würmer, kleine Stichlinge, Kaulquappen vom Wassermolche, später auch Ellritzen, fastete aber in einem Kalthause, seinem Wohnraume, von Mitte Oktobers bis Ende Aprils. Bei Berührung des Schwanzes stieß er Luftblasen aus und ging langsam weiter.
Am 13. Mai 1826 kroch er, nachdem er gefressen hatte, von selbst aus dem Kübel und fiel drei und ein halb Fuß tief herunter. Des anderen Morgens fand man ihn auf einem Fußpfade außer- halb des Hauses; er hatte sich durch ein kleines Gewölbe in der Mauer einen drei Fuß langen Gang in die Erde gegraben. Jn Folge der Kälte des Morgens war er erstarrt und gab kaum ein Lebens- zeichen von sich, athmete im Wasser schwer und hob sich deshalb an die Oberfläche, um Luft zu schnappen; nachdem er jedoch einige Stunden in der Tiefe verweilt hatte, war er wieder so lebhaft
[Abbildung]
Der Armmolch(Siren lacertina). Natürl. Größe.
als je. Als man ihn im Jahre 1827 in ein Treibhaus brachte, zeigte er sich lebhafter und begann zu quaken, wie ein Frosch, d. h. einzelne gleichförmige Töne auszustoßen. Während dieses Sommers fraß er zwei bis vier kleine Regenwürmer auf einmal, war überhaupt hurtiger als früher. Sobald er den Wurm erblickte, näherte er sich vorsichtig, hielt einen Augenblick still, als wenn er lauere, und schoß dann plötzlich darauf los; übrigens fraß er nur in acht oder zehn Tagen einmal. Gewöhnlich lag er stundenlang, ohne Luftblasen von sich zu geben; man bemerkte dann zweimal in der Minute einen schwachen Strom hinter den Kiemen. Bei Berührung schnellte er sich so rasch fort, daß das Wasser spritzte. Er lebte bis zum 22. Oktober 1831 und starb eines gewaltsamen Todes: man fand ihn außerhalb seines Kübels mit eingetrockneten Kiemen. Während der sechs Jahre war er um vier Zoll länger geworden.
Die Blindwühlen.
würmer, kleine Stichlinge, Kaulquappen vom Waſſermolche, ſpäter auch Ellritzen, faſtete aber in einem Kalthauſe, ſeinem Wohnraume, von Mitte Oktobers bis Ende Aprils. Bei Berührung des Schwanzes ſtieß er Luftblaſen aus und ging langſam weiter.
Am 13. Mai 1826 kroch er, nachdem er gefreſſen hatte, von ſelbſt aus dem Kübel und fiel drei und ein halb Fuß tief herunter. Des anderen Morgens fand man ihn auf einem Fußpfade außer- halb des Hauſes; er hatte ſich durch ein kleines Gewölbe in der Mauer einen drei Fuß langen Gang in die Erde gegraben. Jn Folge der Kälte des Morgens war er erſtarrt und gab kaum ein Lebens- zeichen von ſich, athmete im Waſſer ſchwer und hob ſich deshalb an die Oberfläche, um Luft zu ſchnappen; nachdem er jedoch einige Stunden in der Tiefe verweilt hatte, war er wieder ſo lebhaft
[Abbildung]
Der Armmolch(Siren lacertina). Natürl. Größe.
als je. Als man ihn im Jahre 1827 in ein Treibhaus brachte, zeigte er ſich lebhafter und begann zu quaken, wie ein Froſch, d. h. einzelne gleichförmige Töne auszuſtoßen. Während dieſes Sommers fraß er zwei bis vier kleine Regenwürmer auf einmal, war überhaupt hurtiger als früher. Sobald er den Wurm erblickte, näherte er ſich vorſichtig, hielt einen Augenblick ſtill, als wenn er lauere, und ſchoß dann plötzlich darauf los; übrigens fraß er nur in acht oder zehn Tagen einmal. Gewöhnlich lag er ſtundenlang, ohne Luftblaſen von ſich zu geben; man bemerkte dann zweimal in der Minute einen ſchwachen Strom hinter den Kiemen. Bei Berührung ſchnellte er ſich ſo raſch fort, daß das Waſſer ſpritzte. Er lebte bis zum 22. Oktober 1831 und ſtarb eines gewaltſamen Todes: man fand ihn außerhalb ſeines Kübels mit eingetrockneten Kiemen. Während der ſechs Jahre war er um vier Zoll länger geworden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0471"n="441"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Blindwühlen.</hi></fw><lb/>
würmer, kleine Stichlinge, Kaulquappen vom Waſſermolche, ſpäter auch Ellritzen, faſtete aber in<lb/>
einem Kalthauſe, ſeinem Wohnraume, von Mitte Oktobers bis Ende Aprils. Bei Berührung des<lb/>
Schwanzes ſtieß er Luftblaſen aus und ging langſam weiter.</p><lb/><p>Am 13. Mai 1826 kroch er, nachdem er gefreſſen hatte, von ſelbſt aus dem Kübel und fiel drei<lb/>
und ein halb Fuß tief herunter. Des anderen Morgens fand man ihn auf einem Fußpfade außer-<lb/>
halb des Hauſes; er hatte ſich durch ein kleines Gewölbe in der Mauer einen drei Fuß langen Gang<lb/>
in die Erde gegraben. Jn Folge der Kälte des Morgens war er erſtarrt und gab kaum ein Lebens-<lb/>
zeichen von ſich, athmete im Waſſer ſchwer und hob ſich deshalb an die Oberfläche, um Luft zu<lb/>ſchnappen; nachdem er jedoch einige Stunden in der Tiefe verweilt hatte, war er wieder ſo lebhaft<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Der Armmolch</hi><hirendition="#aq">(Siren lacertina).</hi> Natürl. Größe.</hi></head></figure><lb/>
als je. Als man ihn im Jahre 1827 in ein Treibhaus brachte, zeigte er ſich lebhafter und begann<lb/>
zu quaken, wie ein Froſch, d. h. einzelne gleichförmige Töne auszuſtoßen. Während dieſes Sommers<lb/>
fraß er zwei bis vier kleine Regenwürmer auf einmal, war überhaupt hurtiger als früher. Sobald<lb/>
er den Wurm erblickte, näherte er ſich vorſichtig, hielt einen Augenblick ſtill, als wenn er lauere,<lb/>
und ſchoß dann plötzlich darauf los; übrigens fraß er nur in acht oder zehn Tagen einmal. Gewöhnlich<lb/>
lag er ſtundenlang, ohne Luftblaſen von ſich zu geben; man bemerkte dann zweimal in der Minute<lb/>
einen ſchwachen Strom hinter den Kiemen. Bei Berührung ſchnellte er ſich ſo raſch fort, daß das<lb/>
Waſſer ſpritzte. Er lebte bis zum 22. Oktober 1831 und ſtarb eines gewaltſamen Todes: man<lb/>
fand ihn außerhalb ſeines Kübels mit eingetrockneten Kiemen. Während der ſechs Jahre war er<lb/>
um vier Zoll länger geworden.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></div></body></text></TEI>
[441/0471]
Die Blindwühlen.
würmer, kleine Stichlinge, Kaulquappen vom Waſſermolche, ſpäter auch Ellritzen, faſtete aber in
einem Kalthauſe, ſeinem Wohnraume, von Mitte Oktobers bis Ende Aprils. Bei Berührung des
Schwanzes ſtieß er Luftblaſen aus und ging langſam weiter.
Am 13. Mai 1826 kroch er, nachdem er gefreſſen hatte, von ſelbſt aus dem Kübel und fiel drei
und ein halb Fuß tief herunter. Des anderen Morgens fand man ihn auf einem Fußpfade außer-
halb des Hauſes; er hatte ſich durch ein kleines Gewölbe in der Mauer einen drei Fuß langen Gang
in die Erde gegraben. Jn Folge der Kälte des Morgens war er erſtarrt und gab kaum ein Lebens-
zeichen von ſich, athmete im Waſſer ſchwer und hob ſich deshalb an die Oberfläche, um Luft zu
ſchnappen; nachdem er jedoch einige Stunden in der Tiefe verweilt hatte, war er wieder ſo lebhaft
[Abbildung Der Armmolch (Siren lacertina). Natürl. Größe.]
als je. Als man ihn im Jahre 1827 in ein Treibhaus brachte, zeigte er ſich lebhafter und begann
zu quaken, wie ein Froſch, d. h. einzelne gleichförmige Töne auszuſtoßen. Während dieſes Sommers
fraß er zwei bis vier kleine Regenwürmer auf einmal, war überhaupt hurtiger als früher. Sobald
er den Wurm erblickte, näherte er ſich vorſichtig, hielt einen Augenblick ſtill, als wenn er lauere,
und ſchoß dann plötzlich darauf los; übrigens fraß er nur in acht oder zehn Tagen einmal. Gewöhnlich
lag er ſtundenlang, ohne Luftblaſen von ſich zu geben; man bemerkte dann zweimal in der Minute
einen ſchwachen Strom hinter den Kiemen. Bei Berührung ſchnellte er ſich ſo raſch fort, daß das
Waſſer ſpritzte. Er lebte bis zum 22. Oktober 1831 und ſtarb eines gewaltſamen Todes: man
fand ihn außerhalb ſeines Kübels mit eingetrockneten Kiemen. Während der ſechs Jahre war er
um vier Zoll länger geworden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/471>, abgerufen am 20.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.