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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Käfer. Weichkäfer.
Art trichterförmiger Vertiefung umschließen, bilden einen Reinigungsapparat. Das Thier,
welches, wie die übrigen, von Schnecken lebt, die es in seiner Gefräßigkeit in Menge aufzehrt,
betupft mit jenem Pinsel die Körpertheile und saugt damit den Schmuz, den Schleim der
Schnecken etc. auf. Jm Mai oder Juni verpuppen sich die überwinterten Larven, und nach kurzer
Puppenruhe kommen die Leuchtwürmchen daraus hervor, welche nach Johannis bis in den
September hinein angetroffen werden.

Die Leuchtkäfer, welche über alle Länder der Erde verbreitet sind, leben am zahlreichsten im
südlichen Amerika in den verschiedensten Formen, die meisten jedoch in beiden Geschlechtern beflügelt
und alle darin übereinstimmend, daß sich der Kopf unter dem schildartig ausgebreiteten Prothorar
meist ganz versteckt, die Taster kräftig, die Fühler der Stirn eingelenkt sind, daß die Mittelhüften
der zusammengedrückten Beine sich berühren und daß am Hinterleibe einige der Ringe durch lichte
Flecke den Sitz des Leuchtvermögens anzeigen. Die Licht verbreitenden Organe, welche also im
Abdomen liegen, bestehen aus zahlreichen, in zartwandigen Kapseln eingeschlossenen vielseitigen Zellen,
welche theils durchsichtig sind, theils eine feinkörnige Masse enthalten, und aus einem dichten Netze
zarter Verästelungen der Luftröhren. Kölliker meint nun, die durchsichtigen Zellen seien die
leuchtenden Elemente, und das Leuchten selbst werde vom Willen des Thieres und den dahin
gehenden Nerven bedingt; Matteucci dagegen glaubt, daß die Leuchtsubstanz auf Kosten des
durch die Luftröhren zugeführten Sauerstoffes verbrenne. So viel ist gewiß, daß die im Ruhe-
zustande nur mäßige Leuchtkraft durch den lebhaften Flug und Reize, welche von außen auf die
Thiere einwirken, bedeutend gesteigert wird, bei Ueberreiz jedoch wieder nachläßt, und daß ferner
auch die Larven, aber unvollkommener, leuchten.

Mancher meiner Leser hat vielleicht schon Notiz genommen von einem Berichte, welchen die
Zeitungen bisweilen über die "Schneewürmer" bringen, die mit dem ersten Winterregen auf
den Schnee gefallen sein sollen. Schon 1672 wurde diese Erscheinung am 20. November in Ungarn
bemerkt und sorgfältig aufgezeichnet; ein gleiches Wunder ereignete sich, wie Degner erzählt,
im Januar 1749 an verschiedenen schwedischen Orten, und es wird dabei des Umstandes gedacht, daß
man schon früher solche Würmer einzeln mitten auf dem Eise und Schnee eines Sees gefunden
habe, so daß also der Wind sie offenbar fortgeführt haben müsse. Am Ausgange eines sehr
strengen Winters (11. Februar 1799) erregte jene Erscheinung im Rheingau, an der Vergstraße,
bei Offenbach, Bingen u. s. w. solches Aufsehen, daß die darauf bezüglichen Aussagen von dem
Kantonsgerichte in Stromberg von Personen zu Protokoll gegeben wurden, welche an jenem Tage
das Herabregnen der Jnsekten im Freien gesehen haben wollten. Daß der Aberglaube, der immer
aus ungewohnten Naturerscheinungen eine Ankündigung der Strafgerichte des guten Gottes heraus-
zulesen gewohnt ist, auch damals die untrüglichsten Vorbedeutungen von Pestilenz, Hungersnoth
und allen Schrecknissen eines neuen Krieges in jenen zum Theil übertriebenen Gerüchten erkannte,
läßt sich wohl erwarten. Jm Februar 1811 wurden dieselben "Würmer" in Sachsen und am
30. Januar 1856 in der Schweiz beobachtet. Hier, besonders in Mollis (Glarus) trieben sie sich
in einer Größe von 1/2 bis 3/4 Zoll auf einer nahe anderthalb Fuß tiefen Schneedecke eines
25--30,000 Quadratruthen haltenden Flächenraumes in solcher Menge umher, daß ungefähr fünf
bis sechs Stück auf die Quadratklafter kamen, ja in der Nähe des Waldes zwölf bis fünfzehn.
Einzelne fanden sich sogar auf den Dächern des Dorfes. Jn allen angeführten Fällen gab es
eine vernünftige Erklärung der an sich wunderbaren Erscheinung, wenn man sie nur suchte. Die
Berichte über die Nebenumstände, welche man dabei beobachtete, stimmen alle darin überein, daß
jene "Würmer", die wir gleich näher kennen lernen werden, und von denen zunächst bemerkt sein
mag, daß sie unter Steinen, Laub, oder an Baumwurzeln überwintern, durch die verschiedensten
Veranlassungen in ihrer Ruhe gestört, aus ihren Schlupfwinkeln vertrieben worden waren. Hier
geschah es durch große Nässe in Folge anhaltender Regengüsse, oder durch einige verhältnißmäßig

Die Käfer. Weichkäfer.
Art trichterförmiger Vertiefung umſchließen, bilden einen Reinigungsapparat. Das Thier,
welches, wie die übrigen, von Schnecken lebt, die es in ſeiner Gefräßigkeit in Menge aufzehrt,
betupft mit jenem Pinſel die Körpertheile und ſaugt damit den Schmuz, den Schleim der
Schnecken ꝛc. auf. Jm Mai oder Juni verpuppen ſich die überwinterten Larven, und nach kurzer
Puppenruhe kommen die Leuchtwürmchen daraus hervor, welche nach Johannis bis in den
September hinein angetroffen werden.

Die Leuchtkäfer, welche über alle Länder der Erde verbreitet ſind, leben am zahlreichſten im
ſüdlichen Amerika in den verſchiedenſten Formen, die meiſten jedoch in beiden Geſchlechtern beflügelt
und alle darin übereinſtimmend, daß ſich der Kopf unter dem ſchildartig ausgebreiteten Prothorar
meiſt ganz verſteckt, die Taſter kräftig, die Fühler der Stirn eingelenkt ſind, daß die Mittelhüften
der zuſammengedrückten Beine ſich berühren und daß am Hinterleibe einige der Ringe durch lichte
Flecke den Sitz des Leuchtvermögens anzeigen. Die Licht verbreitenden Organe, welche alſo im
Abdomen liegen, beſtehen aus zahlreichen, in zartwandigen Kapſeln eingeſchloſſenen vielſeitigen Zellen,
welche theils durchſichtig ſind, theils eine feinkörnige Maſſe enthalten, und aus einem dichten Netze
zarter Veräſtelungen der Luftröhren. Kölliker meint nun, die durchſichtigen Zellen ſeien die
leuchtenden Elemente, und das Leuchten ſelbſt werde vom Willen des Thieres und den dahin
gehenden Nerven bedingt; Matteucci dagegen glaubt, daß die Leuchtſubſtanz auf Koſten des
durch die Luftröhren zugeführten Sauerſtoffes verbrenne. So viel iſt gewiß, daß die im Ruhe-
zuſtande nur mäßige Leuchtkraft durch den lebhaften Flug und Reize, welche von außen auf die
Thiere einwirken, bedeutend geſteigert wird, bei Ueberreiz jedoch wieder nachläßt, und daß ferner
auch die Larven, aber unvollkommener, leuchten.

Mancher meiner Leſer hat vielleicht ſchon Notiz genommen von einem Berichte, welchen die
Zeitungen bisweilen über die „Schneewürmer“ bringen, die mit dem erſten Winterregen auf
den Schnee gefallen ſein ſollen. Schon 1672 wurde dieſe Erſcheinung am 20. November in Ungarn
bemerkt und ſorgfältig aufgezeichnet; ein gleiches Wunder ereignete ſich, wie Degner erzählt,
im Januar 1749 an verſchiedenen ſchwediſchen Orten, und es wird dabei des Umſtandes gedacht, daß
man ſchon früher ſolche Würmer einzeln mitten auf dem Eiſe und Schnee eines Sees gefunden
habe, ſo daß alſo der Wind ſie offenbar fortgeführt haben müſſe. Am Ausgange eines ſehr
ſtrengen Winters (11. Februar 1799) erregte jene Erſcheinung im Rheingau, an der Vergſtraße,
bei Offenbach, Bingen u. ſ. w. ſolches Aufſehen, daß die darauf bezüglichen Ausſagen von dem
Kantonsgerichte in Stromberg von Perſonen zu Protokoll gegeben wurden, welche an jenem Tage
das Herabregnen der Jnſekten im Freien geſehen haben wollten. Daß der Aberglaube, der immer
aus ungewohnten Naturerſcheinungen eine Ankündigung der Strafgerichte des guten Gottes heraus-
zuleſen gewohnt iſt, auch damals die untrüglichſten Vorbedeutungen von Peſtilenz, Hungersnoth
und allen Schreckniſſen eines neuen Krieges in jenen zum Theil übertriebenen Gerüchten erkannte,
läßt ſich wohl erwarten. Jm Februar 1811 wurden dieſelben „Würmer“ in Sachſen und am
30. Januar 1856 in der Schweiz beobachtet. Hier, beſonders in Mollis (Glarus) trieben ſie ſich
in einer Größe von ½ bis ¾ Zoll auf einer nahe anderthalb Fuß tiefen Schneedecke eines
25—30,000 Quadratruthen haltenden Flächenraumes in ſolcher Menge umher, daß ungefähr fünf
bis ſechs Stück auf die Quadratklafter kamen, ja in der Nähe des Waldes zwölf bis fünfzehn.
Einzelne fanden ſich ſogar auf den Dächern des Dorfes. Jn allen angeführten Fällen gab es
eine vernünftige Erklärung der an ſich wunderbaren Erſcheinung, wenn man ſie nur ſuchte. Die
Berichte über die Nebenumſtände, welche man dabei beobachtete, ſtimmen alle darin überein, daß
jene „Würmer“, die wir gleich näher kennen lernen werden, und von denen zunächſt bemerkt ſein
mag, daß ſie unter Steinen, Laub, oder an Baumwurzeln überwintern, durch die verſchiedenſten
Veranlaſſungen in ihrer Ruhe geſtört, aus ihren Schlupfwinkeln vertrieben worden waren. Hier
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[92/0110] Die Käfer. Weichkäfer. Art trichterförmiger Vertiefung umſchließen, bilden einen Reinigungsapparat. Das Thier, welches, wie die übrigen, von Schnecken lebt, die es in ſeiner Gefräßigkeit in Menge aufzehrt, betupft mit jenem Pinſel die Körpertheile und ſaugt damit den Schmuz, den Schleim der Schnecken ꝛc. auf. Jm Mai oder Juni verpuppen ſich die überwinterten Larven, und nach kurzer Puppenruhe kommen die Leuchtwürmchen daraus hervor, welche nach Johannis bis in den September hinein angetroffen werden. Die Leuchtkäfer, welche über alle Länder der Erde verbreitet ſind, leben am zahlreichſten im ſüdlichen Amerika in den verſchiedenſten Formen, die meiſten jedoch in beiden Geſchlechtern beflügelt und alle darin übereinſtimmend, daß ſich der Kopf unter dem ſchildartig ausgebreiteten Prothorar meiſt ganz verſteckt, die Taſter kräftig, die Fühler der Stirn eingelenkt ſind, daß die Mittelhüften der zuſammengedrückten Beine ſich berühren und daß am Hinterleibe einige der Ringe durch lichte Flecke den Sitz des Leuchtvermögens anzeigen. Die Licht verbreitenden Organe, welche alſo im Abdomen liegen, beſtehen aus zahlreichen, in zartwandigen Kapſeln eingeſchloſſenen vielſeitigen Zellen, welche theils durchſichtig ſind, theils eine feinkörnige Maſſe enthalten, und aus einem dichten Netze zarter Veräſtelungen der Luftröhren. Kölliker meint nun, die durchſichtigen Zellen ſeien die leuchtenden Elemente, und das Leuchten ſelbſt werde vom Willen des Thieres und den dahin gehenden Nerven bedingt; Matteucci dagegen glaubt, daß die Leuchtſubſtanz auf Koſten des durch die Luftröhren zugeführten Sauerſtoffes verbrenne. So viel iſt gewiß, daß die im Ruhe- zuſtande nur mäßige Leuchtkraft durch den lebhaften Flug und Reize, welche von außen auf die Thiere einwirken, bedeutend geſteigert wird, bei Ueberreiz jedoch wieder nachläßt, und daß ferner auch die Larven, aber unvollkommener, leuchten. Mancher meiner Leſer hat vielleicht ſchon Notiz genommen von einem Berichte, welchen die Zeitungen bisweilen über die „Schneewürmer“ bringen, die mit dem erſten Winterregen auf den Schnee gefallen ſein ſollen. Schon 1672 wurde dieſe Erſcheinung am 20. November in Ungarn bemerkt und ſorgfältig aufgezeichnet; ein gleiches Wunder ereignete ſich, wie Degner erzählt, im Januar 1749 an verſchiedenen ſchwediſchen Orten, und es wird dabei des Umſtandes gedacht, daß man ſchon früher ſolche Würmer einzeln mitten auf dem Eiſe und Schnee eines Sees gefunden habe, ſo daß alſo der Wind ſie offenbar fortgeführt haben müſſe. Am Ausgange eines ſehr ſtrengen Winters (11. Februar 1799) erregte jene Erſcheinung im Rheingau, an der Vergſtraße, bei Offenbach, Bingen u. ſ. w. ſolches Aufſehen, daß die darauf bezüglichen Ausſagen von dem Kantonsgerichte in Stromberg von Perſonen zu Protokoll gegeben wurden, welche an jenem Tage das Herabregnen der Jnſekten im Freien geſehen haben wollten. Daß der Aberglaube, der immer aus ungewohnten Naturerſcheinungen eine Ankündigung der Strafgerichte des guten Gottes heraus- zuleſen gewohnt iſt, auch damals die untrüglichſten Vorbedeutungen von Peſtilenz, Hungersnoth und allen Schreckniſſen eines neuen Krieges in jenen zum Theil übertriebenen Gerüchten erkannte, läßt ſich wohl erwarten. Jm Februar 1811 wurden dieſelben „Würmer“ in Sachſen und am 30. Januar 1856 in der Schweiz beobachtet. Hier, beſonders in Mollis (Glarus) trieben ſie ſich in einer Größe von ½ bis ¾ Zoll auf einer nahe anderthalb Fuß tiefen Schneedecke eines 25—30,000 Quadratruthen haltenden Flächenraumes in ſolcher Menge umher, daß ungefähr fünf bis ſechs Stück auf die Quadratklafter kamen, ja in der Nähe des Waldes zwölf bis fünfzehn. Einzelne fanden ſich ſogar auf den Dächern des Dorfes. Jn allen angeführten Fällen gab es eine vernünftige Erklärung der an ſich wunderbaren Erſcheinung, wenn man ſie nur ſuchte. Die Berichte über die Nebenumſtände, welche man dabei beobachtete, ſtimmen alle darin überein, daß jene „Würmer“, die wir gleich näher kennen lernen werden, und von denen zunächſt bemerkt ſein mag, daß ſie unter Steinen, Laub, oder an Baumwurzeln überwintern, durch die verſchiedenſten Veranlaſſungen in ihrer Ruhe geſtört, aus ihren Schlupfwinkeln vertrieben worden waren. Hier geſchah es durch große Näſſe in Folge anhaltender Regengüſſe, oder durch einige verhältnißmäßig

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/110>, abgerufen am 30.04.2024.