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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Stachelflosser. Drachenfische. Queisen. Sternseher.

Die Vipernqueise (Trachinus Vipera) unterscheidet sich durch platteren Kopf und mehr
zugerundeten Bauch; auch steht die erste Rückenflosse von der zweiten weiter ab. Jene hat 5 bis 6,
diese 24, die Brustflosse 15, die Bauchflosse 1 und 5, die Afterflosse 1 und 24, die Schwanzflosse
11 Strahlen. Die grauröthliche Farbe des Rückens geht auf Seiten und Bauch in Silberweiß
über; der Rücken ist braun gefleckt, die erste Rückenflosse schwarz, die zweite wie die Schwanzflosse
schwarz gesäumt. Die Länge beträgt 5 bis 6 Zoll.

Das Petermännchen zieht tiefes Wasser den seichten Stellen vor, lebt aber ebenso wie seine
Verwandte auf oder richtiger im Grunde, bis zu den Augen im Sande vergraben. Gegen den
Juni hin nähert es sich, um zu laichen, dem flachen Strande, und dann geschieht es, daß es während
der Ebbe auch auf den von Wasser entblößten Stellen gefunden wird. Seine Beute besteht vorzugs-

[Abbildung] Das Petermännchen (Trachinus draco). 2/3 der nat. Größe.
weise aus kleinen Krebsen und Fischen, welche es bis in nächste Nähe kommen läßt, bevor es aus dem
Sande hervorschießt. Letzteres geschieht mit einer überraschenden Schnelligkeit, wie denn überhaupt
der so träg erscheinende Fisch ein höchst bewegungsfähiges Thier genannt werden muß. Nicht minder
behend gräbt er sich nach geschehenem Fange wieder in den Sand ein. Einige Stücke, welche ich
längere Zeit beobachten konnte, lagen während des ganzen Tages an einer und derselben Stelle ihres
Beckens so tief vergraben, daß man nach längerem Suchen eben nur ihre Augen wahrnehmen konnte,
erhoben sich, wenn man sie störte, sehr rasch, führten dabei wirkliche Bewegungen aus, als ob sie mit
ihren stacheligen Rückenflossen den Störenfried angreifen wollten, schwammen mehrmals auf und
nieder, senkten sich dann wieder auf den Sand herab, legten die Brustflossen an und bewegten nun-
mehr die lange Afterflosse wellenförmig, wodurch sie sich sehr rasch die erforderliche Vertiefung
aushöhlten.

"Diese Fisch sind auß der zahl der Meerthieren, so den Menschen mit schädlichem gifft
verwunden", sagt der alte Geßner, und eine derartige Meinung, heutigentages noch die aller
Fischer, verwundert Den nicht, welcher weiß, daß eine von den Drachenfischen zugefügte Ver-
wundung allerdings peinliche Schmerzen und eine heftige Entzündung hervorruft. Nicht blos

Die Stachelfloſſer. Drachenfiſche. Queiſen. Sternſeher.

Die Vipernqueiſe (Trachinus Vipera) unterſcheidet ſich durch platteren Kopf und mehr
zugerundeten Bauch; auch ſteht die erſte Rückenfloſſe von der zweiten weiter ab. Jene hat 5 bis 6,
dieſe 24, die Bruſtfloſſe 15, die Bauchfloſſe 1 und 5, die Afterfloſſe 1 und 24, die Schwanzfloſſe
11 Strahlen. Die grauröthliche Farbe des Rückens geht auf Seiten und Bauch in Silberweiß
über; der Rücken iſt braun gefleckt, die erſte Rückenfloſſe ſchwarz, die zweite wie die Schwanzfloſſe
ſchwarz geſäumt. Die Länge beträgt 5 bis 6 Zoll.

Das Petermännchen zieht tiefes Waſſer den ſeichten Stellen vor, lebt aber ebenſo wie ſeine
Verwandte auf oder richtiger im Grunde, bis zu den Augen im Sande vergraben. Gegen den
Juni hin nähert es ſich, um zu laichen, dem flachen Strande, und dann geſchieht es, daß es während
der Ebbe auch auf den von Waſſer entblößten Stellen gefunden wird. Seine Beute beſteht vorzugs-

[Abbildung] Das Petermännchen (Trachinus draco). ⅔ der nat. Größe.
weiſe aus kleinen Krebſen und Fiſchen, welche es bis in nächſte Nähe kommen läßt, bevor es aus dem
Sande hervorſchießt. Letzteres geſchieht mit einer überraſchenden Schnelligkeit, wie denn überhaupt
der ſo träg erſcheinende Fiſch ein höchſt bewegungsfähiges Thier genannt werden muß. Nicht minder
behend gräbt er ſich nach geſchehenem Fange wieder in den Sand ein. Einige Stücke, welche ich
längere Zeit beobachten konnte, lagen während des ganzen Tages an einer und derſelben Stelle ihres
Beckens ſo tief vergraben, daß man nach längerem Suchen eben nur ihre Augen wahrnehmen konnte,
erhoben ſich, wenn man ſie ſtörte, ſehr raſch, führten dabei wirkliche Bewegungen aus, als ob ſie mit
ihren ſtacheligen Rückenfloſſen den Störenfried angreifen wollten, ſchwammen mehrmals auf und
nieder, ſenkten ſich dann wieder auf den Sand herab, legten die Bruſtfloſſen an und bewegten nun-
mehr die lange Afterfloſſe wellenförmig, wodurch ſie ſich ſehr raſch die erforderliche Vertiefung
aushöhlten.

„Dieſe Fiſch ſind auß der zahl der Meerthieren, ſo den Menſchen mit ſchädlichem gifft
verwunden“, ſagt der alte Geßner, und eine derartige Meinung, heutigentages noch die aller
Fiſcher, verwundert Den nicht, welcher weiß, daß eine von den Drachenfiſchen zugefügte Ver-
wundung allerdings peinliche Schmerzen und eine heftige Entzündung hervorruft. Nicht blos

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[486/0516] Die Stachelfloſſer. Drachenfiſche. Queiſen. Sternſeher. Die Vipernqueiſe (Trachinus Vipera) unterſcheidet ſich durch platteren Kopf und mehr zugerundeten Bauch; auch ſteht die erſte Rückenfloſſe von der zweiten weiter ab. Jene hat 5 bis 6, dieſe 24, die Bruſtfloſſe 15, die Bauchfloſſe 1 und 5, die Afterfloſſe 1 und 24, die Schwanzfloſſe 11 Strahlen. Die grauröthliche Farbe des Rückens geht auf Seiten und Bauch in Silberweiß über; der Rücken iſt braun gefleckt, die erſte Rückenfloſſe ſchwarz, die zweite wie die Schwanzfloſſe ſchwarz geſäumt. Die Länge beträgt 5 bis 6 Zoll. Das Petermännchen zieht tiefes Waſſer den ſeichten Stellen vor, lebt aber ebenſo wie ſeine Verwandte auf oder richtiger im Grunde, bis zu den Augen im Sande vergraben. Gegen den Juni hin nähert es ſich, um zu laichen, dem flachen Strande, und dann geſchieht es, daß es während der Ebbe auch auf den von Waſſer entblößten Stellen gefunden wird. Seine Beute beſteht vorzugs- [Abbildung Das Petermännchen (Trachinus draco). ⅔ der nat. Größe.] weiſe aus kleinen Krebſen und Fiſchen, welche es bis in nächſte Nähe kommen läßt, bevor es aus dem Sande hervorſchießt. Letzteres geſchieht mit einer überraſchenden Schnelligkeit, wie denn überhaupt der ſo träg erſcheinende Fiſch ein höchſt bewegungsfähiges Thier genannt werden muß. Nicht minder behend gräbt er ſich nach geſchehenem Fange wieder in den Sand ein. Einige Stücke, welche ich längere Zeit beobachten konnte, lagen während des ganzen Tages an einer und derſelben Stelle ihres Beckens ſo tief vergraben, daß man nach längerem Suchen eben nur ihre Augen wahrnehmen konnte, erhoben ſich, wenn man ſie ſtörte, ſehr raſch, führten dabei wirkliche Bewegungen aus, als ob ſie mit ihren ſtacheligen Rückenfloſſen den Störenfried angreifen wollten, ſchwammen mehrmals auf und nieder, ſenkten ſich dann wieder auf den Sand herab, legten die Bruſtfloſſen an und bewegten nun- mehr die lange Afterfloſſe wellenförmig, wodurch ſie ſich ſehr raſch die erforderliche Vertiefung aushöhlten. „Dieſe Fiſch ſind auß der zahl der Meerthieren, ſo den Menſchen mit ſchädlichem gifft verwunden“, ſagt der alte Geßner, und eine derartige Meinung, heutigentages noch die aller Fiſcher, verwundert Den nicht, welcher weiß, daß eine von den Drachenfiſchen zugefügte Ver- wundung allerdings peinliche Schmerzen und eine heftige Entzündung hervorruft. Nicht blos

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/516>, abgerufen am 16.06.2024.