Ein gewisser Neale, welcher viele Klapperschlangen gefangen gehalten hatte, gelangte zu der Ansicht, daß letztere gezähmt werden können. Er behauptete, daß die Musik auch auf sie ihre Wirkung äußere und versicherte, daß eine sanfte Weise hinreiche, die wüthendsten zu beruhigen. Zuletzt soll der Mann wirklich gezähmte Klapperschlangen ausgestellt haben. "Jhre Folgsamkeit", sagt ein Berichterstatter, "ist so groß, daß er sie, nachdem er ihnen einige Worte gesagt und sie mit der Hand gestreichelt hat, behandelt, als wenn sie Stricke wären. Er läßt sie an seiner Brust emporsteigen, sich um seinen Hals schlingen, küßt sie, nimmt eine zweite, nachdem sich die erste umschlungen hat. Und diese furchtbaren Thiere, weit entfernt, ihrem Herrn wehe thun zu wollen, scheinen Anhänglichkeit für ihn zu empfinden. Er öffnet den Mund der Schlangen und zeigt ihre Gifthaken u. s. w. Seine Sicherheit hat noch einen anderen Grund; er besitzt, wie er sagt, ein wirk- sames Mittel gegen ihren Biß und macht kein Geheimniß daraus. Man muß, wie er versichert, damit anfangen, den Mund mit heißem Oele zu waschen, dann den Biß aufsaugen, hierauf von einer Abkochung der Serpentariawurzel trinken, bis ein starkes Erbrechen eintritt; dann hat man weiter Nichts zu fürchten."
Unmöglich ist es gewiß nicht, daß man durch sorgfältige Behandlung auch die Klapperschlangen einigermaßen zähmen kann; höchst gefährlich aber bleibt der Umgang mit ihnen doch, und fast alle Schausteller dieses Schlages, welche solche Kunststücke zum Besten geben, büßen früher oder später einmal eine kleine Unvorsichtigkeit mit dem Leben.
Die südamerikanische Vertreterin der Klapperschlange ist die Cascavella der Spanier, der Schauerklapperer, wie Prinz von Wied sie genannt hat (Crotalus horridus), artlich von der Verwandten unterschieden durch die Beschilderung des Kopfes, welche in drei Reihen geordnet ist, oben auf bräunlichgrauem Grunde mit einer Reihe dunkler, weißgelb eingefaßter Rautenflecken gezeichnet, unten einfarbig gelblichweiß, an Größe der nordamerikanischen ungefähr gleich.
"Der Schauerklapperer", sagt der Prinz, "dem wir eine ausführliche Beschreibung des Thieres verdanken, ist über den größten Theil von Südamerika verbreitet, bewohnt das ganze innere Brasilien, kommt in Minas Geraes vor und findet sich nördlich bis Guiana und am Marannon." Durch Azara und Burmeister wissen wir, daß er auch im Süden nicht fehlt, namentlich in den Platastaaten aller- orten vorkommt, durch Schomburgk, daß er in Guiana ähnliche Oertlichkeiten bevorzugt, wie in Brasilien. "Jn den höchst feuchten Küstenwäldern", fährt der Prinz fort, "scheint er sich nicht auf- zuhalten, vielmehr jenseits derselben, in den trockenen, mehr steinigen Gegenden des Sertong auf rauhen Triften, noch nicht urbar gemachten Ländereien, in dornigen, steinigen, trockenen und erhitzten Gebüschen etc." Jn Guiana lebt er in der Savanne und in dem in ihr auftretenden, lichteren, niederen Gebüsche bis zu einer Höhe von sechstausend Fuß über dem Meere, fehlt dort auch ebenso wie in Brasilien den dichten Waldungen der Küste.
Während des Tages begegnet man der Cascavella nur im Zustande der Ruhe. Sie liegt, im Teller zusammengerollt, träge auf einer und derselben Stelle und beißt nur, was ihr unmittelbar zu nah kommt. "Oft hat man", erzählt der Prinz, "auf diese Art an einem Tage mehrere Stücke Rindvieh verloren, welche an einer gewissen Stelle ihres Weges oder der Weide gebissen wurden; hierdurch aufmerksam gemacht, suchte man nach und fand und tödtete die gefährliche träge Schlange.... Kommt man ihr nicht zufällig zu nah, oder bemerkt man sie in der Entfernung von einigen Schritten, so hat man Nichts zu befürchten; denn kurz zuvor sie beißen will, gibt sie durch Schnellen mit dem Schwanze den bekannten, jedoch keineswegs lauten und deshalb nicht weit hörbaren Ton von sich. Es kann indessen dennoch bei der größten Aufmerksamkeit geschehen, daß man einem solchen Thiere zu nah tritt und in den Fuß gebissen wird." Dies begegnet nicht allein den stumpfsinnigen Weißen, sondern, wie Schomburgk erfuhr, auch den Eingeborenen des Landes, deren Falkenauge so leicht Nichts entgeht.
Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen.
Ein gewiſſer Neale, welcher viele Klapperſchlangen gefangen gehalten hatte, gelangte zu der Anſicht, daß letztere gezähmt werden können. Er behauptete, daß die Muſik auch auf ſie ihre Wirkung äußere und verſicherte, daß eine ſanfte Weiſe hinreiche, die wüthendſten zu beruhigen. Zuletzt ſoll der Mann wirklich gezähmte Klapperſchlangen ausgeſtellt haben. „Jhre Folgſamkeit“, ſagt ein Berichterſtatter, „iſt ſo groß, daß er ſie, nachdem er ihnen einige Worte geſagt und ſie mit der Hand geſtreichelt hat, behandelt, als wenn ſie Stricke wären. Er läßt ſie an ſeiner Bruſt emporſteigen, ſich um ſeinen Hals ſchlingen, küßt ſie, nimmt eine zweite, nachdem ſich die erſte umſchlungen hat. Und dieſe furchtbaren Thiere, weit entfernt, ihrem Herrn wehe thun zu wollen, ſcheinen Anhänglichkeit für ihn zu empfinden. Er öffnet den Mund der Schlangen und zeigt ihre Gifthaken u. ſ. w. Seine Sicherheit hat noch einen anderen Grund; er beſitzt, wie er ſagt, ein wirk- ſames Mittel gegen ihren Biß und macht kein Geheimniß daraus. Man muß, wie er verſichert, damit anfangen, den Mund mit heißem Oele zu waſchen, dann den Biß aufſaugen, hierauf von einer Abkochung der Serpentariawurzel trinken, bis ein ſtarkes Erbrechen eintritt; dann hat man weiter Nichts zu fürchten.“
Unmöglich iſt es gewiß nicht, daß man durch ſorgfältige Behandlung auch die Klapperſchlangen einigermaßen zähmen kann; höchſt gefährlich aber bleibt der Umgang mit ihnen doch, und faſt alle Schauſteller dieſes Schlages, welche ſolche Kunſtſtücke zum Beſten geben, büßen früher oder ſpäter einmal eine kleine Unvorſichtigkeit mit dem Leben.
Die ſüdamerikaniſche Vertreterin der Klapperſchlange iſt die Cascavella der Spanier, der Schauerklapperer, wie Prinz von Wied ſie genannt hat (Crotalus horridus), artlich von der Verwandten unterſchieden durch die Beſchilderung des Kopfes, welche in drei Reihen geordnet iſt, oben auf bräunlichgrauem Grunde mit einer Reihe dunkler, weißgelb eingefaßter Rautenflecken gezeichnet, unten einfarbig gelblichweiß, an Größe der nordamerikaniſchen ungefähr gleich.
„Der Schauerklapperer“, ſagt der Prinz, „dem wir eine ausführliche Beſchreibung des Thieres verdanken, iſt über den größten Theil von Südamerika verbreitet, bewohnt das ganze innere Braſilien, kommt in Minas Geraës vor und findet ſich nördlich bis Guiana und am Maran̄on.“ Durch Azara und Burmeiſter wiſſen wir, daß er auch im Süden nicht fehlt, namentlich in den Plataſtaaten aller- orten vorkommt, durch Schomburgk, daß er in Guiana ähnliche Oertlichkeiten bevorzugt, wie in Braſilien. „Jn den höchſt feuchten Küſtenwäldern“, fährt der Prinz fort, „ſcheint er ſich nicht auf- zuhalten, vielmehr jenſeits derſelben, in den trockenen, mehr ſteinigen Gegenden des Sertong auf rauhen Triften, noch nicht urbar gemachten Ländereien, in dornigen, ſteinigen, trockenen und erhitzten Gebüſchen ꝛc.“ Jn Guiana lebt er in der Savanne und in dem in ihr auftretenden, lichteren, niederen Gebüſche bis zu einer Höhe von ſechstauſend Fuß über dem Meere, fehlt dort auch ebenſo wie in Braſilien den dichten Waldungen der Küſte.
Während des Tages begegnet man der Cascavella nur im Zuſtande der Ruhe. Sie liegt, im Teller zuſammengerollt, träge auf einer und derſelben Stelle und beißt nur, was ihr unmittelbar zu nah kommt. „Oft hat man“, erzählt der Prinz, „auf dieſe Art an einem Tage mehrere Stücke Rindvieh verloren, welche an einer gewiſſen Stelle ihres Weges oder der Weide gebiſſen wurden; hierdurch aufmerkſam gemacht, ſuchte man nach und fand und tödtete die gefährliche träge Schlange.... Kommt man ihr nicht zufällig zu nah, oder bemerkt man ſie in der Entfernung von einigen Schritten, ſo hat man Nichts zu befürchten; denn kurz zuvor ſie beißen will, gibt ſie durch Schnellen mit dem Schwanze den bekannten, jedoch keineswegs lauten und deshalb nicht weit hörbaren Ton von ſich. Es kann indeſſen dennoch bei der größten Aufmerkſamkeit geſchehen, daß man einem ſolchen Thiere zu nah tritt und in den Fuß gebiſſen wird.“ Dies begegnet nicht allein den ſtumpfſinnigen Weißen, ſondern, wie Schomburgk erfuhr, auch den Eingeborenen des Landes, deren Falkenauge ſo leicht Nichts entgeht.
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Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen.
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ihre Wirkung äußere und verſicherte, daß eine ſanfte Weiſe hinreiche, die wüthendſten zu beruhigen.
Zuletzt ſoll der Mann wirklich gezähmte Klapperſchlangen ausgeſtellt haben. „Jhre Folgſamkeit“,
ſagt ein Berichterſtatter, „iſt ſo groß, daß er ſie, nachdem er ihnen einige Worte geſagt und ſie mit
der Hand geſtreichelt hat, behandelt, als wenn ſie Stricke wären. Er läßt ſie an ſeiner Bruſt
emporſteigen, ſich um ſeinen Hals ſchlingen, küßt ſie, nimmt eine zweite, nachdem ſich die erſte
umſchlungen hat. Und dieſe furchtbaren Thiere, weit entfernt, ihrem Herrn wehe thun zu wollen,
ſcheinen Anhänglichkeit für ihn zu empfinden. Er öffnet den Mund der Schlangen und zeigt ihre
Gifthaken u. ſ. w. Seine Sicherheit hat noch einen anderen Grund; er beſitzt, wie er ſagt, ein wirk-
ſames Mittel gegen ihren Biß und macht kein Geheimniß daraus. Man muß, wie er verſichert,
damit anfangen, den Mund mit heißem Oele zu waſchen, dann den Biß aufſaugen, hierauf von einer
Abkochung der Serpentariawurzel trinken, bis ein ſtarkes Erbrechen eintritt; dann hat man weiter
Nichts zu fürchten.“
Unmöglich iſt es gewiß nicht, daß man durch ſorgfältige Behandlung auch die Klapperſchlangen
einigermaßen zähmen kann; höchſt gefährlich aber bleibt der Umgang mit ihnen doch, und faſt alle
Schauſteller dieſes Schlages, welche ſolche Kunſtſtücke zum Beſten geben, büßen früher oder ſpäter
einmal eine kleine Unvorſichtigkeit mit dem Leben.
Die ſüdamerikaniſche Vertreterin der Klapperſchlange iſt die Cascavella der Spanier, der
Schauerklapperer, wie Prinz von Wied ſie genannt hat (Crotalus horridus), artlich von
der Verwandten unterſchieden durch die Beſchilderung des Kopfes, welche in drei Reihen geordnet iſt,
oben auf bräunlichgrauem Grunde mit einer Reihe dunkler, weißgelb eingefaßter Rautenflecken
gezeichnet, unten einfarbig gelblichweiß, an Größe der nordamerikaniſchen ungefähr gleich.
„Der Schauerklapperer“, ſagt der Prinz, „dem wir eine ausführliche Beſchreibung des Thieres
verdanken, iſt über den größten Theil von Südamerika verbreitet, bewohnt das ganze innere Braſilien,
kommt in Minas Geraës vor und findet ſich nördlich bis Guiana und am Maran̄on.“ Durch Azara
und Burmeiſter wiſſen wir, daß er auch im Süden nicht fehlt, namentlich in den Plataſtaaten aller-
orten vorkommt, durch Schomburgk, daß er in Guiana ähnliche Oertlichkeiten bevorzugt, wie in
Braſilien. „Jn den höchſt feuchten Küſtenwäldern“, fährt der Prinz fort, „ſcheint er ſich nicht auf-
zuhalten, vielmehr jenſeits derſelben, in den trockenen, mehr ſteinigen Gegenden des Sertong auf
rauhen Triften, noch nicht urbar gemachten Ländereien, in dornigen, ſteinigen, trockenen und erhitzten
Gebüſchen ꝛc.“ Jn Guiana lebt er in der Savanne und in dem in ihr auftretenden, lichteren,
niederen Gebüſche bis zu einer Höhe von ſechstauſend Fuß über dem Meere, fehlt dort auch ebenſo wie
in Braſilien den dichten Waldungen der Küſte.
Während des Tages begegnet man der Cascavella nur im Zuſtande der Ruhe. Sie liegt, im
Teller zuſammengerollt, träge auf einer und derſelben Stelle und beißt nur, was ihr unmittelbar zu
nah kommt. „Oft hat man“, erzählt der Prinz, „auf dieſe Art an einem Tage mehrere Stücke
Rindvieh verloren, welche an einer gewiſſen Stelle ihres Weges oder der Weide gebiſſen wurden;
hierdurch aufmerkſam gemacht, ſuchte man nach und fand und tödtete die gefährliche träge Schlange....
Kommt man ihr nicht zufällig zu nah, oder bemerkt man ſie in der Entfernung von einigen Schritten,
ſo hat man Nichts zu befürchten; denn kurz zuvor ſie beißen will, gibt ſie durch Schnellen mit dem
Schwanze den bekannten, jedoch keineswegs lauten und deshalb nicht weit hörbaren Ton von ſich.
Es kann indeſſen dennoch bei der größten Aufmerkſamkeit geſchehen, daß man einem ſolchen Thiere
zu nah tritt und in den Fuß gebiſſen wird.“ Dies begegnet nicht allein den ſtumpfſinnigen Weißen,
ſondern, wie Schomburgk erfuhr, auch den Eingeborenen des Landes, deren Falkenauge ſo leicht
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/356>, abgerufen am 21.12.2024.
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