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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Salmler. Sägesalmler. Stachelsalmler.
aller "Sägesalmler" im weiteren Sinne sich gleichen; doch wollen wir der Vollständigkeit halber
mehrere wenigstens namentlich aufführen.

Sägesalmler (Serrasalmo) nennt man alle Mitglieder dieser Gruppe, welche große,
schneidende, dreieckige, in einer Reihe geordnete Zähne in beiden Kiefern und ähnliche in einer Reihe
am Gaumen tragen, kleine Schuppen, zwei Stacheln vor dem After und einen Stachel vor der
Rückenflosse haben.

Einer der bekannteren Vertreter dieser Sippe ist der Karaibenfisch (Serrasalmo rhombeus),
ein kleines Thier von höchstens 7 Zoll Länge, mit weit zurückzichbarem Maule und furchtbarem
Gebisse, auf dem Rücken aschgrau mit grünlichem Schimmer, auf Bauch, Kiemen, Brust-, Bauch-
und Asterflossen schön orangegelb gefärbt, an der Schwanzflosse dunkel gesäumt, mit 18 Strahlen
in der Rücken-, 16 in der Brust-, 7 in der Bauch-, 35 in der After-, 27 in der Schwanzflosse.

Eine zweite Sippe umfaßt die Stachelsalmler (Pygocentrus), dem vorstehend erwähnten
ähnlich gebaute Fische mit starkschneidenden, dreieckigen Zähnen in beiden Kiefern, nicht aber auch im
Gaumen, und zwei Stacheln am After.

Diese Sippe wird vertreten durch die Piraia (Pygocentrus piraya) und den Pirai oder die
Huma der Jndianer Guianas (Pygocentrus niger). Ersterer ist auf der Oberseite bläulich, am
Bauche gelb gefärbt, oben goldig schimmernd, letzterer fast einförmig schwarz oder richtiger dunkler
ölfarben. Die Rückenflosse besitzt 18, die Brustflosse 16, die Bauchflosse 6, die Afterflosse 35, die
Schwanzflosse 25 Strahlen. Beide sind größer als der Karaibenfisch: die Piraia erreicht eine Länge
von 12, der Pirai eine von 16 bis 20 Zoll.

Alle Sägesalmler leben in den Flüssen Süd- und Mittelamerikas, selten oder nie in der Nähe
der Mündungen, vielmehr durchschnittlich vierzig bis sechszig Seemeilen vom Meere aufwärts, auf
stromlosen Stellen, vorzugsweise in Buchten, welche von Felsen umgeben oder von ihnen durchsetzt
werden. Für gewöhnlich halten sie sich am Boden auf, erscheinen aber, sobald sie eine Beute
gewahren, zu Tausenden auch an der Oberfläche des Wassers. Auf größeren Strömen begleiten oder
umringen sie die Fahrzeuge, um im rechten Augenblicke zur Stelle zu sein. "Wird ihnen", bemerkt
Bates, "Nichts zugeworfen, so sicht man höchstens einige zerstrenete hier und da, Aller Köpfe
erwartungsvoll gerichtet; sobald aber irgend ein Abfall vom Boote aus ins Wasser geschüttet wird,
dunkelt sich dasselbe durch ihre Heere, ein wüthender Kampf beginnt um den Bissen, und oft
noch glückt es dem einen, Nahrung zu stehlen, welche ein anderer schon halb verschlungen. Wenn
eine Biene oder Fliege nah über dem Spiegel dahinzieht, springen sie tobend nach ihr, so
gleichzeitig, als würden sie durch einen elektrischen Schlag aufgerührt." Humboldt hat schon lange
vor Bates Aehnliches erzählt. "Gießt man", sagt er, "ein paar Tropfen Blut ins Wasser, so
kommen sie zu Tausenden herauf, an Stellen, wo der Fluß ganz klar und kein Fisch zu sehen war.
Warfen wir kleine, blutige Fleischstücke ins Wasser, in wenigen Minuten waren zahlreiche Schwärme
von Karaibenfischen da und stritten sich um den Fraß."

Schomburgk bezeichnet sie mit Recht als die geringsten Raubfische des Süßwassers und meint,
daß man sie die Hiänen desselben nennen könnte. Jm Vergleich zu ihnen aber sind die Hiänen
harmlose, die Geier bescheidene Geschöpfe. Jhre Gesräßigkeit übersteigt jede Vorstellung: sie gefährden
jedes andere Thier, welches sich in ihren Bereich wagt, Fische, welche zehn Mal größer sind als sie
selbst. "Greifen sie", berichtet Schomburgk, "einen größeren Fisch an, so beißen sie ihm zuerst
die Schwanzflosse ab und berauben damit den Gegner seines Hauptbewegungswerkzeuges, während
die übrigen wie Harpyien über ihn herfallen und ihn bis auf den Kopf zerfleischen und verzehren.
Kein Säugethier, welches durch den Fluß schwimmt, entgeht ihrer Raubsucht; ja selbst die Füße der
Wasservögel, Schildkröten und die Zehen der Alligatoren sind nicht sicher vor ihnen. Wird der

Die Edelfiſche. Salmler. Sägeſalmler. Stachelſalmler.
aller „Sägeſalmler“ im weiteren Sinne ſich gleichen; doch wollen wir der Vollſtändigkeit halber
mehrere wenigſtens namentlich aufführen.

Sägeſalmler (Serrasalmo) nennt man alle Mitglieder dieſer Gruppe, welche große,
ſchneidende, dreieckige, in einer Reihe geordnete Zähne in beiden Kiefern und ähnliche in einer Reihe
am Gaumen tragen, kleine Schuppen, zwei Stacheln vor dem After und einen Stachel vor der
Rückenfloſſe haben.

Einer der bekannteren Vertreter dieſer Sippe iſt der Karaibenfiſch (Serrasalmo rhombeus),
ein kleines Thier von höchſtens 7 Zoll Länge, mit weit zurückzichbarem Maule und furchtbarem
Gebiſſe, auf dem Rücken aſchgrau mit grünlichem Schimmer, auf Bauch, Kiemen, Bruſt-, Bauch-
und Aſterfloſſen ſchön orangegelb gefärbt, an der Schwanzfloſſe dunkel geſäumt, mit 18 Strahlen
in der Rücken-, 16 in der Bruſt-, 7 in der Bauch-, 35 in der After-, 27 in der Schwanzfloſſe.

Eine zweite Sippe umfaßt die Stachelſalmler (Pygocentrus), dem vorſtehend erwähnten
ähnlich gebaute Fiſche mit ſtarkſchneidenden, dreieckigen Zähnen in beiden Kiefern, nicht aber auch im
Gaumen, und zwei Stacheln am After.

Dieſe Sippe wird vertreten durch die Piraia (Pygocentrus piraya) und den Pirai oder die
Huma der Jndianer Guianas (Pygocentrus niger). Erſterer iſt auf der Oberſeite bläulich, am
Bauche gelb gefärbt, oben goldig ſchimmernd, letzterer faſt einförmig ſchwarz oder richtiger dunkler
ölfarben. Die Rückenfloſſe beſitzt 18, die Bruſtfloſſe 16, die Bauchfloſſe 6, die Afterfloſſe 35, die
Schwanzfloſſe 25 Strahlen. Beide ſind größer als der Karaibenfiſch: die Piraia erreicht eine Länge
von 12, der Pirai eine von 16 bis 20 Zoll.

Alle Sägeſalmler leben in den Flüſſen Süd- und Mittelamerikas, ſelten oder nie in der Nähe
der Mündungen, vielmehr durchſchnittlich vierzig bis ſechszig Seemeilen vom Meere aufwärts, auf
ſtromloſen Stellen, vorzugsweiſe in Buchten, welche von Felſen umgeben oder von ihnen durchſetzt
werden. Für gewöhnlich halten ſie ſich am Boden auf, erſcheinen aber, ſobald ſie eine Beute
gewahren, zu Tauſenden auch an der Oberfläche des Waſſers. Auf größeren Strömen begleiten oder
umringen ſie die Fahrzeuge, um im rechten Augenblicke zur Stelle zu ſein. „Wird ihnen“, bemerkt
Bates, „Nichts zugeworfen, ſo ſicht man höchſtens einige zerſtrenete hier und da, Aller Köpfe
erwartungsvoll gerichtet; ſobald aber irgend ein Abfall vom Boote aus ins Waſſer geſchüttet wird,
dunkelt ſich daſſelbe durch ihre Heere, ein wüthender Kampf beginnt um den Biſſen, und oft
noch glückt es dem einen, Nahrung zu ſtehlen, welche ein anderer ſchon halb verſchlungen. Wenn
eine Biene oder Fliege nah über dem Spiegel dahinzieht, ſpringen ſie tobend nach ihr, ſo
gleichzeitig, als würden ſie durch einen elektriſchen Schlag aufgerührt.“ Humboldt hat ſchon lange
vor Bates Aehnliches erzählt. „Gießt man“, ſagt er, „ein paar Tropfen Blut ins Waſſer, ſo
kommen ſie zu Tauſenden herauf, an Stellen, wo der Fluß ganz klar und kein Fiſch zu ſehen war.
Warfen wir kleine, blutige Fleiſchſtücke ins Waſſer, in wenigen Minuten waren zahlreiche Schwärme
von Karaibenfiſchen da und ſtritten ſich um den Fraß.“

Schomburgk bezeichnet ſie mit Recht als die geringſten Raubfiſche des Süßwaſſers und meint,
daß man ſie die Hiänen deſſelben nennen könnte. Jm Vergleich zu ihnen aber ſind die Hiänen
harmloſe, die Geier beſcheidene Geſchöpfe. Jhre Geſräßigkeit überſteigt jede Vorſtellung: ſie gefährden
jedes andere Thier, welches ſich in ihren Bereich wagt, Fiſche, welche zehn Mal größer ſind als ſie
ſelbſt. „Greifen ſie“, berichtet Schomburgk, „einen größeren Fiſch an, ſo beißen ſie ihm zuerſt
die Schwanzfloſſe ab und berauben damit den Gegner ſeines Hauptbewegungswerkzeuges, während
die übrigen wie Harpyien über ihn herfallen und ihn bis auf den Kopf zerfleiſchen und verzehren.
Kein Säugethier, welches durch den Fluß ſchwimmt, entgeht ihrer Raubſucht; ja ſelbſt die Füße der
Waſſervögel, Schildkröten und die Zehen der Alligatoren ſind nicht ſicher vor ihnen. Wird der

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[680/0718] Die Edelfiſche. Salmler. Sägeſalmler. Stachelſalmler. aller „Sägeſalmler“ im weiteren Sinne ſich gleichen; doch wollen wir der Vollſtändigkeit halber mehrere wenigſtens namentlich aufführen. Sägeſalmler (Serrasalmo) nennt man alle Mitglieder dieſer Gruppe, welche große, ſchneidende, dreieckige, in einer Reihe geordnete Zähne in beiden Kiefern und ähnliche in einer Reihe am Gaumen tragen, kleine Schuppen, zwei Stacheln vor dem After und einen Stachel vor der Rückenfloſſe haben. Einer der bekannteren Vertreter dieſer Sippe iſt der Karaibenfiſch (Serrasalmo rhombeus), ein kleines Thier von höchſtens 7 Zoll Länge, mit weit zurückzichbarem Maule und furchtbarem Gebiſſe, auf dem Rücken aſchgrau mit grünlichem Schimmer, auf Bauch, Kiemen, Bruſt-, Bauch- und Aſterfloſſen ſchön orangegelb gefärbt, an der Schwanzfloſſe dunkel geſäumt, mit 18 Strahlen in der Rücken-, 16 in der Bruſt-, 7 in der Bauch-, 35 in der After-, 27 in der Schwanzfloſſe. Eine zweite Sippe umfaßt die Stachelſalmler (Pygocentrus), dem vorſtehend erwähnten ähnlich gebaute Fiſche mit ſtarkſchneidenden, dreieckigen Zähnen in beiden Kiefern, nicht aber auch im Gaumen, und zwei Stacheln am After. Dieſe Sippe wird vertreten durch die Piraia (Pygocentrus piraya) und den Pirai oder die Huma der Jndianer Guianas (Pygocentrus niger). Erſterer iſt auf der Oberſeite bläulich, am Bauche gelb gefärbt, oben goldig ſchimmernd, letzterer faſt einförmig ſchwarz oder richtiger dunkler ölfarben. Die Rückenfloſſe beſitzt 18, die Bruſtfloſſe 16, die Bauchfloſſe 6, die Afterfloſſe 35, die Schwanzfloſſe 25 Strahlen. Beide ſind größer als der Karaibenfiſch: die Piraia erreicht eine Länge von 12, der Pirai eine von 16 bis 20 Zoll. Alle Sägeſalmler leben in den Flüſſen Süd- und Mittelamerikas, ſelten oder nie in der Nähe der Mündungen, vielmehr durchſchnittlich vierzig bis ſechszig Seemeilen vom Meere aufwärts, auf ſtromloſen Stellen, vorzugsweiſe in Buchten, welche von Felſen umgeben oder von ihnen durchſetzt werden. Für gewöhnlich halten ſie ſich am Boden auf, erſcheinen aber, ſobald ſie eine Beute gewahren, zu Tauſenden auch an der Oberfläche des Waſſers. Auf größeren Strömen begleiten oder umringen ſie die Fahrzeuge, um im rechten Augenblicke zur Stelle zu ſein. „Wird ihnen“, bemerkt Bates, „Nichts zugeworfen, ſo ſicht man höchſtens einige zerſtrenete hier und da, Aller Köpfe erwartungsvoll gerichtet; ſobald aber irgend ein Abfall vom Boote aus ins Waſſer geſchüttet wird, dunkelt ſich daſſelbe durch ihre Heere, ein wüthender Kampf beginnt um den Biſſen, und oft noch glückt es dem einen, Nahrung zu ſtehlen, welche ein anderer ſchon halb verſchlungen. Wenn eine Biene oder Fliege nah über dem Spiegel dahinzieht, ſpringen ſie tobend nach ihr, ſo gleichzeitig, als würden ſie durch einen elektriſchen Schlag aufgerührt.“ Humboldt hat ſchon lange vor Bates Aehnliches erzählt. „Gießt man“, ſagt er, „ein paar Tropfen Blut ins Waſſer, ſo kommen ſie zu Tauſenden herauf, an Stellen, wo der Fluß ganz klar und kein Fiſch zu ſehen war. Warfen wir kleine, blutige Fleiſchſtücke ins Waſſer, in wenigen Minuten waren zahlreiche Schwärme von Karaibenfiſchen da und ſtritten ſich um den Fraß.“ Schomburgk bezeichnet ſie mit Recht als die geringſten Raubfiſche des Süßwaſſers und meint, daß man ſie die Hiänen deſſelben nennen könnte. Jm Vergleich zu ihnen aber ſind die Hiänen harmloſe, die Geier beſcheidene Geſchöpfe. Jhre Geſräßigkeit überſteigt jede Vorſtellung: ſie gefährden jedes andere Thier, welches ſich in ihren Bereich wagt, Fiſche, welche zehn Mal größer ſind als ſie ſelbſt. „Greifen ſie“, berichtet Schomburgk, „einen größeren Fiſch an, ſo beißen ſie ihm zuerſt die Schwanzfloſſe ab und berauben damit den Gegner ſeines Hauptbewegungswerkzeuges, während die übrigen wie Harpyien über ihn herfallen und ihn bis auf den Kopf zerfleiſchen und verzehren. Kein Säugethier, welches durch den Fluß ſchwimmt, entgeht ihrer Raubſucht; ja ſelbſt die Füße der Waſſervögel, Schildkröten und die Zehen der Alligatoren ſind nicht ſicher vor ihnen. Wird der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/718>, abgerufen am 18.06.2024.