unregelmäßig und kraus übereinander liegenden Stücken, zwischen welchen blasenähnliche Hohlräume eingestreut sind. Auf diese Weise wirken sie wie Doppelfenster und Doppelthüren, die Wärme im Jnnern zusammen-, Nässe von außen abhaltend. An abgestorbenen entrindeten Baumstämmen, etwas verwitterten Holzpfosten und Bretterwänden erscheint während des Sommers dieses und jenes Wespchen und nagt eifrig die Oberfläche ab, dabei streugt sie sich sichtbar an; denn in rhythmischen Bewegungen und größerem Maßstabe zeigt der Hinterleib die entsprechenden der zwickenden Kinnbacken an. V. rufa fertigt die kleinsten Nester, die beiden anderen Arten kommen damit in warmen Sommern bis über einen Fuß im Durchmesser.
Die Frechheit, zügellose Wildheit der Wespen kennt ein Jeder zur Genüge, auch wenn er nicht, wie es mir einst in meiner Kindheit widerfuhr, darum von einem ganzen Schwarme über- fallen und unbarmherzig zerstochen wurde, weil er harmlos und völlig unkundig des Nestes den Fußpfad wandelte, neben welchem sein Eingang lag. Vor einigen Jahren machten ein Hirtenhund und seine Gesellschaft eine gleiche Erfahrung. Auf einem Gute weideten Kühe. Die betreffende Stelle war von zahlreichen Maulwurfshügeln durchsetzt. Auf einem dieser sitzt der Hund, ein treuer Wächter seiner Herde. Mit einem Male vollführt derselbe ein entsetzliches Geheul und stürzt sich verzweiflungsvoll in das nahe vorbeifließende Wasser. Der Kuhhirt, zunächst nicht ahnend, was geschehen, eilt seinem treuen Thiere zu Hilfe, lockt es herbei und findet es mit Wespen gespickt. Noch damit beschäftigt, die durch das Wasserbad etwas abgekühlten Bestien von ihm zu entfernen, bemerkt er im Eifer nicht, daß auch er auf einem Vulkan steht. Die gereizten Thiere kriechen an seinen Beinen, innerhalb deren Bekleidung, in die Höhe, und auch er muß schließlich im Wasser einige Linderung für die ihm beigebrachten Stiche suchen. Jmmer größer wird die Verwirrung. Jene Maulwurfshügel sind von zahlreichen Schwärmen bewohnt, welche man bisher nicht beachtet hatte. Auch die weidende Kühe waren einigen in den Weg gekommen und auch sie wurden von den in wilde Aufregung versetzten Wespen angegriffen. Das Brüllen aller und sich in das Wasser Stürzen war die Folge und der Kampf ein allgemeiner. Es kostete große Mühe und der Mitwirkung vieler Kräfte, um allmälig die Ordnung wieder herzu- stellen. Versuche, jene Nester zu zerstören und die Stelle für das weidende Vieh zugänglich zu machen, blieben erfolglos. Die Wespen waren in jenem Jahre zu zahlreich und blieben Herren der Situation. Wenn eine mit ihrem lauten und drohenden Tsu! Tsu! Tsu! zum Fenster herein kommt, erregt sie Furcht und Schrecken. Eine Fliege, eine Spinne, ein Stückchen Fleisch oder irgend welche Süßigkeit sucht sie hier und achtet nicht der Verfolgungen, denen sie ausgesetzt ist, da dem rechtmäßigen Bewohner der Besuch nicht galt. Unter demselben Gesumme entfernt sie sich wieder, wenn sie das Gesuchte nicht fand; ein Fleischladen in der Nachbarschaft, die Körbe voll Obst, hinter denen die sonnegebräunte Hökerin mit Argusaugen Wache hält, der zur Schau gestellte Pflaumenkuchen im Bäckerladen, das sind ihre Tummelplätze, wo sie Fliegen, Fleisch und Süßigkeiten zu reicher Auswahl findet, wenn sie die ländlichen Gefilde zur Abwechselung einmal mit dem Leben in der Stadt vertauschte. Jhre Wildheit, ihre Eile, wer sollte sie ihr nicht ver- zeihen, wenn er bedenkt, daß in der kurzen Frist von kaum sechs Monaten eine Zwingburg von solcher Ausdehnung gebaut, ein Staat gegründet und erzogen werden, alles das geschehen soll, was dem darauf folgenden Jahre ein Gleiches sicherte. Für diese Dinge will die Zeit ausgekauft sein, werden Thaten, Entschlossenheit gefordert; das aber erscheint dem Bedächtigeren, lange erst Ueberlegenden als -- Wildheit, Ueberstürzung!
Wie bei den Hornissen wird die Brut erzogen, und kaum ist der junge Bürger, oder vielmehr die Bürgerin, der Gemeinde zugeführt, so unterzieht sie sich den Arbeiten ihrer älteren Schwestern. Bauen, Jagen, Morden, Füttern und Erfrischung der eignen, so angespannten Kräfte füllen die kurze Lebenszeit aus. Jm Herbste erscheinen neben den Jungfrauen Männchen und Weibchen, damit das Geschlecht nicht aussterbe; denn die Stammmutter hat sich nun abgenutzt. Wenn durch
Die Hautflügler. Faltenwespen. Geſellige Wespen.
unregelmäßig und kraus übereinander liegenden Stücken, zwiſchen welchen blaſenähnliche Hohlräume eingeſtreut ſind. Auf dieſe Weiſe wirken ſie wie Doppelfenſter und Doppelthüren, die Wärme im Jnnern zuſammen-, Näſſe von außen abhaltend. An abgeſtorbenen entrindeten Baumſtämmen, etwas verwitterten Holzpfoſten und Bretterwänden erſcheint während des Sommers dieſes und jenes Wespchen und nagt eifrig die Oberfläche ab, dabei ſtreugt ſie ſich ſichtbar an; denn in rhythmiſchen Bewegungen und größerem Maßſtabe zeigt der Hinterleib die entſprechenden der zwickenden Kinnbacken an. V. rufa fertigt die kleinſten Neſter, die beiden anderen Arten kommen damit in warmen Sommern bis über einen Fuß im Durchmeſſer.
Die Frechheit, zügelloſe Wildheit der Wespen kennt ein Jeder zur Genüge, auch wenn er nicht, wie es mir einſt in meiner Kindheit widerfuhr, darum von einem ganzen Schwarme über- fallen und unbarmherzig zerſtochen wurde, weil er harmlos und völlig unkundig des Neſtes den Fußpfad wandelte, neben welchem ſein Eingang lag. Vor einigen Jahren machten ein Hirtenhund und ſeine Geſellſchaft eine gleiche Erfahrung. Auf einem Gute weideten Kühe. Die betreffende Stelle war von zahlreichen Maulwurfshügeln durchſetzt. Auf einem dieſer ſitzt der Hund, ein treuer Wächter ſeiner Herde. Mit einem Male vollführt derſelbe ein entſetzliches Geheul und ſtürzt ſich verzweiflungsvoll in das nahe vorbeifließende Waſſer. Der Kuhhirt, zunächſt nicht ahnend, was geſchehen, eilt ſeinem treuen Thiere zu Hilfe, lockt es herbei und findet es mit Wespen geſpickt. Noch damit beſchäftigt, die durch das Waſſerbad etwas abgekühlten Beſtien von ihm zu entfernen, bemerkt er im Eifer nicht, daß auch er auf einem Vulkan ſteht. Die gereizten Thiere kriechen an ſeinen Beinen, innerhalb deren Bekleidung, in die Höhe, und auch er muß ſchließlich im Waſſer einige Linderung für die ihm beigebrachten Stiche ſuchen. Jmmer größer wird die Verwirrung. Jene Maulwurfshügel ſind von zahlreichen Schwärmen bewohnt, welche man bisher nicht beachtet hatte. Auch die weidende Kühe waren einigen in den Weg gekommen und auch ſie wurden von den in wilde Aufregung verſetzten Wespen angegriffen. Das Brüllen aller und ſich in das Waſſer Stürzen war die Folge und der Kampf ein allgemeiner. Es koſtete große Mühe und der Mitwirkung vieler Kräfte, um allmälig die Ordnung wieder herzu- ſtellen. Verſuche, jene Neſter zu zerſtören und die Stelle für das weidende Vieh zugänglich zu machen, blieben erfolglos. Die Wespen waren in jenem Jahre zu zahlreich und blieben Herren der Situation. Wenn eine mit ihrem lauten und drohenden Tſu! Tſu! Tſu! zum Fenſter herein kommt, erregt ſie Furcht und Schrecken. Eine Fliege, eine Spinne, ein Stückchen Fleiſch oder irgend welche Süßigkeit ſucht ſie hier und achtet nicht der Verfolgungen, denen ſie ausgeſetzt iſt, da dem rechtmäßigen Bewohner der Beſuch nicht galt. Unter demſelben Geſumme entfernt ſie ſich wieder, wenn ſie das Geſuchte nicht fand; ein Fleiſchladen in der Nachbarſchaft, die Körbe voll Obſt, hinter denen die ſonnegebräunte Hökerin mit Argusaugen Wache hält, der zur Schau geſtellte Pflaumenkuchen im Bäckerladen, das ſind ihre Tummelplätze, wo ſie Fliegen, Fleiſch und Süßigkeiten zu reicher Auswahl findet, wenn ſie die ländlichen Gefilde zur Abwechſelung einmal mit dem Leben in der Stadt vertauſchte. Jhre Wildheit, ihre Eile, wer ſollte ſie ihr nicht ver- zeihen, wenn er bedenkt, daß in der kurzen Friſt von kaum ſechs Monaten eine Zwingburg von ſolcher Ausdehnung gebaut, ein Staat gegründet und erzogen werden, alles das geſchehen ſoll, was dem darauf folgenden Jahre ein Gleiches ſicherte. Für dieſe Dinge will die Zeit ausgekauft ſein, werden Thaten, Entſchloſſenheit gefordert; das aber erſcheint dem Bedächtigeren, lange erſt Ueberlegenden als — Wildheit, Ueberſtürzung!
Wie bei den Horniſſen wird die Brut erzogen, und kaum iſt der junge Bürger, oder vielmehr die Bürgerin, der Gemeinde zugeführt, ſo unterzieht ſie ſich den Arbeiten ihrer älteren Schweſtern. Bauen, Jagen, Morden, Füttern und Erfriſchung der eignen, ſo angeſpannten Kräfte füllen die kurze Lebenszeit aus. Jm Herbſte erſcheinen neben den Jungfrauen Männchen und Weibchen, damit das Geſchlecht nicht ausſterbe; denn die Stammmutter hat ſich nun abgenutzt. Wenn durch
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0228"n="208"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Hautflügler. Faltenwespen. Geſellige Wespen.</hi></fw><lb/>
unregelmäßig und kraus übereinander liegenden Stücken, zwiſchen welchen blaſenähnliche Hohlräume<lb/>
eingeſtreut ſind. Auf dieſe Weiſe wirken ſie wie Doppelfenſter und Doppelthüren, die Wärme im<lb/>
Jnnern zuſammen-, Näſſe von außen abhaltend. An abgeſtorbenen entrindeten Baumſtämmen,<lb/>
etwas verwitterten Holzpfoſten und Bretterwänden erſcheint während des Sommers dieſes und<lb/>
jenes Wespchen und nagt eifrig die Oberfläche ab, dabei ſtreugt ſie ſich ſichtbar an; denn in<lb/>
rhythmiſchen Bewegungen und größerem Maßſtabe zeigt der Hinterleib die entſprechenden der<lb/>
zwickenden Kinnbacken an. <hirendition="#aq">V. rufa</hi> fertigt die kleinſten Neſter, die beiden anderen Arten kommen<lb/>
damit in warmen Sommern bis über einen Fuß im Durchmeſſer.</p><lb/><p>Die Frechheit, zügelloſe Wildheit der Wespen kennt ein Jeder zur Genüge, auch wenn er<lb/>
nicht, wie es mir einſt in meiner Kindheit widerfuhr, darum von einem ganzen Schwarme über-<lb/>
fallen und unbarmherzig zerſtochen wurde, weil er harmlos und völlig unkundig des Neſtes den<lb/>
Fußpfad wandelte, neben welchem ſein Eingang lag. Vor einigen Jahren machten ein Hirtenhund<lb/>
und ſeine Geſellſchaft eine gleiche Erfahrung. Auf einem Gute weideten Kühe. Die betreffende<lb/>
Stelle war von zahlreichen Maulwurfshügeln durchſetzt. Auf einem dieſer ſitzt der Hund, ein<lb/>
treuer Wächter ſeiner Herde. Mit einem Male vollführt derſelbe ein entſetzliches Geheul und<lb/>ſtürzt ſich verzweiflungsvoll in das nahe vorbeifließende Waſſer. Der Kuhhirt, zunächſt nicht<lb/>
ahnend, was geſchehen, eilt ſeinem treuen Thiere zu Hilfe, lockt es herbei und findet es mit<lb/>
Wespen geſpickt. Noch damit beſchäftigt, die durch das Waſſerbad etwas abgekühlten Beſtien von<lb/>
ihm zu entfernen, bemerkt er im Eifer nicht, daß auch er auf einem Vulkan ſteht. Die gereizten<lb/>
Thiere kriechen an ſeinen Beinen, innerhalb deren Bekleidung, in die Höhe, und auch er muß<lb/>ſchließlich im Waſſer einige Linderung für die ihm beigebrachten Stiche ſuchen. Jmmer größer<lb/>
wird die Verwirrung. Jene Maulwurfshügel ſind von zahlreichen Schwärmen bewohnt, welche<lb/>
man bisher nicht beachtet hatte. Auch die weidende Kühe waren einigen in den Weg gekommen<lb/>
und auch ſie wurden von den in wilde Aufregung verſetzten Wespen angegriffen. Das Brüllen<lb/>
aller und ſich in das Waſſer Stürzen war die Folge und der Kampf ein allgemeiner. Es<lb/>
koſtete große Mühe und der Mitwirkung vieler Kräfte, um allmälig die Ordnung wieder herzu-<lb/>ſtellen. Verſuche, jene Neſter zu zerſtören und die Stelle für das weidende Vieh zugänglich zu<lb/>
machen, blieben erfolglos. Die Wespen waren in jenem Jahre zu zahlreich und blieben Herren<lb/>
der Situation. Wenn eine mit ihrem lauten und drohenden Tſu! Tſu! Tſu! zum Fenſter herein<lb/>
kommt, erregt ſie Furcht und Schrecken. Eine Fliege, eine Spinne, ein Stückchen Fleiſch oder<lb/>
irgend welche Süßigkeit ſucht ſie hier und achtet nicht der Verfolgungen, denen ſie ausgeſetzt iſt,<lb/>
da dem rechtmäßigen Bewohner der Beſuch nicht galt. Unter demſelben Geſumme entfernt ſie<lb/>ſich wieder, wenn ſie das Geſuchte nicht fand; ein Fleiſchladen in der Nachbarſchaft, die Körbe<lb/>
voll Obſt, hinter denen die ſonnegebräunte Hökerin mit Argusaugen Wache hält, der zur Schau<lb/>
geſtellte Pflaumenkuchen im Bäckerladen, das ſind ihre Tummelplätze, wo ſie Fliegen, Fleiſch und<lb/>
Süßigkeiten zu reicher Auswahl findet, wenn ſie die ländlichen Gefilde zur Abwechſelung einmal<lb/>
mit dem Leben in der Stadt vertauſchte. Jhre Wildheit, ihre Eile, wer ſollte ſie ihr nicht ver-<lb/>
zeihen, wenn er bedenkt, daß in der kurzen Friſt von kaum ſechs Monaten eine Zwingburg von<lb/>ſolcher Ausdehnung gebaut, ein Staat gegründet und erzogen werden, alles das geſchehen ſoll,<lb/>
was dem darauf folgenden Jahre ein Gleiches ſicherte. Für dieſe Dinge will die Zeit ausgekauft<lb/>ſein, werden Thaten, Entſchloſſenheit gefordert; das aber erſcheint dem Bedächtigeren, lange erſt<lb/>
Ueberlegenden als — Wildheit, Ueberſtürzung!</p><lb/><p>Wie bei den Horniſſen wird die Brut erzogen, und kaum iſt der junge Bürger, oder vielmehr<lb/>
die Bürgerin, der Gemeinde zugeführt, ſo unterzieht ſie ſich den Arbeiten ihrer älteren Schweſtern.<lb/>
Bauen, Jagen, Morden, Füttern und Erfriſchung der eignen, ſo angeſpannten Kräfte füllen die<lb/>
kurze Lebenszeit aus. Jm Herbſte erſcheinen neben den Jungfrauen Männchen und Weibchen,<lb/>
damit das Geſchlecht nicht ausſterbe; denn die Stammmutter hat ſich nun abgenutzt. Wenn durch<lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[208/0228]
Die Hautflügler. Faltenwespen. Geſellige Wespen.
unregelmäßig und kraus übereinander liegenden Stücken, zwiſchen welchen blaſenähnliche Hohlräume
eingeſtreut ſind. Auf dieſe Weiſe wirken ſie wie Doppelfenſter und Doppelthüren, die Wärme im
Jnnern zuſammen-, Näſſe von außen abhaltend. An abgeſtorbenen entrindeten Baumſtämmen,
etwas verwitterten Holzpfoſten und Bretterwänden erſcheint während des Sommers dieſes und
jenes Wespchen und nagt eifrig die Oberfläche ab, dabei ſtreugt ſie ſich ſichtbar an; denn in
rhythmiſchen Bewegungen und größerem Maßſtabe zeigt der Hinterleib die entſprechenden der
zwickenden Kinnbacken an. V. rufa fertigt die kleinſten Neſter, die beiden anderen Arten kommen
damit in warmen Sommern bis über einen Fuß im Durchmeſſer.
Die Frechheit, zügelloſe Wildheit der Wespen kennt ein Jeder zur Genüge, auch wenn er
nicht, wie es mir einſt in meiner Kindheit widerfuhr, darum von einem ganzen Schwarme über-
fallen und unbarmherzig zerſtochen wurde, weil er harmlos und völlig unkundig des Neſtes den
Fußpfad wandelte, neben welchem ſein Eingang lag. Vor einigen Jahren machten ein Hirtenhund
und ſeine Geſellſchaft eine gleiche Erfahrung. Auf einem Gute weideten Kühe. Die betreffende
Stelle war von zahlreichen Maulwurfshügeln durchſetzt. Auf einem dieſer ſitzt der Hund, ein
treuer Wächter ſeiner Herde. Mit einem Male vollführt derſelbe ein entſetzliches Geheul und
ſtürzt ſich verzweiflungsvoll in das nahe vorbeifließende Waſſer. Der Kuhhirt, zunächſt nicht
ahnend, was geſchehen, eilt ſeinem treuen Thiere zu Hilfe, lockt es herbei und findet es mit
Wespen geſpickt. Noch damit beſchäftigt, die durch das Waſſerbad etwas abgekühlten Beſtien von
ihm zu entfernen, bemerkt er im Eifer nicht, daß auch er auf einem Vulkan ſteht. Die gereizten
Thiere kriechen an ſeinen Beinen, innerhalb deren Bekleidung, in die Höhe, und auch er muß
ſchließlich im Waſſer einige Linderung für die ihm beigebrachten Stiche ſuchen. Jmmer größer
wird die Verwirrung. Jene Maulwurfshügel ſind von zahlreichen Schwärmen bewohnt, welche
man bisher nicht beachtet hatte. Auch die weidende Kühe waren einigen in den Weg gekommen
und auch ſie wurden von den in wilde Aufregung verſetzten Wespen angegriffen. Das Brüllen
aller und ſich in das Waſſer Stürzen war die Folge und der Kampf ein allgemeiner. Es
koſtete große Mühe und der Mitwirkung vieler Kräfte, um allmälig die Ordnung wieder herzu-
ſtellen. Verſuche, jene Neſter zu zerſtören und die Stelle für das weidende Vieh zugänglich zu
machen, blieben erfolglos. Die Wespen waren in jenem Jahre zu zahlreich und blieben Herren
der Situation. Wenn eine mit ihrem lauten und drohenden Tſu! Tſu! Tſu! zum Fenſter herein
kommt, erregt ſie Furcht und Schrecken. Eine Fliege, eine Spinne, ein Stückchen Fleiſch oder
irgend welche Süßigkeit ſucht ſie hier und achtet nicht der Verfolgungen, denen ſie ausgeſetzt iſt,
da dem rechtmäßigen Bewohner der Beſuch nicht galt. Unter demſelben Geſumme entfernt ſie
ſich wieder, wenn ſie das Geſuchte nicht fand; ein Fleiſchladen in der Nachbarſchaft, die Körbe
voll Obſt, hinter denen die ſonnegebräunte Hökerin mit Argusaugen Wache hält, der zur Schau
geſtellte Pflaumenkuchen im Bäckerladen, das ſind ihre Tummelplätze, wo ſie Fliegen, Fleiſch und
Süßigkeiten zu reicher Auswahl findet, wenn ſie die ländlichen Gefilde zur Abwechſelung einmal
mit dem Leben in der Stadt vertauſchte. Jhre Wildheit, ihre Eile, wer ſollte ſie ihr nicht ver-
zeihen, wenn er bedenkt, daß in der kurzen Friſt von kaum ſechs Monaten eine Zwingburg von
ſolcher Ausdehnung gebaut, ein Staat gegründet und erzogen werden, alles das geſchehen ſoll,
was dem darauf folgenden Jahre ein Gleiches ſicherte. Für dieſe Dinge will die Zeit ausgekauft
ſein, werden Thaten, Entſchloſſenheit gefordert; das aber erſcheint dem Bedächtigeren, lange erſt
Ueberlegenden als — Wildheit, Ueberſtürzung!
Wie bei den Horniſſen wird die Brut erzogen, und kaum iſt der junge Bürger, oder vielmehr
die Bürgerin, der Gemeinde zugeführt, ſo unterzieht ſie ſich den Arbeiten ihrer älteren Schweſtern.
Bauen, Jagen, Morden, Füttern und Erfriſchung der eignen, ſo angeſpannten Kräfte füllen die
kurze Lebenszeit aus. Jm Herbſte erſcheinen neben den Jungfrauen Männchen und Weibchen,
damit das Geſchlecht nicht ausſterbe; denn die Stammmutter hat ſich nun abgenutzt. Wenn durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/228>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.