Die Stachelflosser. Scheibenbäuche. Lumpfische. Schildbäuche. Fettscheibler.
vielfach abändernder Färbung, dessen erste Rückenflosse gänzlich verkümmert ist. Die zweite wird gestützt durch 11, die Brustflosse durch 20, die Afterflosse durch 9, die Schwanzflosse durch 10 Strahlen.
Alle nördlichen Meere, namentlich die Nord- und Ostsee beherbergen den Seehasen, und man muß wohl annehmen, daß er sehr häufig ist, da seine Vermehrung ins Erstaunliche gehen kann. Gleichwohl wird er in Folge seiner eigenthümlichen Lebensweise selten gefangen. Er ist ein sehr schlechter Schwimmer, welcher sich selten bewegt, vielmehr an Felsen und Steinen vermittels seiner Bauchflosse, deren er sich wie eines Schröpfkopfes bedient, festheftet und hier der Dinge wartet, welche kommen. Der Zusammenhang seiner Scheibe mit den Gegenständen, auf denen er sich befestigt hat, ist ein sehr inniger: Hannor berechnete, daß eine Kraft von vierundsiebzig Pfund Gewicht erforderlich sei, um einen acht Zoll langen Seehasen loszureißen, Pennant erfuhr, daß man einen Eimer, an dessen Boden einer unserer Fische sich angesogen hatte, sammt dem Wasser in die Höhe ziehen konnte. An einem, welchen man fing, beobachtete man eine sechs Zoll lange, auf der Stirn angewachsene Tangranke und glaubte sich, von diesem Funde folgernd, zu der Ansicht berechtigt, daß er wochenlang auf einer und derselben Stelle liegt und sich, wie das Sprüchwort sagt, die gebratenen Tauben ins Maul fliegen läßt, d. h. wartet, bis sich ihm Quallen und kleine Fische, seine Nahrung, mundrecht nähern.
Gegen den März hin ändern sich Färbung und Wesen des Seehafen, indem erstere, ins Nöthliche übergeht, letzteres insofern als der Fisch jetzt sich aufmacht, um seichtere, zum Laichen geeignete Küstenstellen aufzusuchen. Fabricius gibt an, daß der Lump sich den felstgen Buchten Grönlands Ende Aprils oder Anfang Mais nähert, daß die Rogener vorausziehen und die Milchner ihnen unmittelbar folgen, daß erstere ihren Laich zwischen größeren Algen, vorzugsweise in Fels- spalten ablegen, die letzteren diese befruchten und sich dann dicht neben oder über den Eiern festsetzen. Jch lasse es gern dahingestellt sein, ob die Berechnungen, welche man angestellt hat, um die Anzahl der Eier zu ermitteln, richtig sind oder nicht; soviel steht unzweifelhaft fest, daß die Vermehrung eine ganz außerordentlich starke ist.
Bei einem Weibchen von 61/2 Pfund Gewicht wog der Rogen zwei Pfund; jedes Eichen aber hat die Größe eines mäßigen Schrotkornes; die Gesammtmasse würde also nur nach Hundert- tausenden zu berechnen sein. Fabricius erwähnt, daß das Männchen bei den Eiern treue Wacht hält und einen wirklich erhabenen Muth bekundet, sogar mit dem fürchterlichen Seewolfe anbindet und diesem, entflammt von Vaterliebe, eine tödtliche Wunde beibringt; Lacepede glaubt sich berechtigt, diese Angabe zu bezweifeln; sie wird aber durch neuere Beobachtungen vollkommen bestätigt. So erzählt Johnston, Berichte der Fischer wiedergebend, daß das Männchen die Eier bedeckt und in dieser Lage verweilt, bis die junge Brut ausschlüpft. Bald nachdem Dies gescheben, heften sich die Jungen an den Seiten und auf dem Rücken des Männchens fest, und nunmehr macht dieses mit der theuern Ladung sich auf, um die Brut in tiefere und sicherere Gründe zu tragen. Gegen Ende Novembers haben die Jungen eine Länge von 41/2 Zoll erreicht.
Eine regelrechte Verfolgung erleidet der Seehase nicht, wenigstens nicht abseiten des Menschen. Nach Couch beißt er zuweilen an die Angel; doch ist dieser Fang immer sehr unsicher. Jn Grön- land und Jsland erbeutet man ihn mit Netzen oder spießt ihn mit einem gabelförmigen Eisen an, wenn man ihn zwischen den Meerpflanzen liegen sieht. Einen viel schlimmeren Feind als den Menschen hat er an dem Seehunde, welcher ihn sehr gern zu fressen scheint, obgleich er ihn vorher erst mühsam schälen muß. Das Fleisch der Weibchen ist mager und schlecht, das der Männchen fett und schmackhaft, gilt sogar bei den Jsländern, namentlich wenn es einige Tage in Salz gelegen, als Leckerbissen und wird als solcher fremden Gästen vorgesetzt. Die britischen Fischer genießen es blos, solange der Lump roth gefärbt ist, und unterscheiden deshalb mit aller Bestimmtheit zwei Arten unseres Fisches.
Die Stachelfloſſer. Scheibenbäuche. Lumpfiſche. Schildbäuche. Fettſcheibler.
vielfach abändernder Färbung, deſſen erſte Rückenfloſſe gänzlich verkümmert iſt. Die zweite wird geſtützt durch 11, die Bruſtfloſſe durch 20, die Afterfloſſe durch 9, die Schwanzfloſſe durch 10 Strahlen.
Alle nördlichen Meere, namentlich die Nord- und Oſtſee beherbergen den Seehaſen, und man muß wohl annehmen, daß er ſehr häufig iſt, da ſeine Vermehrung ins Erſtaunliche gehen kann. Gleichwohl wird er in Folge ſeiner eigenthümlichen Lebensweiſe ſelten gefangen. Er iſt ein ſehr ſchlechter Schwimmer, welcher ſich ſelten bewegt, vielmehr an Felſen und Steinen vermittels ſeiner Bauchfloſſe, deren er ſich wie eines Schröpfkopfes bedient, feſtheftet und hier der Dinge wartet, welche kommen. Der Zuſammenhang ſeiner Scheibe mit den Gegenſtänden, auf denen er ſich befeſtigt hat, iſt ein ſehr inniger: Hannor berechnete, daß eine Kraft von vierundſiebzig Pfund Gewicht erforderlich ſei, um einen acht Zoll langen Seehaſen loszureißen, Pennant erfuhr, daß man einen Eimer, an deſſen Boden einer unſerer Fiſche ſich angeſogen hatte, ſammt dem Waſſer in die Höhe ziehen konnte. An einem, welchen man fing, beobachtete man eine ſechs Zoll lange, auf der Stirn angewachſene Tangranke und glaubte ſich, von dieſem Funde folgernd, zu der Anſicht berechtigt, daß er wochenlang auf einer und derſelben Stelle liegt und ſich, wie das Sprüchwort ſagt, die gebratenen Tauben ins Maul fliegen läßt, d. h. wartet, bis ſich ihm Quallen und kleine Fiſche, ſeine Nahrung, mundrecht nähern.
Gegen den März hin ändern ſich Färbung und Weſen des Seehafen, indem erſtere, ins Nöthliche übergeht, letzteres inſofern als der Fiſch jetzt ſich aufmacht, um ſeichtere, zum Laichen geeignete Küſtenſtellen aufzuſuchen. Fabricius gibt an, daß der Lump ſich den felſtgen Buchten Grönlands Ende Aprils oder Anfang Mais nähert, daß die Rogener vorausziehen und die Milchner ihnen unmittelbar folgen, daß erſtere ihren Laich zwiſchen größeren Algen, vorzugsweiſe in Fels- ſpalten ablegen, die letzteren dieſe befruchten und ſich dann dicht neben oder über den Eiern feſtſetzen. Jch laſſe es gern dahingeſtellt ſein, ob die Berechnungen, welche man angeſtellt hat, um die Anzahl der Eier zu ermitteln, richtig ſind oder nicht; ſoviel ſteht unzweifelhaft feſt, daß die Vermehrung eine ganz außerordentlich ſtarke iſt.
Bei einem Weibchen von 6½ Pfund Gewicht wog der Rogen zwei Pfund; jedes Eichen aber hat die Größe eines mäßigen Schrotkornes; die Geſammtmaſſe würde alſo nur nach Hundert- tauſenden zu berechnen ſein. Fabricius erwähnt, daß das Männchen bei den Eiern treue Wacht hält und einen wirklich erhabenen Muth bekundet, ſogar mit dem fürchterlichen Seewolfe anbindet und dieſem, entflammt von Vaterliebe, eine tödtliche Wunde beibringt; Lacepède glaubt ſich berechtigt, dieſe Angabe zu bezweifeln; ſie wird aber durch neuere Beobachtungen vollkommen beſtätigt. So erzählt Johnſton, Berichte der Fiſcher wiedergebend, daß das Männchen die Eier bedeckt und in dieſer Lage verweilt, bis die junge Brut ausſchlüpft. Bald nachdem Dies geſcheben, heften ſich die Jungen an den Seiten und auf dem Rücken des Männchens feſt, und nunmehr macht dieſes mit der theuern Ladung ſich auf, um die Brut in tiefere und ſicherere Gründe zu tragen. Gegen Ende Novembers haben die Jungen eine Länge von 4½ Zoll erreicht.
Eine regelrechte Verfolgung erleidet der Seehaſe nicht, wenigſtens nicht abſeiten des Menſchen. Nach Couch beißt er zuweilen an die Angel; doch iſt dieſer Fang immer ſehr unſicher. Jn Grön- land und Jsland erbeutet man ihn mit Netzen oder ſpießt ihn mit einem gabelförmigen Eiſen an, wenn man ihn zwiſchen den Meerpflanzen liegen ſieht. Einen viel ſchlimmeren Feind als den Menſchen hat er an dem Seehunde, welcher ihn ſehr gern zu freſſen ſcheint, obgleich er ihn vorher erſt mühſam ſchälen muß. Das Fleiſch der Weibchen iſt mager und ſchlecht, das der Männchen fett und ſchmackhaft, gilt ſogar bei den Jsländern, namentlich wenn es einige Tage in Salz gelegen, als Leckerbiſſen und wird als ſolcher fremden Gäſten vorgeſetzt. Die britiſchen Fiſcher genießen es blos, ſolange der Lump roth gefärbt iſt, und unterſcheiden deshalb mit aller Beſtimmtheit zwei Arten unſeres Fiſches.
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[574/0610]
Die Stachelfloſſer. Scheibenbäuche. Lumpfiſche. Schildbäuche. Fettſcheibler.
vielfach abändernder Färbung, deſſen erſte Rückenfloſſe gänzlich verkümmert iſt. Die zweite wird
geſtützt durch 11, die Bruſtfloſſe durch 20, die Afterfloſſe durch 9, die Schwanzfloſſe durch 10 Strahlen.
Alle nördlichen Meere, namentlich die Nord- und Oſtſee beherbergen den Seehaſen, und man
muß wohl annehmen, daß er ſehr häufig iſt, da ſeine Vermehrung ins Erſtaunliche gehen kann.
Gleichwohl wird er in Folge ſeiner eigenthümlichen Lebensweiſe ſelten gefangen. Er iſt ein ſehr
ſchlechter Schwimmer, welcher ſich ſelten bewegt, vielmehr an Felſen und Steinen vermittels ſeiner
Bauchfloſſe, deren er ſich wie eines Schröpfkopfes bedient, feſtheftet und hier der Dinge wartet, welche
kommen. Der Zuſammenhang ſeiner Scheibe mit den Gegenſtänden, auf denen er ſich befeſtigt
hat, iſt ein ſehr inniger: Hannor berechnete, daß eine Kraft von vierundſiebzig Pfund Gewicht
erforderlich ſei, um einen acht Zoll langen Seehaſen loszureißen, Pennant erfuhr, daß man
einen Eimer, an deſſen Boden einer unſerer Fiſche ſich angeſogen hatte, ſammt dem Waſſer in die
Höhe ziehen konnte. An einem, welchen man fing, beobachtete man eine ſechs Zoll lange, auf der
Stirn angewachſene Tangranke und glaubte ſich, von dieſem Funde folgernd, zu der Anſicht berechtigt,
daß er wochenlang auf einer und derſelben Stelle liegt und ſich, wie das Sprüchwort ſagt, die
gebratenen Tauben ins Maul fliegen läßt, d. h. wartet, bis ſich ihm Quallen und kleine Fiſche,
ſeine Nahrung, mundrecht nähern.
Gegen den März hin ändern ſich Färbung und Weſen des Seehafen, indem erſtere, ins
Nöthliche übergeht, letzteres inſofern als der Fiſch jetzt ſich aufmacht, um ſeichtere, zum Laichen
geeignete Küſtenſtellen aufzuſuchen. Fabricius gibt an, daß der Lump ſich den felſtgen Buchten
Grönlands Ende Aprils oder Anfang Mais nähert, daß die Rogener vorausziehen und die Milchner
ihnen unmittelbar folgen, daß erſtere ihren Laich zwiſchen größeren Algen, vorzugsweiſe in Fels-
ſpalten ablegen, die letzteren dieſe befruchten und ſich dann dicht neben oder über den Eiern feſtſetzen.
Jch laſſe es gern dahingeſtellt ſein, ob die Berechnungen, welche man angeſtellt hat, um die Anzahl
der Eier zu ermitteln, richtig ſind oder nicht; ſoviel ſteht unzweifelhaft feſt, daß die Vermehrung eine
ganz außerordentlich ſtarke iſt.
Bei einem Weibchen von 6½ Pfund Gewicht wog der Rogen zwei Pfund; jedes Eichen
aber hat die Größe eines mäßigen Schrotkornes; die Geſammtmaſſe würde alſo nur nach Hundert-
tauſenden zu berechnen ſein. Fabricius erwähnt, daß das Männchen bei den Eiern treue
Wacht hält und einen wirklich erhabenen Muth bekundet, ſogar mit dem fürchterlichen Seewolfe
anbindet und dieſem, entflammt von Vaterliebe, eine tödtliche Wunde beibringt; Lacepède glaubt
ſich berechtigt, dieſe Angabe zu bezweifeln; ſie wird aber durch neuere Beobachtungen vollkommen
beſtätigt. So erzählt Johnſton, Berichte der Fiſcher wiedergebend, daß das Männchen die Eier
bedeckt und in dieſer Lage verweilt, bis die junge Brut ausſchlüpft. Bald nachdem Dies geſcheben,
heften ſich die Jungen an den Seiten und auf dem Rücken des Männchens feſt, und nunmehr macht
dieſes mit der theuern Ladung ſich auf, um die Brut in tiefere und ſicherere Gründe zu tragen.
Gegen Ende Novembers haben die Jungen eine Länge von 4½ Zoll erreicht.
Eine regelrechte Verfolgung erleidet der Seehaſe nicht, wenigſtens nicht abſeiten des Menſchen.
Nach Couch beißt er zuweilen an die Angel; doch iſt dieſer Fang immer ſehr unſicher. Jn Grön-
land und Jsland erbeutet man ihn mit Netzen oder ſpießt ihn mit einem gabelförmigen Eiſen an,
wenn man ihn zwiſchen den Meerpflanzen liegen ſieht. Einen viel ſchlimmeren Feind als den
Menſchen hat er an dem Seehunde, welcher ihn ſehr gern zu freſſen ſcheint, obgleich er ihn vorher
erſt mühſam ſchälen muß. Das Fleiſch der Weibchen iſt mager und ſchlecht, das der Männchen fett
und ſchmackhaft, gilt ſogar bei den Jsländern, namentlich wenn es einige Tage in Salz gelegen, als
Leckerbiſſen und wird als ſolcher fremden Gäſten vorgeſetzt. Die britiſchen Fiſcher genießen es blos,
ſolange der Lump roth gefärbt iſt, und unterſcheiden deshalb mit aller Beſtimmtheit zwei Arten
unſeres Fiſches.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/610>, abgerufen am 23.12.2024.
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