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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Grubenottern. Klapperschlangen.

"Der schlimmste Feind der Klapperschlange ist ein sehr harter Winter, besonders wenn er sich
früh und plötzlich einstellt; ausgedehnte Frühjahrsüberschwemmungen schaden ihr nicht minder und
ebenso die Wald- und Steppenbrände. Man hat Beispiele, daß ganze Gegenden von ihr durch
harte Winter, Ueberschwemmungen oder Brände gesäubert wurden, so häufig sie auch vorher sich da
aufhielt. Allgemein geht die Sage, daß die Schweine Klapperschlangen vertilgten und auffraßen,
auch daß das Gift derselben ihnen nicht schade, und es haben diese Sage sogar mehrere Forscher für
baare Münze genommen, obgleich sie im Grunde blos eine leere Behauptung ist. Viele Versuche, welche
ich machte, bestätigten, was ich immer fand: daß die Schweine ebenso wie andere Hausthiere lebende
Klapperschlangen scheuen und auch die todten, in Stücke zerhackten, nie anrühren." Diese bestimmte
Verneinung der Angabe Kalm's ist von Wichtigkeit, weil Letzterer das Gegentheil mit aller
Bestimmtheit behauptet hat. "Sobald die Schlange ein Schwein sieht", sagt er, "entfällt ihr aller
Muth, und sie begibt sich sogleich auf die Flucht. Die Schweine suchen sehr begierig nach ihr und
wittern sie von Weitem, spüren sie auf, nähern sich derjenigen, welche sie zu sehen bekommen, mit
gesträubten Borsten mehr und mehr, fahren auf sie zu und hauen mit den Zähnen auf sie los.
Haben sie die Schlange im Rachen, so schütteln sie dieselbe stark und fressen sie ohne Schaden auf,
lassen jedoch den Kopf liegen. Wenn Jemand eine wüste Gegend ausrodet, versieht er sich sogleich
mit Schweinen, treibt sie hinein und ist dann sicher, in kurzer Zeit von diesem Ungeziefer befreit zu
werden. Zuweilen wird das Schwein wohl von einer Schlange gebissen; meistens aber schadet es ihm
Nichts." Daß Kalm schlecht berichtet worden, ist übrigens schon vor Geyer festgestellt worden.
"Als Feinde und Nachsteller der Schlangen", fährt letzterer fort, "nennt man auch das Wiefel, das
Oppossum und die Dachse, besonders den schwarzen Walddachs. Für die ersten beiden konnte ich
nie eine hinreichende Beglaubigung finden, und mit dem Walddachse habe ich auch Versuche angestellt,
welche ebenso wie mit dem Schweine ausfielen. Nicht minder unzuverlässig sind die Sagen über die
Raubvögel als Feinde der Klapperschlangen, den Bussard oder Geier ausgenommen. Alle übrigen
sind zu schwach, sich an dieselben zu wagen. Einen Gabelschwanzfalken, welcher als Klapperschlangen-
fänger besonderen Ruf hat, fand ich häufig da, wo ich selten eine Klapperschlange antraf; wohl aber
mögen die Raubvögel junge Schlangen verzehren, und diese vielleicht auch von den Prairieeulen
verzehrt werden.

"Sehr viele Klapperschlangen werden auf den Landstraßen erlegt und überfahren. Jeder steigt
gern von seinem Pferde, um die Anzahl dieser garstigen Thiere zu verringern.... So vielen
ich auch begegnet und so viele ich erlegt habe, so konnte ich doch einen Schauder vor diesen Thieren
nie überwinden, obgleich ich blos ein einziges Mal in die Schuhspitze gebissen wurde, ohne jedoch
verwundet zu werden. Doch weicht man in Amerika vor einer Klapperschlange nur zurück in der
Absicht, einen Stein oder Stock zu finden, um sie zu erlegen. Jeder kleine Knabe tödtet sie; die Furcht
vor ihr also ist unbedeutend .... Jn den bewohnten Gegenden Nordamerikas gehört sie übrigens
bereits zu den Seltenheiten, da die unablässige Verfolgung denn doch ihre Wirkung nicht verfehlt hat.
Nach Castelnau werden in allen Gegenden, welche man in Anbau zu nehmen gedenkt, vorerst große
Jagden auf sie angestellt und ein Gebiet soviel als möglich von ihnen gesäubert." Wie unser
Reisender versichert, wurden in der Nähe des Sees Georges einmal an einem Tage vierhundert Stück
erlegt. Nicht wenige verlieren, laut Geyer, auch zufällig ihr Leben; sie kriechen, um sich zu sonnen,
auf die Fahrwege heraus, legen sich in die Geleise und werden von den Rädern zermalmt. "Soviele
zufällig getödteter Schlangen ich übrigens auch sah, keine von ihnen wurde durch ein größeres Thier
verzehrt: alle blieben bis zur äußersten Verwesung liegen; nur ein breiter, ganz flacher, aschfarbiger,
gerippter Käfer nährt sich von ihrem Aase.

"Der Ureinwohner Amerikas scheut sich vor der Klapperschlange mehr als der Weiße; denn
unter diesen findet man einzelne, welche, der giftigen Bisse nicht achtend, die Klapperschlangen mit
bloßer Hand ergreifen. Ein Sohn des berühmten Generals Clark, Mitglied unserer Karavane nach
den Felsengebirgen, hatte stets die Taschen mit Rasseln angefüllt. Sobald er eine Klapperschlange

Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen.

„Der ſchlimmſte Feind der Klapperſchlange iſt ein ſehr harter Winter, beſonders wenn er ſich
früh und plötzlich einſtellt; ausgedehnte Frühjahrsüberſchwemmungen ſchaden ihr nicht minder und
ebenſo die Wald- und Steppenbrände. Man hat Beiſpiele, daß ganze Gegenden von ihr durch
harte Winter, Ueberſchwemmungen oder Brände geſäubert wurden, ſo häufig ſie auch vorher ſich da
aufhielt. Allgemein geht die Sage, daß die Schweine Klapperſchlangen vertilgten und auffraßen,
auch daß das Gift derſelben ihnen nicht ſchade, und es haben dieſe Sage ſogar mehrere Forſcher für
baare Münze genommen, obgleich ſie im Grunde blos eine leere Behauptung iſt. Viele Verſuche, welche
ich machte, beſtätigten, was ich immer fand: daß die Schweine ebenſo wie andere Hausthiere lebende
Klapperſchlangen ſcheuen und auch die todten, in Stücke zerhackten, nie anrühren.“ Dieſe beſtimmte
Verneinung der Angabe Kalm’s iſt von Wichtigkeit, weil Letzterer das Gegentheil mit aller
Beſtimmtheit behauptet hat. „Sobald die Schlange ein Schwein ſieht“, ſagt er, „entfällt ihr aller
Muth, und ſie begibt ſich ſogleich auf die Flucht. Die Schweine ſuchen ſehr begierig nach ihr und
wittern ſie von Weitem, ſpüren ſie auf, nähern ſich derjenigen, welche ſie zu ſehen bekommen, mit
geſträubten Borſten mehr und mehr, fahren auf ſie zu und hauen mit den Zähnen auf ſie los.
Haben ſie die Schlange im Rachen, ſo ſchütteln ſie dieſelbe ſtark und freſſen ſie ohne Schaden auf,
laſſen jedoch den Kopf liegen. Wenn Jemand eine wüſte Gegend ausrodet, verſieht er ſich ſogleich
mit Schweinen, treibt ſie hinein und iſt dann ſicher, in kurzer Zeit von dieſem Ungeziefer befreit zu
werden. Zuweilen wird das Schwein wohl von einer Schlange gebiſſen; meiſtens aber ſchadet es ihm
Nichts.“ Daß Kalm ſchlecht berichtet worden, iſt übrigens ſchon vor Geyer feſtgeſtellt worden.
„Als Feinde und Nachſteller der Schlangen“, fährt letzterer fort, „nennt man auch das Wiefel, das
Oppoſſum und die Dachſe, beſonders den ſchwarzen Walddachs. Für die erſten beiden konnte ich
nie eine hinreichende Beglaubigung finden, und mit dem Walddachſe habe ich auch Verſuche angeſtellt,
welche ebenſo wie mit dem Schweine ausfielen. Nicht minder unzuverläſſig ſind die Sagen über die
Raubvögel als Feinde der Klapperſchlangen, den Buſſard oder Geier ausgenommen. Alle übrigen
ſind zu ſchwach, ſich an dieſelben zu wagen. Einen Gabelſchwanzfalken, welcher als Klapperſchlangen-
fänger beſonderen Ruf hat, fand ich häufig da, wo ich ſelten eine Klapperſchlange antraf; wohl aber
mögen die Raubvögel junge Schlangen verzehren, und dieſe vielleicht auch von den Prairieeulen
verzehrt werden.

„Sehr viele Klapperſchlangen werden auf den Landſtraßen erlegt und überfahren. Jeder ſteigt
gern von ſeinem Pferde, um die Anzahl dieſer garſtigen Thiere zu verringern.... So vielen
ich auch begegnet und ſo viele ich erlegt habe, ſo konnte ich doch einen Schauder vor dieſen Thieren
nie überwinden, obgleich ich blos ein einziges Mal in die Schuhſpitze gebiſſen wurde, ohne jedoch
verwundet zu werden. Doch weicht man in Amerika vor einer Klapperſchlange nur zurück in der
Abſicht, einen Stein oder Stock zu finden, um ſie zu erlegen. Jeder kleine Knabe tödtet ſie; die Furcht
vor ihr alſo iſt unbedeutend .... Jn den bewohnten Gegenden Nordamerikas gehört ſie übrigens
bereits zu den Seltenheiten, da die unabläſſige Verfolgung denn doch ihre Wirkung nicht verfehlt hat.
Nach Caſtelnau werden in allen Gegenden, welche man in Anbau zu nehmen gedenkt, vorerſt große
Jagden auf ſie angeſtellt und ein Gebiet ſoviel als möglich von ihnen geſäubert.“ Wie unſer
Reiſender verſichert, wurden in der Nähe des Sees Georges einmal an einem Tage vierhundert Stück
erlegt. Nicht wenige verlieren, laut Geyer, auch zufällig ihr Leben; ſie kriechen, um ſich zu ſonnen,
auf die Fahrwege heraus, legen ſich in die Geleiſe und werden von den Rädern zermalmt. „Soviele
zufällig getödteter Schlangen ich übrigens auch ſah, keine von ihnen wurde durch ein größeres Thier
verzehrt: alle blieben bis zur äußerſten Verweſung liegen; nur ein breiter, ganz flacher, aſchfarbiger,
gerippter Käfer nährt ſich von ihrem Aaſe.

„Der Ureinwohner Amerikas ſcheut ſich vor der Klapperſchlange mehr als der Weiße; denn
unter dieſen findet man einzelne, welche, der giftigen Biſſe nicht achtend, die Klapperſchlangen mit
bloßer Hand ergreifen. Ein Sohn des berühmten Generals Clark, Mitglied unſerer Karavane nach
den Felſengebirgen, hatte ſtets die Taſchen mit Raſſeln angefüllt. Sobald er eine Klapperſchlange

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[326/0352] Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen. „Der ſchlimmſte Feind der Klapperſchlange iſt ein ſehr harter Winter, beſonders wenn er ſich früh und plötzlich einſtellt; ausgedehnte Frühjahrsüberſchwemmungen ſchaden ihr nicht minder und ebenſo die Wald- und Steppenbrände. Man hat Beiſpiele, daß ganze Gegenden von ihr durch harte Winter, Ueberſchwemmungen oder Brände geſäubert wurden, ſo häufig ſie auch vorher ſich da aufhielt. Allgemein geht die Sage, daß die Schweine Klapperſchlangen vertilgten und auffraßen, auch daß das Gift derſelben ihnen nicht ſchade, und es haben dieſe Sage ſogar mehrere Forſcher für baare Münze genommen, obgleich ſie im Grunde blos eine leere Behauptung iſt. Viele Verſuche, welche ich machte, beſtätigten, was ich immer fand: daß die Schweine ebenſo wie andere Hausthiere lebende Klapperſchlangen ſcheuen und auch die todten, in Stücke zerhackten, nie anrühren.“ Dieſe beſtimmte Verneinung der Angabe Kalm’s iſt von Wichtigkeit, weil Letzterer das Gegentheil mit aller Beſtimmtheit behauptet hat. „Sobald die Schlange ein Schwein ſieht“, ſagt er, „entfällt ihr aller Muth, und ſie begibt ſich ſogleich auf die Flucht. Die Schweine ſuchen ſehr begierig nach ihr und wittern ſie von Weitem, ſpüren ſie auf, nähern ſich derjenigen, welche ſie zu ſehen bekommen, mit geſträubten Borſten mehr und mehr, fahren auf ſie zu und hauen mit den Zähnen auf ſie los. Haben ſie die Schlange im Rachen, ſo ſchütteln ſie dieſelbe ſtark und freſſen ſie ohne Schaden auf, laſſen jedoch den Kopf liegen. Wenn Jemand eine wüſte Gegend ausrodet, verſieht er ſich ſogleich mit Schweinen, treibt ſie hinein und iſt dann ſicher, in kurzer Zeit von dieſem Ungeziefer befreit zu werden. Zuweilen wird das Schwein wohl von einer Schlange gebiſſen; meiſtens aber ſchadet es ihm Nichts.“ Daß Kalm ſchlecht berichtet worden, iſt übrigens ſchon vor Geyer feſtgeſtellt worden. „Als Feinde und Nachſteller der Schlangen“, fährt letzterer fort, „nennt man auch das Wiefel, das Oppoſſum und die Dachſe, beſonders den ſchwarzen Walddachs. Für die erſten beiden konnte ich nie eine hinreichende Beglaubigung finden, und mit dem Walddachſe habe ich auch Verſuche angeſtellt, welche ebenſo wie mit dem Schweine ausfielen. Nicht minder unzuverläſſig ſind die Sagen über die Raubvögel als Feinde der Klapperſchlangen, den Buſſard oder Geier ausgenommen. Alle übrigen ſind zu ſchwach, ſich an dieſelben zu wagen. Einen Gabelſchwanzfalken, welcher als Klapperſchlangen- fänger beſonderen Ruf hat, fand ich häufig da, wo ich ſelten eine Klapperſchlange antraf; wohl aber mögen die Raubvögel junge Schlangen verzehren, und dieſe vielleicht auch von den Prairieeulen verzehrt werden. „Sehr viele Klapperſchlangen werden auf den Landſtraßen erlegt und überfahren. Jeder ſteigt gern von ſeinem Pferde, um die Anzahl dieſer garſtigen Thiere zu verringern.... So vielen ich auch begegnet und ſo viele ich erlegt habe, ſo konnte ich doch einen Schauder vor dieſen Thieren nie überwinden, obgleich ich blos ein einziges Mal in die Schuhſpitze gebiſſen wurde, ohne jedoch verwundet zu werden. Doch weicht man in Amerika vor einer Klapperſchlange nur zurück in der Abſicht, einen Stein oder Stock zu finden, um ſie zu erlegen. Jeder kleine Knabe tödtet ſie; die Furcht vor ihr alſo iſt unbedeutend .... Jn den bewohnten Gegenden Nordamerikas gehört ſie übrigens bereits zu den Seltenheiten, da die unabläſſige Verfolgung denn doch ihre Wirkung nicht verfehlt hat. Nach Caſtelnau werden in allen Gegenden, welche man in Anbau zu nehmen gedenkt, vorerſt große Jagden auf ſie angeſtellt und ein Gebiet ſoviel als möglich von ihnen geſäubert.“ Wie unſer Reiſender verſichert, wurden in der Nähe des Sees Georges einmal an einem Tage vierhundert Stück erlegt. Nicht wenige verlieren, laut Geyer, auch zufällig ihr Leben; ſie kriechen, um ſich zu ſonnen, auf die Fahrwege heraus, legen ſich in die Geleiſe und werden von den Rädern zermalmt. „Soviele zufällig getödteter Schlangen ich übrigens auch ſah, keine von ihnen wurde durch ein größeres Thier verzehrt: alle blieben bis zur äußerſten Verweſung liegen; nur ein breiter, ganz flacher, aſchfarbiger, gerippter Käfer nährt ſich von ihrem Aaſe. „Der Ureinwohner Amerikas ſcheut ſich vor der Klapperſchlange mehr als der Weiße; denn unter dieſen findet man einzelne, welche, der giftigen Biſſe nicht achtend, die Klapperſchlangen mit bloßer Hand ergreifen. Ein Sohn des berühmten Generals Clark, Mitglied unſerer Karavane nach den Felſengebirgen, hatte ſtets die Taſchen mit Raſſeln angefüllt. Sobald er eine Klapperſchlange

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/352>, abgerufen am 15.05.2024.