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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Lanzenschlange.
Geschrei der Weiber, die ganze Reihe; der muthigste Neger rückt hierauf wieder vor und er schlägt
das Ungethüm, welches bei dem entstandenen Lärm liegen geblieben oder nur wenig zurück-
gewichen ist.

Beim Beißen öffnet die Lanzenschlange den Rachen entsetzlich weit, haut kräftig vor, ringelt sich
nach dem Bisse schnell wieder zusammen und macht sich zu neuem Angriffe bereit. Jst sie recht
boshaft, so beißt sie zu wiederholten Malen. Rufz versichert, mehrmals gesehen zu haben, namentlich,
wenn sie mit Hunden zu schaffen hatte, daß sie das Opfer ihrer Wuth auch umschlingt. Die
Folgen des Bisses sind entsetzlich: Geschwulst des verwundeten Theiles, welcher bald bläulich und
brandig wird, Erbrechen, Zuckungen, Herzweh, unbesiegbare Schlafsucht und Tod nach wenigen
Stunden oder Tagen, im günstigsten Falle aber jahrelanges Leiden aller Art, Schwindel, Brustweh,
Lähmung, Geschwüre etc. Unzählbare Mittel werden gegen den Biß angewendet, meist solche, welche
man dem Pflanzenreiche entnommen hat. Eine Zeitlang erregte der Huako (Mikania Guaco) große
Erwartungen und wurde deshalb von Neugranada, Venezuela und Trinitad in Menge nach Martinik
übergeführt und hier angepflanzt; längere Erfahrung aber belehrte, daß dieses Mittel eben keines
war und aufgegeben werden mußte. "Traurig ist es", sagt Graf von Görtz, "daß man nicht
leicht dahin kommen wird, ein sicheres Mittel gegen den Biß zu finden, und daß Jeder, welcher
verwundet ist, nur bei alten Negern, welche man panseurs nennt, Hilfe sucht. Es ist mir ein Fall
mitgetheilt worden, in welchem ein junger, an zwei Stellen gebissener Europäer für jede Wunde einen
solchen Neger kommen ließ, jedoch nach schweren Leiden sterben mußte. Einmal hat man den
glücklichen Gedanken gehabt, den afrikanischen Sekretair (Bd. III, S. 530) nach Martinik zu
versetzen; die Leute hier aber haben sich den Spaß gemacht, ihn wegzuschießen." Der Graf beklagt,
daß man der Vermehrung der Lanzenschlange nicht kräftig genug entgegentritt, und Lenz räth an,
schlangenvertilgende Raubsäugethiere, namentlich Jltisse, Dachse und Jgel auf der Jnsel einzu-
bürgern, um dem Gezücht entgegenzutreten, zumal sie auch gleichzeitig einen wirksamen Krieg gegen
die Ratten eröffnen und den Schlangen dadurch ihre hauptsächlichste Nahrung schmälern würden.
Beide haben Recht, obwohl sich nicht verkennen läßt, daß sich die Einwohner gegen das Ueberhand-
nehmen der Schlangen wehren. "Mein Freund Hayot", sagt Rufz, "tödtet jährlich drei bis vier
auf jedem Zuckerfelde, und mein Freund Duchatel hat in einer Woche auf einem Felde dreiund-
zwanzig umgebracht." Nach Dr. Guyon, welcher genane Rechnung über die bei Fort Bourbon und
den dazu gehörigen Ländereien vernichteten Lanzenschlangen geführt hat, betrug die Zahl der erwachsenen
Schlangen, welche eingeliefert worden, in den drei Jahren von 1818 bis 1821, 370, von 1822 bis
1825 alte und junge zusammen 2026, in acht Jahren also zweitausenddreihundertsechsundneunzig
Stück, obgleich das betreffende Gebiet sehr klein ist. Ungefähr um dieselbe Zeit wurde unter
Donzelot's Verwaltung ein Preis für jeden Lanzenschlangenkopf ausgesetzt, und Vianes, welcher
den Preis für die Umgebung des Fort Royal zahlte, theilte mir mit, daß allein aus der Umgebung
dieser Festung in jedem Vierteljahr siebzig Stücke eingeliefert worden sind. Nach der Angabe
Lalaurette's wurden auf der zum Landhaus Pecoul gehörigen Pflanzung in einem Jahre sechs-
hundert, im folgenden Jahre dreihundert Lanzenschlangen todt geschlagen. Solchen Zahlen gegenüber
erscheint der von Lenz gegebene Rath sehr beachtenswerth; denn die angegebenen Thiere wirken
unzweifelhaft mehr, als die Menschen leisten können.

Rufz behauptet, daß die Lanzenschlange in der Gefangenschaft keine Nahrung zu sich nehme,
jedoch mehrere Monate aushalte. Jch habe in Erfahrung gebracht, daß man Gefangene in Europa
mehrere Jahre lang am Leben erhalten habe. Bei dem Leiter des Pflanzengartens zu St. Pierre,
Barillet, sah Görtz vier schöne Schlangen dieser Art in einem Drahtkäfige, war auch beim Fange
zweier anderer, eines äußerst boshaften Männchens von 6 Fuß und eines Weibchens von 51/2 Fuß
Länge, zugegen. Um die Gefangenen einigermaßen zu bändigen, bediente sich Barillet zweier
eiserner Zangen von je 3 Fuß Länge. Etwas Weiteres theilt uns der Graf leider nicht mit.

Lanzenſchlange.
Geſchrei der Weiber, die ganze Reihe; der muthigſte Neger rückt hierauf wieder vor und er ſchlägt
das Ungethüm, welches bei dem entſtandenen Lärm liegen geblieben oder nur wenig zurück-
gewichen iſt.

Beim Beißen öffnet die Lanzenſchlange den Rachen entſetzlich weit, haut kräftig vor, ringelt ſich
nach dem Biſſe ſchnell wieder zuſammen und macht ſich zu neuem Angriffe bereit. Jſt ſie recht
boshaft, ſo beißt ſie zu wiederholten Malen. Rufz verſichert, mehrmals geſehen zu haben, namentlich,
wenn ſie mit Hunden zu ſchaffen hatte, daß ſie das Opfer ihrer Wuth auch umſchlingt. Die
Folgen des Biſſes ſind entſetzlich: Geſchwulſt des verwundeten Theiles, welcher bald bläulich und
brandig wird, Erbrechen, Zuckungen, Herzweh, unbeſiegbare Schlafſucht und Tod nach wenigen
Stunden oder Tagen, im günſtigſten Falle aber jahrelanges Leiden aller Art, Schwindel, Bruſtweh,
Lähmung, Geſchwüre ꝛc. Unzählbare Mittel werden gegen den Biß angewendet, meiſt ſolche, welche
man dem Pflanzenreiche entnommen hat. Eine Zeitlang erregte der Huako (Mikania Guaco) große
Erwartungen und wurde deshalb von Neugranada, Venezuela und Trinitad in Menge nach Martinik
übergeführt und hier angepflanzt; längere Erfahrung aber belehrte, daß dieſes Mittel eben keines
war und aufgegeben werden mußte. „Traurig iſt es“, ſagt Graf von Görtz, „daß man nicht
leicht dahin kommen wird, ein ſicheres Mittel gegen den Biß zu finden, und daß Jeder, welcher
verwundet iſt, nur bei alten Negern, welche man panseurs nennt, Hilfe ſucht. Es iſt mir ein Fall
mitgetheilt worden, in welchem ein junger, an zwei Stellen gebiſſener Europäer für jede Wunde einen
ſolchen Neger kommen ließ, jedoch nach ſchweren Leiden ſterben mußte. Einmal hat man den
glücklichen Gedanken gehabt, den afrikaniſchen Sekretair (Bd. III, S. 530) nach Martinik zu
verſetzen; die Leute hier aber haben ſich den Spaß gemacht, ihn wegzuſchießen.“ Der Graf beklagt,
daß man der Vermehrung der Lanzenſchlange nicht kräftig genug entgegentritt, und Lenz räth an,
ſchlangenvertilgende Raubſäugethiere, namentlich Jltiſſe, Dachſe und Jgel auf der Jnſel einzu-
bürgern, um dem Gezücht entgegenzutreten, zumal ſie auch gleichzeitig einen wirkſamen Krieg gegen
die Ratten eröffnen und den Schlangen dadurch ihre hauptſächlichſte Nahrung ſchmälern würden.
Beide haben Recht, obwohl ſich nicht verkennen läßt, daß ſich die Einwohner gegen das Ueberhand-
nehmen der Schlangen wehren. „Mein Freund Hayot“, ſagt Rufz, „tödtet jährlich drei bis vier
auf jedem Zuckerfelde, und mein Freund Duchatel hat in einer Woche auf einem Felde dreiund-
zwanzig umgebracht.“ Nach Dr. Guyon, welcher genane Rechnung über die bei Fort Bourbon und
den dazu gehörigen Ländereien vernichteten Lanzenſchlangen geführt hat, betrug die Zahl der erwachſenen
Schlangen, welche eingeliefert worden, in den drei Jahren von 1818 bis 1821, 370, von 1822 bis
1825 alte und junge zuſammen 2026, in acht Jahren alſo zweitauſenddreihundertſechsundneunzig
Stück, obgleich das betreffende Gebiet ſehr klein iſt. Ungefähr um dieſelbe Zeit wurde unter
Donzelot’s Verwaltung ein Preis für jeden Lanzenſchlangenkopf ausgeſetzt, und Vianès, welcher
den Preis für die Umgebung des Fort Royal zahlte, theilte mir mit, daß allein aus der Umgebung
dieſer Feſtung in jedem Vierteljahr ſiebzig Stücke eingeliefert worden ſind. Nach der Angabe
Lalaurette’s wurden auf der zum Landhaus Pecoul gehörigen Pflanzung in einem Jahre ſechs-
hundert, im folgenden Jahre dreihundert Lanzenſchlangen todt geſchlagen. Solchen Zahlen gegenüber
erſcheint der von Lenz gegebene Rath ſehr beachtenswerth; denn die angegebenen Thiere wirken
unzweifelhaft mehr, als die Menſchen leiſten können.

Rufz behauptet, daß die Lanzenſchlange in der Gefangenſchaft keine Nahrung zu ſich nehme,
jedoch mehrere Monate aushalte. Jch habe in Erfahrung gebracht, daß man Gefangene in Europa
mehrere Jahre lang am Leben erhalten habe. Bei dem Leiter des Pflanzengartens zu St. Pierre,
Barillet, ſah Görtz vier ſchöne Schlangen dieſer Art in einem Drahtkäfige, war auch beim Fange
zweier anderer, eines äußerſt boshaften Männchens von 6 Fuß und eines Weibchens von 5½ Fuß
Länge, zugegen. Um die Gefangenen einigermaßen zu bändigen, bediente ſich Barillet zweier
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[345/0371] Lanzenſchlange. Geſchrei der Weiber, die ganze Reihe; der muthigſte Neger rückt hierauf wieder vor und er ſchlägt das Ungethüm, welches bei dem entſtandenen Lärm liegen geblieben oder nur wenig zurück- gewichen iſt. Beim Beißen öffnet die Lanzenſchlange den Rachen entſetzlich weit, haut kräftig vor, ringelt ſich nach dem Biſſe ſchnell wieder zuſammen und macht ſich zu neuem Angriffe bereit. Jſt ſie recht boshaft, ſo beißt ſie zu wiederholten Malen. Rufz verſichert, mehrmals geſehen zu haben, namentlich, wenn ſie mit Hunden zu ſchaffen hatte, daß ſie das Opfer ihrer Wuth auch umſchlingt. Die Folgen des Biſſes ſind entſetzlich: Geſchwulſt des verwundeten Theiles, welcher bald bläulich und brandig wird, Erbrechen, Zuckungen, Herzweh, unbeſiegbare Schlafſucht und Tod nach wenigen Stunden oder Tagen, im günſtigſten Falle aber jahrelanges Leiden aller Art, Schwindel, Bruſtweh, Lähmung, Geſchwüre ꝛc. Unzählbare Mittel werden gegen den Biß angewendet, meiſt ſolche, welche man dem Pflanzenreiche entnommen hat. Eine Zeitlang erregte der Huako (Mikania Guaco) große Erwartungen und wurde deshalb von Neugranada, Venezuela und Trinitad in Menge nach Martinik übergeführt und hier angepflanzt; längere Erfahrung aber belehrte, daß dieſes Mittel eben keines war und aufgegeben werden mußte. „Traurig iſt es“, ſagt Graf von Görtz, „daß man nicht leicht dahin kommen wird, ein ſicheres Mittel gegen den Biß zu finden, und daß Jeder, welcher verwundet iſt, nur bei alten Negern, welche man panseurs nennt, Hilfe ſucht. Es iſt mir ein Fall mitgetheilt worden, in welchem ein junger, an zwei Stellen gebiſſener Europäer für jede Wunde einen ſolchen Neger kommen ließ, jedoch nach ſchweren Leiden ſterben mußte. Einmal hat man den glücklichen Gedanken gehabt, den afrikaniſchen Sekretair (Bd. III, S. 530) nach Martinik zu verſetzen; die Leute hier aber haben ſich den Spaß gemacht, ihn wegzuſchießen.“ Der Graf beklagt, daß man der Vermehrung der Lanzenſchlange nicht kräftig genug entgegentritt, und Lenz räth an, ſchlangenvertilgende Raubſäugethiere, namentlich Jltiſſe, Dachſe und Jgel auf der Jnſel einzu- bürgern, um dem Gezücht entgegenzutreten, zumal ſie auch gleichzeitig einen wirkſamen Krieg gegen die Ratten eröffnen und den Schlangen dadurch ihre hauptſächlichſte Nahrung ſchmälern würden. Beide haben Recht, obwohl ſich nicht verkennen läßt, daß ſich die Einwohner gegen das Ueberhand- nehmen der Schlangen wehren. „Mein Freund Hayot“, ſagt Rufz, „tödtet jährlich drei bis vier auf jedem Zuckerfelde, und mein Freund Duchatel hat in einer Woche auf einem Felde dreiund- zwanzig umgebracht.“ Nach Dr. Guyon, welcher genane Rechnung über die bei Fort Bourbon und den dazu gehörigen Ländereien vernichteten Lanzenſchlangen geführt hat, betrug die Zahl der erwachſenen Schlangen, welche eingeliefert worden, in den drei Jahren von 1818 bis 1821, 370, von 1822 bis 1825 alte und junge zuſammen 2026, in acht Jahren alſo zweitauſenddreihundertſechsundneunzig Stück, obgleich das betreffende Gebiet ſehr klein iſt. Ungefähr um dieſelbe Zeit wurde unter Donzelot’s Verwaltung ein Preis für jeden Lanzenſchlangenkopf ausgeſetzt, und Vianès, welcher den Preis für die Umgebung des Fort Royal zahlte, theilte mir mit, daß allein aus der Umgebung dieſer Feſtung in jedem Vierteljahr ſiebzig Stücke eingeliefert worden ſind. Nach der Angabe Lalaurette’s wurden auf der zum Landhaus Pecoul gehörigen Pflanzung in einem Jahre ſechs- hundert, im folgenden Jahre dreihundert Lanzenſchlangen todt geſchlagen. Solchen Zahlen gegenüber erſcheint der von Lenz gegebene Rath ſehr beachtenswerth; denn die angegebenen Thiere wirken unzweifelhaft mehr, als die Menſchen leiſten können. Rufz behauptet, daß die Lanzenſchlange in der Gefangenſchaft keine Nahrung zu ſich nehme, jedoch mehrere Monate aushalte. Jch habe in Erfahrung gebracht, daß man Gefangene in Europa mehrere Jahre lang am Leben erhalten habe. Bei dem Leiter des Pflanzengartens zu St. Pierre, Barillet, ſah Görtz vier ſchöne Schlangen dieſer Art in einem Drahtkäfige, war auch beim Fange zweier anderer, eines äußerſt boshaften Männchens von 6 Fuß und eines Weibchens von 5½ Fuß Länge, zugegen. Um die Gefangenen einigermaßen zu bändigen, bediente ſich Barillet zweier eiſerner Zangen von je 3 Fuß Länge. Etwas Weiteres theilt uns der Graf leider nicht mit.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/371>, abgerufen am 22.05.2024.