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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schwanzlurche. Kiemenfischlinge.
eine dunklere Stelle aufzusuchen. Jn einem Becken, dessen Wasser selten gewechselt wird, kommen
sie oft zur Oberfläche empor, um Luft zu schöpfen, sperren dabei das Maul auf und lassen gleichzeitig
unter gurgelndem Geräusch Luftblasen aus den Kiemenlöchern fahren; in tieferem oder beständig
erneuertem Wasser hingegen sondern ihre Kiemen eine ihnen zum Athmen nöthige Menge von
Sauerstoff ab, und deshalb erscheinen sie auch niemals an der Oberfläche. Nimmt man sie aus dem
Wasser, so gehen sie innerhalb zwei bis vier Stunden unfehlbar zu Grunde; doch kann man
sie, wie Schreibers erfuhr, in sehr seichtem Wasser wohl am Leben erhalten, bewirkt unter solchen
Umständen auch, daß ihre Lungen sich vergrößern und ausdehnen, während sie, gezwungen, beständig
unter Wasser zu bleiben, wiederum ihre Kiemen überwiegend ausbilden. Jhre Sinne scheinen
sehr schwach zu sein, gerade diejenigen aber, welche wir für gänzlich verkümmert halten, eine über-
raschende Fähigkeit zu besitzen. So merken sie es augenblicklich, wenn man ihnen Futterstoffe in ihr
Wohnbecken wirst, schwimmen schnurstracks auf dieselben los und greifen sie fast mit unfehlbarer
Sicherheit, sodaß man geneigt wird, an eine bedeutende Entwickelung ihres Geruches und Gefühles
zu glauben, da man den punktgroßen, versteckten Augen doch kaum ein so großes Sehvermögen
zutrauen darf. Einzelne der Gefangenen fressen kleine Fischchen, Würmer, Muscheln und Schnecken;
andere verschmähen hartnäckig alle Nahrung, halten jedoch, falls man ihnen nur immer wieder
frisches Wasser gibt, trotzdem mehrere Jahre aus, ohne daß man eigentlich begreift, von was sie
leben. Jn ihren Höhlen hat man allerdings mehrere kleine eigenthümliche Thierchen entdeckt, welche
ihnen zur Nahrung dienen, bei einzelnen auch beobachtet, daß sie die Schalen kleiner Muscheln aus-
brachen, hinsichtlich der Art und Weise ihrer Ernährung aber durchaus noch nicht die erwünschte
Kunde erlangt.

Ueber die Fortpflanzung sind wir noch vollständig im Unklaren. Einmal hieß es, ein Bauer
habe beobachtet, daß einer seiner gefangenen Olme lebende Junge zur Welt brachte. Der Mann
erzählt von einem frischgefangenen Olme, welcher sich auffallend munter zeigte und stark bewegte,
auch viel dicker war als die anderen, welche er bisher gesehen hatte. Gegen Abend wurde das Thier
unruhig, beugte sich sodann mit dem Kopfe gegen den Boden, erhob den Rücken und bildete so einen
Bogen. Am After bemerkte man eine kleine Geschwulst von der Größe einer Erbse; später kamen
drei blaßzinnoberrothe Blasen hervor, welche durch Faden zusammenhingen, und gleich darauf, noch
an diesen Faden hängend, erschien ein anderthalb Zoll langer, dem großen durchaus ähnlicher Olm,
welcher mit seinen Um- und Einhüllungen zu Boden sank und hier ruhig liegen blieb. Die "Mutter"
suchte das Junge mit dem Vorderarm von seinen Hüllen zu befreien. Bald darauf wurde ein
zweites, gleichgroßes Junge geboren, und die Mutter ging dabei ebenso zu Werke. Bis zum Morgen
hatte sich die Familie wieder um ein Mitglied vermehrt. Hierbei blieb es. Die Mutter schien sehr
zärtlich gegen die Jungen und suchte sie immer zwischen ihren Vorderfüßen zusammenzuhalten. Am
Nachmittage wurde das Wasser trübe und unrein; bei genauerer Untersuchung bemerkte man eine
Menge Häute, welche fast den ganzen Raum einnahmen und zum Theil aus einem gallertartigen
Netze von mehr als hundert durchsichtigen Kügelchen, welche die Größe eines Hirsekorns hatten und
durch Faden zusammenhingen, bestanden. Die Mutter schien sich mit ihren schwachen, fast leblos
scheinenden Jungen viel abzugeben. Ohne Vorwissen des Mannes, welcher diese Geschichte mit-
theilt, wurden die anscheinend leblosen Thiere von den Weibern des Hauses weggeworfen und gingen
so verloren.

Ungeachtet des Gepräges der Wahrscheinlichkeit, welches diese Erzählung an sich trägt, hat sich
die Angabe des Bauern später als irrthümlich erwiesen. Jnwiefern der Jrrthum festgestellt wurde,
weiß ich freilich nicht zu sagen; jedenfalls aber steht soviel fest, daß gegenwärtig kein Forscher mehr
an diese Geschichte glaubt. Von tüchtigen Beobachtern wurden bei der Zergliederung einzelner
Weibchen Eierstöcke entdeckt, wirklich legreife Eier aber noch nicht gefunden und somit auch durch
diese Entdeckung Nichts gewonnen. Man hat jahrelang Dutzende von Olmen in einem und
demselben Gefäße zusammengehalten, sie auch mit einander spielen sehen, niemals aber eine

Die Schwanzlurche. Kiemenfiſchlinge.
eine dunklere Stelle aufzuſuchen. Jn einem Becken, deſſen Waſſer ſelten gewechſelt wird, kommen
ſie oft zur Oberfläche empor, um Luft zu ſchöpfen, ſperren dabei das Maul auf und laſſen gleichzeitig
unter gurgelndem Geräuſch Luftblaſen aus den Kiemenlöchern fahren; in tieferem oder beſtändig
erneuertem Waſſer hingegen ſondern ihre Kiemen eine ihnen zum Athmen nöthige Menge von
Sauerſtoff ab, und deshalb erſcheinen ſie auch niemals an der Oberfläche. Nimmt man ſie aus dem
Waſſer, ſo gehen ſie innerhalb zwei bis vier Stunden unfehlbar zu Grunde; doch kann man
ſie, wie Schreibers erfuhr, in ſehr ſeichtem Waſſer wohl am Leben erhalten, bewirkt unter ſolchen
Umſtänden auch, daß ihre Lungen ſich vergrößern und ausdehnen, während ſie, gezwungen, beſtändig
unter Waſſer zu bleiben, wiederum ihre Kiemen überwiegend ausbilden. Jhre Sinne ſcheinen
ſehr ſchwach zu ſein, gerade diejenigen aber, welche wir für gänzlich verkümmert halten, eine über-
raſchende Fähigkeit zu beſitzen. So merken ſie es augenblicklich, wenn man ihnen Futterſtoffe in ihr
Wohnbecken wirſt, ſchwimmen ſchnurſtracks auf dieſelben los und greifen ſie faſt mit unfehlbarer
Sicherheit, ſodaß man geneigt wird, an eine bedeutende Entwickelung ihres Geruches und Gefühles
zu glauben, da man den punktgroßen, verſteckten Augen doch kaum ein ſo großes Sehvermögen
zutrauen darf. Einzelne der Gefangenen freſſen kleine Fiſchchen, Würmer, Muſcheln und Schnecken;
andere verſchmähen hartnäckig alle Nahrung, halten jedoch, falls man ihnen nur immer wieder
friſches Waſſer gibt, trotzdem mehrere Jahre aus, ohne daß man eigentlich begreift, von was ſie
leben. Jn ihren Höhlen hat man allerdings mehrere kleine eigenthümliche Thierchen entdeckt, welche
ihnen zur Nahrung dienen, bei einzelnen auch beobachtet, daß ſie die Schalen kleiner Muſcheln aus-
brachen, hinſichtlich der Art und Weiſe ihrer Ernährung aber durchaus noch nicht die erwünſchte
Kunde erlangt.

Ueber die Fortpflanzung ſind wir noch vollſtändig im Unklaren. Einmal hieß es, ein Bauer
habe beobachtet, daß einer ſeiner gefangenen Olme lebende Junge zur Welt brachte. Der Mann
erzählt von einem friſchgefangenen Olme, welcher ſich auffallend munter zeigte und ſtark bewegte,
auch viel dicker war als die anderen, welche er bisher geſehen hatte. Gegen Abend wurde das Thier
unruhig, beugte ſich ſodann mit dem Kopfe gegen den Boden, erhob den Rücken und bildete ſo einen
Bogen. Am After bemerkte man eine kleine Geſchwulſt von der Größe einer Erbſe; ſpäter kamen
drei blaßzinnoberrothe Blaſen hervor, welche durch Faden zuſammenhingen, und gleich darauf, noch
an dieſen Faden hängend, erſchien ein anderthalb Zoll langer, dem großen durchaus ähnlicher Olm,
welcher mit ſeinen Um- und Einhüllungen zu Boden ſank und hier ruhig liegen blieb. Die „Mutter“
ſuchte das Junge mit dem Vorderarm von ſeinen Hüllen zu befreien. Bald darauf wurde ein
zweites, gleichgroßes Junge geboren, und die Mutter ging dabei ebenſo zu Werke. Bis zum Morgen
hatte ſich die Familie wieder um ein Mitglied vermehrt. Hierbei blieb es. Die Mutter ſchien ſehr
zärtlich gegen die Jungen und ſuchte ſie immer zwiſchen ihren Vorderfüßen zuſammenzuhalten. Am
Nachmittage wurde das Waſſer trübe und unrein; bei genauerer Unterſuchung bemerkte man eine
Menge Häute, welche faſt den ganzen Raum einnahmen und zum Theil aus einem gallertartigen
Netze von mehr als hundert durchſichtigen Kügelchen, welche die Größe eines Hirſekorns hatten und
durch Faden zuſammenhingen, beſtanden. Die Mutter ſchien ſich mit ihren ſchwachen, faſt leblos
ſcheinenden Jungen viel abzugeben. Ohne Vorwiſſen des Mannes, welcher dieſe Geſchichte mit-
theilt, wurden die anſcheinend lebloſen Thiere von den Weibern des Hauſes weggeworfen und gingen
ſo verloren.

Ungeachtet des Gepräges der Wahrſcheinlichkeit, welches dieſe Erzählung an ſich trägt, hat ſich
die Angabe des Bauern ſpäter als irrthümlich erwieſen. Jnwiefern der Jrrthum feſtgeſtellt wurde,
weiß ich freilich nicht zu ſagen; jedenfalls aber ſteht ſoviel feſt, daß gegenwärtig kein Forſcher mehr
an dieſe Geſchichte glaubt. Von tüchtigen Beobachtern wurden bei der Zergliederung einzelner
Weibchen Eierſtöcke entdeckt, wirklich legreife Eier aber noch nicht gefunden und ſomit auch durch
dieſe Entdeckung Nichts gewonnen. Man hat jahrelang Dutzende von Olmen in einem und
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[438/0468] Die Schwanzlurche. Kiemenfiſchlinge. eine dunklere Stelle aufzuſuchen. Jn einem Becken, deſſen Waſſer ſelten gewechſelt wird, kommen ſie oft zur Oberfläche empor, um Luft zu ſchöpfen, ſperren dabei das Maul auf und laſſen gleichzeitig unter gurgelndem Geräuſch Luftblaſen aus den Kiemenlöchern fahren; in tieferem oder beſtändig erneuertem Waſſer hingegen ſondern ihre Kiemen eine ihnen zum Athmen nöthige Menge von Sauerſtoff ab, und deshalb erſcheinen ſie auch niemals an der Oberfläche. Nimmt man ſie aus dem Waſſer, ſo gehen ſie innerhalb zwei bis vier Stunden unfehlbar zu Grunde; doch kann man ſie, wie Schreibers erfuhr, in ſehr ſeichtem Waſſer wohl am Leben erhalten, bewirkt unter ſolchen Umſtänden auch, daß ihre Lungen ſich vergrößern und ausdehnen, während ſie, gezwungen, beſtändig unter Waſſer zu bleiben, wiederum ihre Kiemen überwiegend ausbilden. Jhre Sinne ſcheinen ſehr ſchwach zu ſein, gerade diejenigen aber, welche wir für gänzlich verkümmert halten, eine über- raſchende Fähigkeit zu beſitzen. So merken ſie es augenblicklich, wenn man ihnen Futterſtoffe in ihr Wohnbecken wirſt, ſchwimmen ſchnurſtracks auf dieſelben los und greifen ſie faſt mit unfehlbarer Sicherheit, ſodaß man geneigt wird, an eine bedeutende Entwickelung ihres Geruches und Gefühles zu glauben, da man den punktgroßen, verſteckten Augen doch kaum ein ſo großes Sehvermögen zutrauen darf. Einzelne der Gefangenen freſſen kleine Fiſchchen, Würmer, Muſcheln und Schnecken; andere verſchmähen hartnäckig alle Nahrung, halten jedoch, falls man ihnen nur immer wieder friſches Waſſer gibt, trotzdem mehrere Jahre aus, ohne daß man eigentlich begreift, von was ſie leben. Jn ihren Höhlen hat man allerdings mehrere kleine eigenthümliche Thierchen entdeckt, welche ihnen zur Nahrung dienen, bei einzelnen auch beobachtet, daß ſie die Schalen kleiner Muſcheln aus- brachen, hinſichtlich der Art und Weiſe ihrer Ernährung aber durchaus noch nicht die erwünſchte Kunde erlangt. Ueber die Fortpflanzung ſind wir noch vollſtändig im Unklaren. Einmal hieß es, ein Bauer habe beobachtet, daß einer ſeiner gefangenen Olme lebende Junge zur Welt brachte. Der Mann erzählt von einem friſchgefangenen Olme, welcher ſich auffallend munter zeigte und ſtark bewegte, auch viel dicker war als die anderen, welche er bisher geſehen hatte. Gegen Abend wurde das Thier unruhig, beugte ſich ſodann mit dem Kopfe gegen den Boden, erhob den Rücken und bildete ſo einen Bogen. Am After bemerkte man eine kleine Geſchwulſt von der Größe einer Erbſe; ſpäter kamen drei blaßzinnoberrothe Blaſen hervor, welche durch Faden zuſammenhingen, und gleich darauf, noch an dieſen Faden hängend, erſchien ein anderthalb Zoll langer, dem großen durchaus ähnlicher Olm, welcher mit ſeinen Um- und Einhüllungen zu Boden ſank und hier ruhig liegen blieb. Die „Mutter“ ſuchte das Junge mit dem Vorderarm von ſeinen Hüllen zu befreien. Bald darauf wurde ein zweites, gleichgroßes Junge geboren, und die Mutter ging dabei ebenſo zu Werke. Bis zum Morgen hatte ſich die Familie wieder um ein Mitglied vermehrt. Hierbei blieb es. Die Mutter ſchien ſehr zärtlich gegen die Jungen und ſuchte ſie immer zwiſchen ihren Vorderfüßen zuſammenzuhalten. Am Nachmittage wurde das Waſſer trübe und unrein; bei genauerer Unterſuchung bemerkte man eine Menge Häute, welche faſt den ganzen Raum einnahmen und zum Theil aus einem gallertartigen Netze von mehr als hundert durchſichtigen Kügelchen, welche die Größe eines Hirſekorns hatten und durch Faden zuſammenhingen, beſtanden. Die Mutter ſchien ſich mit ihren ſchwachen, faſt leblos ſcheinenden Jungen viel abzugeben. Ohne Vorwiſſen des Mannes, welcher dieſe Geſchichte mit- theilt, wurden die anſcheinend lebloſen Thiere von den Weibern des Hauſes weggeworfen und gingen ſo verloren. Ungeachtet des Gepräges der Wahrſcheinlichkeit, welches dieſe Erzählung an ſich trägt, hat ſich die Angabe des Bauern ſpäter als irrthümlich erwieſen. Jnwiefern der Jrrthum feſtgeſtellt wurde, weiß ich freilich nicht zu ſagen; jedenfalls aber ſteht ſoviel feſt, daß gegenwärtig kein Forſcher mehr an dieſe Geſchichte glaubt. Von tüchtigen Beobachtern wurden bei der Zergliederung einzelner Weibchen Eierſtöcke entdeckt, wirklich legreife Eier aber noch nicht gefunden und ſomit auch durch dieſe Entdeckung Nichts gewonnen. Man hat jahrelang Dutzende von Olmen in einem und demſelben Gefäße zuſammengehalten, ſie auch mit einander ſpielen ſehen, niemals aber eine

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/468>, abgerufen am 23.12.2024.