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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Zitteraal.
Angst; ihre Mähne sträubte sich nicht mehr, ihr Auge blickte ruhiger. Die Aale kamen scheu ans
Ufer des Teiches geschwommen, und hier fing man sie mit kleinen, an langen Stricken befestigten
Wurfspeeren. Jn wenigen Minuten hatten wir fünf große Aale, die meisten nur leicht verletzt.
Auf dieselbe Weise wurden Abends noch andere gefangen.

"Den ersten Schlägen eines sehr großen, stark gereizten Zitteraales würde man sich nicht ohne
Gefahr aussetzen. Bekommt man zufällig einen Schlag, bevor der Fisch verwundet oder durch lange
Verfolgung erschöpft ist, so sind Schmerz und Betäubung so heftig, daß man sich von der Art der
Empfindung gar keine Rechenschaft geben kann. Jch erinnere mich nicht, je durch die Entladung
einer großen Leidner Flasche eine so furchtbare Erschütterung erlitten zu haben wie die war, als ich
unvorsichtigerweise beide Füße auf einen Zitteraal setzte, welchen man eben aus dem Wasser gezogen
hatte. Jch empfand den ganzen Tag über heftigen Schmerz in den Knien und fast in allen Gelenken.
Will man den ziemlich auffallenden Unterschied zwischen der Wirkung der Voltaschen Säule und der
der elektrischen Fische genau beobachten, so muß man diese berühren, wenn sie sehr erschöpft sind.
Die Zitterrochen und die Zitteraale verursachen dann ein Sehnenhüpfen vom Glied an, welches die
elektrischen Organe berührt, bis zum Ellbogen. Man glaubt bei jedem Schlag innerlich eine
Schwingung zu empfinden, welche zwei, drei Sekunden anhält und welcher eine schmerzhafte
Betäubung folgt. Jn der ausdrucksvollen Sprache der Tamanacos heißt daher der Temblador
Arimna, d. h. "der die Bewegung raubt".

"Die Empfindung bei schwachen Schlägen des Zitteraales schien mir große Aehnlichkeit zu
haben mit dem schmerzlichen Zucken, welches ich fühlte, wenn auf den wunden Stellen, die ich auf
meinem Rücken durch spanische Fliegen hervorgebracht, zwei entgegengesetzt wirkende Metalle sich
berührten. Dieser Unterschied zwischen der Empfindung, welche der Schlag des elektrischen Fisches
und der, welche eine Säule oder schwach geladene Leidner Flasche hervorbringt, ist allen Beobachtern
aufgefallen; derselbe widerspricht indeß keineswegs der Annahme, daß die Elektricität und die gal-
vanische Wirkung der Fische dem Wesen nach Eins sind. Die Elektricität kann beide Mal dieselbe
sein; sie mag sich aber verschieden äußern in Folge des Baues des elektrischen Organes und Stärke
und Schnelligkeit des elektrischen Stromes oder einer eigenthümlichen Wirkungsweise. Jn holländisch
Guiana, z. B. zu Demerary, galten früher die Zitteraale als ein Heilmittel gegen Lähmungen. Zur
Zeit, in welcher die europäischen Aerzte von der Anwendung der Elektricität Großes erwarteten, gab
ein Wundarzt in Essequibo, Namens Van der Lott, in Holland eine Abhandlung über die Heil-
kräfte des Zitteraales heraus. Solche elektrische Heilweisen kommen bei den Wilden Amerikas wie
bei den Griechen vor: Scribonius Largus, Galenus und Dioscorides berichten uns, daß
der Zitterrochen Kopfweh und Gicht heile. Jn den spanischen Siedelungen, welche ich durchreist,
habe ich von dieser Heilart Nichts gehört; aber soviel ist gewiß, daß Bonpland und ich, nachdem
wir vier Stunden lang an Nacktaalen gearbeitet, bis zum anderen Tage Muskelschwäche, Schmerz in
den Gelenken, allgemeine Uebelkeit empfanden, eine Folge der heftigen Reizung des Nervensystems."

Der Zitteraal (Gymnotus electricus) gehört der Familie der Nacktaale (Gymnoti) an und
vertritt die Sippe der Drillfische. Jhre Merkmale gibt Johannes Müller, welcher die Gruppe
begrenzte, mit folgenden Worten: "Das Maul wird vorn vom Zwischenkiefer, an den Seiten vom
Oberkiefer begrenzt; der Schultergürtel ist am Kopfe selbst aufgehängt; sie haben Blinddärme, und
ihr After liegt an der Kehle; die Eierstöcke sind schlauchartig, die Hoden mit Samengängen." Jhnen
dürfen wir noch hinzufügen, daß die Rückenflosse fehlt, aber eine sehr lange Afterflosse vorhanden ist
und zwei durch Luftgänge vereinigte Schwimmblasen sich finden."

Die Drillfische (Gymnotus) unterscheiden sich von den übrigen Mitgliedern der Familie
durch das Fehlen der Schuppen, die mit einer dicken Haut überzogene Brust- und Afterflosse und
das Gebiß, welches aus sehr vielen feinen, spitzen Zähnen in den Kiefern, einer kleinen Reihe solcher
am vorderen Gaumen und zwei Reihen hinter den vordern des Unterkiefers besteht.

Zitteraal.
Angſt; ihre Mähne ſträubte ſich nicht mehr, ihr Auge blickte ruhiger. Die Aale kamen ſcheu ans
Ufer des Teiches geſchwommen, und hier fing man ſie mit kleinen, an langen Stricken befeſtigten
Wurfſpeeren. Jn wenigen Minuten hatten wir fünf große Aale, die meiſten nur leicht verletzt.
Auf dieſelbe Weiſe wurden Abends noch andere gefangen.

„Den erſten Schlägen eines ſehr großen, ſtark gereizten Zitteraales würde man ſich nicht ohne
Gefahr ausſetzen. Bekommt man zufällig einen Schlag, bevor der Fiſch verwundet oder durch lange
Verfolgung erſchöpft iſt, ſo ſind Schmerz und Betäubung ſo heftig, daß man ſich von der Art der
Empfindung gar keine Rechenſchaft geben kann. Jch erinnere mich nicht, je durch die Entladung
einer großen Leidner Flaſche eine ſo furchtbare Erſchütterung erlitten zu haben wie die war, als ich
unvorſichtigerweiſe beide Füße auf einen Zitteraal ſetzte, welchen man eben aus dem Waſſer gezogen
hatte. Jch empfand den ganzen Tag über heftigen Schmerz in den Knien und faſt in allen Gelenken.
Will man den ziemlich auffallenden Unterſchied zwiſchen der Wirkung der Voltaſchen Säule und der
der elektriſchen Fiſche genau beobachten, ſo muß man dieſe berühren, wenn ſie ſehr erſchöpft ſind.
Die Zitterrochen und die Zitteraale verurſachen dann ein Sehnenhüpfen vom Glied an, welches die
elektriſchen Organe berührt, bis zum Ellbogen. Man glaubt bei jedem Schlag innerlich eine
Schwingung zu empfinden, welche zwei, drei Sekunden anhält und welcher eine ſchmerzhafte
Betäubung folgt. Jn der ausdrucksvollen Sprache der Tamanacos heißt daher der Temblador
Arimna, d. h. „der die Bewegung raubt“.

„Die Empfindung bei ſchwachen Schlägen des Zitteraales ſchien mir große Aehnlichkeit zu
haben mit dem ſchmerzlichen Zucken, welches ich fühlte, wenn auf den wunden Stellen, die ich auf
meinem Rücken durch ſpaniſche Fliegen hervorgebracht, zwei entgegengeſetzt wirkende Metalle ſich
berührten. Dieſer Unterſchied zwiſchen der Empfindung, welche der Schlag des elektriſchen Fiſches
und der, welche eine Säule oder ſchwach geladene Leidner Flaſche hervorbringt, iſt allen Beobachtern
aufgefallen; derſelbe widerſpricht indeß keineswegs der Annahme, daß die Elektricität und die gal-
vaniſche Wirkung der Fiſche dem Weſen nach Eins ſind. Die Elektricität kann beide Mal dieſelbe
ſein; ſie mag ſich aber verſchieden äußern in Folge des Baues des elektriſchen Organes und Stärke
und Schnelligkeit des elektriſchen Stromes oder einer eigenthümlichen Wirkungsweiſe. Jn holländiſch
Guiana, z. B. zu Demerary, galten früher die Zitteraale als ein Heilmittel gegen Lähmungen. Zur
Zeit, in welcher die europäiſchen Aerzte von der Anwendung der Elektricität Großes erwarteten, gab
ein Wundarzt in Eſſequibo, Namens Van der Lott, in Holland eine Abhandlung über die Heil-
kräfte des Zitteraales heraus. Solche elektriſche Heilweiſen kommen bei den Wilden Amerikas wie
bei den Griechen vor: Scribonius Largus, Galenus und Dioscorides berichten uns, daß
der Zitterrochen Kopfweh und Gicht heile. Jn den ſpaniſchen Siedelungen, welche ich durchreiſt,
habe ich von dieſer Heilart Nichts gehört; aber ſoviel iſt gewiß, daß Bonpland und ich, nachdem
wir vier Stunden lang an Nacktaalen gearbeitet, bis zum anderen Tage Muskelſchwäche, Schmerz in
den Gelenken, allgemeine Uebelkeit empfanden, eine Folge der heftigen Reizung des Nervenſyſtems.“

Der Zitteraal (Gymnotus electricus) gehört der Familie der Nacktaale (Gymnoti) an und
vertritt die Sippe der Drillfiſche. Jhre Merkmale gibt Johannes Müller, welcher die Gruppe
begrenzte, mit folgenden Worten: „Das Maul wird vorn vom Zwiſchenkiefer, an den Seiten vom
Oberkiefer begrenzt; der Schultergürtel iſt am Kopfe ſelbſt aufgehängt; ſie haben Blinddärme, und
ihr After liegt an der Kehle; die Eierſtöcke ſind ſchlauchartig, die Hoden mit Samengängen.“ Jhnen
dürfen wir noch hinzufügen, daß die Rückenfloſſe fehlt, aber eine ſehr lange Afterfloſſe vorhanden iſt
und zwei durch Luftgänge vereinigte Schwimmblaſen ſich finden.“

Die Drillfiſche (Gymnotus) unterſcheiden ſich von den übrigen Mitgliedern der Familie
durch das Fehlen der Schuppen, die mit einer dicken Haut überzogene Bruſt- und Afterfloſſe und
das Gebiß, welches aus ſehr vielen feinen, ſpitzen Zähnen in den Kiefern, einer kleinen Reihe ſolcher
am vorderen Gaumen und zwei Reihen hinter den vordern des Unterkiefers beſteht.

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[735/0777] Zitteraal. Angſt; ihre Mähne ſträubte ſich nicht mehr, ihr Auge blickte ruhiger. Die Aale kamen ſcheu ans Ufer des Teiches geſchwommen, und hier fing man ſie mit kleinen, an langen Stricken befeſtigten Wurfſpeeren. Jn wenigen Minuten hatten wir fünf große Aale, die meiſten nur leicht verletzt. Auf dieſelbe Weiſe wurden Abends noch andere gefangen. „Den erſten Schlägen eines ſehr großen, ſtark gereizten Zitteraales würde man ſich nicht ohne Gefahr ausſetzen. Bekommt man zufällig einen Schlag, bevor der Fiſch verwundet oder durch lange Verfolgung erſchöpft iſt, ſo ſind Schmerz und Betäubung ſo heftig, daß man ſich von der Art der Empfindung gar keine Rechenſchaft geben kann. Jch erinnere mich nicht, je durch die Entladung einer großen Leidner Flaſche eine ſo furchtbare Erſchütterung erlitten zu haben wie die war, als ich unvorſichtigerweiſe beide Füße auf einen Zitteraal ſetzte, welchen man eben aus dem Waſſer gezogen hatte. Jch empfand den ganzen Tag über heftigen Schmerz in den Knien und faſt in allen Gelenken. Will man den ziemlich auffallenden Unterſchied zwiſchen der Wirkung der Voltaſchen Säule und der der elektriſchen Fiſche genau beobachten, ſo muß man dieſe berühren, wenn ſie ſehr erſchöpft ſind. Die Zitterrochen und die Zitteraale verurſachen dann ein Sehnenhüpfen vom Glied an, welches die elektriſchen Organe berührt, bis zum Ellbogen. Man glaubt bei jedem Schlag innerlich eine Schwingung zu empfinden, welche zwei, drei Sekunden anhält und welcher eine ſchmerzhafte Betäubung folgt. Jn der ausdrucksvollen Sprache der Tamanacos heißt daher der Temblador Arimna, d. h. „der die Bewegung raubt“. „Die Empfindung bei ſchwachen Schlägen des Zitteraales ſchien mir große Aehnlichkeit zu haben mit dem ſchmerzlichen Zucken, welches ich fühlte, wenn auf den wunden Stellen, die ich auf meinem Rücken durch ſpaniſche Fliegen hervorgebracht, zwei entgegengeſetzt wirkende Metalle ſich berührten. Dieſer Unterſchied zwiſchen der Empfindung, welche der Schlag des elektriſchen Fiſches und der, welche eine Säule oder ſchwach geladene Leidner Flaſche hervorbringt, iſt allen Beobachtern aufgefallen; derſelbe widerſpricht indeß keineswegs der Annahme, daß die Elektricität und die gal- vaniſche Wirkung der Fiſche dem Weſen nach Eins ſind. Die Elektricität kann beide Mal dieſelbe ſein; ſie mag ſich aber verſchieden äußern in Folge des Baues des elektriſchen Organes und Stärke und Schnelligkeit des elektriſchen Stromes oder einer eigenthümlichen Wirkungsweiſe. Jn holländiſch Guiana, z. B. zu Demerary, galten früher die Zitteraale als ein Heilmittel gegen Lähmungen. Zur Zeit, in welcher die europäiſchen Aerzte von der Anwendung der Elektricität Großes erwarteten, gab ein Wundarzt in Eſſequibo, Namens Van der Lott, in Holland eine Abhandlung über die Heil- kräfte des Zitteraales heraus. Solche elektriſche Heilweiſen kommen bei den Wilden Amerikas wie bei den Griechen vor: Scribonius Largus, Galenus und Dioscorides berichten uns, daß der Zitterrochen Kopfweh und Gicht heile. Jn den ſpaniſchen Siedelungen, welche ich durchreiſt, habe ich von dieſer Heilart Nichts gehört; aber ſoviel iſt gewiß, daß Bonpland und ich, nachdem wir vier Stunden lang an Nacktaalen gearbeitet, bis zum anderen Tage Muskelſchwäche, Schmerz in den Gelenken, allgemeine Uebelkeit empfanden, eine Folge der heftigen Reizung des Nervenſyſtems.“ Der Zitteraal (Gymnotus electricus) gehört der Familie der Nacktaale (Gymnoti) an und vertritt die Sippe der Drillfiſche. Jhre Merkmale gibt Johannes Müller, welcher die Gruppe begrenzte, mit folgenden Worten: „Das Maul wird vorn vom Zwiſchenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer begrenzt; der Schultergürtel iſt am Kopfe ſelbſt aufgehängt; ſie haben Blinddärme, und ihr After liegt an der Kehle; die Eierſtöcke ſind ſchlauchartig, die Hoden mit Samengängen.“ Jhnen dürfen wir noch hinzufügen, daß die Rückenfloſſe fehlt, aber eine ſehr lange Afterfloſſe vorhanden iſt und zwei durch Luftgänge vereinigte Schwimmblaſen ſich finden.“ Die Drillfiſche (Gymnotus) unterſcheiden ſich von den übrigen Mitgliedern der Familie durch das Fehlen der Schuppen, die mit einer dicken Haut überzogene Bruſt- und Afterfloſſe und das Gebiß, welches aus ſehr vielen feinen, ſpitzen Zähnen in den Kiefern, einer kleinen Reihe ſolcher am vorderen Gaumen und zwei Reihen hinter den vordern des Unterkiefers beſteht.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/777>, abgerufen am 15.06.2024.