Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Meeraal.
wird. Jm August beginnt nach vorausgegangenem Kirchen- und Heiligenbilderdienst die Fischerei,
weil von dieser Zeit an die vor fünf bis sechs Jahren eingezogenen Aale zur Rückwanderung nach
dem Meere sich anschicken. Jn Folge der künstlich hergestellten Jrrgänge müssen sich die Fische in
bestimmten, kleinen, dicht geschlossenen Räumen sammeln, aus denen sie dann mit leichter Mühe
herausgefischt werden. Ein Theil der Beute wird lebend nach den benachbarten Ortschaften und
Städten gesendet, ein anderer gekocht verschickt, ein dritter eingesalzen, ein vierter geräuchert. Venedig,
Rom, Neapel und andere große Städte Jtaliens werden fast ausschließlich von Comaccio mit Aalen
versorgt, und der Gewinn, welchen, Dank der billigen Arbeit der Fischersklaven und der aus-
gezeichneten Dienste verschiedener Heiligen, die Fischerei abwirft, ist sehr bedeutend.

Jn Schleswig-Holstein und in den Ostseeprovinzen fängt man ebenfalls viele Aale, an der
Nordseeküste überhaupt aber die meisten in Holland, von wo aus England und insbesondere London
versehen wird. Zwei Gesellschaften, von denen jede fünf eigens dazu gebaute Schiffe hat, führen
mit jeder Reise zwischen funfzehn- und zwanzigtausend Pfund lebende Aale ein und haben dafür
die allerdings nur geringe Summe von dreizehn englischen Shillingen an Zoll zu entrichten.

"Von der Complerion vnd Art deß fleisches der Thieren sind die Scribenten nit einhellig: dann
etliche geben es löblich vnd gesund, etliche schädlich vnd vngesund zu aller zeit. Wie dem allem, so
auß solcher vrsach vnd Materia etlichen Krankheiten vnderworffen sind, als Podagra, etc.... Die
Zügeiner, ein schwartz heßlich Volk, so zu zeiten in vnsern Landen vmbschweifft, sollen die Ael den
Pferden durch den Affter hinein lassen, damit sie von solchen auffgeblassen, desto feißter scheinen, vnd
durch belestigung so der Aal an den Gedärmen bewegt, gantz geyl vnd muthig erscheinen, solche desto
thewrer verkauffen.... Wein in welchem zween Ael ersteckt oder ertränckt, getruncken, bringt ein
haß vnd abschewen vom weintrincken.... Die obschwimmende feißte von den gesottenen Aelen
auffgefaßt, angeschmiert, sol die Kaalköpff mit Haar bezieren. Jtem sein feißte mit Gänßschmaltz,
Rautensafft, Wermut, Grundrebsafft, vnd Hundszungensafft gemengt vnd als ein Salb gebert, ist
dienstlich zu allen wunden." So berichtet Geßner, und habe ich gewiß nicht nöthig, zu sagen
was davon zu glauben und was zu belächeln.



Jm Allgemeinen den Flußaalen sehr ähnlich, unterscheiden sich die Seeaale (Conger) durch
die lange, fast die ganze Oberseite einnehmende über oder dicht hinter den Brustflossen beginnende
Rückenflosse, den über den unteren verlängerten oberen Kiefer und das Fehlen der Schuppen
in der Haut.

An den europäischen Küsten lebt der bekannteste Vertreter dieser Sippe, der Meeraal (Conger
vulgaris
), ein sehr großer Fisch, welcher eine Länge von über 10 Fuß und, laut Yarrell, zuweilen
ein Gewicht von mehr als 100 Pfund erreichen kann. Die Färbung seiner Oberseite ist ein gleich-
mäßiges Blaßbraun, welches auf den Seiten lichter wird und unten in ein schmuziges Weiß übergeht;
Rücken- und Afterflossen sind weißlich, schwärzlich gesäumt; die Seitenlinie tritt wegen ihrer
lichteren Färbung deutlich hervor.

Einzelne Forscher haben die Meinung ausgesprochen, der Meeral sei nichts Anderes als ein
durch längeren Aufenthalt in der See vollkommen ausgebildeter Aal; die Unterschiede zwischen beiden
Fischen sind jedoch so bedeutend, daß jene Ansicht eben nur ihrer Sonderbarkeit halber Erwähnung
verdient: Gestalt des Leibes, Stellung der Flossen, Färbung, Anzahl der Wirbel und andere Eigen-
thümlichkeiten des inneren Baues unterscheiden beide zur Genüge.

Jn der Nord- und Ostsee bevorzugt der Meeraal felsige Ufer und verbirgt sich hier in Höhlen
und Ritzen derselben, während er auf sandigem Grunde sich durch Eingraben zu verstecken weiß. Er

Meeraal.
wird. Jm Auguſt beginnt nach vorausgegangenem Kirchen- und Heiligenbilderdienſt die Fiſcherei,
weil von dieſer Zeit an die vor fünf bis ſechs Jahren eingezogenen Aale zur Rückwanderung nach
dem Meere ſich anſchicken. Jn Folge der künſtlich hergeſtellten Jrrgänge müſſen ſich die Fiſche in
beſtimmten, kleinen, dicht geſchloſſenen Räumen ſammeln, aus denen ſie dann mit leichter Mühe
herausgefiſcht werden. Ein Theil der Beute wird lebend nach den benachbarten Ortſchaften und
Städten geſendet, ein anderer gekocht verſchickt, ein dritter eingeſalzen, ein vierter geräuchert. Venedig,
Rom, Neapel und andere große Städte Jtaliens werden faſt ausſchließlich von Comaccio mit Aalen
verſorgt, und der Gewinn, welchen, Dank der billigen Arbeit der Fiſcherſklaven und der aus-
gezeichneten Dienſte verſchiedener Heiligen, die Fiſcherei abwirft, iſt ſehr bedeutend.

Jn Schleswig-Holſtein und in den Oſtſeeprovinzen fängt man ebenfalls viele Aale, an der
Nordſeeküſte überhaupt aber die meiſten in Holland, von wo aus England und insbeſondere London
verſehen wird. Zwei Geſellſchaften, von denen jede fünf eigens dazu gebaute Schiffe hat, führen
mit jeder Reiſe zwiſchen funfzehn- und zwanzigtauſend Pfund lebende Aale ein und haben dafür
die allerdings nur geringe Summe von dreizehn engliſchen Shillingen an Zoll zu entrichten.

„Von der Complerion vnd Art deß fleiſches der Thieren ſind die Scribenten nit einhellig: dann
etliche geben es löblich vnd geſund, etliche ſchädlich vnd vngeſund zu aller zeit. Wie dem allem, ſo
auß ſolcher vrſach vnd Materia etlichen Krankheiten vnderworffen ſind, als Podagra, ꝛc.... Die
Zügeiner, ein ſchwartz heßlich Volk, ſo zu zeiten in vnſern Landen vmbſchweifft, ſollen die Ael den
Pferden durch den Affter hinein laſſen, damit ſie von ſolchen auffgeblaſſen, deſto feißter ſcheinen, vnd
durch beleſtigung ſo der Aal an den Gedärmen bewegt, gantz geyl vnd muthig erſcheinen, ſolche deſto
thewrer verkauffen.... Wein in welchem zween Ael erſteckt oder ertränckt, getruncken, bringt ein
haß vnd abſchewen vom weintrincken.... Die obſchwimmende feißte von den geſottenen Aelen
auffgefaßt, angeſchmiert, ſol die Kaalköpff mit Haar bezieren. Jtem ſein feißte mit Gänßſchmaltz,
Rautenſafft, Wermut, Grundrebſafft, vnd Hundszungenſafft gemengt vnd als ein Salb gebert, iſt
dienſtlich zu allen wunden.“ So berichtet Geßner, und habe ich gewiß nicht nöthig, zu ſagen
was davon zu glauben und was zu belächeln.



Jm Allgemeinen den Flußaalen ſehr ähnlich, unterſcheiden ſich die Seeaale (Conger) durch
die lange, faſt die ganze Oberſeite einnehmende über oder dicht hinter den Bruſtfloſſen beginnende
Rückenfloſſe, den über den unteren verlängerten oberen Kiefer und das Fehlen der Schuppen
in der Haut.

An den europäiſchen Küſten lebt der bekannteſte Vertreter dieſer Sippe, der Meeraal (Conger
vulgaris
), ein ſehr großer Fiſch, welcher eine Länge von über 10 Fuß und, laut Yarrell, zuweilen
ein Gewicht von mehr als 100 Pfund erreichen kann. Die Färbung ſeiner Oberſeite iſt ein gleich-
mäßiges Blaßbraun, welches auf den Seiten lichter wird und unten in ein ſchmuziges Weiß übergeht;
Rücken- und Afterfloſſen ſind weißlich, ſchwärzlich geſäumt; die Seitenlinie tritt wegen ihrer
lichteren Färbung deutlich hervor.

Einzelne Forſcher haben die Meinung ausgeſprochen, der Meeral ſei nichts Anderes als ein
durch längeren Aufenthalt in der See vollkommen ausgebildeter Aal; die Unterſchiede zwiſchen beiden
Fiſchen ſind jedoch ſo bedeutend, daß jene Anſicht eben nur ihrer Sonderbarkeit halber Erwähnung
verdient: Geſtalt des Leibes, Stellung der Floſſen, Färbung, Anzahl der Wirbel und andere Eigen-
thümlichkeiten des inneren Baues unterſcheiden beide zur Genüge.

Jn der Nord- und Oſtſee bevorzugt der Meeraal felſige Ufer und verbirgt ſich hier in Höhlen
und Ritzen derſelben, während er auf ſandigem Grunde ſich durch Eingraben zu verſtecken weiß. Er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0787" n="745"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Meeraal</hi>.</fw><lb/>
wird. Jm Augu&#x017F;t beginnt nach vorausgegangenem Kirchen- und Heiligenbilderdien&#x017F;t die Fi&#x017F;cherei,<lb/>
weil von die&#x017F;er Zeit an die vor fünf bis &#x017F;echs Jahren eingezogenen Aale zur Rückwanderung nach<lb/>
dem Meere &#x017F;ich an&#x017F;chicken. Jn Folge der kün&#x017F;tlich herge&#x017F;tellten Jrrgänge mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die Fi&#x017F;che in<lb/>
be&#x017F;timmten, kleinen, dicht ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Räumen &#x017F;ammeln, aus denen &#x017F;ie dann mit leichter Mühe<lb/>
herausgefi&#x017F;cht werden. Ein Theil der Beute wird lebend nach den benachbarten Ort&#x017F;chaften und<lb/>
Städten ge&#x017F;endet, ein anderer gekocht ver&#x017F;chickt, ein dritter einge&#x017F;alzen, ein vierter geräuchert. Venedig,<lb/>
Rom, Neapel und andere große Städte Jtaliens werden fa&#x017F;t aus&#x017F;chließlich von Comaccio mit Aalen<lb/>
ver&#x017F;orgt, und der Gewinn, welchen, Dank der billigen Arbeit der Fi&#x017F;cher&#x017F;klaven und der aus-<lb/>
gezeichneten Dien&#x017F;te ver&#x017F;chiedener Heiligen, die Fi&#x017F;cherei abwirft, i&#x017F;t &#x017F;ehr bedeutend.</p><lb/>
            <p>Jn Schleswig-Hol&#x017F;tein und in den O&#x017F;t&#x017F;eeprovinzen fängt man ebenfalls viele Aale, an der<lb/>
Nord&#x017F;eekü&#x017F;te überhaupt aber die mei&#x017F;ten in Holland, von wo aus England und insbe&#x017F;ondere London<lb/>
ver&#x017F;ehen wird. Zwei Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, von denen jede fünf eigens dazu gebaute Schiffe hat, führen<lb/>
mit jeder Rei&#x017F;e zwi&#x017F;chen funfzehn- und zwanzigtau&#x017F;end Pfund lebende Aale ein und haben dafür<lb/>
die allerdings nur geringe Summe von dreizehn engli&#x017F;chen Shillingen an Zoll zu entrichten.</p><lb/>
            <p>&#x201E;Von der Complerion vnd Art deß flei&#x017F;ches der Thieren &#x017F;ind die Scribenten nit einhellig: dann<lb/>
etliche geben es löblich vnd ge&#x017F;und, etliche &#x017F;chädlich vnd vnge&#x017F;und zu aller zeit. Wie dem allem, &#x017F;o<lb/>
auß &#x017F;olcher vr&#x017F;ach vnd Materia etlichen Krankheiten vnderworffen &#x017F;ind, als Podagra, &#xA75B;c.... Die<lb/>
Zügeiner, ein &#x017F;chwartz heßlich Volk, &#x017F;o zu zeiten in vn&#x017F;ern Landen vmb&#x017F;chweifft, &#x017F;ollen die Ael den<lb/>
Pferden durch den Affter hinein la&#x017F;&#x017F;en, damit &#x017F;ie von &#x017F;olchen auffgebla&#x017F;&#x017F;en, de&#x017F;to feißter &#x017F;cheinen, vnd<lb/>
durch bele&#x017F;tigung &#x017F;o der Aal an den Gedärmen bewegt, gantz geyl vnd muthig er&#x017F;cheinen, &#x017F;olche de&#x017F;to<lb/>
thewrer verkauffen.... Wein in welchem zween Ael er&#x017F;teckt oder ertränckt, getruncken, bringt ein<lb/>
haß vnd ab&#x017F;chewen vom weintrincken.... Die ob&#x017F;chwimmende feißte von den ge&#x017F;ottenen Aelen<lb/>
auffgefaßt, ange&#x017F;chmiert, &#x017F;ol die Kaalköpff mit Haar bezieren. Jtem &#x017F;ein feißte mit Gänß&#x017F;chmaltz,<lb/>
Rauten&#x017F;afft, Wermut, Grundreb&#x017F;afft, vnd Hundszungen&#x017F;afft gemengt vnd als ein Salb gebert, i&#x017F;t<lb/>
dien&#x017F;tlich zu allen wunden.&#x201C; So berichtet <hi rendition="#g">Geßner,</hi> und habe ich gewiß nicht nöthig, zu &#x017F;agen<lb/>
was davon zu glauben und was zu belächeln.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Jm Allgemeinen den Flußaalen &#x017F;ehr ähnlich, unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich die <hi rendition="#g">Seeaale</hi> (<hi rendition="#aq">Conger</hi>) durch<lb/>
die lange, fa&#x017F;t die ganze Ober&#x017F;eite einnehmende über oder dicht hinter den Bru&#x017F;tflo&#x017F;&#x017F;en beginnende<lb/>
Rückenflo&#x017F;&#x017F;e, den über den unteren verlängerten oberen Kiefer und das Fehlen der Schuppen<lb/>
in der Haut.</p><lb/>
            <p>An den europäi&#x017F;chen Kü&#x017F;ten lebt der bekannte&#x017F;te Vertreter die&#x017F;er Sippe, der <hi rendition="#g">Meeraal</hi> (<hi rendition="#aq">Conger<lb/>
vulgaris</hi>), ein &#x017F;ehr großer Fi&#x017F;ch, welcher eine Länge von über 10 Fuß und, laut <hi rendition="#g">Yarrell,</hi> zuweilen<lb/>
ein Gewicht von mehr als 100 Pfund erreichen kann. Die Färbung &#x017F;einer Ober&#x017F;eite i&#x017F;t ein gleich-<lb/>
mäßiges Blaßbraun, welches auf den Seiten lichter wird und unten in ein &#x017F;chmuziges Weiß übergeht;<lb/>
Rücken- und Afterflo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind weißlich, &#x017F;chwärzlich ge&#x017F;äumt; die Seitenlinie tritt wegen ihrer<lb/>
lichteren Färbung deutlich hervor.</p><lb/>
            <p>Einzelne For&#x017F;cher haben die Meinung ausge&#x017F;prochen, der Meeral &#x017F;ei nichts Anderes als ein<lb/>
durch längeren Aufenthalt in der See vollkommen ausgebildeter Aal; die Unter&#x017F;chiede zwi&#x017F;chen beiden<lb/>
Fi&#x017F;chen &#x017F;ind jedoch &#x017F;o bedeutend, daß jene An&#x017F;icht eben nur ihrer Sonderbarkeit halber Erwähnung<lb/>
verdient: Ge&#x017F;talt des Leibes, Stellung der Flo&#x017F;&#x017F;en, Färbung, Anzahl der Wirbel und andere Eigen-<lb/>
thümlichkeiten des inneren Baues unter&#x017F;cheiden beide zur Genüge.</p><lb/>
            <p>Jn der Nord- und O&#x017F;t&#x017F;ee bevorzugt der Meeraal fel&#x017F;ige Ufer und verbirgt &#x017F;ich hier in Höhlen<lb/>
und Ritzen der&#x017F;elben, während er auf &#x017F;andigem Grunde &#x017F;ich durch Eingraben zu ver&#x017F;tecken weiß. Er<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[745/0787] Meeraal. wird. Jm Auguſt beginnt nach vorausgegangenem Kirchen- und Heiligenbilderdienſt die Fiſcherei, weil von dieſer Zeit an die vor fünf bis ſechs Jahren eingezogenen Aale zur Rückwanderung nach dem Meere ſich anſchicken. Jn Folge der künſtlich hergeſtellten Jrrgänge müſſen ſich die Fiſche in beſtimmten, kleinen, dicht geſchloſſenen Räumen ſammeln, aus denen ſie dann mit leichter Mühe herausgefiſcht werden. Ein Theil der Beute wird lebend nach den benachbarten Ortſchaften und Städten geſendet, ein anderer gekocht verſchickt, ein dritter eingeſalzen, ein vierter geräuchert. Venedig, Rom, Neapel und andere große Städte Jtaliens werden faſt ausſchließlich von Comaccio mit Aalen verſorgt, und der Gewinn, welchen, Dank der billigen Arbeit der Fiſcherſklaven und der aus- gezeichneten Dienſte verſchiedener Heiligen, die Fiſcherei abwirft, iſt ſehr bedeutend. Jn Schleswig-Holſtein und in den Oſtſeeprovinzen fängt man ebenfalls viele Aale, an der Nordſeeküſte überhaupt aber die meiſten in Holland, von wo aus England und insbeſondere London verſehen wird. Zwei Geſellſchaften, von denen jede fünf eigens dazu gebaute Schiffe hat, führen mit jeder Reiſe zwiſchen funfzehn- und zwanzigtauſend Pfund lebende Aale ein und haben dafür die allerdings nur geringe Summe von dreizehn engliſchen Shillingen an Zoll zu entrichten. „Von der Complerion vnd Art deß fleiſches der Thieren ſind die Scribenten nit einhellig: dann etliche geben es löblich vnd geſund, etliche ſchädlich vnd vngeſund zu aller zeit. Wie dem allem, ſo auß ſolcher vrſach vnd Materia etlichen Krankheiten vnderworffen ſind, als Podagra, ꝛc.... Die Zügeiner, ein ſchwartz heßlich Volk, ſo zu zeiten in vnſern Landen vmbſchweifft, ſollen die Ael den Pferden durch den Affter hinein laſſen, damit ſie von ſolchen auffgeblaſſen, deſto feißter ſcheinen, vnd durch beleſtigung ſo der Aal an den Gedärmen bewegt, gantz geyl vnd muthig erſcheinen, ſolche deſto thewrer verkauffen.... Wein in welchem zween Ael erſteckt oder ertränckt, getruncken, bringt ein haß vnd abſchewen vom weintrincken.... Die obſchwimmende feißte von den geſottenen Aelen auffgefaßt, angeſchmiert, ſol die Kaalköpff mit Haar bezieren. Jtem ſein feißte mit Gänßſchmaltz, Rautenſafft, Wermut, Grundrebſafft, vnd Hundszungenſafft gemengt vnd als ein Salb gebert, iſt dienſtlich zu allen wunden.“ So berichtet Geßner, und habe ich gewiß nicht nöthig, zu ſagen was davon zu glauben und was zu belächeln. Jm Allgemeinen den Flußaalen ſehr ähnlich, unterſcheiden ſich die Seeaale (Conger) durch die lange, faſt die ganze Oberſeite einnehmende über oder dicht hinter den Bruſtfloſſen beginnende Rückenfloſſe, den über den unteren verlängerten oberen Kiefer und das Fehlen der Schuppen in der Haut. An den europäiſchen Küſten lebt der bekannteſte Vertreter dieſer Sippe, der Meeraal (Conger vulgaris), ein ſehr großer Fiſch, welcher eine Länge von über 10 Fuß und, laut Yarrell, zuweilen ein Gewicht von mehr als 100 Pfund erreichen kann. Die Färbung ſeiner Oberſeite iſt ein gleich- mäßiges Blaßbraun, welches auf den Seiten lichter wird und unten in ein ſchmuziges Weiß übergeht; Rücken- und Afterfloſſen ſind weißlich, ſchwärzlich geſäumt; die Seitenlinie tritt wegen ihrer lichteren Färbung deutlich hervor. Einzelne Forſcher haben die Meinung ausgeſprochen, der Meeral ſei nichts Anderes als ein durch längeren Aufenthalt in der See vollkommen ausgebildeter Aal; die Unterſchiede zwiſchen beiden Fiſchen ſind jedoch ſo bedeutend, daß jene Anſicht eben nur ihrer Sonderbarkeit halber Erwähnung verdient: Geſtalt des Leibes, Stellung der Floſſen, Färbung, Anzahl der Wirbel und andere Eigen- thümlichkeiten des inneren Baues unterſcheiden beide zur Genüge. Jn der Nord- und Oſtſee bevorzugt der Meeraal felſige Ufer und verbirgt ſich hier in Höhlen und Ritzen derſelben, während er auf ſandigem Grunde ſich durch Eingraben zu verſtecken weiß. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/787
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 745. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/787>, abgerufen am 24.06.2024.