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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Spitzmäuschen. Dickkopfkäfer, Apoderus. Attelabus. Rhynchiten.
lang. Der Käfer erscheint für gewöhnlich von Mitte Mai ab in Deutschland und nördlicher bis
Schweden vorzugsweise auf Haselnußsträuchern, aber auch auf Buchen, Hainbuchen und Ellern,
und das befruchtete Weibchen fertigt eine oben und unten geschlossene Rolle aus einem Blatte,
etwa von dem Aussehen einer Geldtüte. Zu diesem Behufe schneidet es in einiger Entfernung
vom Blattstiele die eine Hälfte, die Mittelrippe, und von da noch etwas weiter in die zweite
Hälfte der Fläche in querer Richtung ein und wickelt den so entstandenen Fetzen in der Weise,
daß die Mittelrippe in der Längsachse liegt, die Spitze des Blattes und des Abschnittes desselben,
umgeschlagen und eingebogen, den untern und obern Verschluß bilden. Ein bis drei bernsteingelbe
Eierchen werden durch eine gezwickte Oessnung hineingelegt, und im Juli oder August finden sich
neben schwarzem, fadenförmigem Kothe die erwachsenen Larven, Puppen oder schon Käfer darin,
die sich herausfressen und gleich neue Rollen machen, in denen mit dem Laubfalle die Larven auf
den Boden gelangen, wo sie überwintern. Wenn Ratzeburg die Lebensgeschichte so erzählt, kann
ich ihm nicht widersprechen, weil ich sie selbst nicht beobachtete, aber glauben kann ich sie auch nicht;
es stoßen mir dabei mehrere Bedenken auf, welche zu finden dem denkenden Leser überlassen sein
mag. Die fünf Linien lange und eine Linie dicke Larve von dottergelber Farbe und, den Bauch
ausgenommen, ziemlich dichter Behaarung fällt durch die starken Brustwülste
[Abbildung] Männchen von
Apoderus longicollis.
und ungemein scharf hervortretenden Rückenwülste des vierten bis sechsten
Segments, sowie durch die kreisförmige Krümmung ihres Körpers auf. --
Eine javanische Art, der A. longicollis, steht der unsrigen sonst nahe und
wäre auch nicht größer, wenn sich der Hals nicht übermäßig verlängerte,
besonders beim Männchen, welches Fabricius für eine besondere Art hielt
und als A. cygnus in der Wissenschaft einführte, ein Schwan in Wahrheit,
was die Halsbildung anlangt. Jch konnte mir nicht versagen, dieses eigen-
thümliche Wesen vorzuführen.

Jn ganz ähnlicher Weise fertigt ein eben so großer, nahe verwandter
Käfer, der einzige seines Geschlechts in Europa, Namens Attelabus curcu-
lionoides,
an einem Stück Eichenblatt einen kurzen Cylinder, ein kleines
Döschen für jedes Ei, so angelegt, daß einiger Saftzufluß möglich und das zu frühe Abtrocknen
verhindert wird. Die erwachsene Larve arbeitet sich heraus, verpuppt sich im Schooße der Erde,
und im nächsten Frühjahre erscheint der Käfer. Derselbe ist stark gewölbt, glänzend schwarz, am
Halsschilde und den etwas gestreiften, unregelmäßig punktirten Flügeldecken roth. Der nicht hals-
artig verengte, mehr gesenkte Kopf, das bedeutend größere, vorn dickere Halsschild und die
glätteren, gleichfalls höher aufsteigenden Flügeldecken unterscheiden ihn auf den ersten Blick vom
Dickkopfkäfer.

Die beiden genannten Arten stehen mit der sinnreichen Gewohnheit, ihren Larven ein Häuschen
zu bauen, nicht vereinzelt da. Man kennt noch eine Anzahl anderer, welche darum Blattschneider
(Rhynchites) genannt wurden, obschon nicht alle Gattungsgenossen das Schneiderhandwerk betreiben.
Die Rhynchiten verbreiten sich mit Ausnahme Australiens über die ganze Erdoberfläche, vor-
zugsweise aber über die nördliche Halbkugel der alten Welt. Sie sind alle zeichnungslose Käfer
von durchschnittlich der Größe der vorigen, kommen aber auch kleiner vor und glänzen meist
metallisch in Blau, Grün, Kupferroth, Bronzebraun. Jhr kegelförmiger Kopf bleibt ohne hals-
artige Verengung, hat die Augen vorn an der Wurzel des Rüssels, dieser tritt mehr oder weniger
lang hervor, ist fadenförmig oder gedrungen, meist etwas gebogen und trägt ungefähr in seiner
Mitte die ungebrochenen, in eine dreigliederige, durchblätterte Keule allmälig verdickten Fühler.
Das Halsschild schnürt sich vorn und hinten ein, das Schildchen steht quer. Die Flügeldecken,
immer breiter als jenes, sind kürzer oder länger, mäßig gewölbt und runden sich hinten in einer
Weise ab, daß fast immer das Pygidium sichtbar bleibt. Die zapfenförmigen Hüften der Vorder-
beine berühren sich, nicht die kugeligen der übrigen. Der Rebenstecher (R. betuleti), blau,

Spitzmäuschen. Dickkopfkäfer, Apoderus. Attelabus. Rhynchiten.
lang. Der Käfer erſcheint für gewöhnlich von Mitte Mai ab in Deutſchland und nördlicher bis
Schweden vorzugsweiſe auf Haſelnußſträuchern, aber auch auf Buchen, Hainbuchen und Ellern,
und das befruchtete Weibchen fertigt eine oben und unten geſchloſſene Rolle aus einem Blatte,
etwa von dem Ausſehen einer Geldtüte. Zu dieſem Behufe ſchneidet es in einiger Entfernung
vom Blattſtiele die eine Hälfte, die Mittelrippe, und von da noch etwas weiter in die zweite
Hälfte der Fläche in querer Richtung ein und wickelt den ſo entſtandenen Fetzen in der Weiſe,
daß die Mittelrippe in der Längsachſe liegt, die Spitze des Blattes und des Abſchnittes deſſelben,
umgeſchlagen und eingebogen, den untern und obern Verſchluß bilden. Ein bis drei bernſteingelbe
Eierchen werden durch eine gezwickte Oeſſnung hineingelegt, und im Juli oder Auguſt finden ſich
neben ſchwarzem, fadenförmigem Kothe die erwachſenen Larven, Puppen oder ſchon Käfer darin,
die ſich herausfreſſen und gleich neue Rollen machen, in denen mit dem Laubfalle die Larven auf
den Boden gelangen, wo ſie überwintern. Wenn Ratzeburg die Lebensgeſchichte ſo erzählt, kann
ich ihm nicht widerſprechen, weil ich ſie ſelbſt nicht beobachtete, aber glauben kann ich ſie auch nicht;
es ſtoßen mir dabei mehrere Bedenken auf, welche zu finden dem denkenden Leſer überlaſſen ſein
mag. Die fünf Linien lange und eine Linie dicke Larve von dottergelber Farbe und, den Bauch
ausgenommen, ziemlich dichter Behaarung fällt durch die ſtarken Bruſtwülſte
[Abbildung] Männchen von
Apoderus longicollis.
und ungemein ſcharf hervortretenden Rückenwülſte des vierten bis ſechſten
Segments, ſowie durch die kreisförmige Krümmung ihres Körpers auf. —
Eine javaniſche Art, der A. longicollis, ſteht der unſrigen ſonſt nahe und
wäre auch nicht größer, wenn ſich der Hals nicht übermäßig verlängerte,
beſonders beim Männchen, welches Fabricius für eine beſondere Art hielt
und als A. cygnus in der Wiſſenſchaft einführte, ein Schwan in Wahrheit,
was die Halsbildung anlangt. Jch konnte mir nicht verſagen, dieſes eigen-
thümliche Weſen vorzuführen.

Jn ganz ähnlicher Weiſe fertigt ein eben ſo großer, nahe verwandter
Käfer, der einzige ſeines Geſchlechts in Europa, Namens Attelabus curcu-
lionoides,
an einem Stück Eichenblatt einen kurzen Cylinder, ein kleines
Döschen für jedes Ei, ſo angelegt, daß einiger Saftzufluß möglich und das zu frühe Abtrocknen
verhindert wird. Die erwachſene Larve arbeitet ſich heraus, verpuppt ſich im Schooße der Erde,
und im nächſten Frühjahre erſcheint der Käfer. Derſelbe iſt ſtark gewölbt, glänzend ſchwarz, am
Halsſchilde und den etwas geſtreiften, unregelmäßig punktirten Flügeldecken roth. Der nicht hals-
artig verengte, mehr geſenkte Kopf, das bedeutend größere, vorn dickere Halsſchild und die
glätteren, gleichfalls höher aufſteigenden Flügeldecken unterſcheiden ihn auf den erſten Blick vom
Dickkopfkäfer.

Die beiden genannten Arten ſtehen mit der ſinnreichen Gewohnheit, ihren Larven ein Häuschen
zu bauen, nicht vereinzelt da. Man kennt noch eine Anzahl anderer, welche darum Blattſchneider
(Rhynchites) genannt wurden, obſchon nicht alle Gattungsgenoſſen das Schneiderhandwerk betreiben.
Die Rhynchiten verbreiten ſich mit Ausnahme Auſtraliens über die ganze Erdoberfläche, vor-
zugsweiſe aber über die nördliche Halbkugel der alten Welt. Sie ſind alle zeichnungsloſe Käfer
von durchſchnittlich der Größe der vorigen, kommen aber auch kleiner vor und glänzen meiſt
metalliſch in Blau, Grün, Kupferroth, Bronzebraun. Jhr kegelförmiger Kopf bleibt ohne hals-
artige Verengung, hat die Augen vorn an der Wurzel des Rüſſels, dieſer tritt mehr oder weniger
lang hervor, iſt fadenförmig oder gedrungen, meiſt etwas gebogen und trägt ungefähr in ſeiner
Mitte die ungebrochenen, in eine dreigliederige, durchblätterte Keule allmälig verdickten Fühler.
Das Halsſchild ſchnürt ſich vorn und hinten ein, das Schildchen ſteht quer. Die Flügeldecken,
immer breiter als jenes, ſind kürzer oder länger, mäßig gewölbt und runden ſich hinten in einer
Weiſe ab, daß faſt immer das Pygidium ſichtbar bleibt. Die zapfenförmigen Hüften der Vorder-
beine berühren ſich, nicht die kugeligen der übrigen. Der Rebenſtecher (R. betuleti), blau,

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[119/0137] Spitzmäuschen. Dickkopfkäfer, Apoderus. Attelabus. Rhynchiten. lang. Der Käfer erſcheint für gewöhnlich von Mitte Mai ab in Deutſchland und nördlicher bis Schweden vorzugsweiſe auf Haſelnußſträuchern, aber auch auf Buchen, Hainbuchen und Ellern, und das befruchtete Weibchen fertigt eine oben und unten geſchloſſene Rolle aus einem Blatte, etwa von dem Ausſehen einer Geldtüte. Zu dieſem Behufe ſchneidet es in einiger Entfernung vom Blattſtiele die eine Hälfte, die Mittelrippe, und von da noch etwas weiter in die zweite Hälfte der Fläche in querer Richtung ein und wickelt den ſo entſtandenen Fetzen in der Weiſe, daß die Mittelrippe in der Längsachſe liegt, die Spitze des Blattes und des Abſchnittes deſſelben, umgeſchlagen und eingebogen, den untern und obern Verſchluß bilden. Ein bis drei bernſteingelbe Eierchen werden durch eine gezwickte Oeſſnung hineingelegt, und im Juli oder Auguſt finden ſich neben ſchwarzem, fadenförmigem Kothe die erwachſenen Larven, Puppen oder ſchon Käfer darin, die ſich herausfreſſen und gleich neue Rollen machen, in denen mit dem Laubfalle die Larven auf den Boden gelangen, wo ſie überwintern. Wenn Ratzeburg die Lebensgeſchichte ſo erzählt, kann ich ihm nicht widerſprechen, weil ich ſie ſelbſt nicht beobachtete, aber glauben kann ich ſie auch nicht; es ſtoßen mir dabei mehrere Bedenken auf, welche zu finden dem denkenden Leſer überlaſſen ſein mag. Die fünf Linien lange und eine Linie dicke Larve von dottergelber Farbe und, den Bauch ausgenommen, ziemlich dichter Behaarung fällt durch die ſtarken Bruſtwülſte [Abbildung Männchen von Apoderus longicollis.] und ungemein ſcharf hervortretenden Rückenwülſte des vierten bis ſechſten Segments, ſowie durch die kreisförmige Krümmung ihres Körpers auf. — Eine javaniſche Art, der A. longicollis, ſteht der unſrigen ſonſt nahe und wäre auch nicht größer, wenn ſich der Hals nicht übermäßig verlängerte, beſonders beim Männchen, welches Fabricius für eine beſondere Art hielt und als A. cygnus in der Wiſſenſchaft einführte, ein Schwan in Wahrheit, was die Halsbildung anlangt. Jch konnte mir nicht verſagen, dieſes eigen- thümliche Weſen vorzuführen. Jn ganz ähnlicher Weiſe fertigt ein eben ſo großer, nahe verwandter Käfer, der einzige ſeines Geſchlechts in Europa, Namens Attelabus curcu- lionoides, an einem Stück Eichenblatt einen kurzen Cylinder, ein kleines Döschen für jedes Ei, ſo angelegt, daß einiger Saftzufluß möglich und das zu frühe Abtrocknen verhindert wird. Die erwachſene Larve arbeitet ſich heraus, verpuppt ſich im Schooße der Erde, und im nächſten Frühjahre erſcheint der Käfer. Derſelbe iſt ſtark gewölbt, glänzend ſchwarz, am Halsſchilde und den etwas geſtreiften, unregelmäßig punktirten Flügeldecken roth. Der nicht hals- artig verengte, mehr geſenkte Kopf, das bedeutend größere, vorn dickere Halsſchild und die glätteren, gleichfalls höher aufſteigenden Flügeldecken unterſcheiden ihn auf den erſten Blick vom Dickkopfkäfer. Die beiden genannten Arten ſtehen mit der ſinnreichen Gewohnheit, ihren Larven ein Häuschen zu bauen, nicht vereinzelt da. Man kennt noch eine Anzahl anderer, welche darum Blattſchneider (Rhynchites) genannt wurden, obſchon nicht alle Gattungsgenoſſen das Schneiderhandwerk betreiben. Die Rhynchiten verbreiten ſich mit Ausnahme Auſtraliens über die ganze Erdoberfläche, vor- zugsweiſe aber über die nördliche Halbkugel der alten Welt. Sie ſind alle zeichnungsloſe Käfer von durchſchnittlich der Größe der vorigen, kommen aber auch kleiner vor und glänzen meiſt metalliſch in Blau, Grün, Kupferroth, Bronzebraun. Jhr kegelförmiger Kopf bleibt ohne hals- artige Verengung, hat die Augen vorn an der Wurzel des Rüſſels, dieſer tritt mehr oder weniger lang hervor, iſt fadenförmig oder gedrungen, meiſt etwas gebogen und trägt ungefähr in ſeiner Mitte die ungebrochenen, in eine dreigliederige, durchblätterte Keule allmälig verdickten Fühler. Das Halsſchild ſchnürt ſich vorn und hinten ein, das Schildchen ſteht quer. Die Flügeldecken, immer breiter als jenes, ſind kürzer oder länger, mäßig gewölbt und runden ſich hinten in einer Weiſe ab, daß faſt immer das Pygidium ſichtbar bleibt. Die zapfenförmigen Hüften der Vorder- beine berühren ſich, nicht die kugeligen der übrigen. Der Rebenſtecher (R. betuleti), blau,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/137>, abgerufen am 23.11.2024.