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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Klapperschlange.
erblickte, rannte er ihr nach, trat ihr mit dem linken Fuße auf den Kopf, riß ihr mit der rechten
Hand die Rassel ab und ließ sie dann los, ohne je gebissen zu werden.

"Die Siour, Dacotahs oder Nadowessier tödten keine Klapperschlange; vielmehr steht sie wegen
ihrer List in Ansehen, und das Begegnen einer solchen wird von ihnen als etwas Günstiges gedeutet.
Wegen dieser Verehrung der Schlangen erhielten diese Jndianer von ihren Erbfeinden den Namen
Naddowessju, welcher soviel als Klapperschlange bedeutet. Der Name Siour ist Nichts mehr, als
die letzte Silbe jenes Wortes. Kein anderer Jndianerstamm hegt die religiöse Achtung vor diesen
Thieren, auch nicht die Schlangenindianer oder Schaschonies."

Viele Thiere kennen und fürchten die Klapperschlange. Pferde und Rinder scheuen sich vor ihr
und entfliehen, sobald sie sie gewahren; Hunde stellen sie, halten sich aber in achtungsvoller Ferne,
die Vögel erheben bei ihrem Anblick ein lautes Angstgeschrei. "Jn einer Entfernung von etwa
zwanzig Schritt vor meinem Hause", erzählt Duden, "sah ich eine etwa 5 Schuh lange Klapper-
schlange, welche sich eben am Fuße eines Nußbaumes aufgerollt und eine angreifende Stellung gegen
meine Hunde angenommen hatte. Jhr Schweif war in steter Bewegung und verursachte ein Geräusch,
wie das eines Scherenschleifers, während sie den geöffneten, hoch gehobenen Rachen meinen beiden
Hunden entgegenstreckte. Diese blickten unbeweglich, wie mit äußerster Verwunderung auf das
drohende Thier und wagten nicht, anzugreifen, obgleich keiner von ihnen zu furchtsam war, sich mit
den Wölfen zu messen. Auch zwei Katzen standen umher, von gleicher Verwunderung befangen.
Jch war besorgt für das Loos meiner Hausthiere; die Schlange aber änderte plötzlich ihre Stellung
und setzte ihren Weg fort. Hunde und Katzen wichen ihr sorgfältig aus, verfolgten sie aber dennoch,
wie es schien, aus bloßer Neugier. Jch schoß ihr eine volle Ladung in den Leib und machte alsdann
mit einem Stocke ihrem zähen Leben ein Ende. Keines der Hausthiere konnte ich dahin bringen, sich
dem leblosen Körper mehr zu nähern, als sie sich vorher der lebenden Schlange genaht hatten."

Von mehreren Beobachtern ist die Behauptung ausgesprochen worden, daß die Klapperschlange
vor dem Bisse immer zu rasseln pflege; Dies ist jedoch nicht ganz richtig. "Geht sie", sagt Geyer,
"langsam, so schleppt sie die Rassel völlig; ist sie aber auf der Flucht, so hebt sie solche in die Höhe,
rasselt aber ununterbrochen wie vorher; nur wenn sie ihren Raub verfolgt, hört man davon Nichts.
Das Rasseln klingt wie das Geräusch, welches ein Schleifer hervorbringt oder täuschend ähnlich dem
Rasseln der Wickensamen im Getreide. Jn den Prairien des oberen Missouri leben kleine Heu-
schrecken, welche beim Fortfliegen genau dasselbe Geräusch verursachen. Die Klapperschlange warnt
auch nicht immer, sondern nur, wenn sie erschrickt oder sich angegrissen sieht. Sehr oft sah ich eine
da liegen, wo ich einen Augenblick vorher kaum drei Zoll entfernt gestanden hatte." Die Wilden
behaupten, laut Kalm, daß sie niemals klappere, wenn sie Böses im Sinne habe: -- eine Ansicht,
welche mit den Anschauungen der Rothhäute über die List und Schlauheit der Schlangen vollständig
übereinstimmt, aber gewiß unbegründet ist. Soviel wir beurtheilen können, ist das Rasseln Nichts
weiter als ein Zeichen größerer Erregung, welche sich ja auch bei anderen Schlangen durch heftiges
Bewegen mit der Schwanzspitze zu erkennen gibt.

Der Biß ist immer sehr gefährlich, weil die außerordentlich großen, nadelspitzen Zähne auch
eine dichte Bekleidung oder ein dickes Fell durchdringen. "Sie beißt", sagt Geyer, "mit einer
Kraft, welche man in ihr nicht vermuthet. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß sie nicht springen
kann, machte ich mir es zum Zeitvertreibe, ihre Beißlust zu beobachten. Jch fand, daß die Giftzähne
keineswegs so leicht abbrechen, felbst wenn man den Stock, in welchem sie sich festgebissen hat, dreht;
ja man kann dann das ganze Thier mitdrehen und in die Höhe heben. Läßt es los, so thut es Dies
nur, um die Zähne zu erhalten, beißt jedoch augenblicklich wieder ein. Eine große, mit zwölf Rassel-
gliedern versehene, zwischen 5 bis 6 Fuß lange Klapperschlange biß, nachdem ich sie gelähmt, gegen
dreißig Mal in einen Hickorystab von anderthalb Zoll Durchmesser, riß an der betreffenden Stelle
die Rinde bis auf den Splint ab und zerbiß auch diesen noch. Je länger man dieses Spiel treibt,

Klapperſchlange.
erblickte, rannte er ihr nach, trat ihr mit dem linken Fuße auf den Kopf, riß ihr mit der rechten
Hand die Raſſel ab und ließ ſie dann los, ohne je gebiſſen zu werden.

„Die Siour, Dacotahs oder Nadoweſſier tödten keine Klapperſchlange; vielmehr ſteht ſie wegen
ihrer Liſt in Anſehen, und das Begegnen einer ſolchen wird von ihnen als etwas Günſtiges gedeutet.
Wegen dieſer Verehrung der Schlangen erhielten dieſe Jndianer von ihren Erbfeinden den Namen
Naddoweſſju, welcher ſoviel als Klapperſchlange bedeutet. Der Name Siour iſt Nichts mehr, als
die letzte Silbe jenes Wortes. Kein anderer Jndianerſtamm hegt die religiöſe Achtung vor dieſen
Thieren, auch nicht die Schlangenindianer oder Schaſchonies.“

Viele Thiere kennen und fürchten die Klapperſchlange. Pferde und Rinder ſcheuen ſich vor ihr
und entfliehen, ſobald ſie ſie gewahren; Hunde ſtellen ſie, halten ſich aber in achtungsvoller Ferne,
die Vögel erheben bei ihrem Anblick ein lautes Angſtgeſchrei. „Jn einer Entfernung von etwa
zwanzig Schritt vor meinem Hauſe“, erzählt Duden, „ſah ich eine etwa 5 Schuh lange Klapper-
ſchlange, welche ſich eben am Fuße eines Nußbaumes aufgerollt und eine angreifende Stellung gegen
meine Hunde angenommen hatte. Jhr Schweif war in ſteter Bewegung und verurſachte ein Geräuſch,
wie das eines Scherenſchleifers, während ſie den geöffneten, hoch gehobenen Rachen meinen beiden
Hunden entgegenſtreckte. Dieſe blickten unbeweglich, wie mit äußerſter Verwunderung auf das
drohende Thier und wagten nicht, anzugreifen, obgleich keiner von ihnen zu furchtſam war, ſich mit
den Wölfen zu meſſen. Auch zwei Katzen ſtanden umher, von gleicher Verwunderung befangen.
Jch war beſorgt für das Loos meiner Hausthiere; die Schlange aber änderte plötzlich ihre Stellung
und ſetzte ihren Weg fort. Hunde und Katzen wichen ihr ſorgfältig aus, verfolgten ſie aber dennoch,
wie es ſchien, aus bloßer Neugier. Jch ſchoß ihr eine volle Ladung in den Leib und machte alsdann
mit einem Stocke ihrem zähen Leben ein Ende. Keines der Hausthiere konnte ich dahin bringen, ſich
dem lebloſen Körper mehr zu nähern, als ſie ſich vorher der lebenden Schlange genaht hatten.“

Von mehreren Beobachtern iſt die Behauptung ausgeſprochen worden, daß die Klapperſchlange
vor dem Biſſe immer zu raſſeln pflege; Dies iſt jedoch nicht ganz richtig. „Geht ſie“, ſagt Geyer,
„langſam, ſo ſchleppt ſie die Raſſel völlig; iſt ſie aber auf der Flucht, ſo hebt ſie ſolche in die Höhe,
raſſelt aber ununterbrochen wie vorher; nur wenn ſie ihren Raub verfolgt, hört man davon Nichts.
Das Raſſeln klingt wie das Geräuſch, welches ein Schleifer hervorbringt oder täuſchend ähnlich dem
Raſſeln der Wickenſamen im Getreide. Jn den Prairien des oberen Miſſouri leben kleine Heu-
ſchrecken, welche beim Fortfliegen genau daſſelbe Geräuſch verurſachen. Die Klapperſchlange warnt
auch nicht immer, ſondern nur, wenn ſie erſchrickt oder ſich angegriſſen ſieht. Sehr oft ſah ich eine
da liegen, wo ich einen Augenblick vorher kaum drei Zoll entfernt geſtanden hatte.“ Die Wilden
behaupten, laut Kalm, daß ſie niemals klappere, wenn ſie Böſes im Sinne habe: — eine Anſicht,
welche mit den Anſchauungen der Rothhäute über die Liſt und Schlauheit der Schlangen vollſtändig
übereinſtimmt, aber gewiß unbegründet iſt. Soviel wir beurtheilen können, iſt das Raſſeln Nichts
weiter als ein Zeichen größerer Erregung, welche ſich ja auch bei anderen Schlangen durch heftiges
Bewegen mit der Schwanzſpitze zu erkennen gibt.

Der Biß iſt immer ſehr gefährlich, weil die außerordentlich großen, nadelſpitzen Zähne auch
eine dichte Bekleidung oder ein dickes Fell durchdringen. „Sie beißt“, ſagt Geyer, „mit einer
Kraft, welche man in ihr nicht vermuthet. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß ſie nicht ſpringen
kann, machte ich mir es zum Zeitvertreibe, ihre Beißluſt zu beobachten. Jch fand, daß die Giftzähne
keineswegs ſo leicht abbrechen, felbſt wenn man den Stock, in welchem ſie ſich feſtgebiſſen hat, dreht;
ja man kann dann das ganze Thier mitdrehen und in die Höhe heben. Läßt es los, ſo thut es Dies
nur, um die Zähne zu erhalten, beißt jedoch augenblicklich wieder ein. Eine große, mit zwölf Raſſel-
gliedern verſehene, zwiſchen 5 bis 6 Fuß lange Klapperſchlange biß, nachdem ich ſie gelähmt, gegen
dreißig Mal in einen Hickoryſtab von anderthalb Zoll Durchmeſſer, riß an der betreffenden Stelle
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[327/0353] Klapperſchlange. erblickte, rannte er ihr nach, trat ihr mit dem linken Fuße auf den Kopf, riß ihr mit der rechten Hand die Raſſel ab und ließ ſie dann los, ohne je gebiſſen zu werden. „Die Siour, Dacotahs oder Nadoweſſier tödten keine Klapperſchlange; vielmehr ſteht ſie wegen ihrer Liſt in Anſehen, und das Begegnen einer ſolchen wird von ihnen als etwas Günſtiges gedeutet. Wegen dieſer Verehrung der Schlangen erhielten dieſe Jndianer von ihren Erbfeinden den Namen Naddoweſſju, welcher ſoviel als Klapperſchlange bedeutet. Der Name Siour iſt Nichts mehr, als die letzte Silbe jenes Wortes. Kein anderer Jndianerſtamm hegt die religiöſe Achtung vor dieſen Thieren, auch nicht die Schlangenindianer oder Schaſchonies.“ Viele Thiere kennen und fürchten die Klapperſchlange. Pferde und Rinder ſcheuen ſich vor ihr und entfliehen, ſobald ſie ſie gewahren; Hunde ſtellen ſie, halten ſich aber in achtungsvoller Ferne, die Vögel erheben bei ihrem Anblick ein lautes Angſtgeſchrei. „Jn einer Entfernung von etwa zwanzig Schritt vor meinem Hauſe“, erzählt Duden, „ſah ich eine etwa 5 Schuh lange Klapper- ſchlange, welche ſich eben am Fuße eines Nußbaumes aufgerollt und eine angreifende Stellung gegen meine Hunde angenommen hatte. Jhr Schweif war in ſteter Bewegung und verurſachte ein Geräuſch, wie das eines Scherenſchleifers, während ſie den geöffneten, hoch gehobenen Rachen meinen beiden Hunden entgegenſtreckte. Dieſe blickten unbeweglich, wie mit äußerſter Verwunderung auf das drohende Thier und wagten nicht, anzugreifen, obgleich keiner von ihnen zu furchtſam war, ſich mit den Wölfen zu meſſen. Auch zwei Katzen ſtanden umher, von gleicher Verwunderung befangen. Jch war beſorgt für das Loos meiner Hausthiere; die Schlange aber änderte plötzlich ihre Stellung und ſetzte ihren Weg fort. Hunde und Katzen wichen ihr ſorgfältig aus, verfolgten ſie aber dennoch, wie es ſchien, aus bloßer Neugier. Jch ſchoß ihr eine volle Ladung in den Leib und machte alsdann mit einem Stocke ihrem zähen Leben ein Ende. Keines der Hausthiere konnte ich dahin bringen, ſich dem lebloſen Körper mehr zu nähern, als ſie ſich vorher der lebenden Schlange genaht hatten.“ Von mehreren Beobachtern iſt die Behauptung ausgeſprochen worden, daß die Klapperſchlange vor dem Biſſe immer zu raſſeln pflege; Dies iſt jedoch nicht ganz richtig. „Geht ſie“, ſagt Geyer, „langſam, ſo ſchleppt ſie die Raſſel völlig; iſt ſie aber auf der Flucht, ſo hebt ſie ſolche in die Höhe, raſſelt aber ununterbrochen wie vorher; nur wenn ſie ihren Raub verfolgt, hört man davon Nichts. Das Raſſeln klingt wie das Geräuſch, welches ein Schleifer hervorbringt oder täuſchend ähnlich dem Raſſeln der Wickenſamen im Getreide. Jn den Prairien des oberen Miſſouri leben kleine Heu- ſchrecken, welche beim Fortfliegen genau daſſelbe Geräuſch verurſachen. Die Klapperſchlange warnt auch nicht immer, ſondern nur, wenn ſie erſchrickt oder ſich angegriſſen ſieht. Sehr oft ſah ich eine da liegen, wo ich einen Augenblick vorher kaum drei Zoll entfernt geſtanden hatte.“ Die Wilden behaupten, laut Kalm, daß ſie niemals klappere, wenn ſie Böſes im Sinne habe: — eine Anſicht, welche mit den Anſchauungen der Rothhäute über die Liſt und Schlauheit der Schlangen vollſtändig übereinſtimmt, aber gewiß unbegründet iſt. Soviel wir beurtheilen können, iſt das Raſſeln Nichts weiter als ein Zeichen größerer Erregung, welche ſich ja auch bei anderen Schlangen durch heftiges Bewegen mit der Schwanzſpitze zu erkennen gibt. Der Biß iſt immer ſehr gefährlich, weil die außerordentlich großen, nadelſpitzen Zähne auch eine dichte Bekleidung oder ein dickes Fell durchdringen. „Sie beißt“, ſagt Geyer, „mit einer Kraft, welche man in ihr nicht vermuthet. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß ſie nicht ſpringen kann, machte ich mir es zum Zeitvertreibe, ihre Beißluſt zu beobachten. Jch fand, daß die Giftzähne keineswegs ſo leicht abbrechen, felbſt wenn man den Stock, in welchem ſie ſich feſtgebiſſen hat, dreht; ja man kann dann das ganze Thier mitdrehen und in die Höhe heben. Läßt es los, ſo thut es Dies nur, um die Zähne zu erhalten, beißt jedoch augenblicklich wieder ein. Eine große, mit zwölf Raſſel- gliedern verſehene, zwiſchen 5 bis 6 Fuß lange Klapperſchlange biß, nachdem ich ſie gelähmt, gegen dreißig Mal in einen Hickoryſtab von anderthalb Zoll Durchmeſſer, riß an der betreffenden Stelle die Rinde bis auf den Splint ab und zerbiß auch dieſen noch. Je länger man dieſes Spiel treibt,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/353>, abgerufen am 21.12.2024.