wurzel, als mit dem hinteren, steht also sehr schief. Der Körper ist schwarz, seidenglänzend, sofern nicht die fuchsrothe, in Grau spielende Behaarung, die sich bis auf die Augen ausdehnt, den Grund deckt und röthlich färbt. Die Hinterränder der Segmente und die Beine haben eine braune, bis in Gelbroth übergehende Färbung, mindestens beim Weibchen. Die Krallen der Füße sind an der Spitze zweitheilig, die Kieferntaster ein-, die Lippentaster viergliederig, zweigestaltig.
Die Formenunterschiede zwischen Männchen oder Drohnen, Weibchen und Arbeitern lehrt der Anblick der einzelnen Persönlichkeiten. Dem Weibchen fehlen die Sammelhaare, der Drohne das Zähnchen am Grunde der Ferse. Die Arbeiterin, schlechtweg Biene genannt, jenes weibliche Jndividuum, welches wegen Verkümmerung der Geschlechtswerkzeuge die Art nicht fortpflanzen kann, dafür aber alle und jede Vorsorge zu treffen hat im Vereine einer größeren Anzahl von Jhresgleichen, damit aus den vom Weibchen gelegten Eiern ein kräftiges Geschlecht erwachse, hat in der längeren Zunge, den längeren Kinnbacken, in dem Körbchen der Hinterbeine die Geräth- schaften, welche ihre mühevollen Arbeiten ausführen, wie im Jnnern ihres Leibes ein kleines chemisches Laboratorium, wo Honig, Wachs und der Speisebrei für die Brut je nach Bedürfniß hergerichtet werden.
Die eben gekennzeichneten Bienen leben in einem wohlgeordneten Staate, in welchem die Arbeiter das Volk, ein von diesem erwähltes, fruchtbares Weibchen die allgemein geliebte und gehätschelte Königin, auch Weisel genannt, und die Männchen die wohlhäbigen, vornehmen Faullenzer darstellen, die unumgänglich nöthig sind, aber nur so lange geduldet werden, als man sie braucht. Diese Einrichtung ist darum so musterhaft, weil jeder Theil an seinem Platze seine Schuldigkeit im vollsten Maße thut, weil keiner mehr oder weniger sein will als das, wozu ihn seine Leistungsfähigkeit bestimmt.
Der Mensch hat von je den Fleiß der Biene anerkannt und sie gewürdigt, ein Symbol zu sein für diese hohe Tugend, er hat aber auch die Ergebnisse ihres Fleißes zu würdigen gewußt, und daher ist es gekommen, daß wir jene Bienenstaaten nicht mehr frei in der Natur antreffen (ausnahmsweise verwildert), auch nicht angeben können, wann und wo sie sich zuerst daselbst gefunden haben. Der stolze "Herr der Schöpfung" weist dem Thierchen in dem Bienenkorbe, Bienenstocke, zu verschiedenen Zeiten verschieden eingerichtet, den Platz an, wo es seine Staaten gründet, wird ihm wohl auch in mancher Hinsicht dabei förderlich, war aber nicht im Stande, sein ihm angebornes Wesen in den Tausenden von Jahren, während welcher es ihm treu gefolgt ist, auch nur im Geringsten zu verändern. Die oft sich widersprechenden Ansichten, die wir in der überaus umfangreichen Bienenliteratur aufgezeichnet finden, haben mithin nicht ihren Grund in den veränderten Sitten des Thieres, sondern in dem Grade der Erkenntniß dieser. Bis auf den heutigen Tag sind wir noch nicht dahin gelangt, sagen zu können, es sei Alles aufgeklärt in diesem wunderbaren Organismus, es gebe nichts mehr, was nicht volle Anerkennung finde bei den wahren "Bienenvätern", d. h. denen, die Bienen erziehen, nicht blos um Wachs und Honig zu ernten, sondern um auch im allgemeinen Jnteresse für das Walten in der Natur die so überaus anziehende Lebensweise der Fabrikanten zu studiren. Wir wollen jetzt versuchen, nicht für den Bienenzüchter (Zeidler, Jmmker), sondern für den wißbegierigen Naturfreund ein möglichst getreues Bild jenes wohlgeordneten und doch viel bewegten Lebens zu entwerfen.
Angenommen, es sei Johannistag und ein Nachschwarm -- was damit gesagt sein soll, wird die Folge lehren -- so eben vollständig eingefangen in einen leeren Kasten mit dem bekannten, kleinen Flugloche unten am Grunde einer seiner Giebelwände und dem Brettchen vor diesem an einem bestimmten Platze im Bienenhause aufgestellt. Noch steht er kaum fest, da erscheint ein und die andere Biene auf dem Flugbrettchen und "präsentirt", d. h. sie erhebt sich auf ihren Beinen so hoch, wie es nur gehen will, spreizt die vordersten und schwirrt in eigenthümlich zitternder Weise mit den Flügeln. Dies sonderbare Gebahren ist der Ausdruck ihrer Freude, ihres Wohlbehagens, und der Bienenvater weiß sicher, daß er beim Einschlagen des Schwarmes
Honigbiene.
wurzel, als mit dem hinteren, ſteht alſo ſehr ſchief. Der Körper iſt ſchwarz, ſeidenglänzend, ſofern nicht die fuchsrothe, in Grau ſpielende Behaarung, die ſich bis auf die Augen ausdehnt, den Grund deckt und röthlich färbt. Die Hinterränder der Segmente und die Beine haben eine braune, bis in Gelbroth übergehende Färbung, mindeſtens beim Weibchen. Die Krallen der Füße ſind an der Spitze zweitheilig, die Kieferntaſter ein-, die Lippentaſter viergliederig, zweigeſtaltig.
Die Formenunterſchiede zwiſchen Männchen oder Drohnen, Weibchen und Arbeitern lehrt der Anblick der einzelnen Perſönlichkeiten. Dem Weibchen fehlen die Sammelhaare, der Drohne das Zähnchen am Grunde der Ferſe. Die Arbeiterin, ſchlechtweg Biene genannt, jenes weibliche Jndividuum, welches wegen Verkümmerung der Geſchlechtswerkzeuge die Art nicht fortpflanzen kann, dafür aber alle und jede Vorſorge zu treffen hat im Vereine einer größeren Anzahl von Jhresgleichen, damit aus den vom Weibchen gelegten Eiern ein kräftiges Geſchlecht erwachſe, hat in der längeren Zunge, den längeren Kinnbacken, in dem Körbchen der Hinterbeine die Geräth- ſchaften, welche ihre mühevollen Arbeiten ausführen, wie im Jnnern ihres Leibes ein kleines chemiſches Laboratorium, wo Honig, Wachs und der Speiſebrei für die Brut je nach Bedürfniß hergerichtet werden.
Die eben gekennzeichneten Bienen leben in einem wohlgeordneten Staate, in welchem die Arbeiter das Volk, ein von dieſem erwähltes, fruchtbares Weibchen die allgemein geliebte und gehätſchelte Königin, auch Weiſel genannt, und die Männchen die wohlhäbigen, vornehmen Faullenzer darſtellen, die unumgänglich nöthig ſind, aber nur ſo lange geduldet werden, als man ſie braucht. Dieſe Einrichtung iſt darum ſo muſterhaft, weil jeder Theil an ſeinem Platze ſeine Schuldigkeit im vollſten Maße thut, weil keiner mehr oder weniger ſein will als das, wozu ihn ſeine Leiſtungsfähigkeit beſtimmt.
Der Menſch hat von je den Fleiß der Biene anerkannt und ſie gewürdigt, ein Symbol zu ſein für dieſe hohe Tugend, er hat aber auch die Ergebniſſe ihres Fleißes zu würdigen gewußt, und daher iſt es gekommen, daß wir jene Bienenſtaaten nicht mehr frei in der Natur antreffen (ausnahmsweiſe verwildert), auch nicht angeben können, wann und wo ſie ſich zuerſt daſelbſt gefunden haben. Der ſtolze „Herr der Schöpfung“ weiſt dem Thierchen in dem Bienenkorbe, Bienenſtocke, zu verſchiedenen Zeiten verſchieden eingerichtet, den Platz an, wo es ſeine Staaten gründet, wird ihm wohl auch in mancher Hinſicht dabei förderlich, war aber nicht im Stande, ſein ihm angebornes Weſen in den Tauſenden von Jahren, während welcher es ihm treu gefolgt iſt, auch nur im Geringſten zu verändern. Die oft ſich widerſprechenden Anſichten, die wir in der überaus umfangreichen Bienenliteratur aufgezeichnet finden, haben mithin nicht ihren Grund in den veränderten Sitten des Thieres, ſondern in dem Grade der Erkenntniß dieſer. Bis auf den heutigen Tag ſind wir noch nicht dahin gelangt, ſagen zu können, es ſei Alles aufgeklärt in dieſem wunderbaren Organismus, es gebe nichts mehr, was nicht volle Anerkennung finde bei den wahren „Bienenvätern“, d. h. denen, die Bienen erziehen, nicht blos um Wachs und Honig zu ernten, ſondern um auch im allgemeinen Jntereſſe für das Walten in der Natur die ſo überaus anziehende Lebensweiſe der Fabrikanten zu ſtudiren. Wir wollen jetzt verſuchen, nicht für den Bienenzüchter (Zeidler, Jmmker), ſondern für den wißbegierigen Naturfreund ein möglichſt getreues Bild jenes wohlgeordneten und doch viel bewegten Lebens zu entwerfen.
Angenommen, es ſei Johannistag und ein Nachſchwarm — was damit geſagt ſein ſoll, wird die Folge lehren — ſo eben vollſtändig eingefangen in einen leeren Kaſten mit dem bekannten, kleinen Flugloche unten am Grunde einer ſeiner Giebelwände und dem Brettchen vor dieſem an einem beſtimmten Platze im Bienenhauſe aufgeſtellt. Noch ſteht er kaum feſt, da erſcheint ein und die andere Biene auf dem Flugbrettchen und „präſentirt“, d. h. ſie erhebt ſich auf ihren Beinen ſo hoch, wie es nur gehen will, ſpreizt die vorderſten und ſchwirrt in eigenthümlich zitternder Weiſe mit den Flügeln. Dies ſonderbare Gebahren iſt der Ausdruck ihrer Freude, ihres Wohlbehagens, und der Bienenvater weiß ſicher, daß er beim Einſchlagen des Schwarmes
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Honigbiene.
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den Grund deckt und röthlich färbt. Die Hinterränder der Segmente und die Beine haben eine
braune, bis in Gelbroth übergehende Färbung, mindeſtens beim Weibchen. Die Krallen der Füße
ſind an der Spitze zweitheilig, die Kieferntaſter ein-, die Lippentaſter viergliederig, zweigeſtaltig.
Die Formenunterſchiede zwiſchen Männchen oder Drohnen, Weibchen und Arbeitern lehrt
der Anblick der einzelnen Perſönlichkeiten. Dem Weibchen fehlen die Sammelhaare, der Drohne
das Zähnchen am Grunde der Ferſe. Die Arbeiterin, ſchlechtweg Biene genannt, jenes weibliche
Jndividuum, welches wegen Verkümmerung der Geſchlechtswerkzeuge die Art nicht fortpflanzen
kann, dafür aber alle und jede Vorſorge zu treffen hat im Vereine einer größeren Anzahl von
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in der längeren Zunge, den längeren Kinnbacken, in dem Körbchen der Hinterbeine die Geräth-
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chemiſches Laboratorium, wo Honig, Wachs und der Speiſebrei für die Brut je nach Bedürfniß
hergerichtet werden.
Die eben gekennzeichneten Bienen leben in einem wohlgeordneten Staate, in welchem die
Arbeiter das Volk, ein von dieſem erwähltes, fruchtbares Weibchen die allgemein geliebte und
gehätſchelte Königin, auch Weiſel genannt, und die Männchen die wohlhäbigen, vornehmen
Faullenzer darſtellen, die unumgänglich nöthig ſind, aber nur ſo lange geduldet werden, als man
ſie braucht. Dieſe Einrichtung iſt darum ſo muſterhaft, weil jeder Theil an ſeinem Platze ſeine
Schuldigkeit im vollſten Maße thut, weil keiner mehr oder weniger ſein will als das, wozu ihn
ſeine Leiſtungsfähigkeit beſtimmt.
Der Menſch hat von je den Fleiß der Biene anerkannt und ſie gewürdigt, ein Symbol zu
ſein für dieſe hohe Tugend, er hat aber auch die Ergebniſſe ihres Fleißes zu würdigen gewußt,
und daher iſt es gekommen, daß wir jene Bienenſtaaten nicht mehr frei in der Natur antreffen
(ausnahmsweiſe verwildert), auch nicht angeben können, wann und wo ſie ſich zuerſt daſelbſt
gefunden haben. Der ſtolze „Herr der Schöpfung“ weiſt dem Thierchen in dem Bienenkorbe,
Bienenſtocke, zu verſchiedenen Zeiten verſchieden eingerichtet, den Platz an, wo es ſeine Staaten
gründet, wird ihm wohl auch in mancher Hinſicht dabei förderlich, war aber nicht im Stande,
ſein ihm angebornes Weſen in den Tauſenden von Jahren, während welcher es ihm treu gefolgt
iſt, auch nur im Geringſten zu verändern. Die oft ſich widerſprechenden Anſichten, die wir in
der überaus umfangreichen Bienenliteratur aufgezeichnet finden, haben mithin nicht ihren Grund
in den veränderten Sitten des Thieres, ſondern in dem Grade der Erkenntniß dieſer. Bis auf
den heutigen Tag ſind wir noch nicht dahin gelangt, ſagen zu können, es ſei Alles aufgeklärt
in dieſem wunderbaren Organismus, es gebe nichts mehr, was nicht volle Anerkennung finde bei
den wahren „Bienenvätern“, d. h. denen, die Bienen erziehen, nicht blos um Wachs und
Honig zu ernten, ſondern um auch im allgemeinen Jntereſſe für das Walten in der Natur die ſo
überaus anziehende Lebensweiſe der Fabrikanten zu ſtudiren. Wir wollen jetzt verſuchen, nicht
für den Bienenzüchter (Zeidler, Jmmker), ſondern für den wißbegierigen Naturfreund ein
möglichſt getreues Bild jenes wohlgeordneten und doch viel bewegten Lebens zu entwerfen.
Angenommen, es ſei Johannistag und ein Nachſchwarm — was damit geſagt ſein ſoll,
wird die Folge lehren — ſo eben vollſtändig eingefangen in einen leeren Kaſten mit dem bekannten,
kleinen Flugloche unten am Grunde einer ſeiner Giebelwände und dem Brettchen vor dieſem an
einem beſtimmten Platze im Bienenhauſe aufgeſtellt. Noch ſteht er kaum feſt, da erſcheint ein
und die andere Biene auf dem Flugbrettchen und „präſentirt“, d. h. ſie erhebt ſich auf ihren
Beinen ſo hoch, wie es nur gehen will, ſpreizt die vorderſten und ſchwirrt in eigenthümlich
zitternder Weiſe mit den Flügeln. Dies ſonderbare Gebahren iſt der Ausdruck ihrer Freude,
ihres Wohlbehagens, und der Bienenvater weiß ſicher, daß er beim Einſchlagen des Schwarmes
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/189>, abgerufen am 23.11.2024.
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