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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Aalfische. Flußaale.
zu gelangen suchen und dabei gefangen werden. Auch im Orbitello-See wandern die jungen, bind-
fadendicken Thiere in den Monaten März, April und Mai bei stürmischem Wetter zu Millionen ein.
"Jn den Monaten März und April", sagt Karl Vogt, "steigen in den Nächten Myriaden kleiner,
etwa zwei Zoll langer, durchsichtiger Fischlein durch die Flußmündungen auf. An manchen Orten,
wie z. B. in französischen Flüssen, wo man diese Erscheinung "montee" nennt, bilden sie feste
Massen, die man mit Sieben und Schöpfern ausschöpft und meist mit Eiern, als Pfannkuchen
gebacken, verspeist. Dies sind junge Aale, welche von den Laichplätzen flußaufwärts steuern und
nach zwei Jahren etwa zwei Fuß lang geworden sind." Crespon bespricht in seiner "Fauna des
Mittelmeerbeckens" diese Wanderungen ebenfalls. Die jungen Aale sammeln sich an der Mündung
der Rhone und steigen von hieraus dem Strome entgegen, eine ununterbrochene Masse bildend, deren
Durchmesser dem einer starken Tonne ungefähr gleich kommt. Jn der Regel bemerkt man an
jedem Ufer einen Heerzug, welcher sich nur da theilt, wo Flüsse einmünden. Couch beobachtete, daß
die jungen Aale selbst Wasserfälle überklettern, und ein gewisser Arderon berichtet von solchen,
welche über die Pfähle der Wasserwerke von Norwich und über Fußschleußen in höher liegendes
Wasser stiegen, obgleich die Bretter glatt gehobelt waren und eine senkrechte Höhe von fünf bis sechs
Fuß hatten. Wenn sie aus dem Wasser kamen, warteten sie einige Zeit, bis ihr Schleim die ihnen
nöthig dünkende Klebrigkeit hatte, dann krochen sie an der senkrechten Fläche mit derselben Leichtigkeit
fort wie auf einer wagerechten. Möglicherweise werden sie dabei durch ihre kleinen Schuppen unter-
stützt. Jesse bemerkt, daß die Wanderung alljährlich zu derselben Zeit geschieht, ungefähr zwei bis
drei Tage währt und in einem ununterbrochenen Zuge vor sich geht, welcher im Verlaufe einer Stunde
etwa zwei und eine halbe englische Meile zurücklegt. Zuweilen schwimmen sie, ohne daß man einen
Grund absehen könnte, von einem Ufer des Flusses quer über das Wasser nach der anderen Seite
hinüber. An der Mündung eines Flusses theilen sie sich: ein Theil zieht in den Rebenflüssen hinan,
der andere kämpft sich durch die Strömung des Einflusses und schwimmt an dem Ufer des Hauptstromes
weiter. Auf diese Weise theilt sich das Heer nach und nach, bis es endlich an verschiedenen Orten ganz
untergebracht worden ist. Alle Hindernisse werden überwunden, und den Milliarden, welche wandern,
thun die Tausende, welche dabei ihren Tod sinden, keinen ersichtlichen Abbruch. "Jch befand mich",
sagt Davy, "gegen Ende Julis zu Ballyshannon in Jrland an der Mündung des Flusses, welcher
während der vorigen Monate hohes Wasser gehabt hatte. Jn der Nähe eines Falles war er getrübt
von Millionen kleiner Aale, welche fortwährend den nassen Felsen an den Ufern des Wasserfalles zu
erklimmen suchten und dabei zu Tausenden umkamen; aber ihre feuchten, schlüpfrigen Leiber dienten
den übrigen zur Leiter, um den Weg fortzusetzen. Jch sah sie sogar senkrechte Felsen erklimmen; sie
wanden sich durch das feuchte Moos oder hielten sich an die Leiber anderer an, welche bei dem Ver-
suche ihren Tod gefunden hatten. Jhre Ausdauer war so groß, daß sie noch in ungeheueren Mengen
ihren Weg bis zum See Arno erzwangen." Der Rheinfall bei Schaffhausen kann sie nicht ver-
hindern, ihren Weg nach dem Constanzer See fortzusetzen; der Rhonefall hält sie ebensowenig auf.
Laut Nilson konnten sie früher nicht über den Trollhaettafall emporkommen; als jedoch die
Schleußen angelegt worden waren, welche jetzt die Schifffahrt vermitteln, fanden sie sich auch im
Wenersee ein und seitdem in allen Zuflüssen desselben. Siebold, welcher diese Angaben zusammen-
gestellt hat, erwähnt auch noch einer Beobachtung des Dr. Ehlers aus Hannover, welcher Augenzeuge
einer Aalwanderung war. "Schriftliche Aufzeichnungen", sagt der Letztgenannte, "wurden damals
nicht gemacht, und kann ich leider über Zeit und sonstige Verhältnisse keine so genauen Angaben
liefern, als sie wünschenswerth wären; die ganze Erscheinung aber steht, da sie eine so sonderbare
war und solange beobachtet werden konnte, mir noch lebhaft vor der Seele. Es war im Dorf
Drennhausen, Amt Wiesen. Als wir eines Morgens Ende Junis oder Anfangs Juli auf den dort
unmittelbar an die Elbe stoßenden Deich traten, sahen wir, daß sich entlang des ganzen Ufers ein
dunkler Streifen fortbewegte. Wie für die Bewohner der dortigen Elbmarsch was sich auf und was
sich in der Elbe ereignet von Jnteresse ist, so zog auch diese Erscheinung sofort die Aufmerksamkeit

Die Edelfiſche. Aalfiſche. Flußaale.
zu gelangen ſuchen und dabei gefangen werden. Auch im Orbitello-See wandern die jungen, bind-
fadendicken Thiere in den Monaten März, April und Mai bei ſtürmiſchem Wetter zu Millionen ein.
„Jn den Monaten März und April“, ſagt Karl Vogt, „ſteigen in den Nächten Myriaden kleiner,
etwa zwei Zoll langer, durchſichtiger Fiſchlein durch die Flußmündungen auf. An manchen Orten,
wie z. B. in franzöſiſchen Flüſſen, wo man dieſe Erſcheinung „montée“ nennt, bilden ſie feſte
Maſſen, die man mit Sieben und Schöpfern ausſchöpft und meiſt mit Eiern, als Pfannkuchen
gebacken, verſpeiſt. Dies ſind junge Aale, welche von den Laichplätzen flußaufwärts ſteuern und
nach zwei Jahren etwa zwei Fuß lang geworden ſind.“ Crespon beſpricht in ſeiner „Fauna des
Mittelmeerbeckens“ dieſe Wanderungen ebenfalls. Die jungen Aale ſammeln ſich an der Mündung
der Rhone und ſteigen von hieraus dem Strome entgegen, eine ununterbrochene Maſſe bildend, deren
Durchmeſſer dem einer ſtarken Tonne ungefähr gleich kommt. Jn der Regel bemerkt man an
jedem Ufer einen Heerzug, welcher ſich nur da theilt, wo Flüſſe einmünden. Couch beobachtete, daß
die jungen Aale ſelbſt Waſſerfälle überklettern, und ein gewiſſer Arderon berichtet von ſolchen,
welche über die Pfähle der Waſſerwerke von Norwich und über Fußſchleußen in höher liegendes
Waſſer ſtiegen, obgleich die Bretter glatt gehobelt waren und eine ſenkrechte Höhe von fünf bis ſechs
Fuß hatten. Wenn ſie aus dem Waſſer kamen, warteten ſie einige Zeit, bis ihr Schleim die ihnen
nöthig dünkende Klebrigkeit hatte, dann krochen ſie an der ſenkrechten Fläche mit derſelben Leichtigkeit
fort wie auf einer wagerechten. Möglicherweiſe werden ſie dabei durch ihre kleinen Schuppen unter-
ſtützt. Jeſſe bemerkt, daß die Wanderung alljährlich zu derſelben Zeit geſchieht, ungefähr zwei bis
drei Tage währt und in einem ununterbrochenen Zuge vor ſich geht, welcher im Verlaufe einer Stunde
etwa zwei und eine halbe engliſche Meile zurücklegt. Zuweilen ſchwimmen ſie, ohne daß man einen
Grund abſehen könnte, von einem Ufer des Fluſſes quer über das Waſſer nach der anderen Seite
hinüber. An der Mündung eines Fluſſes theilen ſie ſich: ein Theil zieht in den Rebenflüſſen hinan,
der andere kämpft ſich durch die Strömung des Einfluſſes und ſchwimmt an dem Ufer des Hauptſtromes
weiter. Auf dieſe Weiſe theilt ſich das Heer nach und nach, bis es endlich an verſchiedenen Orten ganz
untergebracht worden iſt. Alle Hinderniſſe werden überwunden, und den Milliarden, welche wandern,
thun die Tauſende, welche dabei ihren Tod ſinden, keinen erſichtlichen Abbruch. „Jch befand mich“,
ſagt Davy, „gegen Ende Julis zu Ballyshannon in Jrland an der Mündung des Fluſſes, welcher
während der vorigen Monate hohes Waſſer gehabt hatte. Jn der Nähe eines Falles war er getrübt
von Millionen kleiner Aale, welche fortwährend den naſſen Felſen an den Ufern des Waſſerfalles zu
erklimmen ſuchten und dabei zu Tauſenden umkamen; aber ihre feuchten, ſchlüpfrigen Leiber dienten
den übrigen zur Leiter, um den Weg fortzuſetzen. Jch ſah ſie ſogar ſenkrechte Felſen erklimmen; ſie
wanden ſich durch das feuchte Moos oder hielten ſich an die Leiber anderer an, welche bei dem Ver-
ſuche ihren Tod gefunden hatten. Jhre Ausdauer war ſo groß, daß ſie noch in ungeheueren Mengen
ihren Weg bis zum See Arno erzwangen.“ Der Rheinfall bei Schaffhauſen kann ſie nicht ver-
hindern, ihren Weg nach dem Conſtanzer See fortzuſetzen; der Rhonefall hält ſie ebenſowenig auf.
Laut Nilſon konnten ſie früher nicht über den Trollhaettafall emporkommen; als jedoch die
Schleußen angelegt worden waren, welche jetzt die Schifffahrt vermitteln, fanden ſie ſich auch im
Wenerſee ein und ſeitdem in allen Zuflüſſen deſſelben. Siebold, welcher dieſe Angaben zuſammen-
geſtellt hat, erwähnt auch noch einer Beobachtung des Dr. Ehlers aus Hannover, welcher Augenzeuge
einer Aalwanderung war. „Schriftliche Aufzeichnungen“, ſagt der Letztgenannte, „wurden damals
nicht gemacht, und kann ich leider über Zeit und ſonſtige Verhältniſſe keine ſo genauen Angaben
liefern, als ſie wünſchenswerth wären; die ganze Erſcheinung aber ſteht, da ſie eine ſo ſonderbare
war und ſolange beobachtet werden konnte, mir noch lebhaft vor der Seele. Es war im Dorf
Drennhauſen, Amt Wieſen. Als wir eines Morgens Ende Junis oder Anfangs Juli auf den dort
unmittelbar an die Elbe ſtoßenden Deich traten, ſahen wir, daß ſich entlang des ganzen Ufers ein
dunkler Streifen fortbewegte. Wie für die Bewohner der dortigen Elbmarſch was ſich auf und was
ſich in der Elbe ereignet von Jntereſſe iſt, ſo zog auch dieſe Erſcheinung ſofort die Aufmerkſamkeit

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[742/0784] Die Edelfiſche. Aalfiſche. Flußaale. zu gelangen ſuchen und dabei gefangen werden. Auch im Orbitello-See wandern die jungen, bind- fadendicken Thiere in den Monaten März, April und Mai bei ſtürmiſchem Wetter zu Millionen ein. „Jn den Monaten März und April“, ſagt Karl Vogt, „ſteigen in den Nächten Myriaden kleiner, etwa zwei Zoll langer, durchſichtiger Fiſchlein durch die Flußmündungen auf. An manchen Orten, wie z. B. in franzöſiſchen Flüſſen, wo man dieſe Erſcheinung „montée“ nennt, bilden ſie feſte Maſſen, die man mit Sieben und Schöpfern ausſchöpft und meiſt mit Eiern, als Pfannkuchen gebacken, verſpeiſt. Dies ſind junge Aale, welche von den Laichplätzen flußaufwärts ſteuern und nach zwei Jahren etwa zwei Fuß lang geworden ſind.“ Crespon beſpricht in ſeiner „Fauna des Mittelmeerbeckens“ dieſe Wanderungen ebenfalls. Die jungen Aale ſammeln ſich an der Mündung der Rhone und ſteigen von hieraus dem Strome entgegen, eine ununterbrochene Maſſe bildend, deren Durchmeſſer dem einer ſtarken Tonne ungefähr gleich kommt. Jn der Regel bemerkt man an jedem Ufer einen Heerzug, welcher ſich nur da theilt, wo Flüſſe einmünden. Couch beobachtete, daß die jungen Aale ſelbſt Waſſerfälle überklettern, und ein gewiſſer Arderon berichtet von ſolchen, welche über die Pfähle der Waſſerwerke von Norwich und über Fußſchleußen in höher liegendes Waſſer ſtiegen, obgleich die Bretter glatt gehobelt waren und eine ſenkrechte Höhe von fünf bis ſechs Fuß hatten. Wenn ſie aus dem Waſſer kamen, warteten ſie einige Zeit, bis ihr Schleim die ihnen nöthig dünkende Klebrigkeit hatte, dann krochen ſie an der ſenkrechten Fläche mit derſelben Leichtigkeit fort wie auf einer wagerechten. Möglicherweiſe werden ſie dabei durch ihre kleinen Schuppen unter- ſtützt. Jeſſe bemerkt, daß die Wanderung alljährlich zu derſelben Zeit geſchieht, ungefähr zwei bis drei Tage währt und in einem ununterbrochenen Zuge vor ſich geht, welcher im Verlaufe einer Stunde etwa zwei und eine halbe engliſche Meile zurücklegt. Zuweilen ſchwimmen ſie, ohne daß man einen Grund abſehen könnte, von einem Ufer des Fluſſes quer über das Waſſer nach der anderen Seite hinüber. An der Mündung eines Fluſſes theilen ſie ſich: ein Theil zieht in den Rebenflüſſen hinan, der andere kämpft ſich durch die Strömung des Einfluſſes und ſchwimmt an dem Ufer des Hauptſtromes weiter. Auf dieſe Weiſe theilt ſich das Heer nach und nach, bis es endlich an verſchiedenen Orten ganz untergebracht worden iſt. Alle Hinderniſſe werden überwunden, und den Milliarden, welche wandern, thun die Tauſende, welche dabei ihren Tod ſinden, keinen erſichtlichen Abbruch. „Jch befand mich“, ſagt Davy, „gegen Ende Julis zu Ballyshannon in Jrland an der Mündung des Fluſſes, welcher während der vorigen Monate hohes Waſſer gehabt hatte. Jn der Nähe eines Falles war er getrübt von Millionen kleiner Aale, welche fortwährend den naſſen Felſen an den Ufern des Waſſerfalles zu erklimmen ſuchten und dabei zu Tauſenden umkamen; aber ihre feuchten, ſchlüpfrigen Leiber dienten den übrigen zur Leiter, um den Weg fortzuſetzen. Jch ſah ſie ſogar ſenkrechte Felſen erklimmen; ſie wanden ſich durch das feuchte Moos oder hielten ſich an die Leiber anderer an, welche bei dem Ver- ſuche ihren Tod gefunden hatten. Jhre Ausdauer war ſo groß, daß ſie noch in ungeheueren Mengen ihren Weg bis zum See Arno erzwangen.“ Der Rheinfall bei Schaffhauſen kann ſie nicht ver- hindern, ihren Weg nach dem Conſtanzer See fortzuſetzen; der Rhonefall hält ſie ebenſowenig auf. Laut Nilſon konnten ſie früher nicht über den Trollhaettafall emporkommen; als jedoch die Schleußen angelegt worden waren, welche jetzt die Schifffahrt vermitteln, fanden ſie ſich auch im Wenerſee ein und ſeitdem in allen Zuflüſſen deſſelben. Siebold, welcher dieſe Angaben zuſammen- geſtellt hat, erwähnt auch noch einer Beobachtung des Dr. Ehlers aus Hannover, welcher Augenzeuge einer Aalwanderung war. „Schriftliche Aufzeichnungen“, ſagt der Letztgenannte, „wurden damals nicht gemacht, und kann ich leider über Zeit und ſonſtige Verhältniſſe keine ſo genauen Angaben liefern, als ſie wünſchenswerth wären; die ganze Erſcheinung aber ſteht, da ſie eine ſo ſonderbare war und ſolange beobachtet werden konnte, mir noch lebhaft vor der Seele. Es war im Dorf Drennhauſen, Amt Wieſen. Als wir eines Morgens Ende Junis oder Anfangs Juli auf den dort unmittelbar an die Elbe ſtoßenden Deich traten, ſahen wir, daß ſich entlang des ganzen Ufers ein dunkler Streifen fortbewegte. Wie für die Bewohner der dortigen Elbmarſch was ſich auf und was ſich in der Elbe ereignet von Jntereſſe iſt, ſo zog auch dieſe Erſcheinung ſofort die Aufmerkſamkeit

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/784>, abgerufen am 23.06.2024.