Jahren den Folgen des Bisses unterlegen. Er litt bei der geringsten Veränderung der Witterung die hestigsten Schmerzen, und die Wunde brach dann jedesmal wieder auf, wobei sich dann stets eine übelriechende Feuchtigkeit entleerte."
Während seiner eigenen Reise erlebte Schomburgk selbst einen ungemein traurigen Fall. "Nachdem wir den Murre durchschritten", erzählt er, "wandten wir uns weiter nordwestlich über eine wellenförmige Savanne, wo uns bald ein anderes Flüßchen von etwa zehn Fuß Breite entgegen- trat und unseren Pfad durchkreuzte. Jn der Mitte des Bettes lag ein großer Sandsteinblock, welcher den Vorderen in der Jndianerreihe bereits als Uebergangsbrücke gedient, indem sie von dem dies- seitigen Ufer auf ihn, und von da auf das jenseitige Ufer gesprungen waren. Jch war der sechzehnte in der Reihe; mir unmittelbar folgte die junge Jndianerin Kate, welche wegen ihrer Heiterkeit, ihres freundlichen, neckischen Wesens die Erlaubniß erhalten hatte, ihrem Manne folgen zu dürfen. Sie war der Liebling der ganzen Gesellschaft.
"Als ich an dem Flüßchen angekommen, fesselten einige Schultesien, welche das Ufer besäumten, meine Aufmerksamkeit, und um mich erst zu überzeugen, ob ich sie bereits gesammelt, blieb ich einen Augenblick stehen, bis ich den Sprung that, zu dem mich Kate ungeduldig und lachend mit der Bemerkung aufforderte: ich möchte doch nicht wegen jeder kleinen Blume stehen bleiben und dadurch alle mir Nachfolgenden aufhalten. Lachend nahm ich einen Ansatz und sprang auf den Stein. Eben wollte ich den zweiten Sprung thun, als mich ein markdurchdringender Schrei Kate's festbannt, und der ihr unmittelbar folgende Jndianer den ganzen Fluß mit dem Schreckensruf: "Akuy!" (Gift- schlange) überspringt. Dies war in dem Augenblicke meines Herumdrehens nach Kate geschehen, welche todtenbleich neben mir auf dem Blocke stand, und nach dem eben verlassenen Ufer mit demselben Ausruf: "Akuy!" zeigte. Als ich bestürzt frug, ob sie gebissen sei, fing sie an bitterlich zu weinen, und in demselben Augenblicke bemerkte ich auch an ihrem rechten Beine, in der Gegend des Knies, mehrere Blutstropfen. Nur eine giftige Schlange konnte solche Wunden beigebracht haben, nur die schleunigste Hilfe das Leben unseres Lieblings retten. Das Unglück wollte, daß Herr Fryer mit meinem Bruder die letzten und der Jndianer mit dem Arzeneikasten, in dem sich auch die Lanzetten befanden, einer der ersten in der langen Reihe waren. Jn Ermangelung jedes anderen Bandes schnallte ich ohne Zögerung meinen Hosenträger ab, überband die Wunden so fest als möglich und ließ sie augenblicklich von den Jndianern aussaugen. Jch glaube, die arme Frau wußte im ersten Augenblicke gar nicht, daß sie gebissen worden, obschon die Schlange zweimal nach ihr gefahren war, und sie einmal über den handbreiten Perlenschnüren, mit denen sie das Bein unter dem Knie umbunden, das andere Mal unter demselben gebissen hatte.
"Das Laufen und Rennen hatte die uns Nachfolgenden und unter ihnen auch den Mann Kate's aufmerksam gemacht, weshalb sie eilend herbeikamen. So tief den letzteren auch der Anblick seines geliebten Weibes erschütterte, so wußte er doch seine Gemüthsbewegung in sein Jnneres zu ver- schließen. Todtenbleich stürzte er sich neben ihr nieder und sog das Blut aus. Währenddem waren auch mein Bruder, Herr Fryer und der Jndianer mit dem Arzeneikasten angekommen. Herr Fryer schnitt die Wunde aus; die übrigen Jndianer schauten äußerlich theilnahmslos zu und lösten sich im Aussaugen des Blutes ab. Der Kreis dieser scheinbar gleichgiltigen Gesichter mit den blutigen Lippen hatte etwas Schauerliches.
"Obwohl wir augenblicklich außerlich und innerlich Ammoniakgeist anwandten, so war all' unser Bemühen doch vergeblich. Nach Verlauf von drei Minuten stellten sich die untrüglichen Zeichen der Vergiftung ein: -- heftiges Zittern ergriff den ganzen Körper, das Gesicht wurde immer bleicher und leichenähnlicher, der Leib bedeckte sich mit kaltem Schweiße, wobei die arme Frau über heftige Schmerzen der ganzen Seite des gelähmten Fußes, der Herzgegend und des Rückens, weniger an der verwundeten Stelle klagte. Die freie Bewegung des Fußes war gelähmt, krampfhaftes Erbrechen folgte und ging schnell in Blutbrechen über; die Augen unterliefen ebenfalls mit Blut, welches bald auch aus Nase und Ohren drang; der Puls gab in der Minute wohl hundertzwanzig bis
Labaria.
Jahren den Folgen des Biſſes unterlegen. Er litt bei der geringſten Veränderung der Witterung die heſtigſten Schmerzen, und die Wunde brach dann jedesmal wieder auf, wobei ſich dann ſtets eine übelriechende Feuchtigkeit entleerte.“
Während ſeiner eigenen Reiſe erlebte Schomburgk ſelbſt einen ungemein traurigen Fall. „Nachdem wir den Murre durchſchritten“, erzählt er, „wandten wir uns weiter nordweſtlich über eine wellenförmige Savanne, wo uns bald ein anderes Flüßchen von etwa zehn Fuß Breite entgegen- trat und unſeren Pfad durchkreuzte. Jn der Mitte des Bettes lag ein großer Sandſteinblock, welcher den Vorderen in der Jndianerreihe bereits als Uebergangsbrücke gedient, indem ſie von dem dies- ſeitigen Ufer auf ihn, und von da auf das jenſeitige Ufer geſprungen waren. Jch war der ſechzehnte in der Reihe; mir unmittelbar folgte die junge Jndianerin Kate, welche wegen ihrer Heiterkeit, ihres freundlichen, neckiſchen Weſens die Erlaubniß erhalten hatte, ihrem Manne folgen zu dürfen. Sie war der Liebling der ganzen Geſellſchaft.
„Als ich an dem Flüßchen angekommen, feſſelten einige Schulteſien, welche das Ufer beſäumten, meine Aufmerkſamkeit, und um mich erſt zu überzeugen, ob ich ſie bereits geſammelt, blieb ich einen Augenblick ſtehen, bis ich den Sprung that, zu dem mich Kate ungeduldig und lachend mit der Bemerkung aufforderte: ich möchte doch nicht wegen jeder kleinen Blume ſtehen bleiben und dadurch alle mir Nachfolgenden aufhalten. Lachend nahm ich einen Anſatz und ſprang auf den Stein. Eben wollte ich den zweiten Sprung thun, als mich ein markdurchdringender Schrei Kate’s feſtbannt, und der ihr unmittelbar folgende Jndianer den ganzen Fluß mit dem Schreckensruf: „Akuy!“ (Gift- ſchlange) überſpringt. Dies war in dem Augenblicke meines Herumdrehens nach Kate geſchehen, welche todtenbleich neben mir auf dem Blocke ſtand, und nach dem eben verlaſſenen Ufer mit demſelben Ausruf: „Akuy!“ zeigte. Als ich beſtürzt frug, ob ſie gebiſſen ſei, fing ſie an bitterlich zu weinen, und in demſelben Augenblicke bemerkte ich auch an ihrem rechten Beine, in der Gegend des Knies, mehrere Blutstropfen. Nur eine giftige Schlange konnte ſolche Wunden beigebracht haben, nur die ſchleunigſte Hilfe das Leben unſeres Lieblings retten. Das Unglück wollte, daß Herr Fryer mit meinem Bruder die letzten und der Jndianer mit dem Arzeneikaſten, in dem ſich auch die Lanzetten befanden, einer der erſten in der langen Reihe waren. Jn Ermangelung jedes anderen Bandes ſchnallte ich ohne Zögerung meinen Hoſenträger ab, überband die Wunden ſo feſt als möglich und ließ ſie augenblicklich von den Jndianern ausſaugen. Jch glaube, die arme Frau wußte im erſten Augenblicke gar nicht, daß ſie gebiſſen worden, obſchon die Schlange zweimal nach ihr gefahren war, und ſie einmal über den handbreiten Perlenſchnüren, mit denen ſie das Bein unter dem Knie umbunden, das andere Mal unter demſelben gebiſſen hatte.
„Das Laufen und Rennen hatte die uns Nachfolgenden und unter ihnen auch den Mann Kate’s aufmerkſam gemacht, weshalb ſie eilend herbeikamen. So tief den letzteren auch der Anblick ſeines geliebten Weibes erſchütterte, ſo wußte er doch ſeine Gemüthsbewegung in ſein Jnneres zu ver- ſchließen. Todtenbleich ſtürzte er ſich neben ihr nieder und ſog das Blut aus. Währenddem waren auch mein Bruder, Herr Fryer und der Jndianer mit dem Arzeneikaſten angekommen. Herr Fryer ſchnitt die Wunde aus; die übrigen Jndianer ſchauten äußerlich theilnahmslos zu und löſten ſich im Ausſaugen des Blutes ab. Der Kreis dieſer ſcheinbar gleichgiltigen Geſichter mit den blutigen Lippen hatte etwas Schauerliches.
„Obwohl wir augenblicklich außerlich und innerlich Ammoniakgeiſt anwandten, ſo war all’ unſer Bemühen doch vergeblich. Nach Verlauf von drei Minuten ſtellten ſich die untrüglichen Zeichen der Vergiftung ein: — heftiges Zittern ergriff den ganzen Körper, das Geſicht wurde immer bleicher und leichenähnlicher, der Leib bedeckte ſich mit kaltem Schweiße, wobei die arme Frau über heftige Schmerzen der ganzen Seite des gelähmten Fußes, der Herzgegend und des Rückens, weniger an der verwundeten Stelle klagte. Die freie Bewegung des Fußes war gelähmt, krampfhaftes Erbrechen folgte und ging ſchnell in Blutbrechen über; die Augen unterliefen ebenfalls mit Blut, welches bald auch aus Naſe und Ohren drang; der Puls gab in der Minute wohl hundertzwanzig bis
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Jahren den Folgen des Biſſes unterlegen. Er litt bei der geringſten Veränderung der Witterung die
heſtigſten Schmerzen, und die Wunde brach dann jedesmal wieder auf, wobei ſich dann ſtets eine
übelriechende Feuchtigkeit entleerte.“
Während ſeiner eigenen Reiſe erlebte Schomburgk ſelbſt einen ungemein traurigen Fall.
„Nachdem wir den Murre durchſchritten“, erzählt er, „wandten wir uns weiter nordweſtlich über
eine wellenförmige Savanne, wo uns bald ein anderes Flüßchen von etwa zehn Fuß Breite entgegen-
trat und unſeren Pfad durchkreuzte. Jn der Mitte des Bettes lag ein großer Sandſteinblock, welcher
den Vorderen in der Jndianerreihe bereits als Uebergangsbrücke gedient, indem ſie von dem dies-
ſeitigen Ufer auf ihn, und von da auf das jenſeitige Ufer geſprungen waren. Jch war der ſechzehnte
in der Reihe; mir unmittelbar folgte die junge Jndianerin Kate, welche wegen ihrer Heiterkeit,
ihres freundlichen, neckiſchen Weſens die Erlaubniß erhalten hatte, ihrem Manne folgen zu dürfen.
Sie war der Liebling der ganzen Geſellſchaft.
„Als ich an dem Flüßchen angekommen, feſſelten einige Schulteſien, welche das Ufer beſäumten,
meine Aufmerkſamkeit, und um mich erſt zu überzeugen, ob ich ſie bereits geſammelt, blieb ich einen
Augenblick ſtehen, bis ich den Sprung that, zu dem mich Kate ungeduldig und lachend mit der
Bemerkung aufforderte: ich möchte doch nicht wegen jeder kleinen Blume ſtehen bleiben und dadurch
alle mir Nachfolgenden aufhalten. Lachend nahm ich einen Anſatz und ſprang auf den Stein. Eben
wollte ich den zweiten Sprung thun, als mich ein markdurchdringender Schrei Kate’s feſtbannt, und
der ihr unmittelbar folgende Jndianer den ganzen Fluß mit dem Schreckensruf: „Akuy!“ (Gift-
ſchlange) überſpringt. Dies war in dem Augenblicke meines Herumdrehens nach Kate geſchehen,
welche todtenbleich neben mir auf dem Blocke ſtand, und nach dem eben verlaſſenen Ufer mit demſelben
Ausruf: „Akuy!“ zeigte. Als ich beſtürzt frug, ob ſie gebiſſen ſei, fing ſie an bitterlich zu weinen,
und in demſelben Augenblicke bemerkte ich auch an ihrem rechten Beine, in der Gegend des Knies,
mehrere Blutstropfen. Nur eine giftige Schlange konnte ſolche Wunden beigebracht haben, nur die
ſchleunigſte Hilfe das Leben unſeres Lieblings retten. Das Unglück wollte, daß Herr Fryer mit
meinem Bruder die letzten und der Jndianer mit dem Arzeneikaſten, in dem ſich auch die Lanzetten
befanden, einer der erſten in der langen Reihe waren. Jn Ermangelung jedes anderen Bandes
ſchnallte ich ohne Zögerung meinen Hoſenträger ab, überband die Wunden ſo feſt als möglich und
ließ ſie augenblicklich von den Jndianern ausſaugen. Jch glaube, die arme Frau wußte im erſten
Augenblicke gar nicht, daß ſie gebiſſen worden, obſchon die Schlange zweimal nach ihr gefahren war,
und ſie einmal über den handbreiten Perlenſchnüren, mit denen ſie das Bein unter dem Knie
umbunden, das andere Mal unter demſelben gebiſſen hatte.
„Das Laufen und Rennen hatte die uns Nachfolgenden und unter ihnen auch den Mann
Kate’s aufmerkſam gemacht, weshalb ſie eilend herbeikamen. So tief den letzteren auch der Anblick
ſeines geliebten Weibes erſchütterte, ſo wußte er doch ſeine Gemüthsbewegung in ſein Jnneres zu ver-
ſchließen. Todtenbleich ſtürzte er ſich neben ihr nieder und ſog das Blut aus. Währenddem waren
auch mein Bruder, Herr Fryer und der Jndianer mit dem Arzeneikaſten angekommen. Herr
Fryer ſchnitt die Wunde aus; die übrigen Jndianer ſchauten äußerlich theilnahmslos zu und löſten
ſich im Ausſaugen des Blutes ab. Der Kreis dieſer ſcheinbar gleichgiltigen Geſichter mit den
blutigen Lippen hatte etwas Schauerliches.
„Obwohl wir augenblicklich außerlich und innerlich Ammoniakgeiſt anwandten, ſo war all’ unſer
Bemühen doch vergeblich. Nach Verlauf von drei Minuten ſtellten ſich die untrüglichen Zeichen der
Vergiftung ein: — heftiges Zittern ergriff den ganzen Körper, das Geſicht wurde immer bleicher und
leichenähnlicher, der Leib bedeckte ſich mit kaltem Schweiße, wobei die arme Frau über heftige
Schmerzen der ganzen Seite des gelähmten Fußes, der Herzgegend und des Rückens, weniger an der
verwundeten Stelle klagte. Die freie Bewegung des Fußes war gelähmt, krampfhaftes Erbrechen
folgte und ging ſchnell in Blutbrechen über; die Augen unterliefen ebenfalls mit Blut, welches
bald auch aus Naſe und Ohren drang; der Puls gab in der Minute wohl hundertzwanzig bis
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/375>, abgerufen am 21.12.2024.
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