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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Grubenottern. Lochottern.
Sie befinden sich jetzt noch in seinem Besitze und haben ihm und mir Gelegenheit zu bedeutsamen
Beobachtungen gegeben.

Gedachte Gefangenen sind gegenwärtig etwa sechs Jahre alt, haben sich bereits auch wiederholt
begattet und dadurch bewiesen, daß sie fortpflanzungsfähig sind. Sie fressen warme und kaltblütige
Thiere, am Liebsten jedoch Fische, welche sie allem übrigen Futter entschieden vorziehen. Effeldt
nennt sie die gefährlichsten Nachbarn, welche irgend eine Schlange oder ein kleines Thier überhaupt
haben kann; denn sie beißen und vergiften nicht blos Säugethiere und Vögel, sondern auch Kriech-
thiere, Lurche und Fische, selbst andere Schlangen, ungiftige wie giftige. Unser Gewährsmann
beobachtete, daß von den Sandottern, welche er zu den Mokassinschlangen in den Käfig steckte, einige
verschwanden, wurde dadurch auf letztere aufmerksam und sah eines schönen Tages, daß die männliche
Mokassinschlange eine Sandotter biß. Neugierig, zu erfahren, ob sich eine Wirkung zeigen würde,
verweilte der Beobachter am Käfige und bemerkte zu seiner nicht geringen Verwunderung sehr bald
die unverkennbarsten Zeichen der erfolgten Vergiftung. Schon nach einigen Minuten war die
gebissene Sandotter gelähmt, bald darauf vollständig widerstandslos geworden. Nunmehr packte sie
die Mokassinschlange in der Mitte des Leibes, rückte, ohne loszulassen, mit dem Maule bis zum
Kopfe des Opfers vor, drehte sich so, daß ihr die Sandotter mundgerecht wurde und begann, sie zu
verschlingen. Jm Thiergarten zu Berlin mußten, laut Effeldt, Mokassin- und Klapperschlangen,
welche zusammen einen und denselben Käfig bewohnt hatten, getrennt werden, weil erstere die
letzteren, welche größer waren als sie selbst, angriffen und arg zurichteten. Nattern und andere
unschädliche Schlangen oder Eidechsen zeigen, wenn sie zu den Mokassinschlangen gebracht werden,
die größte Furcht und versuchen stets, ihnen zu entrinnen, werden auch immer bald von jenen
verfolgt und früher oder später gebissen. Dabei gerathen die Mokassinschlangen niemals in
blinde und tolle Wuth wie Kreuzottern oder Klapperschlangen; sie fassen, ohne durch besondere
Zeichen ihre Erregung zu bekunden, das Opfer scharf ins Auge und hauen plötzlich, um zu beißen,
mit dem halben Leibe vor. Aber mordsüchtig sind auch sie; Vögel z. B., welche man in den Käfig
bringt, oder Fische werden in kurzer Zeit sämmtlich getödtet, auch wenn unsere Schlangen nicht
hungering sind.

An seinen Gefangenen beobachtete Effeldt, daß sie sich nicht einmal, sondern wiederholt nach
einander begatteten und zwar zu verschiedenen Zeiten des Jahres, zuerst allerdings im Frühjahre,
hierauf jedoch auch im Sommer und schließlich sogar im Herbste, am 10. Oktober. Hierbei zeigte
sich, daß diese Schlangen während der Begattung sich ebenfalls verknäueln. Zu dem einen Paare,
welches eine Zeitlang den Käfig bewohnt hatte, wurden zwei andere, anscheinend weibliche Stücke
gebracht; sie betheiligten sich bei der ersten Begattung, von welcher sie Zeuge waren, sofort durch
Umschlingung des verliebten Pärchens. Die Begattung selbst beginnt mit wirklichen Liebkosungen
abseitens des Männchens, welches das Weibchen zuerst umkriecht, lebhafter als sonst züngelt und mit
dem Schwanze zu zittern anfängt, hierauf mit dem Munde sich dem des Weibchens nähert, sodaß es
aussieht, als ob beide sich küssen wollten, worauf dann das Weibchen, ebenfalls mit dem Schwanze
zitternd, seine Willfährigkeit zu erkennen gibt. Während dieser Vorbereitungen stülpen sich die
Geschlechtstheile des Männchens hervor; beide Schlangen nähern sich unter fortwährendem Zittern
des Schwanzes und vereinigen sich endlich so schnell, daß man Dies kaum wahrnimmt. Auch nach
der Vereinigung währen die Liebkosungen fort, gegen früher nur mit dem Unterschiede, daß sie
beiderseitig stattfinden, obgleich sich nicht verkennen läßt, daß das Männchen hierin sich zärtlicher zeigt
als das Weibchen. Sobald ein Paar Anstalt macht, sich zu begatten, nähern sich auch die übrigen
Schlangen der gleichen Art unter denselben Liebkosungen, offenbar in der Absicht, an der Begattung
ebenfalls Antheil zu nehmen, erreichen ihren Zweck auch, wenn die beiden Geschlechter noch vertreten
sind, da sich die Paarungslust aller zu bemächtigen scheint. Die Verbundenen bleiben höchstens eine
Stunde mit einander vereinigt; doch gilt diese Beobachtung, wie ich ausdrücklich hervorhebe, eben
nur für Gefangene, und läßt sich wohl annehmen, daß in der Freiheit es anders sich gestaltet.

Die Schlangen. Grubenottern. Lochottern.
Sie befinden ſich jetzt noch in ſeinem Beſitze und haben ihm und mir Gelegenheit zu bedeutſamen
Beobachtungen gegeben.

Gedachte Gefangenen ſind gegenwärtig etwa ſechs Jahre alt, haben ſich bereits auch wiederholt
begattet und dadurch bewieſen, daß ſie fortpflanzungsfähig ſind. Sie freſſen warme und kaltblütige
Thiere, am Liebſten jedoch Fiſche, welche ſie allem übrigen Futter entſchieden vorziehen. Effeldt
nennt ſie die gefährlichſten Nachbarn, welche irgend eine Schlange oder ein kleines Thier überhaupt
haben kann; denn ſie beißen und vergiften nicht blos Säugethiere und Vögel, ſondern auch Kriech-
thiere, Lurche und Fiſche, ſelbſt andere Schlangen, ungiftige wie giftige. Unſer Gewährsmann
beobachtete, daß von den Sandottern, welche er zu den Mokaſſinſchlangen in den Käfig ſteckte, einige
verſchwanden, wurde dadurch auf letztere aufmerkſam und ſah eines ſchönen Tages, daß die männliche
Mokaſſinſchlange eine Sandotter biß. Neugierig, zu erfahren, ob ſich eine Wirkung zeigen würde,
verweilte der Beobachter am Käfige und bemerkte zu ſeiner nicht geringen Verwunderung ſehr bald
die unverkennbarſten Zeichen der erfolgten Vergiftung. Schon nach einigen Minuten war die
gebiſſene Sandotter gelähmt, bald darauf vollſtändig widerſtandslos geworden. Nunmehr packte ſie
die Mokaſſinſchlange in der Mitte des Leibes, rückte, ohne loszulaſſen, mit dem Maule bis zum
Kopfe des Opfers vor, drehte ſich ſo, daß ihr die Sandotter mundgerecht wurde und begann, ſie zu
verſchlingen. Jm Thiergarten zu Berlin mußten, laut Effeldt, Mokaſſin- und Klapperſchlangen,
welche zuſammen einen und denſelben Käfig bewohnt hatten, getrennt werden, weil erſtere die
letzteren, welche größer waren als ſie ſelbſt, angriffen und arg zurichteten. Nattern und andere
unſchädliche Schlangen oder Eidechſen zeigen, wenn ſie zu den Mokaſſinſchlangen gebracht werden,
die größte Furcht und verſuchen ſtets, ihnen zu entrinnen, werden auch immer bald von jenen
verfolgt und früher oder ſpäter gebiſſen. Dabei gerathen die Mokaſſinſchlangen niemals in
blinde und tolle Wuth wie Kreuzottern oder Klapperſchlangen; ſie faſſen, ohne durch beſondere
Zeichen ihre Erregung zu bekunden, das Opfer ſcharf ins Auge und hauen plötzlich, um zu beißen,
mit dem halben Leibe vor. Aber mordſüchtig ſind auch ſie; Vögel z. B., welche man in den Käfig
bringt, oder Fiſche werden in kurzer Zeit ſämmtlich getödtet, auch wenn unſere Schlangen nicht
hungering ſind.

An ſeinen Gefangenen beobachtete Effeldt, daß ſie ſich nicht einmal, ſondern wiederholt nach
einander begatteten und zwar zu verſchiedenen Zeiten des Jahres, zuerſt allerdings im Frühjahre,
hierauf jedoch auch im Sommer und ſchließlich ſogar im Herbſte, am 10. Oktober. Hierbei zeigte
ſich, daß dieſe Schlangen während der Begattung ſich ebenfalls verknäueln. Zu dem einen Paare,
welches eine Zeitlang den Käfig bewohnt hatte, wurden zwei andere, anſcheinend weibliche Stücke
gebracht; ſie betheiligten ſich bei der erſten Begattung, von welcher ſie Zeuge waren, ſofort durch
Umſchlingung des verliebten Pärchens. Die Begattung ſelbſt beginnt mit wirklichen Liebkoſungen
abſeitens des Männchens, welches das Weibchen zuerſt umkriecht, lebhafter als ſonſt züngelt und mit
dem Schwanze zu zittern anfängt, hierauf mit dem Munde ſich dem des Weibchens nähert, ſodaß es
ausſieht, als ob beide ſich küſſen wollten, worauf dann das Weibchen, ebenfalls mit dem Schwanze
zitternd, ſeine Willfährigkeit zu erkennen gibt. Während dieſer Vorbereitungen ſtülpen ſich die
Geſchlechtstheile des Männchens hervor; beide Schlangen nähern ſich unter fortwährendem Zittern
des Schwanzes und vereinigen ſich endlich ſo ſchnell, daß man Dies kaum wahrnimmt. Auch nach
der Vereinigung währen die Liebkoſungen fort, gegen früher nur mit dem Unterſchiede, daß ſie
beiderſeitig ſtattfinden, obgleich ſich nicht verkennen läßt, daß das Männchen hierin ſich zärtlicher zeigt
als das Weibchen. Sobald ein Paar Anſtalt macht, ſich zu begatten, nähern ſich auch die übrigen
Schlangen der gleichen Art unter denſelben Liebkoſungen, offenbar in der Abſicht, an der Begattung
ebenfalls Antheil zu nehmen, erreichen ihren Zweck auch, wenn die beiden Geſchlechter noch vertreten
ſind, da ſich die Paarungsluſt aller zu bemächtigen ſcheint. Die Verbundenen bleiben höchſtens eine
Stunde mit einander vereinigt; doch gilt dieſe Beobachtung, wie ich ausdrücklich hervorhebe, eben
nur für Gefangene, und läßt ſich wohl annehmen, daß in der Freiheit es anders ſich geſtaltet.

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[340/0366] Die Schlangen. Grubenottern. Lochottern. Sie befinden ſich jetzt noch in ſeinem Beſitze und haben ihm und mir Gelegenheit zu bedeutſamen Beobachtungen gegeben. Gedachte Gefangenen ſind gegenwärtig etwa ſechs Jahre alt, haben ſich bereits auch wiederholt begattet und dadurch bewieſen, daß ſie fortpflanzungsfähig ſind. Sie freſſen warme und kaltblütige Thiere, am Liebſten jedoch Fiſche, welche ſie allem übrigen Futter entſchieden vorziehen. Effeldt nennt ſie die gefährlichſten Nachbarn, welche irgend eine Schlange oder ein kleines Thier überhaupt haben kann; denn ſie beißen und vergiften nicht blos Säugethiere und Vögel, ſondern auch Kriech- thiere, Lurche und Fiſche, ſelbſt andere Schlangen, ungiftige wie giftige. Unſer Gewährsmann beobachtete, daß von den Sandottern, welche er zu den Mokaſſinſchlangen in den Käfig ſteckte, einige verſchwanden, wurde dadurch auf letztere aufmerkſam und ſah eines ſchönen Tages, daß die männliche Mokaſſinſchlange eine Sandotter biß. Neugierig, zu erfahren, ob ſich eine Wirkung zeigen würde, verweilte der Beobachter am Käfige und bemerkte zu ſeiner nicht geringen Verwunderung ſehr bald die unverkennbarſten Zeichen der erfolgten Vergiftung. Schon nach einigen Minuten war die gebiſſene Sandotter gelähmt, bald darauf vollſtändig widerſtandslos geworden. Nunmehr packte ſie die Mokaſſinſchlange in der Mitte des Leibes, rückte, ohne loszulaſſen, mit dem Maule bis zum Kopfe des Opfers vor, drehte ſich ſo, daß ihr die Sandotter mundgerecht wurde und begann, ſie zu verſchlingen. Jm Thiergarten zu Berlin mußten, laut Effeldt, Mokaſſin- und Klapperſchlangen, welche zuſammen einen und denſelben Käfig bewohnt hatten, getrennt werden, weil erſtere die letzteren, welche größer waren als ſie ſelbſt, angriffen und arg zurichteten. Nattern und andere unſchädliche Schlangen oder Eidechſen zeigen, wenn ſie zu den Mokaſſinſchlangen gebracht werden, die größte Furcht und verſuchen ſtets, ihnen zu entrinnen, werden auch immer bald von jenen verfolgt und früher oder ſpäter gebiſſen. Dabei gerathen die Mokaſſinſchlangen niemals in blinde und tolle Wuth wie Kreuzottern oder Klapperſchlangen; ſie faſſen, ohne durch beſondere Zeichen ihre Erregung zu bekunden, das Opfer ſcharf ins Auge und hauen plötzlich, um zu beißen, mit dem halben Leibe vor. Aber mordſüchtig ſind auch ſie; Vögel z. B., welche man in den Käfig bringt, oder Fiſche werden in kurzer Zeit ſämmtlich getödtet, auch wenn unſere Schlangen nicht hungering ſind. An ſeinen Gefangenen beobachtete Effeldt, daß ſie ſich nicht einmal, ſondern wiederholt nach einander begatteten und zwar zu verſchiedenen Zeiten des Jahres, zuerſt allerdings im Frühjahre, hierauf jedoch auch im Sommer und ſchließlich ſogar im Herbſte, am 10. Oktober. Hierbei zeigte ſich, daß dieſe Schlangen während der Begattung ſich ebenfalls verknäueln. Zu dem einen Paare, welches eine Zeitlang den Käfig bewohnt hatte, wurden zwei andere, anſcheinend weibliche Stücke gebracht; ſie betheiligten ſich bei der erſten Begattung, von welcher ſie Zeuge waren, ſofort durch Umſchlingung des verliebten Pärchens. Die Begattung ſelbſt beginnt mit wirklichen Liebkoſungen abſeitens des Männchens, welches das Weibchen zuerſt umkriecht, lebhafter als ſonſt züngelt und mit dem Schwanze zu zittern anfängt, hierauf mit dem Munde ſich dem des Weibchens nähert, ſodaß es ausſieht, als ob beide ſich küſſen wollten, worauf dann das Weibchen, ebenfalls mit dem Schwanze zitternd, ſeine Willfährigkeit zu erkennen gibt. Während dieſer Vorbereitungen ſtülpen ſich die Geſchlechtstheile des Männchens hervor; beide Schlangen nähern ſich unter fortwährendem Zittern des Schwanzes und vereinigen ſich endlich ſo ſchnell, daß man Dies kaum wahrnimmt. Auch nach der Vereinigung währen die Liebkoſungen fort, gegen früher nur mit dem Unterſchiede, daß ſie beiderſeitig ſtattfinden, obgleich ſich nicht verkennen läßt, daß das Männchen hierin ſich zärtlicher zeigt als das Weibchen. Sobald ein Paar Anſtalt macht, ſich zu begatten, nähern ſich auch die übrigen Schlangen der gleichen Art unter denſelben Liebkoſungen, offenbar in der Abſicht, an der Begattung ebenfalls Antheil zu nehmen, erreichen ihren Zweck auch, wenn die beiden Geſchlechter noch vertreten ſind, da ſich die Paarungsluſt aller zu bemächtigen ſcheint. Die Verbundenen bleiben höchſtens eine Stunde mit einander vereinigt; doch gilt dieſe Beobachtung, wie ich ausdrücklich hervorhebe, eben nur für Gefangene, und läßt ſich wohl annehmen, daß in der Freiheit es anders ſich geſtaltet.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/366>, abgerufen am 21.12.2024.