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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Stachelhäuter. Seeigel.
sind. Diese sogenannten Ambulacralplatten wechseln mit Reihen solcher Platten ab, welche mit
Höckern und Buckeln versehen sind. Auf diesen sitzen die beweglichen Stacheln. Am lebenden,
in seinem Elemente befindlichen Seeigel bemerkt man sehr bald, daß die Stacheln keineswegs
[Abbildung] Gehäus des Echinus esculentus, zur Hälfte von den
Stacheln entblößt.
bloße Vertheidigungsorgane sind; sie dienen
auch als Stützen und als Stelzen und Füße,
ja sogar, wie ich unten zeigen werde, können
sie sich derselben als Arme zum Erfassen und
Weitergeben von Gegenständen bedienen. Höchst
eigenthümliche Organe sind die sogenannten
Pedizellarien, welche als kleine, aber mit
bloßem Auge erkennbare dreischenklige Zangen
auf beweglichen Stielen zwischen den Stacheln
über die ganze Körperoberfläche verbreitet sind.
Man hat angegeben, sie würden zum Ergreifen
kleiner Nahrungstheilchen gebraucht und ließen
dieselben, von einer Pedizellarie zur anderen
gereicht, zum Munde gelangen. Das ist
jedoch schon deshalb nicht möglich, weil sie
gerade in der Nähe des Mundes, auf der den Skeletausschnitt bedeckenden Haut, sich nicht finden.
Nach A. Agassiz' direkter Beobachtung hätten sie für die Reinlichkeit des Körpers überhaupt
und besonders der Saugfüßchen-Reihen zu sorgen, indem sie die reichlichen Entleerungen des
Thieres entfernen und namentlich ihre Verührung mit den Ambulacren verhindern müssen.

Auch noch andere Organe auf der Oberfläche des Seeigels sind in Bezug auf ihren Nutzen
ziemlich räthselhaft. So liegen in fünf bestimmten Platten um den Rückenpol herum fünf rothe
punktförmige Organe, welche nach der Lage zu den Ambulacren und ihrem Verhältniß zum
Nervensystem sicher den zweifellosen Augen der Seesterne entsprechen. Richtige, bilderzeugende
Augen sind es indeß gewiß nicht und ihre Lage ist in der That fast komisch.

[Abbildung] Zahngerüst des Stein-Seeigels.

Unter allen Sippen der Ordnung ist
Echinus mit dem stärksten Kauapparat aus-
gestattet. Das Gerüst wird von fünf drei-
seitigen, fast pyramidalen Stücken mit mehreren
Nebenknöchelchen zusammengesetzt, in deren jedem
ein langer, am freien Ende recht fester Zahn
enthalten ist. a in Fig. C ist das Ganze, b
eine isolirte Zahnpyramide von der innern
Seite, c dieselbe von oben. Der in d ab-
gebildete, mit fünf Ohren versehene Kalkring befindet sich im Umkreis des Mundausschnittes am
Gehäus und dient zur Fixirung und Stütze des Gebisses.

Trotz des formidabeln Aussehens und des scharfen Gebisses sind die Seeigel sehr harmlose
Thiere. Sie sind ungemein träge und scheinen wesentlich nur von den Seegräsern und Tangen
und den daran angesiedelten Thieren sich zu nähren. Jch habe neulich die Gewohnheiten des
Stein-Seeigels (Echinus saxatilis) beobachtet, welcher im ganzen Mittelmeer gemein ist und
auch längs der dalmatinischen Küste sich in unzählbaren Scharen in der Nähe des Strandes auf
Felsengrund aufhält. Sie suchen theils natürliche Vertiefungen des Bodens auf, theils sind sie
im Stande, auf noch nicht ergründete Weise sich in dem Gestein kreisrunde Löcher auszuhöhlen,
ja dieselben der Art zu erweitern, daß sie aus dem selbstgegrabenen Gefängniß nicht wieder heraus
können. Wie sie in diesem Falle mit ihrer großen Gefräßigkeit auskommen, weiß ich nicht. An
vielen Stellen ist der Grund von ihnen ganz dunkel. Die meisten der regungslos dasitzenden

Stachelhäuter. Seeigel.
ſind. Dieſe ſogenannten Ambulacralplatten wechſeln mit Reihen ſolcher Platten ab, welche mit
Höckern und Buckeln verſehen ſind. Auf dieſen ſitzen die beweglichen Stacheln. Am lebenden,
in ſeinem Elemente befindlichen Seeigel bemerkt man ſehr bald, daß die Stacheln keineswegs
[Abbildung] Gehäus des Echinus esculentus, zur Hälfte von den
Stacheln entblößt.
bloße Vertheidigungsorgane ſind; ſie dienen
auch als Stützen und als Stelzen und Füße,
ja ſogar, wie ich unten zeigen werde, können
ſie ſich derſelben als Arme zum Erfaſſen und
Weitergeben von Gegenſtänden bedienen. Höchſt
eigenthümliche Organe ſind die ſogenannten
Pedizellarien, welche als kleine, aber mit
bloßem Auge erkennbare dreiſchenklige Zangen
auf beweglichen Stielen zwiſchen den Stacheln
über die ganze Körperoberfläche verbreitet ſind.
Man hat angegeben, ſie würden zum Ergreifen
kleiner Nahrungstheilchen gebraucht und ließen
dieſelben, von einer Pedizellarie zur anderen
gereicht, zum Munde gelangen. Das iſt
jedoch ſchon deshalb nicht möglich, weil ſie
gerade in der Nähe des Mundes, auf der den Skeletausſchnitt bedeckenden Haut, ſich nicht finden.
Nach A. Agaſſiz’ direkter Beobachtung hätten ſie für die Reinlichkeit des Körpers überhaupt
und beſonders der Saugfüßchen-Reihen zu ſorgen, indem ſie die reichlichen Entleerungen des
Thieres entfernen und namentlich ihre Verührung mit den Ambulacren verhindern müſſen.

Auch noch andere Organe auf der Oberfläche des Seeigels ſind in Bezug auf ihren Nutzen
ziemlich räthſelhaft. So liegen in fünf beſtimmten Platten um den Rückenpol herum fünf rothe
punktförmige Organe, welche nach der Lage zu den Ambulacren und ihrem Verhältniß zum
Nervenſyſtem ſicher den zweifelloſen Augen der Seeſterne entſprechen. Richtige, bilderzeugende
Augen ſind es indeß gewiß nicht und ihre Lage iſt in der That faſt komiſch.

[Abbildung] Zahngerüſt des Stein-Seeigels.

Unter allen Sippen der Ordnung iſt
Echinus mit dem ſtärkſten Kauapparat aus-
geſtattet. Das Gerüſt wird von fünf drei-
ſeitigen, faſt pyramidalen Stücken mit mehreren
Nebenknöchelchen zuſammengeſetzt, in deren jedem
ein langer, am freien Ende recht feſter Zahn
enthalten iſt. a in Fig. C iſt das Ganze, b
eine iſolirte Zahnpyramide von der innern
Seite, c dieſelbe von oben. Der in d ab-
gebildete, mit fünf Ohren verſehene Kalkring befindet ſich im Umkreis des Mundausſchnittes am
Gehäus und dient zur Fixirung und Stütze des Gebiſſes.

Trotz des formidabeln Ausſehens und des ſcharfen Gebiſſes ſind die Seeigel ſehr harmloſe
Thiere. Sie ſind ungemein träge und ſcheinen weſentlich nur von den Seegräſern und Tangen
und den daran angeſiedelten Thieren ſich zu nähren. Jch habe neulich die Gewohnheiten des
Stein-Seeigels (Echinus saxatilis) beobachtet, welcher im ganzen Mittelmeer gemein iſt und
auch längs der dalmatiniſchen Küſte ſich in unzählbaren Scharen in der Nähe des Strandes auf
Felſengrund aufhält. Sie ſuchen theils natürliche Vertiefungen des Bodens auf, theils ſind ſie
im Stande, auf noch nicht ergründete Weiſe ſich in dem Geſtein kreisrunde Löcher auszuhöhlen,
ja dieſelben der Art zu erweitern, daß ſie aus dem ſelbſtgegrabenen Gefängniß nicht wieder heraus
können. Wie ſie in dieſem Falle mit ihrer großen Gefräßigkeit auskommen, weiß ich nicht. An
vielen Stellen iſt der Grund von ihnen ganz dunkel. Die meiſten der regungslos daſitzenden

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[980/1028] Stachelhäuter. Seeigel. ſind. Dieſe ſogenannten Ambulacralplatten wechſeln mit Reihen ſolcher Platten ab, welche mit Höckern und Buckeln verſehen ſind. Auf dieſen ſitzen die beweglichen Stacheln. Am lebenden, in ſeinem Elemente befindlichen Seeigel bemerkt man ſehr bald, daß die Stacheln keineswegs [Abbildung Gehäus des Echinus esculentus, zur Hälfte von den Stacheln entblößt.] bloße Vertheidigungsorgane ſind; ſie dienen auch als Stützen und als Stelzen und Füße, ja ſogar, wie ich unten zeigen werde, können ſie ſich derſelben als Arme zum Erfaſſen und Weitergeben von Gegenſtänden bedienen. Höchſt eigenthümliche Organe ſind die ſogenannten Pedizellarien, welche als kleine, aber mit bloßem Auge erkennbare dreiſchenklige Zangen auf beweglichen Stielen zwiſchen den Stacheln über die ganze Körperoberfläche verbreitet ſind. Man hat angegeben, ſie würden zum Ergreifen kleiner Nahrungstheilchen gebraucht und ließen dieſelben, von einer Pedizellarie zur anderen gereicht, zum Munde gelangen. Das iſt jedoch ſchon deshalb nicht möglich, weil ſie gerade in der Nähe des Mundes, auf der den Skeletausſchnitt bedeckenden Haut, ſich nicht finden. Nach A. Agaſſiz’ direkter Beobachtung hätten ſie für die Reinlichkeit des Körpers überhaupt und beſonders der Saugfüßchen-Reihen zu ſorgen, indem ſie die reichlichen Entleerungen des Thieres entfernen und namentlich ihre Verührung mit den Ambulacren verhindern müſſen. Auch noch andere Organe auf der Oberfläche des Seeigels ſind in Bezug auf ihren Nutzen ziemlich räthſelhaft. So liegen in fünf beſtimmten Platten um den Rückenpol herum fünf rothe punktförmige Organe, welche nach der Lage zu den Ambulacren und ihrem Verhältniß zum Nervenſyſtem ſicher den zweifelloſen Augen der Seeſterne entſprechen. Richtige, bilderzeugende Augen ſind es indeß gewiß nicht und ihre Lage iſt in der That faſt komiſch. [Abbildung Zahngerüſt des Stein-Seeigels.] Unter allen Sippen der Ordnung iſt Echinus mit dem ſtärkſten Kauapparat aus- geſtattet. Das Gerüſt wird von fünf drei- ſeitigen, faſt pyramidalen Stücken mit mehreren Nebenknöchelchen zuſammengeſetzt, in deren jedem ein langer, am freien Ende recht feſter Zahn enthalten iſt. a in Fig. C iſt das Ganze, b eine iſolirte Zahnpyramide von der innern Seite, c dieſelbe von oben. Der in d ab- gebildete, mit fünf Ohren verſehene Kalkring befindet ſich im Umkreis des Mundausſchnittes am Gehäus und dient zur Fixirung und Stütze des Gebiſſes. Trotz des formidabeln Ausſehens und des ſcharfen Gebiſſes ſind die Seeigel ſehr harmloſe Thiere. Sie ſind ungemein träge und ſcheinen weſentlich nur von den Seegräſern und Tangen und den daran angeſiedelten Thieren ſich zu nähren. Jch habe neulich die Gewohnheiten des Stein-Seeigels (Echinus saxatilis) beobachtet, welcher im ganzen Mittelmeer gemein iſt und auch längs der dalmatiniſchen Küſte ſich in unzählbaren Scharen in der Nähe des Strandes auf Felſengrund aufhält. Sie ſuchen theils natürliche Vertiefungen des Bodens auf, theils ſind ſie im Stande, auf noch nicht ergründete Weiſe ſich in dem Geſtein kreisrunde Löcher auszuhöhlen, ja dieſelben der Art zu erweitern, daß ſie aus dem ſelbſtgegrabenen Gefängniß nicht wieder heraus können. Wie ſie in dieſem Falle mit ihrer großen Gefräßigkeit auskommen, weiß ich nicht. An vielen Stellen iſt der Grund von ihnen ganz dunkel. Die meiſten der regungslos daſitzenden

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 980. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1028>, abgerufen am 24.11.2024.