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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Kabeljau.
allmählich ein; bei einigermaßen ungünstiger Witterung sieht man sie noch im Juli beladen. Erst
nachdem die Stockfische klapperdürr geworden, bringt man sie in die Speicher, bündelweise wie Reisig,
und schichtet sie hier bis zur Abnahme haushoch über einander. Jn besonders glücklichen Jahren,
wenn sich rasch alle Gerüste bedecken, bereitet man aus den zuletzt gefangenen Kabeljaus Klippfische.
Zu diesem Ende werden sie längs des Rückgrats getheilt, und entweder erst einige Tage in großen
Bottichen gesülzt und sodann auf den Klippen zum Trocknen ausgebreitet oder hier selbst mit Salz
bestreut. Hat man Fässer genug, so richtet man einen guten Theil der Beute zu Labredan zu, d. h.
schichtet die zertheilten Fische reihenweise in Fässern auf, bringt zwischen jede Lage eine Schicht Salz
und schließt die Tonnen, sobald sie gefüllt sind. Jm nördlichen Norwegen oder in Finnland
erscheinen während des Fanges regelmäßig russische Schiffer aus Archangel, welche nach guter russischer
Art alle Tonnen verschmähen und die von ihnen erkauften Kabeljaus nebst anderen Fischen ohne
Weiteres im Raume ihres Fahrzeuges aufschichten, einsalzen, und mit den Juchtenstiefeln feststampfen.

Die Köpfe werden in Norwegen fast ausschließlich als Viehfutter benutzt, nämlich den Pferden
und Kühen vorgeworfen (Bd. II., S. 345 und 676). Die Lebern schüttet man nach Beendigung
des Fanges in große Bottiche, welche zum Leidwesen der feinsinnigen Südländer oft inmitten der
Städte aufgestellt werden und beim Faulen ihres Jnhaltes einen unerträglichen Gestank verbreiten.
Das aus ihnen sich sondernde ölige Fett, der Leberthran, wird von Zeit zu Zeit abgeschöpft, durch
Seihen gereinigt und, seiner Güte entsprechend, in verschiedene Fässer gefüllt. Am Besten ist, wie
leicht erklärlich, derjenige, welcher wenige Tage nach Beginn der Fäulniß gewonnen wird, am
Schlechtesten der Rest, welchen man durch Kochen erlangt.

Nach der eigentlichen Fangzeit erbeutet man auf den Lofodden noch fortwährend Kabeljaus oder,
wie man dort sagt, Dorsche und bereitet sie, je nach der Witterung, auf diese oder jene Weise. Ueber
den Fang auf der Neufundlandsbank braucht nach dem Vorstehendem nichts Weiter gesagt zu werden,
da er oder die Bereitung der Kabeljaus im Wesentlichen auf denselben Grundsätzen beruht.

Jm Jahre 1861 wurden auf den Lofodden von mehr als 20,000 Menschen, welche gegen 5000
Fahrzeuge bemannten, etwa 9,600,000 Kabeljaus getrocknet, ebensoviele zu Klippfischen und Labredan
bereitet und gegen 1,000,000 frisch gegessen; der Fang auf der Neufundlandsbank aber lieferte,
nach Cornak, schon im Anfang dieses Jahrhunderts über 300,000,000 Stück, ungerechnet die
Hundert Millionen, welche man im Lorenzgolfe erbeutete.

Ueber die Zukunft des Fanges läßt sich mit Bestimmtheit schwerlich ein Urtheil abgeben; doch darf
man vielleicht glauben, daß in eben demselben Grade, als die Bildung zunimmt, weniger Kabeljaus
zu Stock- und Klippfischen werden bereitet werden. Der Stockfisch verdankt, wie oben bemerkt, seine
hauptsächlichste Bedeutung dem Gesetze der katholischen Kirche, welches bestimmt, daß der Mensch
seinen sterblichen Leichnam kasteien müsse, um seinem irdischen und überirdischen Berufe zu genügen.
Je ungebildeter ein Volk, um so mehr erscheint ihm dieser, Vernünftigen unverständliche, Lehrsatz
glaublich; um so mehr läßt es sich die Tage der Arbeit schmälern, um so öfter einen sogenannten
Fasttag aufzwingen. Nun gibt es allerdings einzelne Liebhaber eines Gerichtes Stockfische; sie aber
sind selten, selbst in den streng katholischen Ländern, und der größte Theil aller Derer, welche sich jetzt,
"um kein Aergerniß zu geben", herbeilassen, an den vorgeschriebenen Tagen Stockfisch zu genießen,
würden ihren Küchenzettel sofort ändern, wenn sie es thun dürften. Solange in Spanien die
"heilige" Jnquisition, dieser Jnbegriff pfäffischer Niederträchtigkeit und Nichtswürdigkeit, diese größte
Schmach, welche je der Menschheit angethan worden, in Blüte stand, wagte es Niemand, an einem
Fasttage Fleisch von Säugethieren oder Vögeln, -- mit Ausnahme der vorher genannten natürlich, --
zu genießen: es hätte ihm Dies auch sehr übel bekommen können, da ja die "christliche Liebe" oder
"Sanftmuth und Menschenfreundlichkeit" der Pfaffen solchen ungeheueren Frevel mit Entziehung
der Güter oder selbst an Leib und Leben hätte strafen müssen. Als man jedoch im Jahre 1825 den
spanischen Pfaffen die Erlaubniß, Sonnabends Fleisch essen zu dürfen, abrang, verminderte sich die
Einfuhr der Stockfische von 800,000 auf 350,000 Centner. Jn dieser Höhe mag sie sich bis jetzt

Kabeljau.
allmählich ein; bei einigermaßen ungünſtiger Witterung ſieht man ſie noch im Juli beladen. Erſt
nachdem die Stockfiſche klapperdürr geworden, bringt man ſie in die Speicher, bündelweiſe wie Reiſig,
und ſchichtet ſie hier bis zur Abnahme haushoch über einander. Jn beſonders glücklichen Jahren,
wenn ſich raſch alle Gerüſte bedecken, bereitet man aus den zuletzt gefangenen Kabeljaus Klippfiſche.
Zu dieſem Ende werden ſie längs des Rückgrats getheilt, und entweder erſt einige Tage in großen
Bottichen geſülzt und ſodann auf den Klippen zum Trocknen ausgebreitet oder hier ſelbſt mit Salz
beſtreut. Hat man Fäſſer genug, ſo richtet man einen guten Theil der Beute zu Labredan zu, d. h.
ſchichtet die zertheilten Fiſche reihenweiſe in Fäſſern auf, bringt zwiſchen jede Lage eine Schicht Salz
und ſchließt die Tonnen, ſobald ſie gefüllt ſind. Jm nördlichen Norwegen oder in Finnland
erſcheinen während des Fanges regelmäßig ruſſiſche Schiffer aus Archangel, welche nach guter ruſſiſcher
Art alle Tonnen verſchmähen und die von ihnen erkauften Kabeljaus nebſt anderen Fiſchen ohne
Weiteres im Raume ihres Fahrzeuges aufſchichten, einſalzen, und mit den Juchtenſtiefeln feſtſtampfen.

Die Köpfe werden in Norwegen faſt ausſchließlich als Viehfutter benutzt, nämlich den Pferden
und Kühen vorgeworfen (Bd. II., S. 345 und 676). Die Lebern ſchüttet man nach Beendigung
des Fanges in große Bottiche, welche zum Leidweſen der feinſinnigen Südländer oft inmitten der
Städte aufgeſtellt werden und beim Faulen ihres Jnhaltes einen unerträglichen Geſtank verbreiten.
Das aus ihnen ſich ſondernde ölige Fett, der Leberthran, wird von Zeit zu Zeit abgeſchöpft, durch
Seihen gereinigt und, ſeiner Güte entſprechend, in verſchiedene Fäſſer gefüllt. Am Beſten iſt, wie
leicht erklärlich, derjenige, welcher wenige Tage nach Beginn der Fäulniß gewonnen wird, am
Schlechteſten der Reſt, welchen man durch Kochen erlangt.

Nach der eigentlichen Fangzeit erbeutet man auf den Lofodden noch fortwährend Kabeljaus oder,
wie man dort ſagt, Dorſche und bereitet ſie, je nach der Witterung, auf dieſe oder jene Weiſe. Ueber
den Fang auf der Neufundlandsbank braucht nach dem Vorſtehendem nichts Weiter geſagt zu werden,
da er oder die Bereitung der Kabeljaus im Weſentlichen auf denſelben Grundſätzen beruht.

Jm Jahre 1861 wurden auf den Lofodden von mehr als 20,000 Menſchen, welche gegen 5000
Fahrzeuge bemannten, etwa 9,600,000 Kabeljaus getrocknet, ebenſoviele zu Klippfiſchen und Labredan
bereitet und gegen 1,000,000 friſch gegeſſen; der Fang auf der Neufundlandsbank aber lieferte,
nach Cornak, ſchon im Anfang dieſes Jahrhunderts über 300,000,000 Stück, ungerechnet die
Hundert Millionen, welche man im Lorenzgolfe erbeutete.

Ueber die Zukunft des Fanges läßt ſich mit Beſtimmtheit ſchwerlich ein Urtheil abgeben; doch darf
man vielleicht glauben, daß in eben demſelben Grade, als die Bildung zunimmt, weniger Kabeljaus
zu Stock- und Klippfiſchen werden bereitet werden. Der Stockfiſch verdankt, wie oben bemerkt, ſeine
hauptſächlichſte Bedeutung dem Geſetze der katholiſchen Kirche, welches beſtimmt, daß der Menſch
ſeinen ſterblichen Leichnam kaſteien müſſe, um ſeinem irdiſchen und überirdiſchen Berufe zu genügen.
Je ungebildeter ein Volk, um ſo mehr erſcheint ihm dieſer, Vernünftigen unverſtändliche, Lehrſatz
glaublich; um ſo mehr läßt es ſich die Tage der Arbeit ſchmälern, um ſo öfter einen ſogenannten
Faſttag aufzwingen. Nun gibt es allerdings einzelne Liebhaber eines Gerichtes Stockfiſche; ſie aber
ſind ſelten, ſelbſt in den ſtreng katholiſchen Ländern, und der größte Theil aller Derer, welche ſich jetzt,
„um kein Aergerniß zu geben“, herbeilaſſen, an den vorgeſchriebenen Tagen Stockfiſch zu genießen,
würden ihren Küchenzettel ſofort ändern, wenn ſie es thun dürften. Solange in Spanien die
heilige“ Jnquiſition, dieſer Jnbegriff pfäffiſcher Niederträchtigkeit und Nichtswürdigkeit, dieſe größte
Schmach, welche je der Menſchheit angethan worden, in Blüte ſtand, wagte es Niemand, an einem
Faſttage Fleiſch von Säugethieren oder Vögeln, — mit Ausnahme der vorher genannten natürlich, —
zu genießen: es hätte ihm Dies auch ſehr übel bekommen können, da ja die „chriſtliche Liebe“ oder
„Sanftmuth und Menſchenfreundlichkeit“ der Pfaffen ſolchen ungeheueren Frevel mit Entziehung
der Güter oder ſelbſt an Leib und Leben hätte ſtrafen müſſen. Als man jedoch im Jahre 1825 den
ſpaniſchen Pfaffen die Erlaubniß, Sonnabends Fleiſch eſſen zu dürfen, abrang, verminderte ſich die
Einfuhr der Stockfiſche von 800,000 auf 350,000 Centner. Jn dieſer Höhe mag ſie ſich bis jetzt

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[597/0633] Kabeljau. allmählich ein; bei einigermaßen ungünſtiger Witterung ſieht man ſie noch im Juli beladen. Erſt nachdem die Stockfiſche klapperdürr geworden, bringt man ſie in die Speicher, bündelweiſe wie Reiſig, und ſchichtet ſie hier bis zur Abnahme haushoch über einander. Jn beſonders glücklichen Jahren, wenn ſich raſch alle Gerüſte bedecken, bereitet man aus den zuletzt gefangenen Kabeljaus Klippfiſche. Zu dieſem Ende werden ſie längs des Rückgrats getheilt, und entweder erſt einige Tage in großen Bottichen geſülzt und ſodann auf den Klippen zum Trocknen ausgebreitet oder hier ſelbſt mit Salz beſtreut. Hat man Fäſſer genug, ſo richtet man einen guten Theil der Beute zu Labredan zu, d. h. ſchichtet die zertheilten Fiſche reihenweiſe in Fäſſern auf, bringt zwiſchen jede Lage eine Schicht Salz und ſchließt die Tonnen, ſobald ſie gefüllt ſind. Jm nördlichen Norwegen oder in Finnland erſcheinen während des Fanges regelmäßig ruſſiſche Schiffer aus Archangel, welche nach guter ruſſiſcher Art alle Tonnen verſchmähen und die von ihnen erkauften Kabeljaus nebſt anderen Fiſchen ohne Weiteres im Raume ihres Fahrzeuges aufſchichten, einſalzen, und mit den Juchtenſtiefeln feſtſtampfen. Die Köpfe werden in Norwegen faſt ausſchließlich als Viehfutter benutzt, nämlich den Pferden und Kühen vorgeworfen (Bd. II., S. 345 und 676). Die Lebern ſchüttet man nach Beendigung des Fanges in große Bottiche, welche zum Leidweſen der feinſinnigen Südländer oft inmitten der Städte aufgeſtellt werden und beim Faulen ihres Jnhaltes einen unerträglichen Geſtank verbreiten. Das aus ihnen ſich ſondernde ölige Fett, der Leberthran, wird von Zeit zu Zeit abgeſchöpft, durch Seihen gereinigt und, ſeiner Güte entſprechend, in verſchiedene Fäſſer gefüllt. Am Beſten iſt, wie leicht erklärlich, derjenige, welcher wenige Tage nach Beginn der Fäulniß gewonnen wird, am Schlechteſten der Reſt, welchen man durch Kochen erlangt. Nach der eigentlichen Fangzeit erbeutet man auf den Lofodden noch fortwährend Kabeljaus oder, wie man dort ſagt, Dorſche und bereitet ſie, je nach der Witterung, auf dieſe oder jene Weiſe. Ueber den Fang auf der Neufundlandsbank braucht nach dem Vorſtehendem nichts Weiter geſagt zu werden, da er oder die Bereitung der Kabeljaus im Weſentlichen auf denſelben Grundſätzen beruht. Jm Jahre 1861 wurden auf den Lofodden von mehr als 20,000 Menſchen, welche gegen 5000 Fahrzeuge bemannten, etwa 9,600,000 Kabeljaus getrocknet, ebenſoviele zu Klippfiſchen und Labredan bereitet und gegen 1,000,000 friſch gegeſſen; der Fang auf der Neufundlandsbank aber lieferte, nach Cornak, ſchon im Anfang dieſes Jahrhunderts über 300,000,000 Stück, ungerechnet die Hundert Millionen, welche man im Lorenzgolfe erbeutete. Ueber die Zukunft des Fanges läßt ſich mit Beſtimmtheit ſchwerlich ein Urtheil abgeben; doch darf man vielleicht glauben, daß in eben demſelben Grade, als die Bildung zunimmt, weniger Kabeljaus zu Stock- und Klippfiſchen werden bereitet werden. Der Stockfiſch verdankt, wie oben bemerkt, ſeine hauptſächlichſte Bedeutung dem Geſetze der katholiſchen Kirche, welches beſtimmt, daß der Menſch ſeinen ſterblichen Leichnam kaſteien müſſe, um ſeinem irdiſchen und überirdiſchen Berufe zu genügen. Je ungebildeter ein Volk, um ſo mehr erſcheint ihm dieſer, Vernünftigen unverſtändliche, Lehrſatz glaublich; um ſo mehr läßt es ſich die Tage der Arbeit ſchmälern, um ſo öfter einen ſogenannten Faſttag aufzwingen. Nun gibt es allerdings einzelne Liebhaber eines Gerichtes Stockfiſche; ſie aber ſind ſelten, ſelbſt in den ſtreng katholiſchen Ländern, und der größte Theil aller Derer, welche ſich jetzt, „um kein Aergerniß zu geben“, herbeilaſſen, an den vorgeſchriebenen Tagen Stockfiſch zu genießen, würden ihren Küchenzettel ſofort ändern, wenn ſie es thun dürften. Solange in Spanien die „heilige“ Jnquiſition, dieſer Jnbegriff pfäffiſcher Niederträchtigkeit und Nichtswürdigkeit, dieſe größte Schmach, welche je der Menſchheit angethan worden, in Blüte ſtand, wagte es Niemand, an einem Faſttage Fleiſch von Säugethieren oder Vögeln, — mit Ausnahme der vorher genannten natürlich, — zu genießen: es hätte ihm Dies auch ſehr übel bekommen können, da ja die „chriſtliche Liebe“ oder „Sanftmuth und Menſchenfreundlichkeit“ der Pfaffen ſolchen ungeheueren Frevel mit Entziehung der Güter oder ſelbſt an Leib und Leben hätte ſtrafen müſſen. Als man jedoch im Jahre 1825 den ſpaniſchen Pfaffen die Erlaubniß, Sonnabends Fleiſch eſſen zu dürfen, abrang, verminderte ſich die Einfuhr der Stockfiſche von 800,000 auf 350,000 Centner. Jn dieſer Höhe mag ſie ſich bis jetzt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/633>, abgerufen am 26.06.2024.