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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Riesensalamander.

Diese Worte erläutern eine Abbildung, welche Johann Jakob Scheuchzer, Doktor der
Medizin und vieler gelehrten Gesellschaften Mitglied, einer im Jahre 1726 erschienenen Abhandlung,
betitelt "Homo diluvii testis" beizugeben für nöthig erachtete, damit Jedermann augenscheinlich von
der Wahrheit seiner Worte überzeugt werde. Nach einer anderen Stelle habe ich leider vergeblich
gesucht; sie beginnt mit den Worten:

"Betrübtes Beingerüst von einem alten Sünder,
Erweiche Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder",

und mag gewiß noch recht viel Schönes und Erbauliches enthalten, wenn sie auch leider ihren Zweck,
Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder zu erweichen, gänzlich verfehlt hat. Denn der "Homo
diluvii testis"
hat nur kurze Zeit die "gelehrte und curiose Welt" zum Nachdenken veranlaßt, weil
das neue Bosheitskind Cuvier ihn seiner Menschlichkeit gänzlich entkleidete und das "betrübte
Beingerüst des alten Sünders" als -- die versteinerten Knochen eines Molches bestimmte. Gedachter
Molch, von den Vorweltskundigen Andrias Scheuchzeri genannt, ist für uns insofern wichtig, als
er noch einen, anscheinend sehr ähnlichen Verwandten unter den Lebenden zählt.

Dieser, der Riesensalamander (Megalobatrachus maximus), mit vollstem Recht als das
Urbild einer eigenen Familie angesehen, erreicht eine Länge von 4 Fuß und ist ein überaus unförm-
liches, plumpes, massiges Geschöpf. Der große, niedergedrückte, überhaupt sehr breite Kopf rundet
sich vorn in eine stumpfe Spitze ab, der kurze Hals ist bedeutend schmäler als Hinterkopf und Rumpf,
letzterer platt, walzig, durch einen dicken Längswulst jederseits gleichsam noch mehr verbreitert, der
Schwanz, welcher etwa ein Drittel der Leibeslänge einnimmt, kurz und, entgegengesetzt von Leib und
Kopf, seitlich zusammengedrückt, sodaß er ein breites Ruder bildet; an den plumpen, stämmigen
Füßen sitzen vorn vier, hinten fünf wohl ausgebildete Zehen; die Nasenlöcher liegen vorn an der
Schnauze, sehr nah an einander, die überaus kleinen, lidlosen Augen hingegen werden fast durch
die ganze Breite des Kopfes von einander getrennt.

Sehr kleine Zähne bewassnen die Kiefer, eine zweite mit ihnen gleich laufende Reihe den Gaumen;
die Zunge ist ringsum angewachsen. Das Geripp erim ert, laut Schlegel, ebenso wohl an das
Knochengerüst der Salamander wie der Hellbender; doch unterscheidet sich der Schädel durch eine
verhältnißmäßig große Breite und andere Eigenthümlichkeiten. Die Wirbelsäule besteht aus zwanzig
Rumpf- und vierundzwanzig Schwanzwirbeln, welche vorn und hinten eingetiefte Gelenkfurchen
und seitlich lange Querfortsätze mit Rippenanhängsel haben. Das Becken befestigt sich am einund-
zwanzigsten Wirbel.

Die Haut muß eigentlich glatt genannt werden, obschon sie uneben ist; nur auf dem Kopfe
treten Warzen deutlich hervor. Ein trübes, schwer zu bestimmendes Hellgraubraun, welches durch
dunklere Stellen mehr gewölkt als gefleckt wird, bildet die Färbung der Obertheile und geht nach
unten in Lichtgrau über.

Siebold endeckte diesen größten fast aller jetzt lebenden Lurche in den zwanziger Jahren auf
der Jnsel Nipon und erfuhr, daß er daselbst in Gebirgsbächen und tiefen, stillen Gewässern, namentlich
in den gefüllten Kratern gewesener Vulkane lebt, von den Japanesen gejagt und auf den Märkten als
beliebtes Wildpret verkauft wird, konnte aber im Uebrigen über Lebensweise und Fortpflanzung
Nichts weiter feststellen. Diese Unkunde ist bis zum heutigen Tage dieselbe geblieben. Jnzwischen
haben wir das Thier in der Gefangenschaft beobachten können und ihm doch wenigstens Etwas von
seinen Sitten abgelauscht.

Siebold nahm im Jahre 1829 zwei lebende Riesensalamander von Japan mit, um sie nach
Europa überzuführen. Zu ihrer Ernährung hatte er japanesische Flußfische bestimmt, welche auch
aufgezehrt wurden; als jedoch die Nahrung zu mangeln begann, fraß der männliche Salamander sein
Weibchen auf. Sodann hungerte er bis zur Ankunft in Europa, wie sich später ergab, ohne allen

Rieſenſalamander.

Dieſe Worte erläutern eine Abbildung, welche Johann Jakob Scheuchzer, Doktor der
Medizin und vieler gelehrten Geſellſchaften Mitglied, einer im Jahre 1726 erſchienenen Abhandlung,
betitelt „Homo diluvii testis“ beizugeben für nöthig erachtete, damit Jedermann augenſcheinlich von
der Wahrheit ſeiner Worte überzeugt werde. Nach einer anderen Stelle habe ich leider vergeblich
geſucht; ſie beginnt mit den Worten:

„Betrübtes Beingerüſt von einem alten Sünder,
Erweiche Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder“,

und mag gewiß noch recht viel Schönes und Erbauliches enthalten, wenn ſie auch leider ihren Zweck,
Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder zu erweichen, gänzlich verfehlt hat. Denn der „Homo
diluvii testis“
hat nur kurze Zeit die „gelehrte und curioſe Welt“ zum Nachdenken veranlaßt, weil
das neue Bosheitskind Cuvier ihn ſeiner Menſchlichkeit gänzlich entkleidete und das „betrübte
Beingerüſt des alten Sünders“ als — die verſteinerten Knochen eines Molches beſtimmte. Gedachter
Molch, von den Vorweltskundigen Andrias Scheuchzeri genannt, iſt für uns inſofern wichtig, als
er noch einen, anſcheinend ſehr ähnlichen Verwandten unter den Lebenden zählt.

Dieſer, der Rieſenſalamander (Megalobatrachus maximus), mit vollſtem Recht als das
Urbild einer eigenen Familie angeſehen, erreicht eine Länge von 4 Fuß und iſt ein überaus unförm-
liches, plumpes, maſſiges Geſchöpf. Der große, niedergedrückte, überhaupt ſehr breite Kopf rundet
ſich vorn in eine ſtumpfe Spitze ab, der kurze Hals iſt bedeutend ſchmäler als Hinterkopf und Rumpf,
letzterer platt, walzig, durch einen dicken Längswulſt jederſeits gleichſam noch mehr verbreitert, der
Schwanz, welcher etwa ein Drittel der Leibeslänge einnimmt, kurz und, entgegengeſetzt von Leib und
Kopf, ſeitlich zuſammengedrückt, ſodaß er ein breites Ruder bildet; an den plumpen, ſtämmigen
Füßen ſitzen vorn vier, hinten fünf wohl ausgebildete Zehen; die Naſenlöcher liegen vorn an der
Schnauze, ſehr nah an einander, die überaus kleinen, lidloſen Augen hingegen werden faſt durch
die ganze Breite des Kopfes von einander getrennt.

Sehr kleine Zähne bewaſſnen die Kiefer, eine zweite mit ihnen gleich laufende Reihe den Gaumen;
die Zunge iſt ringsum angewachſen. Das Geripp erim ert, laut Schlegel, ebenſo wohl an das
Knochengerüſt der Salamander wie der Hellbender; doch unterſcheidet ſich der Schädel durch eine
verhältnißmäßig große Breite und andere Eigenthümlichkeiten. Die Wirbelſäule beſteht aus zwanzig
Rumpf- und vierundzwanzig Schwanzwirbeln, welche vorn und hinten eingetiefte Gelenkfurchen
und ſeitlich lange Querfortſätze mit Rippenanhängſel haben. Das Becken befeſtigt ſich am einund-
zwanzigſten Wirbel.

Die Haut muß eigentlich glatt genannt werden, obſchon ſie uneben iſt; nur auf dem Kopfe
treten Warzen deutlich hervor. Ein trübes, ſchwer zu beſtimmendes Hellgraubraun, welches durch
dunklere Stellen mehr gewölkt als gefleckt wird, bildet die Färbung der Obertheile und geht nach
unten in Lichtgrau über.

Siebold endeckte dieſen größten faſt aller jetzt lebenden Lurche in den zwanziger Jahren auf
der Jnſel Nipon und erfuhr, daß er daſelbſt in Gebirgsbächen und tiefen, ſtillen Gewäſſern, namentlich
in den gefüllten Kratern geweſener Vulkane lebt, von den Japaneſen gejagt und auf den Märkten als
beliebtes Wildpret verkauft wird, konnte aber im Uebrigen über Lebensweiſe und Fortpflanzung
Nichts weiter feſtſtellen. Dieſe Unkunde iſt bis zum heutigen Tage dieſelbe geblieben. Jnzwiſchen
haben wir das Thier in der Gefangenſchaft beobachten können und ihm doch wenigſtens Etwas von
ſeinen Sitten abgelauſcht.

Siebold nahm im Jahre 1829 zwei lebende Rieſenſalamander von Japan mit, um ſie nach
Europa überzuführen. Zu ihrer Ernährung hatte er japaneſiſche Flußfiſche beſtimmt, welche auch
aufgezehrt wurden; als jedoch die Nahrung zu mangeln begann, fraß der männliche Salamander ſein
Weibchen auf. Sodann hungerte er bis zur Ankunft in Europa, wie ſich ſpäter ergab, ohne allen

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[429/0459] Rieſenſalamander. Dieſe Worte erläutern eine Abbildung, welche Johann Jakob Scheuchzer, Doktor der Medizin und vieler gelehrten Geſellſchaften Mitglied, einer im Jahre 1726 erſchienenen Abhandlung, betitelt „Homo diluvii testis“ beizugeben für nöthig erachtete, damit Jedermann augenſcheinlich von der Wahrheit ſeiner Worte überzeugt werde. Nach einer anderen Stelle habe ich leider vergeblich geſucht; ſie beginnt mit den Worten: „Betrübtes Beingerüſt von einem alten Sünder, Erweiche Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder“, und mag gewiß noch recht viel Schönes und Erbauliches enthalten, wenn ſie auch leider ihren Zweck, Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder zu erweichen, gänzlich verfehlt hat. Denn der „Homo diluvii testis“ hat nur kurze Zeit die „gelehrte und curioſe Welt“ zum Nachdenken veranlaßt, weil das neue Bosheitskind Cuvier ihn ſeiner Menſchlichkeit gänzlich entkleidete und das „betrübte Beingerüſt des alten Sünders“ als — die verſteinerten Knochen eines Molches beſtimmte. Gedachter Molch, von den Vorweltskundigen Andrias Scheuchzeri genannt, iſt für uns inſofern wichtig, als er noch einen, anſcheinend ſehr ähnlichen Verwandten unter den Lebenden zählt. Dieſer, der Rieſenſalamander (Megalobatrachus maximus), mit vollſtem Recht als das Urbild einer eigenen Familie angeſehen, erreicht eine Länge von 4 Fuß und iſt ein überaus unförm- liches, plumpes, maſſiges Geſchöpf. Der große, niedergedrückte, überhaupt ſehr breite Kopf rundet ſich vorn in eine ſtumpfe Spitze ab, der kurze Hals iſt bedeutend ſchmäler als Hinterkopf und Rumpf, letzterer platt, walzig, durch einen dicken Längswulſt jederſeits gleichſam noch mehr verbreitert, der Schwanz, welcher etwa ein Drittel der Leibeslänge einnimmt, kurz und, entgegengeſetzt von Leib und Kopf, ſeitlich zuſammengedrückt, ſodaß er ein breites Ruder bildet; an den plumpen, ſtämmigen Füßen ſitzen vorn vier, hinten fünf wohl ausgebildete Zehen; die Naſenlöcher liegen vorn an der Schnauze, ſehr nah an einander, die überaus kleinen, lidloſen Augen hingegen werden faſt durch die ganze Breite des Kopfes von einander getrennt. Sehr kleine Zähne bewaſſnen die Kiefer, eine zweite mit ihnen gleich laufende Reihe den Gaumen; die Zunge iſt ringsum angewachſen. Das Geripp erim ert, laut Schlegel, ebenſo wohl an das Knochengerüſt der Salamander wie der Hellbender; doch unterſcheidet ſich der Schädel durch eine verhältnißmäßig große Breite und andere Eigenthümlichkeiten. Die Wirbelſäule beſteht aus zwanzig Rumpf- und vierundzwanzig Schwanzwirbeln, welche vorn und hinten eingetiefte Gelenkfurchen und ſeitlich lange Querfortſätze mit Rippenanhängſel haben. Das Becken befeſtigt ſich am einund- zwanzigſten Wirbel. Die Haut muß eigentlich glatt genannt werden, obſchon ſie uneben iſt; nur auf dem Kopfe treten Warzen deutlich hervor. Ein trübes, ſchwer zu beſtimmendes Hellgraubraun, welches durch dunklere Stellen mehr gewölkt als gefleckt wird, bildet die Färbung der Obertheile und geht nach unten in Lichtgrau über. Siebold endeckte dieſen größten faſt aller jetzt lebenden Lurche in den zwanziger Jahren auf der Jnſel Nipon und erfuhr, daß er daſelbſt in Gebirgsbächen und tiefen, ſtillen Gewäſſern, namentlich in den gefüllten Kratern geweſener Vulkane lebt, von den Japaneſen gejagt und auf den Märkten als beliebtes Wildpret verkauft wird, konnte aber im Uebrigen über Lebensweiſe und Fortpflanzung Nichts weiter feſtſtellen. Dieſe Unkunde iſt bis zum heutigen Tage dieſelbe geblieben. Jnzwiſchen haben wir das Thier in der Gefangenſchaft beobachten können und ihm doch wenigſtens Etwas von ſeinen Sitten abgelauſcht. Siebold nahm im Jahre 1829 zwei lebende Rieſenſalamander von Japan mit, um ſie nach Europa überzuführen. Zu ihrer Ernährung hatte er japaneſiſche Flußfiſche beſtimmt, welche auch aufgezehrt wurden; als jedoch die Nahrung zu mangeln begann, fraß der männliche Salamander ſein Weibchen auf. Sodann hungerte er bis zur Ankunft in Europa, wie ſich ſpäter ergab, ohne allen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/459>, abgerufen am 22.12.2024.