hier dargestellt sehen, die Soldaten, wie sie gewöhnlich genannt werden, obschon auch sie die Ver- theidigung der kleinen nicht übernehmen, zeigen sich außerhalb des Baues und werden in doppelter Hinsicht für die Bewohner jener Gegenden höchst unangenehm. Der eine Punkt wurde bereits erwähnt und betrifft vorzugsweise die angepflanzten Kaffee- und Orangenbäume. Jn großen Schaaren kommen sie gezogen, die kleinen erklettern einen Baum, jede setzt sich auf ein Blatt und schneidet mit ihren gezähnten Kinnbacken eine Scheibe von der Größe eines Groschenstücks aus der Fläche aus, faßt das Stück mit ihren Zangen, reißt es gewaltsam ab und verläßt damit den Baum. Manchmal fällt dieses herunter und wird dann von einem andern Jndividuum ergriffen. Sie marschiren damit, das Stück senkrecht nach oben an seinem untern Rande zwischen den Zangen haltend, nach Hause und gewähren dabei einen sehr eigenthümlichen Anblick, der ihnen auch den Namen: Sonnenschirmameisen eingetragen hat. Die Straße, welche sie fortwährend ziehen, bekommt bald das Ansehen eines Wagengleises im Laube. Nur selten wählen die Thiere die Blätter einheimischer Waldbäume. Wozu dient ihnen aber dieses Material? Untermischt mit Erdkrümchen aus der Tiefe überwölben sie damit die vier bis fünf Zoll im Durchmesser haltenden Tunnel ihrer Wohnungen und vorzugsweise deren Eingänge.
Eine zweite Untugend dieser Ameisen besteht in ihren nächtlichen Besuchen, welche sie den Häusern abstatten, um Alles zu plündern, was sie an süßen Stoffen für sich verwerthen können. Wenn von ihnen erzählt wird, daß sie die menschlichen Wohnungen von lästigen Jusekten befreiten und sie somit mehr als Wohlthäter erscheinen, so dürfte dies auf einem Jrrthume beruhen. Daß sie, ohne eigentliche Raubameisen zu sein, auch Jnsekten fressen und besonders deren Saft lecken, unterliegt wohl keinem Zweifel, aber der Vortheil, welchen sie dadurch den menschlichen Wohnungen angedeihen lassen, wird gewiß sehr überwogen durch andere Nachtheile in ihrem Gefolge. Sie sind nächtliche Thiere, als solche während der Nacht thätiger als am Tage und fühlen sich zu jener Zeit in der Nähe der Menschen überdies sicherer. Bates, welcher anfangs den Behauptungen der dortigen Einwohner keinen Glauben schenken mochte, daß die in Rede stehenden Ameisen bei Nacht in die Häuser kämen, um die Körnchen des Farinha- oder Mandioca-Mehles, das Brod der niederen Klassen in Brasilien, fortzuschleppen, konnte sich bei seinem spätern Aufenthalte in einem Dorfe selbst von der Wahrheit dieser Aussagen überzeugen. Eines Nachts wird er von seinem Diener geweckt und benachrichtigt, daß Ratten an den Farinhakörben nagten. Bei näherer Untersuchung fand sich eine Kolonne von vielen Tausenden unserer Ameisen. Die Körbe mit dem genannten Mehle standen auf einem hohen Tische und waren über und über von ihnen bedeckt, das Zernagen der sie ausfütteruden trocknen Blätter hatte das Geräusch hervorgebracht, und von den Abziehenden hatte jede sich mit einem Körnchen beladen, welches zuweilen größer und schwerer als das ganze Thier war. Der Versuch, mit vier Holzschuhen dazwischen zu schlagen und dadurch die Eindringlinge zu tödten, erwies sich vollständig nutzlos; denn die unmittelbar nachdringenden Schaaren ersetzten sofort die vernichteten. Die nächsten Nächte, in denen sie wieder erschienen, wurde Schießpulver auf ihrer Bahn angezündet, wodurch sie nach und nach doch eingeschüchtert sein mochten; denn sie blieben zuletzt weg. Bates bemerkt dabei, daß er sich nicht erklären könne, wozu sie die Mandiocakörner, welche viel Faserstoff und keinen Kleber enthalten, also als Cement nicht verwerthet werden könnten, wohl brauchen möchten.
Die Visitenameisen sehen roth aus, die Arbeiter haben einen herzförmigen Kopf, an demselben hinten je einen Seitendorn, je einen an den Stirnleisten etwas über den Fühlern; diese sind elf- gliederig, die dreieckigen Kinubacken gezähnt, die Kiefertaster bestehen aus vier, die Lippentaster aus zwei Gliedern. Am Vorderrücken stehen zwei nach hinten gerichtete Seitendornen, am Hinter- rücken desgleichen, dazwischen wenigstens Andeutungen davon. Der zweiknotige Stiel ist gekielt. Bei den sehr großen Weibchen ist der Kopf auf dem Scheitel schwächer ausgeschnitten, hinten über den Backen kürzer bedornt, die Stirnleisten, Fühler und ihre Gruben wie bei den Arbeitern
Viſitenameiſe.
Die kleinen Arbeiter und die großen mit den glatten und glänzenden Köpfen, welche wir hier dargeſtellt ſehen, die Soldaten, wie ſie gewöhnlich genannt werden, obſchon auch ſie die Ver- theidigung der kleinen nicht übernehmen, zeigen ſich außerhalb des Baues und werden in doppelter Hinſicht für die Bewohner jener Gegenden höchſt unangenehm. Der eine Punkt wurde bereits erwähnt und betrifft vorzugsweiſe die angepflanzten Kaffee- und Orangenbäume. Jn großen Schaaren kommen ſie gezogen, die kleinen erklettern einen Baum, jede ſetzt ſich auf ein Blatt und ſchneidet mit ihren gezähnten Kinnbacken eine Scheibe von der Größe eines Groſchenſtücks aus der Fläche aus, faßt das Stück mit ihren Zangen, reißt es gewaltſam ab und verläßt damit den Baum. Manchmal fällt dieſes herunter und wird dann von einem andern Jndividuum ergriffen. Sie marſchiren damit, das Stück ſenkrecht nach oben an ſeinem untern Rande zwiſchen den Zangen haltend, nach Hauſe und gewähren dabei einen ſehr eigenthümlichen Anblick, der ihnen auch den Namen: Sonnenſchirmameiſen eingetragen hat. Die Straße, welche ſie fortwährend ziehen, bekommt bald das Anſehen eines Wagengleiſes im Laube. Nur ſelten wählen die Thiere die Blätter einheimiſcher Waldbäume. Wozu dient ihnen aber dieſes Material? Untermiſcht mit Erdkrümchen aus der Tiefe überwölben ſie damit die vier bis fünf Zoll im Durchmeſſer haltenden Tunnel ihrer Wohnungen und vorzugsweiſe deren Eingänge.
Eine zweite Untugend dieſer Ameiſen beſteht in ihren nächtlichen Beſuchen, welche ſie den Häuſern abſtatten, um Alles zu plündern, was ſie an ſüßen Stoffen für ſich verwerthen können. Wenn von ihnen erzählt wird, daß ſie die menſchlichen Wohnungen von läſtigen Juſekten befreiten und ſie ſomit mehr als Wohlthäter erſcheinen, ſo dürfte dies auf einem Jrrthume beruhen. Daß ſie, ohne eigentliche Raubameiſen zu ſein, auch Jnſekten freſſen und beſonders deren Saft lecken, unterliegt wohl keinem Zweifel, aber der Vortheil, welchen ſie dadurch den menſchlichen Wohnungen angedeihen laſſen, wird gewiß ſehr überwogen durch andere Nachtheile in ihrem Gefolge. Sie ſind nächtliche Thiere, als ſolche während der Nacht thätiger als am Tage und fühlen ſich zu jener Zeit in der Nähe der Menſchen überdies ſicherer. Bates, welcher anfangs den Behauptungen der dortigen Einwohner keinen Glauben ſchenken mochte, daß die in Rede ſtehenden Ameiſen bei Nacht in die Häuſer kämen, um die Körnchen des Farinha- oder Mandioca-Mehles, das Brod der niederen Klaſſen in Braſilien, fortzuſchleppen, konnte ſich bei ſeinem ſpätern Aufenthalte in einem Dorfe ſelbſt von der Wahrheit dieſer Ausſagen überzeugen. Eines Nachts wird er von ſeinem Diener geweckt und benachrichtigt, daß Ratten an den Farinhakörben nagten. Bei näherer Unterſuchung fand ſich eine Kolonne von vielen Tauſenden unſerer Ameiſen. Die Körbe mit dem genannten Mehle ſtanden auf einem hohen Tiſche und waren über und über von ihnen bedeckt, das Zernagen der ſie ausfütteruden trocknen Blätter hatte das Geräuſch hervorgebracht, und von den Abziehenden hatte jede ſich mit einem Körnchen beladen, welches zuweilen größer und ſchwerer als das ganze Thier war. Der Verſuch, mit vier Holzſchuhen dazwiſchen zu ſchlagen und dadurch die Eindringlinge zu tödten, erwies ſich vollſtändig nutzlos; denn die unmittelbar nachdringenden Schaaren erſetzten ſofort die vernichteten. Die nächſten Nächte, in denen ſie wieder erſchienen, wurde Schießpulver auf ihrer Bahn angezündet, wodurch ſie nach und nach doch eingeſchüchtert ſein mochten; denn ſie blieben zuletzt weg. Bates bemerkt dabei, daß er ſich nicht erklären könne, wozu ſie die Mandiocakörner, welche viel Faſerſtoff und keinen Kleber enthalten, alſo als Cement nicht verwerthet werden könnten, wohl brauchen möchten.
Die Viſitenameiſen ſehen roth aus, die Arbeiter haben einen herzförmigen Kopf, an demſelben hinten je einen Seitendorn, je einen an den Stirnleiſten etwas über den Fühlern; dieſe ſind elf- gliederig, die dreieckigen Kinubacken gezähnt, die Kiefertaſter beſtehen aus vier, die Lippentaſter aus zwei Gliedern. Am Vorderrücken ſtehen zwei nach hinten gerichtete Seitendornen, am Hinter- rücken desgleichen, dazwiſchen wenigſtens Andeutungen davon. Der zweiknotige Stiel iſt gekielt. Bei den ſehr großen Weibchen iſt der Kopf auf dem Scheitel ſchwächer ausgeſchnitten, hinten über den Backen kürzer bedornt, die Stirnleiſten, Fühler und ihre Gruben wie bei den Arbeitern
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0243"n="221"/><fwplace="top"type="header">Viſitenameiſe.</fw><lb/><p>Die kleinen Arbeiter und die großen mit den glatten und glänzenden Köpfen, welche wir<lb/>
hier dargeſtellt ſehen, die Soldaten, wie ſie gewöhnlich genannt werden, obſchon auch ſie die Ver-<lb/>
theidigung der kleinen nicht übernehmen, zeigen ſich außerhalb des Baues und werden in doppelter<lb/>
Hinſicht für die Bewohner jener Gegenden höchſt unangenehm. Der eine Punkt wurde bereits<lb/>
erwähnt und betrifft vorzugsweiſe die angepflanzten Kaffee- und Orangenbäume. Jn großen<lb/>
Schaaren kommen ſie gezogen, die kleinen erklettern einen Baum, jede ſetzt ſich auf ein Blatt und<lb/>ſchneidet mit ihren gezähnten Kinnbacken eine Scheibe von der Größe eines Groſchenſtücks aus der<lb/>
Fläche aus, faßt das Stück mit ihren Zangen, reißt es gewaltſam ab und verläßt damit den<lb/>
Baum. Manchmal fällt dieſes herunter und wird dann von einem andern Jndividuum ergriffen.<lb/>
Sie marſchiren damit, das Stück ſenkrecht nach oben an ſeinem untern Rande zwiſchen den Zangen<lb/>
haltend, nach Hauſe und gewähren dabei einen ſehr eigenthümlichen Anblick, der ihnen auch den<lb/>
Namen: <hirendition="#g">Sonnenſchirmameiſen</hi> eingetragen hat. Die Straße, welche ſie fortwährend ziehen,<lb/>
bekommt bald das Anſehen eines Wagengleiſes im Laube. Nur ſelten wählen die Thiere die<lb/>
Blätter einheimiſcher Waldbäume. Wozu dient ihnen aber dieſes Material? Untermiſcht mit<lb/>
Erdkrümchen aus der Tiefe überwölben ſie damit die vier bis fünf Zoll im Durchmeſſer haltenden<lb/>
Tunnel ihrer Wohnungen und vorzugsweiſe deren Eingänge.</p><lb/><p>Eine zweite Untugend dieſer Ameiſen beſteht in ihren nächtlichen Beſuchen, welche ſie den<lb/>
Häuſern abſtatten, um Alles zu plündern, was ſie an ſüßen Stoffen für ſich verwerthen können.<lb/>
Wenn von ihnen erzählt wird, daß ſie die menſchlichen Wohnungen von läſtigen Juſekten befreiten<lb/>
und ſie ſomit mehr als Wohlthäter erſcheinen, ſo dürfte dies auf einem Jrrthume beruhen. Daß<lb/>ſie, ohne eigentliche Raubameiſen zu ſein, auch Jnſekten freſſen und beſonders deren Saft lecken,<lb/>
unterliegt wohl keinem Zweifel, aber der Vortheil, welchen ſie dadurch den menſchlichen Wohnungen<lb/>
angedeihen laſſen, wird gewiß ſehr überwogen durch andere Nachtheile in ihrem Gefolge. Sie ſind<lb/>
nächtliche Thiere, als ſolche während der Nacht thätiger als am Tage und fühlen ſich zu jener<lb/>
Zeit in der Nähe der Menſchen überdies ſicherer. <hirendition="#g">Bates,</hi> welcher anfangs den Behauptungen<lb/>
der dortigen Einwohner keinen Glauben ſchenken mochte, daß die in Rede ſtehenden Ameiſen bei<lb/>
Nacht in die Häuſer kämen, um die Körnchen des Farinha- oder Mandioca-Mehles, das Brod<lb/>
der niederen Klaſſen in Braſilien, fortzuſchleppen, konnte ſich bei ſeinem ſpätern Aufenthalte in<lb/>
einem Dorfe ſelbſt von der Wahrheit dieſer Ausſagen überzeugen. Eines Nachts wird er von<lb/>ſeinem Diener geweckt und benachrichtigt, daß Ratten an den Farinhakörben nagten. Bei näherer<lb/>
Unterſuchung fand ſich eine Kolonne von vielen Tauſenden unſerer Ameiſen. Die Körbe mit dem<lb/>
genannten Mehle ſtanden auf einem hohen Tiſche und waren über und über von ihnen bedeckt,<lb/>
das Zernagen der ſie ausfütteruden trocknen Blätter hatte das Geräuſch hervorgebracht, und von<lb/>
den Abziehenden hatte jede ſich mit einem Körnchen beladen, welches zuweilen größer und ſchwerer<lb/>
als das ganze Thier war. Der Verſuch, mit vier Holzſchuhen dazwiſchen zu ſchlagen und dadurch<lb/>
die Eindringlinge zu tödten, erwies ſich vollſtändig nutzlos; denn die unmittelbar nachdringenden<lb/>
Schaaren erſetzten ſofort die vernichteten. Die nächſten Nächte, in denen ſie wieder erſchienen,<lb/>
wurde Schießpulver auf ihrer Bahn angezündet, wodurch ſie nach und nach doch eingeſchüchtert<lb/>ſein mochten; denn ſie blieben zuletzt weg. <hirendition="#g">Bates</hi> bemerkt dabei, daß er ſich nicht erklären könne,<lb/>
wozu ſie die Mandiocakörner, welche viel Faſerſtoff und <hirendition="#g">keinen Kleber</hi> enthalten, alſo als<lb/>
Cement nicht verwerthet werden könnten, wohl brauchen möchten.</p><lb/><p>Die Viſitenameiſen ſehen roth aus, die Arbeiter haben einen herzförmigen Kopf, an demſelben<lb/>
hinten je einen Seitendorn, je einen an den Stirnleiſten etwas über den Fühlern; dieſe ſind elf-<lb/>
gliederig, die dreieckigen Kinubacken gezähnt, die Kiefertaſter beſtehen aus vier, die Lippentaſter aus<lb/>
zwei Gliedern. Am Vorderrücken ſtehen zwei nach hinten gerichtete Seitendornen, am Hinter-<lb/>
rücken desgleichen, dazwiſchen wenigſtens Andeutungen davon. Der zweiknotige Stiel iſt gekielt.<lb/>
Bei den ſehr großen Weibchen iſt der Kopf auf dem Scheitel ſchwächer ausgeſchnitten, hinten über<lb/>
den Backen kürzer bedornt, die Stirnleiſten, Fühler und ihre Gruben wie bei den Arbeitern<lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[221/0243]
Viſitenameiſe.
Die kleinen Arbeiter und die großen mit den glatten und glänzenden Köpfen, welche wir
hier dargeſtellt ſehen, die Soldaten, wie ſie gewöhnlich genannt werden, obſchon auch ſie die Ver-
theidigung der kleinen nicht übernehmen, zeigen ſich außerhalb des Baues und werden in doppelter
Hinſicht für die Bewohner jener Gegenden höchſt unangenehm. Der eine Punkt wurde bereits
erwähnt und betrifft vorzugsweiſe die angepflanzten Kaffee- und Orangenbäume. Jn großen
Schaaren kommen ſie gezogen, die kleinen erklettern einen Baum, jede ſetzt ſich auf ein Blatt und
ſchneidet mit ihren gezähnten Kinnbacken eine Scheibe von der Größe eines Groſchenſtücks aus der
Fläche aus, faßt das Stück mit ihren Zangen, reißt es gewaltſam ab und verläßt damit den
Baum. Manchmal fällt dieſes herunter und wird dann von einem andern Jndividuum ergriffen.
Sie marſchiren damit, das Stück ſenkrecht nach oben an ſeinem untern Rande zwiſchen den Zangen
haltend, nach Hauſe und gewähren dabei einen ſehr eigenthümlichen Anblick, der ihnen auch den
Namen: Sonnenſchirmameiſen eingetragen hat. Die Straße, welche ſie fortwährend ziehen,
bekommt bald das Anſehen eines Wagengleiſes im Laube. Nur ſelten wählen die Thiere die
Blätter einheimiſcher Waldbäume. Wozu dient ihnen aber dieſes Material? Untermiſcht mit
Erdkrümchen aus der Tiefe überwölben ſie damit die vier bis fünf Zoll im Durchmeſſer haltenden
Tunnel ihrer Wohnungen und vorzugsweiſe deren Eingänge.
Eine zweite Untugend dieſer Ameiſen beſteht in ihren nächtlichen Beſuchen, welche ſie den
Häuſern abſtatten, um Alles zu plündern, was ſie an ſüßen Stoffen für ſich verwerthen können.
Wenn von ihnen erzählt wird, daß ſie die menſchlichen Wohnungen von läſtigen Juſekten befreiten
und ſie ſomit mehr als Wohlthäter erſcheinen, ſo dürfte dies auf einem Jrrthume beruhen. Daß
ſie, ohne eigentliche Raubameiſen zu ſein, auch Jnſekten freſſen und beſonders deren Saft lecken,
unterliegt wohl keinem Zweifel, aber der Vortheil, welchen ſie dadurch den menſchlichen Wohnungen
angedeihen laſſen, wird gewiß ſehr überwogen durch andere Nachtheile in ihrem Gefolge. Sie ſind
nächtliche Thiere, als ſolche während der Nacht thätiger als am Tage und fühlen ſich zu jener
Zeit in der Nähe der Menſchen überdies ſicherer. Bates, welcher anfangs den Behauptungen
der dortigen Einwohner keinen Glauben ſchenken mochte, daß die in Rede ſtehenden Ameiſen bei
Nacht in die Häuſer kämen, um die Körnchen des Farinha- oder Mandioca-Mehles, das Brod
der niederen Klaſſen in Braſilien, fortzuſchleppen, konnte ſich bei ſeinem ſpätern Aufenthalte in
einem Dorfe ſelbſt von der Wahrheit dieſer Ausſagen überzeugen. Eines Nachts wird er von
ſeinem Diener geweckt und benachrichtigt, daß Ratten an den Farinhakörben nagten. Bei näherer
Unterſuchung fand ſich eine Kolonne von vielen Tauſenden unſerer Ameiſen. Die Körbe mit dem
genannten Mehle ſtanden auf einem hohen Tiſche und waren über und über von ihnen bedeckt,
das Zernagen der ſie ausfütteruden trocknen Blätter hatte das Geräuſch hervorgebracht, und von
den Abziehenden hatte jede ſich mit einem Körnchen beladen, welches zuweilen größer und ſchwerer
als das ganze Thier war. Der Verſuch, mit vier Holzſchuhen dazwiſchen zu ſchlagen und dadurch
die Eindringlinge zu tödten, erwies ſich vollſtändig nutzlos; denn die unmittelbar nachdringenden
Schaaren erſetzten ſofort die vernichteten. Die nächſten Nächte, in denen ſie wieder erſchienen,
wurde Schießpulver auf ihrer Bahn angezündet, wodurch ſie nach und nach doch eingeſchüchtert
ſein mochten; denn ſie blieben zuletzt weg. Bates bemerkt dabei, daß er ſich nicht erklären könne,
wozu ſie die Mandiocakörner, welche viel Faſerſtoff und keinen Kleber enthalten, alſo als
Cement nicht verwerthet werden könnten, wohl brauchen möchten.
Die Viſitenameiſen ſehen roth aus, die Arbeiter haben einen herzförmigen Kopf, an demſelben
hinten je einen Seitendorn, je einen an den Stirnleiſten etwas über den Fühlern; dieſe ſind elf-
gliederig, die dreieckigen Kinubacken gezähnt, die Kiefertaſter beſtehen aus vier, die Lippentaſter aus
zwei Gliedern. Am Vorderrücken ſtehen zwei nach hinten gerichtete Seitendornen, am Hinter-
rücken desgleichen, dazwiſchen wenigſtens Andeutungen davon. Der zweiknotige Stiel iſt gekielt.
Bei den ſehr großen Weibchen iſt der Kopf auf dem Scheitel ſchwächer ausgeſchnitten, hinten über
den Backen kürzer bedornt, die Stirnleiſten, Fühler und ihre Gruben wie bei den Arbeitern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/243>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.