Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Hecht.
verschlingt Fische aller Art, Seinesgleichen nicht ausgenommen, außerdem Frösche, Vögel und
Säugethiere, welche er mit seinem weit geöffneten Rachen umspannen kann; er packt, wie eine in
England angestellte Beobachtung beweist, den untergetauchten Kopf des Schwanes, läßt nicht los,
soviel auch der stolze und kräftige Vogel sich sträuben mag, und erwürgt ihn; er kämpft mit dem
Fischotter; er schnappt nach dem Fuße oder der Hand der im Wasser stehenden oder sich waschenden
Magd, vergreift sich in blinder Gier sogar an noch größeren Säugethieren. "Zu Zeiten hat es sich
begeben", erzählt Geßner, "daß einer ein Maulthier in den Rotten getrieben hat zu trinken: als nun
das Maulthier oder Maulesel getrunken, hat ein Hecht jm sein vnder Lefftzen erbissen, also daß
[Abbildung] Der Hecht (Esox lucius). Nat. Größe bis [6] Fuß.
das Maulthier erschrocken von dem Wasser geflohen, den Hecht an der Lefftzen herausgezogen vnd
abgeschüttelt hat, welcher vom Maultreiber lebendig gefangen vnd heym getragen worden." Junge
Gänse, Enten, Wasserhühner und dergl. hat man oft in seinem Magen gefunden, auch Schlangen,
nicht aber Kröten. Fische mit stacheligen Rückenflossen, wie den Barsch, verschluckt er nicht sogleich,
sondern hält ihn an den Zähnen, bis er todt ist; den Stichling dagegen läßt er ruhig um sich
spielen und wagt es nicht, ihn anzugreifen, hat auch Ursache zu solcher Vorsicht: denn Bloch fand
einen jungen, unerfahrenen Hecht mit einem Stichling im Maule, dessen Rückenstachel den Gaumen
durchbohrt hatte und bei den Nasenlöchern hervorragte. Von der Nahrungsmenge, welche der Hecht
verbraucht, gewinnt man erst eine Vorstellung, wenn man den Räuber in Gefangenschaft hält und
seinem ewigen Heißhunger zu genügen sucht. "Acht Hechte", erzählt Jesse, "jeder von etwa

Hecht.
verſchlingt Fiſche aller Art, Seinesgleichen nicht ausgenommen, außerdem Fröſche, Vögel und
Säugethiere, welche er mit ſeinem weit geöffneten Rachen umſpannen kann; er packt, wie eine in
England angeſtellte Beobachtung beweiſt, den untergetauchten Kopf des Schwanes, läßt nicht los,
ſoviel auch der ſtolze und kräftige Vogel ſich ſträuben mag, und erwürgt ihn; er kämpft mit dem
Fiſchotter; er ſchnappt nach dem Fuße oder der Hand der im Waſſer ſtehenden oder ſich waſchenden
Magd, vergreift ſich in blinder Gier ſogar an noch größeren Säugethieren. „Zu Zeiten hat es ſich
begeben“, erzählt Geßner, „daß einer ein Maulthier in den Rotten getrieben hat zu trinken: als nun
das Maulthier oder Mauleſel getrunken, hat ein Hecht jm ſein vnder Lefftzen erbiſſen, alſo daß
[Abbildung] Der Hecht (Esox lucius). Nat. Größe bis [6] Fuß.
das Maulthier erſchrocken von dem Waſſer geflohen, den Hecht an der Lefftzen herausgezogen vnd
abgeſchüttelt hat, welcher vom Maultreiber lebendig gefangen vnd heym getragen worden.“ Junge
Gänſe, Enten, Waſſerhühner und dergl. hat man oft in ſeinem Magen gefunden, auch Schlangen,
nicht aber Kröten. Fiſche mit ſtacheligen Rückenfloſſen, wie den Barſch, verſchluckt er nicht ſogleich,
ſondern hält ihn an den Zähnen, bis er todt iſt; den Stichling dagegen läßt er ruhig um ſich
ſpielen und wagt es nicht, ihn anzugreifen, hat auch Urſache zu ſolcher Vorſicht: denn Bloch fand
einen jungen, unerfahrenen Hecht mit einem Stichling im Maule, deſſen Rückenſtachel den Gaumen
durchbohrt hatte und bei den Naſenlöchern hervorragte. Von der Nahrungsmenge, welche der Hecht
verbraucht, gewinnt man erſt eine Vorſtellung, wenn man den Räuber in Gefangenſchaft hält und
ſeinem ewigen Heißhunger zu genügen ſucht. „Acht Hechte“, erzählt Jeſſe, „jeder von etwa

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0755" n="715"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hecht</hi>.</fw><lb/>
ver&#x017F;chlingt Fi&#x017F;che aller Art, Seinesgleichen nicht ausgenommen, außerdem Frö&#x017F;che, Vögel und<lb/>
Säugethiere, welche er mit &#x017F;einem weit geöffneten Rachen um&#x017F;pannen kann; er packt, wie eine in<lb/>
England ange&#x017F;tellte Beobachtung bewei&#x017F;t, den untergetauchten Kopf des Schwanes, läßt nicht los,<lb/>
&#x017F;oviel auch der &#x017F;tolze und kräftige Vogel &#x017F;ich &#x017F;träuben mag, und erwürgt ihn; er kämpft mit dem<lb/>
Fi&#x017F;chotter; er &#x017F;chnappt nach dem Fuße oder der Hand der im Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tehenden oder &#x017F;ich wa&#x017F;chenden<lb/>
Magd, vergreift &#x017F;ich in blinder Gier &#x017F;ogar an noch größeren Säugethieren. &#x201E;Zu Zeiten hat es &#x017F;ich<lb/>
begeben&#x201C;, erzählt <hi rendition="#g">Geßner,</hi> &#x201E;daß einer ein Maulthier in den Rotten getrieben hat zu trinken: als nun<lb/>
das Maulthier oder Maule&#x017F;el getrunken, hat ein Hecht jm &#x017F;ein vnder Lefftzen erbi&#x017F;&#x017F;en, al&#x017F;o daß<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Hecht</hi> (<hi rendition="#aq">Esox lucius</hi>). Nat. Größe bis <supplied>6</supplied> Fuß.</hi></head></figure><lb/>
das Maulthier er&#x017F;chrocken von dem Wa&#x017F;&#x017F;er geflohen, den Hecht an der Lefftzen herausgezogen vnd<lb/>
abge&#x017F;chüttelt hat, welcher vom Maultreiber lebendig gefangen vnd heym getragen worden.&#x201C; Junge<lb/>
Gän&#x017F;e, Enten, Wa&#x017F;&#x017F;erhühner und dergl. hat man oft in &#x017F;einem Magen gefunden, auch Schlangen,<lb/>
nicht aber Kröten. Fi&#x017F;che mit &#x017F;tacheligen Rückenflo&#x017F;&#x017F;en, wie den Bar&#x017F;ch, ver&#x017F;chluckt er nicht &#x017F;ogleich,<lb/>
&#x017F;ondern hält ihn an den Zähnen, bis er todt i&#x017F;t; den Stichling dagegen läßt er ruhig um &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;pielen und wagt es nicht, ihn anzugreifen, hat auch Ur&#x017F;ache zu &#x017F;olcher Vor&#x017F;icht: denn <hi rendition="#g">Bloch</hi> fand<lb/>
einen jungen, unerfahrenen Hecht mit einem Stichling im Maule, de&#x017F;&#x017F;en Rücken&#x017F;tachel den Gaumen<lb/>
durchbohrt hatte und bei den Na&#x017F;enlöchern hervorragte. Von der Nahrungsmenge, welche der Hecht<lb/>
verbraucht, gewinnt man er&#x017F;t eine Vor&#x017F;tellung, wenn man den Räuber in Gefangen&#x017F;chaft hält und<lb/>
&#x017F;einem ewigen Heißhunger zu genügen &#x017F;ucht. &#x201E;Acht Hechte&#x201C;, erzählt <hi rendition="#g">Je&#x017F;&#x017F;e,</hi> &#x201E;jeder von etwa<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[715/0755] Hecht. verſchlingt Fiſche aller Art, Seinesgleichen nicht ausgenommen, außerdem Fröſche, Vögel und Säugethiere, welche er mit ſeinem weit geöffneten Rachen umſpannen kann; er packt, wie eine in England angeſtellte Beobachtung beweiſt, den untergetauchten Kopf des Schwanes, läßt nicht los, ſoviel auch der ſtolze und kräftige Vogel ſich ſträuben mag, und erwürgt ihn; er kämpft mit dem Fiſchotter; er ſchnappt nach dem Fuße oder der Hand der im Waſſer ſtehenden oder ſich waſchenden Magd, vergreift ſich in blinder Gier ſogar an noch größeren Säugethieren. „Zu Zeiten hat es ſich begeben“, erzählt Geßner, „daß einer ein Maulthier in den Rotten getrieben hat zu trinken: als nun das Maulthier oder Mauleſel getrunken, hat ein Hecht jm ſein vnder Lefftzen erbiſſen, alſo daß [Abbildung Der Hecht (Esox lucius). Nat. Größe bis 6 Fuß.] das Maulthier erſchrocken von dem Waſſer geflohen, den Hecht an der Lefftzen herausgezogen vnd abgeſchüttelt hat, welcher vom Maultreiber lebendig gefangen vnd heym getragen worden.“ Junge Gänſe, Enten, Waſſerhühner und dergl. hat man oft in ſeinem Magen gefunden, auch Schlangen, nicht aber Kröten. Fiſche mit ſtacheligen Rückenfloſſen, wie den Barſch, verſchluckt er nicht ſogleich, ſondern hält ihn an den Zähnen, bis er todt iſt; den Stichling dagegen läßt er ruhig um ſich ſpielen und wagt es nicht, ihn anzugreifen, hat auch Urſache zu ſolcher Vorſicht: denn Bloch fand einen jungen, unerfahrenen Hecht mit einem Stichling im Maule, deſſen Rückenſtachel den Gaumen durchbohrt hatte und bei den Naſenlöchern hervorragte. Von der Nahrungsmenge, welche der Hecht verbraucht, gewinnt man erſt eine Vorſtellung, wenn man den Räuber in Gefangenſchaft hält und ſeinem ewigen Heißhunger zu genügen ſucht. „Acht Hechte“, erzählt Jeſſe, „jeder von etwa

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/755
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/755>, abgerufen am 16.06.2024.