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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Larve des Warzenkäfers.
warme Tage, dort hatten Holzhauer durch Abholzen eines Rothtannen- und Buchenbestandes den
nicht gefrornen Boden aufgewühlt und gelockert. Allemal ward ein sehr heftiger, zum Theil
orkanartiger Sturm beobachtet, der diese Thierchen mit noch manchen anderen, welche ebenso leben
und in jenen Berichten theilweise auch namhaft gemacht werden, aber stets der Menge nach weit
hinter jenen "Schneewürmern" zurückblieben, fortführte und zwar nach Schneefeldern hin, wo man
sie leicht bemerkte. Ganz dieselben Umstände mögen öfter zusammenkommen, aber die weiße
Schneedecke fehlt
und man beobachtet keinen "Regen von Jnsekten", und doch ist's leicht möglich,
daß auf derselben Fläche dieselben Massen von ihnen liegen. Ein anderes Mal treffen wieder alle
jene Nebenumstände zusammen, auch die Schneedecke fehlt nicht, aber die Jnsekten bleiben aus,
weil sie in dem Jahre gerade in so geringer Zahl vorhanden gewesen sind, daß das eine und
andere, welches der Sturm vor sich herjagte, unbemerkt bleibt. Das Wunder ist also gelöst und
der natürliche Zusammenhang aufgeklärt.

Es fragt sich nun noch, von welchen "Würmern" werden uns solche natürliche Dinge erzählt?
Wir brauchen sie uns nicht aus Ungarn, Schweden oder der Schweiz zu verschreiben, auch brauchen
wir keinen vermeintlichen Jnsektenregen abzuwarten, um sie näher kennen zu lernen. Wenden wir
nur einen etwas größern Stein um an einem Raine, Holzrande, Gartenzaune, oder an einem
ähnlichen Orte, so finden wir unter anderen, wenn es Winter ist, in einer runden Grube, mit
etwas Erde bedeckt, in halbmondförmiger Lage ein sammetschwarzes Thierchen der Erstarrung
anheimgefallen, oder, wenn wir die mildere Witterung nach demselben abwarteten, außerhalb des
Lagers damit beschäftigt, unter dem Steine sich diesen und jenen kleinern Schlafgenossen zur
Beute auszulesen; auch begegnet es uns wohl auf dem Wege, um ein eben todtgetretenes Käferchen
auszusaugen. Wo wir es auch antreffen mögen, immer erkennen wir es gleich vor den anderen
durch den dunkeln, sammetartigen Filz, mit welchem es dicht und so überzogen ist, daß nur die
vordere Hälfte des Kopfes davon frei bleibt. Derselbe ist platt, hornig, hat zwei Augen, ein
Paar kurze, dreigliederige Fühler, kein Kopfschild und keine Oberlippe, kurze kräftige Kinnbacken
mit starkem Zahne in der Mitte, dreigliederige Taster der in einen halbkreisförmigen Ausschnitt
eingefügten Kinnladen, und zweigliederige der ziemlich großen Unterlippe. Die kurzen Beine an
den drei ersten Leibesringen beweisen uns in Verbindung mit den bereits angegebenen Merkmalen,
daß wir es mit keinem Wurme, sondern mit einer Käferlarve zu thun haben. Ende März,
Anfangs April mochte es fein, als ich in einem Jahre diese Larven nicht selten antraf und wahr-
nahm, wie eine oder die andere einen Regenwurm faßte, oder eine Schnakenlarve und sich so fest
in ihren Raub einbiß, daß sie sich mit demselben in die Höhe heben ließ. Sie saugen ihn zunächst
aus und verzehren ihn schließlich auch wohl ganz. Vor Zeiten, als ich diese Thiere noch nicht
kannte und sie öfter beim Raupensuchen im Frühjahre antraf, sammelte ich gelegentlich eine Partie
mit ein, um sie weiter zu beobachten. Als ich nach Hause kam, hatten sie bedeutende Verheerungen
unter den Raupen angerichtet, mit denen ich sie unvorsichtiger Weise zusammen eingeschachtelt
hatte; kaum eine war noch gesund, die meisten angebissen und halbtodt. Es sind also nützliche
Thiere und stehen im Dienste des Garten- und Landbebauers. Jm April oder Mai werden sie
ungeschickt im Kriechen, wälzen sich hin und her, verkürzen sich allmälig und liegen fünf bis sechs
Tage an solchen Stellen, wo sie ihren Winterschlaf hielten, dann streifen sie die Haut ab und
werden zu einer blaßrothen, etwas nach vorn gekrümmten Puppe mit schwarzen Augen.

Wenn der Frühling seinen ganzen Reichthum entfaltet, der Schwarzdorn den Schnee seiner
zarten Blüthchen schon in alle Winde ausgestreut und seinem Bruder, dem Weißdorn, den Preis
der Schönheit abgetreten hat, wenn die Schwalben ihre alten Nester schon wieder aufgefunden
und für die junge Brut wohnlich eingerichtet haben und Tausende von Jnsekten ihre winterlichen
Schlupfwinkel längst verließen, oder andere der zerbrechlichen Puppenhülle entschlüpft sind: dann
stellt sich mit ihnen auch ein schlanker, schwarzer, nicht eben schöner Käfer ein und belagert die
Blumen, die ihm in reicher Auswahl erschlossen sind, besonders die Blüthen der zahlreichen

Larve des Warzenkäfers.
warme Tage, dort hatten Holzhauer durch Abholzen eines Rothtannen- und Buchenbeſtandes den
nicht gefrornen Boden aufgewühlt und gelockert. Allemal ward ein ſehr heftiger, zum Theil
orkanartiger Sturm beobachtet, der dieſe Thierchen mit noch manchen anderen, welche ebenſo leben
und in jenen Berichten theilweiſe auch namhaft gemacht werden, aber ſtets der Menge nach weit
hinter jenen „Schneewürmern“ zurückblieben, fortführte und zwar nach Schneefeldern hin, wo man
ſie leicht bemerkte. Ganz dieſelben Umſtände mögen öfter zuſammenkommen, aber die weiße
Schneedecke fehlt
und man beobachtet keinen „Regen von Jnſekten“, und doch iſt’s leicht möglich,
daß auf derſelben Fläche dieſelben Maſſen von ihnen liegen. Ein anderes Mal treffen wieder alle
jene Nebenumſtände zuſammen, auch die Schneedecke fehlt nicht, aber die Jnſekten bleiben aus,
weil ſie in dem Jahre gerade in ſo geringer Zahl vorhanden geweſen ſind, daß das eine und
andere, welches der Sturm vor ſich herjagte, unbemerkt bleibt. Das Wunder iſt alſo gelöſt und
der natürliche Zuſammenhang aufgeklärt.

Es fragt ſich nun noch, von welchen „Würmern“ werden uns ſolche natürliche Dinge erzählt?
Wir brauchen ſie uns nicht aus Ungarn, Schweden oder der Schweiz zu verſchreiben, auch brauchen
wir keinen vermeintlichen Jnſektenregen abzuwarten, um ſie näher kennen zu lernen. Wenden wir
nur einen etwas größern Stein um an einem Raine, Holzrande, Gartenzaune, oder an einem
ähnlichen Orte, ſo finden wir unter anderen, wenn es Winter iſt, in einer runden Grube, mit
etwas Erde bedeckt, in halbmondförmiger Lage ein ſammetſchwarzes Thierchen der Erſtarrung
anheimgefallen, oder, wenn wir die mildere Witterung nach demſelben abwarteten, außerhalb des
Lagers damit beſchäftigt, unter dem Steine ſich dieſen und jenen kleinern Schlafgenoſſen zur
Beute auszuleſen; auch begegnet es uns wohl auf dem Wege, um ein eben todtgetretenes Käferchen
auszuſaugen. Wo wir es auch antreffen mögen, immer erkennen wir es gleich vor den anderen
durch den dunkeln, ſammetartigen Filz, mit welchem es dicht und ſo überzogen iſt, daß nur die
vordere Hälfte des Kopfes davon frei bleibt. Derſelbe iſt platt, hornig, hat zwei Augen, ein
Paar kurze, dreigliederige Fühler, kein Kopfſchild und keine Oberlippe, kurze kräftige Kinnbacken
mit ſtarkem Zahne in der Mitte, dreigliederige Taſter der in einen halbkreisförmigen Ausſchnitt
eingefügten Kinnladen, und zweigliederige der ziemlich großen Unterlippe. Die kurzen Beine an
den drei erſten Leibesringen beweiſen uns in Verbindung mit den bereits angegebenen Merkmalen,
daß wir es mit keinem Wurme, ſondern mit einer Käferlarve zu thun haben. Ende März,
Anfangs April mochte es fein, als ich in einem Jahre dieſe Larven nicht ſelten antraf und wahr-
nahm, wie eine oder die andere einen Regenwurm faßte, oder eine Schnakenlarve und ſich ſo feſt
in ihren Raub einbiß, daß ſie ſich mit demſelben in die Höhe heben ließ. Sie ſaugen ihn zunächſt
aus und verzehren ihn ſchließlich auch wohl ganz. Vor Zeiten, als ich dieſe Thiere noch nicht
kannte und ſie öfter beim Raupenſuchen im Frühjahre antraf, ſammelte ich gelegentlich eine Partie
mit ein, um ſie weiter zu beobachten. Als ich nach Hauſe kam, hatten ſie bedeutende Verheerungen
unter den Raupen angerichtet, mit denen ich ſie unvorſichtiger Weiſe zuſammen eingeſchachtelt
hatte; kaum eine war noch geſund, die meiſten angebiſſen und halbtodt. Es ſind alſo nützliche
Thiere und ſtehen im Dienſte des Garten- und Landbebauers. Jm April oder Mai werden ſie
ungeſchickt im Kriechen, wälzen ſich hin und her, verkürzen ſich allmälig und liegen fünf bis ſechs
Tage an ſolchen Stellen, wo ſie ihren Winterſchlaf hielten, dann ſtreifen ſie die Haut ab und
werden zu einer blaßrothen, etwas nach vorn gekrümmten Puppe mit ſchwarzen Augen.

Wenn der Frühling ſeinen ganzen Reichthum entfaltet, der Schwarzdorn den Schnee ſeiner
zarten Blüthchen ſchon in alle Winde ausgeſtreut und ſeinem Bruder, dem Weißdorn, den Preis
der Schönheit abgetreten hat, wenn die Schwalben ihre alten Neſter ſchon wieder aufgefunden
und für die junge Brut wohnlich eingerichtet haben und Tauſende von Jnſekten ihre winterlichen
Schlupfwinkel längſt verließen, oder andere der zerbrechlichen Puppenhülle entſchlüpft ſind: dann
ſtellt ſich mit ihnen auch ein ſchlanker, ſchwarzer, nicht eben ſchöner Käfer ein und belagert die
Blumen, die ihm in reicher Auswahl erſchloſſen ſind, beſonders die Blüthen der zahlreichen

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[93/0111] Larve des Warzenkäfers. warme Tage, dort hatten Holzhauer durch Abholzen eines Rothtannen- und Buchenbeſtandes den nicht gefrornen Boden aufgewühlt und gelockert. Allemal ward ein ſehr heftiger, zum Theil orkanartiger Sturm beobachtet, der dieſe Thierchen mit noch manchen anderen, welche ebenſo leben und in jenen Berichten theilweiſe auch namhaft gemacht werden, aber ſtets der Menge nach weit hinter jenen „Schneewürmern“ zurückblieben, fortführte und zwar nach Schneefeldern hin, wo man ſie leicht bemerkte. Ganz dieſelben Umſtände mögen öfter zuſammenkommen, aber die weiße Schneedecke fehlt und man beobachtet keinen „Regen von Jnſekten“, und doch iſt’s leicht möglich, daß auf derſelben Fläche dieſelben Maſſen von ihnen liegen. Ein anderes Mal treffen wieder alle jene Nebenumſtände zuſammen, auch die Schneedecke fehlt nicht, aber die Jnſekten bleiben aus, weil ſie in dem Jahre gerade in ſo geringer Zahl vorhanden geweſen ſind, daß das eine und andere, welches der Sturm vor ſich herjagte, unbemerkt bleibt. Das Wunder iſt alſo gelöſt und der natürliche Zuſammenhang aufgeklärt. Es fragt ſich nun noch, von welchen „Würmern“ werden uns ſolche natürliche Dinge erzählt? Wir brauchen ſie uns nicht aus Ungarn, Schweden oder der Schweiz zu verſchreiben, auch brauchen wir keinen vermeintlichen Jnſektenregen abzuwarten, um ſie näher kennen zu lernen. Wenden wir nur einen etwas größern Stein um an einem Raine, Holzrande, Gartenzaune, oder an einem ähnlichen Orte, ſo finden wir unter anderen, wenn es Winter iſt, in einer runden Grube, mit etwas Erde bedeckt, in halbmondförmiger Lage ein ſammetſchwarzes Thierchen der Erſtarrung anheimgefallen, oder, wenn wir die mildere Witterung nach demſelben abwarteten, außerhalb des Lagers damit beſchäftigt, unter dem Steine ſich dieſen und jenen kleinern Schlafgenoſſen zur Beute auszuleſen; auch begegnet es uns wohl auf dem Wege, um ein eben todtgetretenes Käferchen auszuſaugen. Wo wir es auch antreffen mögen, immer erkennen wir es gleich vor den anderen durch den dunkeln, ſammetartigen Filz, mit welchem es dicht und ſo überzogen iſt, daß nur die vordere Hälfte des Kopfes davon frei bleibt. Derſelbe iſt platt, hornig, hat zwei Augen, ein Paar kurze, dreigliederige Fühler, kein Kopfſchild und keine Oberlippe, kurze kräftige Kinnbacken mit ſtarkem Zahne in der Mitte, dreigliederige Taſter der in einen halbkreisförmigen Ausſchnitt eingefügten Kinnladen, und zweigliederige der ziemlich großen Unterlippe. Die kurzen Beine an den drei erſten Leibesringen beweiſen uns in Verbindung mit den bereits angegebenen Merkmalen, daß wir es mit keinem Wurme, ſondern mit einer Käferlarve zu thun haben. Ende März, Anfangs April mochte es fein, als ich in einem Jahre dieſe Larven nicht ſelten antraf und wahr- nahm, wie eine oder die andere einen Regenwurm faßte, oder eine Schnakenlarve und ſich ſo feſt in ihren Raub einbiß, daß ſie ſich mit demſelben in die Höhe heben ließ. Sie ſaugen ihn zunächſt aus und verzehren ihn ſchließlich auch wohl ganz. Vor Zeiten, als ich dieſe Thiere noch nicht kannte und ſie öfter beim Raupenſuchen im Frühjahre antraf, ſammelte ich gelegentlich eine Partie mit ein, um ſie weiter zu beobachten. Als ich nach Hauſe kam, hatten ſie bedeutende Verheerungen unter den Raupen angerichtet, mit denen ich ſie unvorſichtiger Weiſe zuſammen eingeſchachtelt hatte; kaum eine war noch geſund, die meiſten angebiſſen und halbtodt. Es ſind alſo nützliche Thiere und ſtehen im Dienſte des Garten- und Landbebauers. Jm April oder Mai werden ſie ungeſchickt im Kriechen, wälzen ſich hin und her, verkürzen ſich allmälig und liegen fünf bis ſechs Tage an ſolchen Stellen, wo ſie ihren Winterſchlaf hielten, dann ſtreifen ſie die Haut ab und werden zu einer blaßrothen, etwas nach vorn gekrümmten Puppe mit ſchwarzen Augen. Wenn der Frühling ſeinen ganzen Reichthum entfaltet, der Schwarzdorn den Schnee ſeiner zarten Blüthchen ſchon in alle Winde ausgeſtreut und ſeinem Bruder, dem Weißdorn, den Preis der Schönheit abgetreten hat, wenn die Schwalben ihre alten Neſter ſchon wieder aufgefunden und für die junge Brut wohnlich eingerichtet haben und Tauſende von Jnſekten ihre winterlichen Schlupfwinkel längſt verließen, oder andere der zerbrechlichen Puppenhülle entſchlüpft ſind: dann ſtellt ſich mit ihnen auch ein ſchlanker, ſchwarzer, nicht eben ſchöner Käfer ein und belagert die Blumen, die ihm in reicher Auswahl erſchloſſen ſind, beſonders die Blüthen der zahlreichen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/111>, abgerufen am 30.04.2024.