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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Bitterling. Blei.
kante. Die Schlundzähne ordnen sich jederseits zu fünf in einfacher Reihe; ihre Kronen sind seitlich
zusammengedrückt und schräg abgeschlissen.

Als Urbild dieser Sippe betrachtet man die verbreitetste und häufigste Art derselben, den Blei
(Abramis Brama), einen stattlichen Karpfen von 11/2 bis 2 Fuß Länge, 10 bis 14, ausnahmsweise
sogar 20 Pfund Gewicht, durch seinen stark seitlich zusammengedrückten Leib und die ansehnliche
Höhe desselben leicht kenntlich, auf Oberkopf und Rücken schwärzlich, auf den Seiten gelblichweiß mit
Silberglanz, an der Kehle röthlich, auf dem Bauche weiß gefärbt, seitlich schwarz gepunktet, mit
schwarzblauen Flossen.

Auch die Männchen dieser Art erleiden während der Fortpflanzungszeit eine Veränderung,
indem ebenfalls auf ihrer Hautoberfläche warzenförmige Gebilde hervorwachsen. Diese verdichteten
und erhärteten Haufen von Oberhautzellen haben eine stumpfe, kegelförmige Gestalt und Anfangs
eine weißliche Färbung, welche später, nachdem die Warzen erhärten, sich in Bernsteingelb
umwandeln. Die größten von ihnen entwickeln sich auf Schnauze und Scheitel, die kleinsten auf den
Flossenstrahlen; außerdem finden sich solche auf dem Kiemendeckel und an den meisten Schuppen
des Leibes.

Verwandte Fische, welche von einzelnen Kundigen als besondere Arten angesehen und beschrieben
wurden, werden gegenwärtig als Spielarten erklärt.

Ganz Mittel-, Nord- und Osteuropa ist die Heimat des Blei; südlich der Alpen aber wird er
ebenso wenig als seine Verwandten gefunden; wohl aber tritt er wieder im Gebiet der Rhone auf.
Sehr häufig bewohnt er die Gewässer aller deutschen Hauptströme, insbesondere die mit ihnen in
Verbindung stehenden tieferen Seen und hier, wie schon Geßner wußte, solche Stellen, welche
lehmigen Boden haben; "dann solcher grund wirt von jnen begert." Nach Eckström fängt man
ihn um Schweden und Norwegen auch im Meere; doch gehört ein derartiges Vorkommen zu den
Ausnahmen. Während des Sommers verweilt er in der Tiefe, namentlich zwischen dem sogenannten
Brachsengras, wühlt hier im Schlamm und trübt dadurch das Wasser auf weithin, wie Geßner
meint, aus Furcht vor Raubfischen. "Die Brachßmen, so sie mercken den aufsatz vnd nachhalten von
den Hechten, so schwimmen sie gegen dem Grund vnd Lett zu, bewegen den Lett, betrüben das Wasser
hinder jn, damit sie sich vor dem Hecht entschütten mögen." Wahrscheinlich geschieht dieses Wühlen
im Schlamme der Nahrung halber, welche in Würmern, Kerflarven, Wasserpflanzen und Schlamm
selbst besteht.

Fast immer trifft man diese Fische in starken Gesellschaften an; gegen die Laichzeit hin aber
vereinigen sich diese Schaaren zu unzählbaren Heeren. Es erscheinen zunächst mehrere Männchen
in der Nähe des Ufers an seichten, grasigen Stellen und später die Weibchen, welche, wie man
behauptet, in der Minderzahl auftreten. Ein Weibchen wird, laut Yarrell, gewöhnlich von drei
oder vier Männchen verfolgt; die ganze Gesellschaft drängt sich aber bald so durch einander, daß
man zuletzt nur noch eine einzige Masse wahrnimmt. Das Laichen geschieht gewöhnlich zur Nachtzeit
unter weit hörbarem Geräusche, weil die jetzt sehr erregten Fische sich lebhaft bewegen, mit den
Schwänzen schlagen und mit den Lippen schmatzen, bevor die Weibchen ihre kleinen, gelblichen
Eierchen, etwa hundertundvierzigtausend Stück jedes einzelne, an Wasserpflanzen absetzen. Bei
günstiger Witterung ist das Laichen binnen drei bis vier Tagen beendet; tritt jedoch plötzlich schlechtes
Wetter ein, so kehren sie wieder in die Tiefe zurück, ohne den Laich abgesetzt zu haben. Dasselbe
geschieht, wenn sie anderweitig gestört, beispielsweise erschreckt werden; demzufolge soll man in
Schweden während der Laichzeit sogar das Läuten der Glocken in der Nähe der Seen verboten haben.
Wenige Tage nach dem Abzuge der Fische wimmeln die seichten Uferstellen von Millionen aus-
geschlüpfter Jungen, welche noch einige Zeit auf der Stätte ihrer Geburt umhertreiben und dann
ihren Eltern in die Tiefen folgen. Wahrscheinlich bringen auch die Brachsen einen Theil des

Bitterling. Blei.
kante. Die Schlundzähne ordnen ſich jederſeits zu fünf in einfacher Reihe; ihre Kronen ſind ſeitlich
zuſammengedrückt und ſchräg abgeſchliſſen.

Als Urbild dieſer Sippe betrachtet man die verbreitetſte und häufigſte Art derſelben, den Blei
(Abramis Brama), einen ſtattlichen Karpfen von 1½ bis 2 Fuß Länge, 10 bis 14, ausnahmsweiſe
ſogar 20 Pfund Gewicht, durch ſeinen ſtark ſeitlich zuſammengedrückten Leib und die anſehnliche
Höhe deſſelben leicht kenntlich, auf Oberkopf und Rücken ſchwärzlich, auf den Seiten gelblichweiß mit
Silberglanz, an der Kehle röthlich, auf dem Bauche weiß gefärbt, ſeitlich ſchwarz gepunktet, mit
ſchwarzblauen Floſſen.

Auch die Männchen dieſer Art erleiden während der Fortpflanzungszeit eine Veränderung,
indem ebenfalls auf ihrer Hautoberfläche warzenförmige Gebilde hervorwachſen. Dieſe verdichteten
und erhärteten Haufen von Oberhautzellen haben eine ſtumpfe, kegelförmige Geſtalt und Anfangs
eine weißliche Färbung, welche ſpäter, nachdem die Warzen erhärten, ſich in Bernſteingelb
umwandeln. Die größten von ihnen entwickeln ſich auf Schnauze und Scheitel, die kleinſten auf den
Floſſenſtrahlen; außerdem finden ſich ſolche auf dem Kiemendeckel und an den meiſten Schuppen
des Leibes.

Verwandte Fiſche, welche von einzelnen Kundigen als beſondere Arten angeſehen und beſchrieben
wurden, werden gegenwärtig als Spielarten erklärt.

Ganz Mittel-, Nord- und Oſteuropa iſt die Heimat des Blei; ſüdlich der Alpen aber wird er
ebenſo wenig als ſeine Verwandten gefunden; wohl aber tritt er wieder im Gebiet der Rhone auf.
Sehr häufig bewohnt er die Gewäſſer aller deutſchen Hauptſtröme, insbeſondere die mit ihnen in
Verbindung ſtehenden tieferen Seen und hier, wie ſchon Geßner wußte, ſolche Stellen, welche
lehmigen Boden haben; „dann ſolcher grund wirt von jnen begert.“ Nach Eckſtröm fängt man
ihn um Schweden und Norwegen auch im Meere; doch gehört ein derartiges Vorkommen zu den
Ausnahmen. Während des Sommers verweilt er in der Tiefe, namentlich zwiſchen dem ſogenannten
Brachſengras, wühlt hier im Schlamm und trübt dadurch das Waſſer auf weithin, wie Geßner
meint, aus Furcht vor Raubfiſchen. „Die Brachßmen, ſo ſie mercken den aufſatz vnd nachhalten von
den Hechten, ſo ſchwimmen ſie gegen dem Grund vnd Lett zu, bewegen den Lett, betrüben das Waſſer
hinder jn, damit ſie ſich vor dem Hecht entſchütten mögen.“ Wahrſcheinlich geſchieht dieſes Wühlen
im Schlamme der Nahrung halber, welche in Würmern, Kerflarven, Waſſerpflanzen und Schlamm
ſelbſt beſteht.

Faſt immer trifft man dieſe Fiſche in ſtarken Geſellſchaften an; gegen die Laichzeit hin aber
vereinigen ſich dieſe Schaaren zu unzählbaren Heeren. Es erſcheinen zunächſt mehrere Männchen
in der Nähe des Ufers an ſeichten, graſigen Stellen und ſpäter die Weibchen, welche, wie man
behauptet, in der Minderzahl auftreten. Ein Weibchen wird, laut Yarrell, gewöhnlich von drei
oder vier Männchen verfolgt; die ganze Geſellſchaft drängt ſich aber bald ſo durch einander, daß
man zuletzt nur noch eine einzige Maſſe wahrnimmt. Das Laichen geſchieht gewöhnlich zur Nachtzeit
unter weit hörbarem Geräuſche, weil die jetzt ſehr erregten Fiſche ſich lebhaft bewegen, mit den
Schwänzen ſchlagen und mit den Lippen ſchmatzen, bevor die Weibchen ihre kleinen, gelblichen
Eierchen, etwa hundertundvierzigtauſend Stück jedes einzelne, an Waſſerpflanzen abſetzen. Bei
günſtiger Witterung iſt das Laichen binnen drei bis vier Tagen beendet; tritt jedoch plötzlich ſchlechtes
Wetter ein, ſo kehren ſie wieder in die Tiefe zurück, ohne den Laich abgeſetzt zu haben. Daſſelbe
geſchieht, wenn ſie anderweitig geſtört, beiſpielsweiſe erſchreckt werden; demzufolge ſoll man in
Schweden während der Laichzeit ſogar das Läuten der Glocken in der Nähe der Seen verboten haben.
Wenige Tage nach dem Abzuge der Fiſche wimmeln die ſeichten Uferſtellen von Millionen aus-
geſchlüpfter Jungen, welche noch einige Zeit auf der Stätte ihrer Geburt umhertreiben und dann
ihren Eltern in die Tiefen folgen. Wahrſcheinlich bringen auch die Brachſen einen Theil des

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[661/0699] Bitterling. Blei. kante. Die Schlundzähne ordnen ſich jederſeits zu fünf in einfacher Reihe; ihre Kronen ſind ſeitlich zuſammengedrückt und ſchräg abgeſchliſſen. Als Urbild dieſer Sippe betrachtet man die verbreitetſte und häufigſte Art derſelben, den Blei (Abramis Brama), einen ſtattlichen Karpfen von 1½ bis 2 Fuß Länge, 10 bis 14, ausnahmsweiſe ſogar 20 Pfund Gewicht, durch ſeinen ſtark ſeitlich zuſammengedrückten Leib und die anſehnliche Höhe deſſelben leicht kenntlich, auf Oberkopf und Rücken ſchwärzlich, auf den Seiten gelblichweiß mit Silberglanz, an der Kehle röthlich, auf dem Bauche weiß gefärbt, ſeitlich ſchwarz gepunktet, mit ſchwarzblauen Floſſen. Auch die Männchen dieſer Art erleiden während der Fortpflanzungszeit eine Veränderung, indem ebenfalls auf ihrer Hautoberfläche warzenförmige Gebilde hervorwachſen. Dieſe verdichteten und erhärteten Haufen von Oberhautzellen haben eine ſtumpfe, kegelförmige Geſtalt und Anfangs eine weißliche Färbung, welche ſpäter, nachdem die Warzen erhärten, ſich in Bernſteingelb umwandeln. Die größten von ihnen entwickeln ſich auf Schnauze und Scheitel, die kleinſten auf den Floſſenſtrahlen; außerdem finden ſich ſolche auf dem Kiemendeckel und an den meiſten Schuppen des Leibes. Verwandte Fiſche, welche von einzelnen Kundigen als beſondere Arten angeſehen und beſchrieben wurden, werden gegenwärtig als Spielarten erklärt. Ganz Mittel-, Nord- und Oſteuropa iſt die Heimat des Blei; ſüdlich der Alpen aber wird er ebenſo wenig als ſeine Verwandten gefunden; wohl aber tritt er wieder im Gebiet der Rhone auf. Sehr häufig bewohnt er die Gewäſſer aller deutſchen Hauptſtröme, insbeſondere die mit ihnen in Verbindung ſtehenden tieferen Seen und hier, wie ſchon Geßner wußte, ſolche Stellen, welche lehmigen Boden haben; „dann ſolcher grund wirt von jnen begert.“ Nach Eckſtröm fängt man ihn um Schweden und Norwegen auch im Meere; doch gehört ein derartiges Vorkommen zu den Ausnahmen. Während des Sommers verweilt er in der Tiefe, namentlich zwiſchen dem ſogenannten Brachſengras, wühlt hier im Schlamm und trübt dadurch das Waſſer auf weithin, wie Geßner meint, aus Furcht vor Raubfiſchen. „Die Brachßmen, ſo ſie mercken den aufſatz vnd nachhalten von den Hechten, ſo ſchwimmen ſie gegen dem Grund vnd Lett zu, bewegen den Lett, betrüben das Waſſer hinder jn, damit ſie ſich vor dem Hecht entſchütten mögen.“ Wahrſcheinlich geſchieht dieſes Wühlen im Schlamme der Nahrung halber, welche in Würmern, Kerflarven, Waſſerpflanzen und Schlamm ſelbſt beſteht. Faſt immer trifft man dieſe Fiſche in ſtarken Geſellſchaften an; gegen die Laichzeit hin aber vereinigen ſich dieſe Schaaren zu unzählbaren Heeren. Es erſcheinen zunächſt mehrere Männchen in der Nähe des Ufers an ſeichten, graſigen Stellen und ſpäter die Weibchen, welche, wie man behauptet, in der Minderzahl auftreten. Ein Weibchen wird, laut Yarrell, gewöhnlich von drei oder vier Männchen verfolgt; die ganze Geſellſchaft drängt ſich aber bald ſo durch einander, daß man zuletzt nur noch eine einzige Maſſe wahrnimmt. Das Laichen geſchieht gewöhnlich zur Nachtzeit unter weit hörbarem Geräuſche, weil die jetzt ſehr erregten Fiſche ſich lebhaft bewegen, mit den Schwänzen ſchlagen und mit den Lippen ſchmatzen, bevor die Weibchen ihre kleinen, gelblichen Eierchen, etwa hundertundvierzigtauſend Stück jedes einzelne, an Waſſerpflanzen abſetzen. Bei günſtiger Witterung iſt das Laichen binnen drei bis vier Tagen beendet; tritt jedoch plötzlich ſchlechtes Wetter ein, ſo kehren ſie wieder in die Tiefe zurück, ohne den Laich abgeſetzt zu haben. Daſſelbe geſchieht, wenn ſie anderweitig geſtört, beiſpielsweiſe erſchreckt werden; demzufolge ſoll man in Schweden während der Laichzeit ſogar das Läuten der Glocken in der Nähe der Seen verboten haben. Wenige Tage nach dem Abzuge der Fiſche wimmeln die ſeichten Uferſtellen von Millionen aus- geſchlüpfter Jungen, welche noch einige Zeit auf der Stätte ihrer Geburt umhertreiben und dann ihren Eltern in die Tiefen folgen. Wahrſcheinlich bringen auch die Brachſen einen Theil des

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/699>, abgerufen am 21.12.2024.