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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Aal.
Luft athmen, demgemäß einen Tag und länger außerhalb des Wassers leben kann, in dieser Hinsicht
also zu Landspaziergängen befähigt sein würde, ist allerdings sehr richtig, beweist aber das Ausführen
der Wanderung noch keineswegs.

Zur Nahrung wählt sich der Aal hauptsächlich kleine Thiere, namentlich Würmer und Kruster;
auch überfällt er Frösche, kleine Fische und dergleichen, soll sich sogar am Aase gütlich thun. Seine
Gefräßigkeit ist sehr groß, seine Raubfähigkeit, des kleinen Maules halber, zum Glück für unsere
Nutzfische gering.

So unvollkommen unsere Kenntniß der Fortpflanzungsgeschichte des Aales einstweilen noch ist,
so können wir doch, dank den sorgsamen Beobachtungen neuzeitlicher Forscher, soviel mit Bestimmtheit
behaupten, daß auch dieser Fisch durch Eier sich fortpflanzt. Frühere Beobachter suchten vergeblich
nach Geschlechtswerkzeugen, und erst Mundinus und Müller erkannten in zwei krausenartigen
langen Hautlappen, welche zahlreiche Einschnitte und Querfaltungen zeigen und beiderseits längs der
Wirbelsäule verlaufen, die Eierstöcke. Rathke, Hornschuch und Andere bestätigten die Richtigkeit
ihrer Untersuchungen, nachdem sie mit Hilfe starker Vergrößerung die Eier aufgefunden hatten.
Soweit sind wir gegenwärtig gekommen; aber noch immer hat man die männlichen Geschlechtswerk-
zeuge mit Sicherheit nicht nachweisen und die Annahme einzelner Forscher, daß die Aale zu den
Zwittern gehören, nicht widerlegen können. An ein Lebendiggebären dieser Fische glaubt gegenwärtig
Niemand mehr, schon weil die Vermehrung eine ungemein starke sein muß, alle lebendiggebärenden
Fische aber verhältnißmäßig wenige Junge zur Welt bringen.

Ueber das Laichen selbst fehlt noch jede Kunde. Wir wissen, daß die erwachsenen Aale die
Flüsse verlassen und in großer Anzahl dem Meere zuwandern, dürfen auch dreist annehmen, daß sie
hier laichen -- mehr wissen wir nicht. Eckström erzählt Folgendes: "Um die Mitte Junis sucht
der Aal seichte Ufer mit Thon oder weichem Sandgrund und Schilf, woselbst er sich sammelt; vom
Grunde geht er dann fast bis zur Mitte der Tiefe in die Höhe, windet sich schraubenförmig um einen
Schilfhalm und läßt sich von diesem hin- und herschwingen". Heckel und Kner fügen Dem hinzu,
daß sich der Fisch hierbei, sowie auch durch Druck und Reibung, indem er sich mit anderen schlangen-
ähnlich durch einander winde, offenbar seiner Zeugungsstoffe entledige; den Beweis aber, daß diese
Bewegungen des Laichens halber geschehen, bleiben die genannten Naturforscher schuldig. Jm Gegen-
satze zu dieser Meinung stehen andere Beobachtungen. Die Wanderungen der erwachsenen Aale
finden, wie schon seit lange bekannt, im Herbste, vom Oktober bis zum Dezember statt, vorzugsweise
während stürmischer und finsterer Nächte, welche diese Fische als Nachtthiere besonders zu lieben
scheinen. Die wandernden Aale sind, wie die genauesten Untersuchungen ergeben haben, für ihr
Fortpflanzungsgeschäft noch nicht vorbereitet; aber bereits Ende Aprils, spätestens im Mai, beginnt
eine Rückwanderung in die Flüsse, und zwar sind es Junge von höchstens drei Zoll Länge und
Wurmdicke, welche zu Berge gehen, höchst wahrscheinlich also die kurz vorher von den im Herbste
ausgewanderten Alten erzeugten Nachkömmlinge. Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt,
würde also der Beweis geliefert sein, daß die Laichzeit nicht in den Juni fallen kann, sondern in die
Monate Dezember bis Februar fallen muß. Ob einzelne Aale auch in Süßwasserseen laichen, wie
von Manchem angenommen wird, oder ob wirklich alle, welche zur Fortpflanzung gelangen, in das
Meer hinausziehen, wie die große Mehrzahl es sicherlich thut, muß einstweilen noch dahin
gestellt bleiben.

Das Aufsteigen der jungen Aale ist mehrfach beobachtet worden und findet in allen größeren
Strömen statt. Bereits Redi erzählt, daß von Ende Januar bis Ende April alljährlich Aalbrut
den Arno hinaufwandert, und daß um das Jahr 1667 bei Pisa an einer Stelle des genannten Flusses
innerhalb fünf Stunden drei Millionen Pfund solcher Aale von anderthalb bis fünf Zoll Länge
gefangen wurden. Jn den Lagunen von Comaccio werden, laut Spallanzani und Coste, vom
Februar bis April gewisse Schleußen geöffnet, um den jungen Aalen den Eintritt in die abgedämmten
Teiche zu gestatten, aus denen sie dann nach fünf- bis sechsjährigem Aufenthalte wieder ins Meer

Aal.
Luft athmen, demgemäß einen Tag und länger außerhalb des Waſſers leben kann, in dieſer Hinſicht
alſo zu Landſpaziergängen befähigt ſein würde, iſt allerdings ſehr richtig, beweiſt aber das Ausführen
der Wanderung noch keineswegs.

Zur Nahrung wählt ſich der Aal hauptſächlich kleine Thiere, namentlich Würmer und Kruſter;
auch überfällt er Fröſche, kleine Fiſche und dergleichen, ſoll ſich ſogar am Aaſe gütlich thun. Seine
Gefräßigkeit iſt ſehr groß, ſeine Raubfähigkeit, des kleinen Maules halber, zum Glück für unſere
Nutzfiſche gering.

So unvollkommen unſere Kenntniß der Fortpflanzungsgeſchichte des Aales einſtweilen noch iſt,
ſo können wir doch, dank den ſorgſamen Beobachtungen neuzeitlicher Forſcher, ſoviel mit Beſtimmtheit
behaupten, daß auch dieſer Fiſch durch Eier ſich fortpflanzt. Frühere Beobachter ſuchten vergeblich
nach Geſchlechtswerkzeugen, und erſt Mundinus und Müller erkannten in zwei krauſenartigen
langen Hautlappen, welche zahlreiche Einſchnitte und Querfaltungen zeigen und beiderſeits längs der
Wirbelſäule verlaufen, die Eierſtöcke. Rathke, Hornſchuch und Andere beſtätigten die Richtigkeit
ihrer Unterſuchungen, nachdem ſie mit Hilfe ſtarker Vergrößerung die Eier aufgefunden hatten.
Soweit ſind wir gegenwärtig gekommen; aber noch immer hat man die männlichen Geſchlechtswerk-
zeuge mit Sicherheit nicht nachweiſen und die Annahme einzelner Forſcher, daß die Aale zu den
Zwittern gehören, nicht widerlegen können. An ein Lebendiggebären dieſer Fiſche glaubt gegenwärtig
Niemand mehr, ſchon weil die Vermehrung eine ungemein ſtarke ſein muß, alle lebendiggebärenden
Fiſche aber verhältnißmäßig wenige Junge zur Welt bringen.

Ueber das Laichen ſelbſt fehlt noch jede Kunde. Wir wiſſen, daß die erwachſenen Aale die
Flüſſe verlaſſen und in großer Anzahl dem Meere zuwandern, dürfen auch dreiſt annehmen, daß ſie
hier laichen — mehr wiſſen wir nicht. Eckſtröm erzählt Folgendes: „Um die Mitte Junis ſucht
der Aal ſeichte Ufer mit Thon oder weichem Sandgrund und Schilf, woſelbſt er ſich ſammelt; vom
Grunde geht er dann faſt bis zur Mitte der Tiefe in die Höhe, windet ſich ſchraubenförmig um einen
Schilfhalm und läßt ſich von dieſem hin- und herſchwingen“. Heckel und Kner fügen Dem hinzu,
daß ſich der Fiſch hierbei, ſowie auch durch Druck und Reibung, indem er ſich mit anderen ſchlangen-
ähnlich durch einander winde, offenbar ſeiner Zeugungsſtoffe entledige; den Beweis aber, daß dieſe
Bewegungen des Laichens halber geſchehen, bleiben die genannten Naturforſcher ſchuldig. Jm Gegen-
ſatze zu dieſer Meinung ſtehen andere Beobachtungen. Die Wanderungen der erwachſenen Aale
finden, wie ſchon ſeit lange bekannt, im Herbſte, vom Oktober bis zum Dezember ſtatt, vorzugsweiſe
während ſtürmiſcher und finſterer Nächte, welche dieſe Fiſche als Nachtthiere beſonders zu lieben
ſcheinen. Die wandernden Aale ſind, wie die genaueſten Unterſuchungen ergeben haben, für ihr
Fortpflanzungsgeſchäft noch nicht vorbereitet; aber bereits Ende Aprils, ſpäteſtens im Mai, beginnt
eine Rückwanderung in die Flüſſe, und zwar ſind es Junge von höchſtens drei Zoll Länge und
Wurmdicke, welche zu Berge gehen, höchſt wahrſcheinlich alſo die kurz vorher von den im Herbſte
ausgewanderten Alten erzeugten Nachkömmlinge. Die Richtigkeit dieſer Annahme vorausgeſetzt,
würde alſo der Beweis geliefert ſein, daß die Laichzeit nicht in den Juni fallen kann, ſondern in die
Monate Dezember bis Februar fallen muß. Ob einzelne Aale auch in Süßwaſſerſeen laichen, wie
von Manchem angenommen wird, oder ob wirklich alle, welche zur Fortpflanzung gelangen, in das
Meer hinausziehen, wie die große Mehrzahl es ſicherlich thut, muß einſtweilen noch dahin
geſtellt bleiben.

Das Aufſteigen der jungen Aale iſt mehrfach beobachtet worden und findet in allen größeren
Strömen ſtatt. Bereits Redi erzählt, daß von Ende Januar bis Ende April alljährlich Aalbrut
den Arno hinaufwandert, und daß um das Jahr 1667 bei Piſa an einer Stelle des genannten Fluſſes
innerhalb fünf Stunden drei Millionen Pfund ſolcher Aale von anderthalb bis fünf Zoll Länge
gefangen wurden. Jn den Lagunen von Comaccio werden, laut Spallanzani und Coſte, vom
Februar bis April gewiſſe Schleußen geöffnet, um den jungen Aalen den Eintritt in die abgedämmten
Teiche zu geſtatten, aus denen ſie dann nach fünf- bis ſechsjährigem Aufenthalte wieder ins Meer

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[741/0783] Aal. Luft athmen, demgemäß einen Tag und länger außerhalb des Waſſers leben kann, in dieſer Hinſicht alſo zu Landſpaziergängen befähigt ſein würde, iſt allerdings ſehr richtig, beweiſt aber das Ausführen der Wanderung noch keineswegs. Zur Nahrung wählt ſich der Aal hauptſächlich kleine Thiere, namentlich Würmer und Kruſter; auch überfällt er Fröſche, kleine Fiſche und dergleichen, ſoll ſich ſogar am Aaſe gütlich thun. Seine Gefräßigkeit iſt ſehr groß, ſeine Raubfähigkeit, des kleinen Maules halber, zum Glück für unſere Nutzfiſche gering. So unvollkommen unſere Kenntniß der Fortpflanzungsgeſchichte des Aales einſtweilen noch iſt, ſo können wir doch, dank den ſorgſamen Beobachtungen neuzeitlicher Forſcher, ſoviel mit Beſtimmtheit behaupten, daß auch dieſer Fiſch durch Eier ſich fortpflanzt. Frühere Beobachter ſuchten vergeblich nach Geſchlechtswerkzeugen, und erſt Mundinus und Müller erkannten in zwei krauſenartigen langen Hautlappen, welche zahlreiche Einſchnitte und Querfaltungen zeigen und beiderſeits längs der Wirbelſäule verlaufen, die Eierſtöcke. Rathke, Hornſchuch und Andere beſtätigten die Richtigkeit ihrer Unterſuchungen, nachdem ſie mit Hilfe ſtarker Vergrößerung die Eier aufgefunden hatten. Soweit ſind wir gegenwärtig gekommen; aber noch immer hat man die männlichen Geſchlechtswerk- zeuge mit Sicherheit nicht nachweiſen und die Annahme einzelner Forſcher, daß die Aale zu den Zwittern gehören, nicht widerlegen können. An ein Lebendiggebären dieſer Fiſche glaubt gegenwärtig Niemand mehr, ſchon weil die Vermehrung eine ungemein ſtarke ſein muß, alle lebendiggebärenden Fiſche aber verhältnißmäßig wenige Junge zur Welt bringen. Ueber das Laichen ſelbſt fehlt noch jede Kunde. Wir wiſſen, daß die erwachſenen Aale die Flüſſe verlaſſen und in großer Anzahl dem Meere zuwandern, dürfen auch dreiſt annehmen, daß ſie hier laichen — mehr wiſſen wir nicht. Eckſtröm erzählt Folgendes: „Um die Mitte Junis ſucht der Aal ſeichte Ufer mit Thon oder weichem Sandgrund und Schilf, woſelbſt er ſich ſammelt; vom Grunde geht er dann faſt bis zur Mitte der Tiefe in die Höhe, windet ſich ſchraubenförmig um einen Schilfhalm und läßt ſich von dieſem hin- und herſchwingen“. Heckel und Kner fügen Dem hinzu, daß ſich der Fiſch hierbei, ſowie auch durch Druck und Reibung, indem er ſich mit anderen ſchlangen- ähnlich durch einander winde, offenbar ſeiner Zeugungsſtoffe entledige; den Beweis aber, daß dieſe Bewegungen des Laichens halber geſchehen, bleiben die genannten Naturforſcher ſchuldig. Jm Gegen- ſatze zu dieſer Meinung ſtehen andere Beobachtungen. Die Wanderungen der erwachſenen Aale finden, wie ſchon ſeit lange bekannt, im Herbſte, vom Oktober bis zum Dezember ſtatt, vorzugsweiſe während ſtürmiſcher und finſterer Nächte, welche dieſe Fiſche als Nachtthiere beſonders zu lieben ſcheinen. Die wandernden Aale ſind, wie die genaueſten Unterſuchungen ergeben haben, für ihr Fortpflanzungsgeſchäft noch nicht vorbereitet; aber bereits Ende Aprils, ſpäteſtens im Mai, beginnt eine Rückwanderung in die Flüſſe, und zwar ſind es Junge von höchſtens drei Zoll Länge und Wurmdicke, welche zu Berge gehen, höchſt wahrſcheinlich alſo die kurz vorher von den im Herbſte ausgewanderten Alten erzeugten Nachkömmlinge. Die Richtigkeit dieſer Annahme vorausgeſetzt, würde alſo der Beweis geliefert ſein, daß die Laichzeit nicht in den Juni fallen kann, ſondern in die Monate Dezember bis Februar fallen muß. Ob einzelne Aale auch in Süßwaſſerſeen laichen, wie von Manchem angenommen wird, oder ob wirklich alle, welche zur Fortpflanzung gelangen, in das Meer hinausziehen, wie die große Mehrzahl es ſicherlich thut, muß einſtweilen noch dahin geſtellt bleiben. Das Aufſteigen der jungen Aale iſt mehrfach beobachtet worden und findet in allen größeren Strömen ſtatt. Bereits Redi erzählt, daß von Ende Januar bis Ende April alljährlich Aalbrut den Arno hinaufwandert, und daß um das Jahr 1667 bei Piſa an einer Stelle des genannten Fluſſes innerhalb fünf Stunden drei Millionen Pfund ſolcher Aale von anderthalb bis fünf Zoll Länge gefangen wurden. Jn den Lagunen von Comaccio werden, laut Spallanzani und Coſte, vom Februar bis April gewiſſe Schleußen geöffnet, um den jungen Aalen den Eintritt in die abgedämmten Teiche zu geſtatten, aus denen ſie dann nach fünf- bis ſechsjährigem Aufenthalte wieder ins Meer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 741. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/783>, abgerufen am 28.06.2024.