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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schildkröten. Lederschildkröten.
1840 Schildkrötenfleisch gegessen hatten, bald nach dem Genusse schwer krank, und achtzehn von ihnen
starben in der nächsten Nacht. Die Ueberlebenden versicherten, daß sich das Fleisch anscheinend nur
durch größere Fettigkeit von genießbarem unterschieden habe. Worin die Ursache der Schädlichkeit
eigentlich liegt, ist noch nicht ermittelt worden.

Das Fleisch der Karette wird nicht gegessen, weil es Durchfall und Erbrechen verursacht oder
Beulen und Geschwüre hervorruft, dagegen nach Ansicht der Jndianer und Amerikaner auch wieder
vor anderen Krankheiten bewahren soll. Die Eier hält man für wohlschmeckender als die anderer
Schildkröten. Uebrigens fängt man die Karettschildkröte nicht des Fleisches, sondern des Pads oder
Krots wegen, von welchem eine ausgewachsene fünf bis acht Pfund liefern kann. Auch bei Gewinnung
dieses kostbaren Handelsgegenstandes werden abscheuliche Grausamkeiten verübt. Das Pad löst sich
nämlich nur, wenn es bedeutend erwärmt wurde, leicht von dem Rückenpanzer ab: das arme Geschöpf
wird also über einem Feuer aufgehängt und solange geröstet, bis jene Wirkung erzielt wurde. Die
Chinesen, welche einsahen, daß das Krot durch trockene Wärme leicht verdorben werden kann, bedienen
sich gegenwärtig des kochenden Wassers zu dem gleichen Zwecke. Nach überstandener Qual gibt man
die Karette wieder frei und läßt sie dem Meere zulaufen, da man glaubt, daß sich das Pad wieder
erzeuge. Letzteres übertrifft nicht blos hinsichtlich seiner Schönheit und Güte jede andere Hornmasse,
sondern läßt sich auch leicht zusammenschweißen. Es genügt, die einzelnen Tafeln, welche ungleich
dick und spröde sind, in siedend heißes Wasser zu tauchen und sie dann zwischen Holz- oder Metall-
platten zu pressen. Bei hinreichendem Drucke kleben sie so fest an einander, daß man die einzelnen
Theile nicht mehr unterscheiden kann, behalten auch jede ihnen im erweichten Zustande beigebrachte
Form, nachdem sie langsam erhärtet sind, vollkommen bei und eignen sich somit vortrefflich zu Dosen
und dergleichen. Selbst die Abschabsel werden noch benutzt; mit ihnen füllt man die Vertiefung
zwischen den einzelnen Tafeln aus und preßt sie wieder im heißen Wasser solange, bis sie sich mit
der letzteren innig verbunden haben.



Lederschildkröten (Dermatochelydae) nennt man diejenigen Glieder der Zunft, bei denen
Rückenpanzer, Brustpanzer und Füße mit einem lederartigen Ueberzuge bedeckt sind und deren Füße
keine Nägel tragen. Der Panzer oder wenigstens die aus den verbreiterten Rippen und dem Brust-
beine gebildeten Knochentafeln sind vorhanden, es fehlen also nur die Schilder. Die Kiefern zeichnen
sich ebenso durch ihre Bildung, welche entfernt an die eines Raubvogelschnabels erinnert, als durch
ihre bedeutende Stärke aus, die Füße, namentlich die vorderen, durch ihre große Länge. Der Rücken-
panzer ist sanft gewölot, vorn ziemlich abgerundet, hinten schwanzartig zugespitzt und durch fünf bis
sieben erhabene Längsrippen in Felder getheilt. Die Unterseite läßt kein dentliches Bauchschild unter-
scheiden, ist weich und biegsam, zeigt aber ebenfalls sechs knorpelhafte Längsstreifen, unter denen man
Spuren des knöchernen Längsschildes wahrnimmt. Bei den Jungen stehen auf den Längsrippen oder
Kielen rundliche Hornhöcker hinter einander. Der Kopf ist mit Tafeln bekleidet; die Flossen sind
mehr oder weniger schuppig.

Der bekannteste Vertreter dieser Sippe, der Luth oder die gemeine Lederschildkröte
(Dermatochelys coriacea), erreicht eine Länge von mehr als 6 Fuß, wovon der Kopf etwa 9 Zoll
wegnimmt. Der Rückenschild eines so großen Stückes ist 41/2 Fuß lang und 31/4 Zoll breit. Die
Vorderfüße haben über 21/2 Fuß Länge. Die Färbung ist ein dunkeles, lichter oder gelb geflecktes
Braun.

Soviel man bis jetzt weiß, lebt die Lederschildkröte im atlantischen Meere, insbesondere an der
nördlichen Küste von Afrika, kommt aber auch zuweilen im mittelländischen Meere vor und ist sogar
schon mehrmals an den Küsten Nordeuropas gefunden worden. Ob die Lederschildkröten, welche im

Die Schildkröten. Lederſchildkröten.
1840 Schildkrötenfleiſch gegeſſen hatten, bald nach dem Genuſſe ſchwer krank, und achtzehn von ihnen
ſtarben in der nächſten Nacht. Die Ueberlebenden verſicherten, daß ſich das Fleiſch anſcheinend nur
durch größere Fettigkeit von genießbarem unterſchieden habe. Worin die Urſache der Schädlichkeit
eigentlich liegt, iſt noch nicht ermittelt worden.

Das Fleiſch der Karette wird nicht gegeſſen, weil es Durchfall und Erbrechen verurſacht oder
Beulen und Geſchwüre hervorruft, dagegen nach Anſicht der Jndianer und Amerikaner auch wieder
vor anderen Krankheiten bewahren ſoll. Die Eier hält man für wohlſchmeckender als die anderer
Schildkröten. Uebrigens fängt man die Karettſchildkröte nicht des Fleiſches, ſondern des Pads oder
Krots wegen, von welchem eine ausgewachſene fünf bis acht Pfund liefern kann. Auch bei Gewinnung
dieſes koſtbaren Handelsgegenſtandes werden abſcheuliche Grauſamkeiten verübt. Das Pad löſt ſich
nämlich nur, wenn es bedeutend erwärmt wurde, leicht von dem Rückenpanzer ab: das arme Geſchöpf
wird alſo über einem Feuer aufgehängt und ſolange geröſtet, bis jene Wirkung erzielt wurde. Die
Chineſen, welche einſahen, daß das Krot durch trockene Wärme leicht verdorben werden kann, bedienen
ſich gegenwärtig des kochenden Waſſers zu dem gleichen Zwecke. Nach überſtandener Qual gibt man
die Karette wieder frei und läßt ſie dem Meere zulaufen, da man glaubt, daß ſich das Pad wieder
erzeuge. Letzteres übertrifft nicht blos hinſichtlich ſeiner Schönheit und Güte jede andere Hornmaſſe,
ſondern läßt ſich auch leicht zuſammenſchweißen. Es genügt, die einzelnen Tafeln, welche ungleich
dick und ſpröde ſind, in ſiedend heißes Waſſer zu tauchen und ſie dann zwiſchen Holz- oder Metall-
platten zu preſſen. Bei hinreichendem Drucke kleben ſie ſo feſt an einander, daß man die einzelnen
Theile nicht mehr unterſcheiden kann, behalten auch jede ihnen im erweichten Zuſtande beigebrachte
Form, nachdem ſie langſam erhärtet ſind, vollkommen bei und eignen ſich ſomit vortrefflich zu Doſen
und dergleichen. Selbſt die Abſchabſel werden noch benutzt; mit ihnen füllt man die Vertiefung
zwiſchen den einzelnen Tafeln aus und preßt ſie wieder im heißen Waſſer ſolange, bis ſie ſich mit
der letzteren innig verbunden haben.



Lederſchildkröten (Dermatochelydae) nennt man diejenigen Glieder der Zunft, bei denen
Rückenpanzer, Bruſtpanzer und Füße mit einem lederartigen Ueberzuge bedeckt ſind und deren Füße
keine Nägel tragen. Der Panzer oder wenigſtens die aus den verbreiterten Rippen und dem Bruſt-
beine gebildeten Knochentafeln ſind vorhanden, es fehlen alſo nur die Schilder. Die Kiefern zeichnen
ſich ebenſo durch ihre Bildung, welche entfernt an die eines Raubvogelſchnabels erinnert, als durch
ihre bedeutende Stärke aus, die Füße, namentlich die vorderen, durch ihre große Länge. Der Rücken-
panzer iſt ſanft gewölot, vorn ziemlich abgerundet, hinten ſchwanzartig zugeſpitzt und durch fünf bis
ſieben erhabene Längsrippen in Felder getheilt. Die Unterſeite läßt kein dentliches Bauchſchild unter-
ſcheiden, iſt weich und biegſam, zeigt aber ebenfalls ſechs knorpelhafte Längsſtreifen, unter denen man
Spuren des knöchernen Längsſchildes wahrnimmt. Bei den Jungen ſtehen auf den Längsrippen oder
Kielen rundliche Hornhöcker hinter einander. Der Kopf iſt mit Tafeln bekleidet; die Floſſen ſind
mehr oder weniger ſchuppig.

Der bekannteſte Vertreter dieſer Sippe, der Luth oder die gemeine Lederſchildkröte
(Dermatochelys coriacea), erreicht eine Länge von mehr als 6 Fuß, wovon der Kopf etwa 9 Zoll
wegnimmt. Der Rückenſchild eines ſo großen Stückes iſt 4½ Fuß lang und 3¼ Zoll breit. Die
Vorderfüße haben über 2½ Fuß Länge. Die Färbung iſt ein dunkeles, lichter oder gelb geflecktes
Braun.

Soviel man bis jetzt weiß, lebt die Lederſchildkröte im atlantiſchen Meere, insbeſondere an der
nördlichen Küſte von Afrika, kommt aber auch zuweilen im mittelländiſchen Meere vor und iſt ſogar
ſchon mehrmals an den Küſten Nordeuropas gefunden worden. Ob die Lederſchildkröten, welche im

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[54/0068] Die Schildkröten. Lederſchildkröten. 1840 Schildkrötenfleiſch gegeſſen hatten, bald nach dem Genuſſe ſchwer krank, und achtzehn von ihnen ſtarben in der nächſten Nacht. Die Ueberlebenden verſicherten, daß ſich das Fleiſch anſcheinend nur durch größere Fettigkeit von genießbarem unterſchieden habe. Worin die Urſache der Schädlichkeit eigentlich liegt, iſt noch nicht ermittelt worden. Das Fleiſch der Karette wird nicht gegeſſen, weil es Durchfall und Erbrechen verurſacht oder Beulen und Geſchwüre hervorruft, dagegen nach Anſicht der Jndianer und Amerikaner auch wieder vor anderen Krankheiten bewahren ſoll. Die Eier hält man für wohlſchmeckender als die anderer Schildkröten. Uebrigens fängt man die Karettſchildkröte nicht des Fleiſches, ſondern des Pads oder Krots wegen, von welchem eine ausgewachſene fünf bis acht Pfund liefern kann. Auch bei Gewinnung dieſes koſtbaren Handelsgegenſtandes werden abſcheuliche Grauſamkeiten verübt. Das Pad löſt ſich nämlich nur, wenn es bedeutend erwärmt wurde, leicht von dem Rückenpanzer ab: das arme Geſchöpf wird alſo über einem Feuer aufgehängt und ſolange geröſtet, bis jene Wirkung erzielt wurde. Die Chineſen, welche einſahen, daß das Krot durch trockene Wärme leicht verdorben werden kann, bedienen ſich gegenwärtig des kochenden Waſſers zu dem gleichen Zwecke. Nach überſtandener Qual gibt man die Karette wieder frei und läßt ſie dem Meere zulaufen, da man glaubt, daß ſich das Pad wieder erzeuge. Letzteres übertrifft nicht blos hinſichtlich ſeiner Schönheit und Güte jede andere Hornmaſſe, ſondern läßt ſich auch leicht zuſammenſchweißen. Es genügt, die einzelnen Tafeln, welche ungleich dick und ſpröde ſind, in ſiedend heißes Waſſer zu tauchen und ſie dann zwiſchen Holz- oder Metall- platten zu preſſen. Bei hinreichendem Drucke kleben ſie ſo feſt an einander, daß man die einzelnen Theile nicht mehr unterſcheiden kann, behalten auch jede ihnen im erweichten Zuſtande beigebrachte Form, nachdem ſie langſam erhärtet ſind, vollkommen bei und eignen ſich ſomit vortrefflich zu Doſen und dergleichen. Selbſt die Abſchabſel werden noch benutzt; mit ihnen füllt man die Vertiefung zwiſchen den einzelnen Tafeln aus und preßt ſie wieder im heißen Waſſer ſolange, bis ſie ſich mit der letzteren innig verbunden haben. Lederſchildkröten (Dermatochelydae) nennt man diejenigen Glieder der Zunft, bei denen Rückenpanzer, Bruſtpanzer und Füße mit einem lederartigen Ueberzuge bedeckt ſind und deren Füße keine Nägel tragen. Der Panzer oder wenigſtens die aus den verbreiterten Rippen und dem Bruſt- beine gebildeten Knochentafeln ſind vorhanden, es fehlen alſo nur die Schilder. Die Kiefern zeichnen ſich ebenſo durch ihre Bildung, welche entfernt an die eines Raubvogelſchnabels erinnert, als durch ihre bedeutende Stärke aus, die Füße, namentlich die vorderen, durch ihre große Länge. Der Rücken- panzer iſt ſanft gewölot, vorn ziemlich abgerundet, hinten ſchwanzartig zugeſpitzt und durch fünf bis ſieben erhabene Längsrippen in Felder getheilt. Die Unterſeite läßt kein dentliches Bauchſchild unter- ſcheiden, iſt weich und biegſam, zeigt aber ebenfalls ſechs knorpelhafte Längsſtreifen, unter denen man Spuren des knöchernen Längsſchildes wahrnimmt. Bei den Jungen ſtehen auf den Längsrippen oder Kielen rundliche Hornhöcker hinter einander. Der Kopf iſt mit Tafeln bekleidet; die Floſſen ſind mehr oder weniger ſchuppig. Der bekannteſte Vertreter dieſer Sippe, der Luth oder die gemeine Lederſchildkröte (Dermatochelys coriacea), erreicht eine Länge von mehr als 6 Fuß, wovon der Kopf etwa 9 Zoll wegnimmt. Der Rückenſchild eines ſo großen Stückes iſt 4½ Fuß lang und 3¼ Zoll breit. Die Vorderfüße haben über 2½ Fuß Länge. Die Färbung iſt ein dunkeles, lichter oder gelb geflecktes Braun. Soviel man bis jetzt weiß, lebt die Lederſchildkröte im atlantiſchen Meere, insbeſondere an der nördlichen Küſte von Afrika, kommt aber auch zuweilen im mittelländiſchen Meere vor und iſt ſogar ſchon mehrmals an den Küſten Nordeuropas gefunden worden. Ob die Lederſchildkröten, welche im

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/68>, abgerufen am 21.12.2024.