Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Viper. Sandotter.
jedoch jene Vipern im Geringsten zu behelligen, warf alle Blätter, von denen die Alten behaupteten,
daß die Schlangen vor ihnen einen entsetzlichen Abscheu hätten, ihnen vor und sah mit Genugthuung,
daß die Vipern sich nicht im Geringsten vor ihnen fürchteten, sondern im Gegentheile sich darunter
verkrochen; widerlegte die Meinung, daß die Viper selbst als Heilmittel gegen den Biß anderer
ihrer Art gebraucht werden könnte und bewies überhaupt gründlich, daß es nicht wohlgethan, auf
das kindische Geschwätz der Alten Etwas zu geben.

Ende des achtzehnten Jahrhunderts nahm Fontana die Redi'schen Untersuchungen wieder
auf und verfolgte sie mit soviel Eifer und Geschick, daß sie heute noch einen hohen Werth beanspruchen
dürfen. "Das Viperngift", sagt er, "ist keine Säure: es röthet weder das Lackmus, welches es
nur durch seine eigene Farbe etwas gelblich färbt, noch verändert es die Farbe des Veilchensyrup,
außer daß er ein wenig gelblich wird, wenn viel Gift hinzukommt. Mit Alkalien zusammengebracht,
braust es nicht auf, und vermischt sich mit ihnen sehr langsam; im Wasser sinkt es sogleich zu Boden.
Es ist nicht brennbar, frisch ein wenig kleberig, getrocknet durchscheinend gelblich, kleberig wie Pech,
erhält sich noch jahrelang in den Zähnen der todten Viper, ohne Farbe und Durchsichtigkeit zu
verlieren; man kann es dann mit lauem Wasser erweichen, und es ist noch tödtlich; auch getrocknet
hat man es gegen zehn Monate aufbewahrt, ohne daß es an Kraft verliert." Aus den unzähligen
Versuchen, welche er anstellte, zieht er die Folgerungen: Unter übrigens gleichen Umständen ist die
größte Viper die gefährlichste. Die Wirksamkeit des Giftes steigert sich mit der Wuth des Thieres.
Je länger die Viper mit ihren Giftzähnen in der Wunde verweilt, um so sicherer vergiftet sie. Je
langsamer ein Thier stirbt, umsomehr entwickelt sich die Krankheit an dem gebissenen Theile. -- Rück-
sichtlich der Wirkung des Giftes sagt er, daß das Blut des gebissenen Thieres gerinne, das Blutwasser
sich von den Blutkügelchen trenne und sich durch das Zellgewebe verbreite, wodurch der Umlauf des
Blutes vernichtet und der Tod herbeigeführt wird. Das Blut, auf solche Weise in einen geronnenen
und einen wässerigen Theil geschieden, neigt sich schnell zur Fäulniß und zieht so die Verderbniß des
ganzen Körpers nach sich. Frösche können weit länger nach dem Vipernbisse leben, als warmblütige
Thiere, weil sie des Athmens und Blutumlaufes lange Zeit entbehren können, ohne zu sterben.

Wie umfassend die Versuche dieses ausgezeichneten Mannes sind, wird durch die nachstehenden
Zahlen bewiesen. Er ließ mehr als viertausend Thiere beißen und benutzte dazu über dreitausend
Vipern, wendete alle Gegenmittel an, welche ihm bekannt waren, nicht blos bei einem einzigen Thiere
allein, sondern gleich bei Dutzenden von ihnen und kam, streng genommen, zu dem Ergebniß, daß es
kein Gegenmittel gäbe. Nach seiner Ansicht stirbt der von einer Viper gebissene Mensch nicht; es
gehörten vielmehr fünf bis sechs dazu, um einen Menschen zu tödten, eine Angabe, welche leider der
Begründung entbehrt, da wir, wenn auch nicht viele, sodoch immerhin einige Fälle kennen, daß von
einer Viper gebissene Menschen verendeten.

Die dritte Giftschlange Europas, die Sandotter (Vipera ammodytes), verbreitet sich haupt-
sächlich über den Südosten unseres Erdtheils und ersetzt hier die beiden vorstehend beschriebenen
Verwandten. Wegen eines häutigen, mit Schuppen bedeckten Anhanges an der Nase, welche einer
kegeligen Warze ähnelt, hat man sie zum Vertreter der Sippe Nasenvipern (Rhinechis) erheben
wollen; da jedoch auch die Viper wenigstens eine Andeutung dieser Warze hat, wird man solche
Trennung kaum für gerechtfertigt erklären können. Von der Kreuzotter unterscheidet sich die Sand-
otter ebenfalls durch die Bedeckung des Kopfes, auf welchem sich außer den Augenbrauenschildern
keine Grubenschilder finden, nicht aber, oder doch kaum merklich, durch die Gestalt; selbst die Färbung
und Zeichnung der beiden, bezüglich aller drei Arten hat große Aehnlichkeit. Die Grundfärbung ist
ebenso veränderlich wie bei jenen, meist gelbbräunlich, bei einzelnen Stücken aber mehr oder minder
mit Roth gesättigt, bei manchen sogar schön rosenroth und dann wirklich prachtvoll, die Zeichnung
ein dunkles Zackenband, welches im Nacken beginnt, über den ganzen Rücken und Schwanz fortläuft
und aus länglichen Vierecken besteht, welche sich mit einem Winkel an den des folgenden anreihen.

Brehm, Thierleben. V. 20

Viper. Sandotter.
jedoch jene Vipern im Geringſten zu behelligen, warf alle Blätter, von denen die Alten behaupteten,
daß die Schlangen vor ihnen einen entſetzlichen Abſcheu hätten, ihnen vor und ſah mit Genugthuung,
daß die Vipern ſich nicht im Geringſten vor ihnen fürchteten, ſondern im Gegentheile ſich darunter
verkrochen; widerlegte die Meinung, daß die Viper ſelbſt als Heilmittel gegen den Biß anderer
ihrer Art gebraucht werden könnte und bewies überhaupt gründlich, daß es nicht wohlgethan, auf
das kindiſche Geſchwätz der Alten Etwas zu geben.

Ende des achtzehnten Jahrhunderts nahm Fontana die Redi’ſchen Unterſuchungen wieder
auf und verfolgte ſie mit ſoviel Eifer und Geſchick, daß ſie heute noch einen hohen Werth beanſpruchen
dürfen. „Das Viperngift“, ſagt er, „iſt keine Säure: es röthet weder das Lackmus, welches es
nur durch ſeine eigene Farbe etwas gelblich färbt, noch verändert es die Farbe des Veilchenſyrup,
außer daß er ein wenig gelblich wird, wenn viel Gift hinzukommt. Mit Alkalien zuſammengebracht,
brauſt es nicht auf, und vermiſcht ſich mit ihnen ſehr langſam; im Waſſer ſinkt es ſogleich zu Boden.
Es iſt nicht brennbar, friſch ein wenig kleberig, getrocknet durchſcheinend gelblich, kleberig wie Pech,
erhält ſich noch jahrelang in den Zähnen der todten Viper, ohne Farbe und Durchſichtigkeit zu
verlieren; man kann es dann mit lauem Waſſer erweichen, und es iſt noch tödtlich; auch getrocknet
hat man es gegen zehn Monate aufbewahrt, ohne daß es an Kraft verliert.“ Aus den unzähligen
Verſuchen, welche er anſtellte, zieht er die Folgerungen: Unter übrigens gleichen Umſtänden iſt die
größte Viper die gefährlichſte. Die Wirkſamkeit des Giftes ſteigert ſich mit der Wuth des Thieres.
Je länger die Viper mit ihren Giftzähnen in der Wunde verweilt, um ſo ſicherer vergiftet ſie. Je
langſamer ein Thier ſtirbt, umſomehr entwickelt ſich die Krankheit an dem gebiſſenen Theile. — Rück-
ſichtlich der Wirkung des Giftes ſagt er, daß das Blut des gebiſſenen Thieres gerinne, das Blutwaſſer
ſich von den Blutkügelchen trenne und ſich durch das Zellgewebe verbreite, wodurch der Umlauf des
Blutes vernichtet und der Tod herbeigeführt wird. Das Blut, auf ſolche Weiſe in einen geronnenen
und einen wäſſerigen Theil geſchieden, neigt ſich ſchnell zur Fäulniß und zieht ſo die Verderbniß des
ganzen Körpers nach ſich. Fröſche können weit länger nach dem Vipernbiſſe leben, als warmblütige
Thiere, weil ſie des Athmens und Blutumlaufes lange Zeit entbehren können, ohne zu ſterben.

Wie umfaſſend die Verſuche dieſes ausgezeichneten Mannes ſind, wird durch die nachſtehenden
Zahlen bewieſen. Er ließ mehr als viertauſend Thiere beißen und benutzte dazu über dreitauſend
Vipern, wendete alle Gegenmittel an, welche ihm bekannt waren, nicht blos bei einem einzigen Thiere
allein, ſondern gleich bei Dutzenden von ihnen und kam, ſtreng genommen, zu dem Ergebniß, daß es
kein Gegenmittel gäbe. Nach ſeiner Anſicht ſtirbt der von einer Viper gebiſſene Menſch nicht; es
gehörten vielmehr fünf bis ſechs dazu, um einen Menſchen zu tödten, eine Angabe, welche leider der
Begründung entbehrt, da wir, wenn auch nicht viele, ſodoch immerhin einige Fälle kennen, daß von
einer Viper gebiſſene Menſchen verendeten.

Die dritte Giftſchlange Europas, die Sandotter (Vipera ammodytes), verbreitet ſich haupt-
ſächlich über den Südoſten unſeres Erdtheils und erſetzt hier die beiden vorſtehend beſchriebenen
Verwandten. Wegen eines häutigen, mit Schuppen bedeckten Anhanges an der Naſe, welche einer
kegeligen Warze ähnelt, hat man ſie zum Vertreter der Sippe Naſenvipern (Rhinechis) erheben
wollen; da jedoch auch die Viper wenigſtens eine Andeutung dieſer Warze hat, wird man ſolche
Trennung kaum für gerechtfertigt erklären können. Von der Kreuzotter unterſcheidet ſich die Sand-
otter ebenfalls durch die Bedeckung des Kopfes, auf welchem ſich außer den Augenbrauenſchildern
keine Grubenſchilder finden, nicht aber, oder doch kaum merklich, durch die Geſtalt; ſelbſt die Färbung
und Zeichnung der beiden, bezüglich aller drei Arten hat große Aehnlichkeit. Die Grundfärbung iſt
ebenſo veränderlich wie bei jenen, meiſt gelbbräunlich, bei einzelnen Stücken aber mehr oder minder
mit Roth geſättigt, bei manchen ſogar ſchön roſenroth und dann wirklich prachtvoll, die Zeichnung
ein dunkles Zackenband, welches im Nacken beginnt, über den ganzen Rücken und Schwanz fortläuft
und aus länglichen Vierecken beſteht, welche ſich mit einem Winkel an den des folgenden anreihen.

Brehm, Thierleben. V. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0331" n="305"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viper. Sandotter.</hi></fw><lb/>
jedoch jene Vipern im Gering&#x017F;ten zu behelligen, warf alle Blätter, von denen die Alten behaupteten,<lb/>
daß die Schlangen vor ihnen einen ent&#x017F;etzlichen Ab&#x017F;cheu hätten, ihnen vor und &#x017F;ah mit Genugthuung,<lb/>
daß die Vipern &#x017F;ich nicht im Gering&#x017F;ten vor ihnen fürchteten, &#x017F;ondern im Gegentheile &#x017F;ich darunter<lb/>
verkrochen; widerlegte die Meinung, daß die Viper &#x017F;elb&#x017F;t als Heilmittel gegen den Biß anderer<lb/>
ihrer Art gebraucht werden könnte und bewies überhaupt gründlich, daß es nicht wohlgethan, auf<lb/>
das kindi&#x017F;che Ge&#x017F;chwätz der Alten Etwas zu geben.</p><lb/>
          <p>Ende des achtzehnten Jahrhunderts nahm <hi rendition="#g">Fontana</hi> die <hi rendition="#g">Redi&#x2019;</hi>&#x017F;chen Unter&#x017F;uchungen wieder<lb/>
auf und verfolgte &#x017F;ie mit &#x017F;oviel Eifer und Ge&#x017F;chick, daß &#x017F;ie heute noch einen hohen Werth bean&#x017F;pruchen<lb/>
dürfen. &#x201E;Das Viperngift&#x201C;, &#x017F;agt er, &#x201E;i&#x017F;t keine Säure: es röthet weder das Lackmus, welches es<lb/>
nur durch &#x017F;eine eigene Farbe etwas gelblich färbt, noch verändert es die Farbe des Veilchen&#x017F;yrup,<lb/>
außer daß er ein wenig gelblich wird, wenn viel Gift hinzukommt. Mit Alkalien zu&#x017F;ammengebracht,<lb/>
brau&#x017F;t es nicht auf, und vermi&#x017F;cht &#x017F;ich mit ihnen &#x017F;ehr lang&#x017F;am; im Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;inkt es &#x017F;ogleich zu Boden.<lb/>
Es i&#x017F;t nicht brennbar, fri&#x017F;ch ein wenig kleberig, getrocknet durch&#x017F;cheinend gelblich, kleberig wie Pech,<lb/>
erhält &#x017F;ich noch jahrelang in den Zähnen der todten Viper, ohne Farbe und Durch&#x017F;ichtigkeit zu<lb/>
verlieren; man kann es dann mit lauem Wa&#x017F;&#x017F;er erweichen, und es i&#x017F;t noch tödtlich; auch getrocknet<lb/>
hat man es gegen zehn Monate aufbewahrt, ohne daß es an Kraft verliert.&#x201C; Aus den unzähligen<lb/>
Ver&#x017F;uchen, welche er an&#x017F;tellte, zieht er die Folgerungen: Unter übrigens gleichen Um&#x017F;tänden i&#x017F;t die<lb/>
größte Viper die gefährlich&#x017F;te. Die Wirk&#x017F;amkeit des Giftes &#x017F;teigert &#x017F;ich mit der Wuth des Thieres.<lb/>
Je länger die Viper mit ihren Giftzähnen in der Wunde verweilt, um &#x017F;o &#x017F;icherer vergiftet &#x017F;ie. Je<lb/>
lang&#x017F;amer ein Thier &#x017F;tirbt, um&#x017F;omehr entwickelt &#x017F;ich die Krankheit an dem gebi&#x017F;&#x017F;enen Theile. &#x2014; Rück-<lb/>
&#x017F;ichtlich der Wirkung des Giftes &#x017F;agt er, daß das Blut des gebi&#x017F;&#x017F;enen Thieres gerinne, das Blutwa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ich von den Blutkügelchen trenne und &#x017F;ich durch das Zellgewebe verbreite, wodurch der Umlauf des<lb/>
Blutes vernichtet und der Tod herbeigeführt wird. Das Blut, auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e in einen geronnenen<lb/>
und einen wä&#x017F;&#x017F;erigen Theil ge&#x017F;chieden, neigt &#x017F;ich &#x017F;chnell zur Fäulniß und zieht &#x017F;o die Verderbniß des<lb/>
ganzen Körpers nach &#x017F;ich. Frö&#x017F;che können weit länger nach dem Vipernbi&#x017F;&#x017F;e leben, als warmblütige<lb/>
Thiere, weil &#x017F;ie des Athmens und Blutumlaufes lange Zeit entbehren können, ohne zu &#x017F;terben.</p><lb/>
          <p>Wie umfa&#x017F;&#x017F;end die Ver&#x017F;uche die&#x017F;es ausgezeichneten Mannes &#x017F;ind, wird durch die nach&#x017F;tehenden<lb/>
Zahlen bewie&#x017F;en. Er ließ mehr als viertau&#x017F;end Thiere beißen und benutzte dazu über dreitau&#x017F;end<lb/>
Vipern, wendete alle Gegenmittel an, welche ihm bekannt waren, nicht blos bei einem einzigen Thiere<lb/>
allein, &#x017F;ondern gleich bei Dutzenden von ihnen und kam, &#x017F;treng genommen, zu dem Ergebniß, daß es<lb/>
kein Gegenmittel gäbe. Nach &#x017F;einer An&#x017F;icht &#x017F;tirbt der von einer Viper gebi&#x017F;&#x017F;ene Men&#x017F;ch nicht; es<lb/>
gehörten vielmehr fünf bis &#x017F;echs dazu, um einen Men&#x017F;chen zu tödten, eine Angabe, welche leider der<lb/>
Begründung entbehrt, da wir, wenn auch nicht viele, &#x017F;odoch immerhin einige Fälle kennen, daß von<lb/><hi rendition="#g">einer</hi> Viper gebi&#x017F;&#x017F;ene Men&#x017F;chen verendeten.</p><lb/>
          <p>Die dritte Gift&#x017F;chlange Europas, die <hi rendition="#g">Sandotter</hi> (<hi rendition="#aq">Vipera ammodytes</hi>), verbreitet &#x017F;ich haupt-<lb/>
&#x017F;ächlich über den Südo&#x017F;ten un&#x017F;eres Erdtheils und er&#x017F;etzt hier die beiden vor&#x017F;tehend be&#x017F;chriebenen<lb/>
Verwandten. Wegen eines häutigen, mit Schuppen bedeckten Anhanges an der Na&#x017F;e, welche einer<lb/>
kegeligen Warze ähnelt, hat man &#x017F;ie zum Vertreter der Sippe <hi rendition="#g">Na&#x017F;envipern</hi> (<hi rendition="#aq">Rhinechis</hi>) erheben<lb/>
wollen; da jedoch auch die Viper wenig&#x017F;tens eine Andeutung die&#x017F;er Warze hat, wird man &#x017F;olche<lb/>
Trennung kaum für gerechtfertigt erklären können. Von der Kreuzotter unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich die Sand-<lb/>
otter ebenfalls durch die Bedeckung des Kopfes, auf welchem &#x017F;ich außer den Augenbrauen&#x017F;childern<lb/>
keine Gruben&#x017F;childer finden, nicht aber, oder doch kaum merklich, durch die Ge&#x017F;talt; &#x017F;elb&#x017F;t die Färbung<lb/>
und Zeichnung der beiden, bezüglich aller drei Arten hat große Aehnlichkeit. Die Grundfärbung i&#x017F;t<lb/>
eben&#x017F;o veränderlich wie bei jenen, mei&#x017F;t gelbbräunlich, bei einzelnen Stücken aber mehr oder minder<lb/>
mit Roth ge&#x017F;ättigt, bei manchen &#x017F;ogar &#x017F;chön ro&#x017F;enroth und dann wirklich prachtvoll, die Zeichnung<lb/>
ein dunkles Zackenband, welches im Nacken beginnt, über den ganzen Rücken und Schwanz fortläuft<lb/>
und aus länglichen Vierecken be&#x017F;teht, welche &#x017F;ich mit einem Winkel an den des folgenden anreihen.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">V.</hi> 20</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0331] Viper. Sandotter. jedoch jene Vipern im Geringſten zu behelligen, warf alle Blätter, von denen die Alten behaupteten, daß die Schlangen vor ihnen einen entſetzlichen Abſcheu hätten, ihnen vor und ſah mit Genugthuung, daß die Vipern ſich nicht im Geringſten vor ihnen fürchteten, ſondern im Gegentheile ſich darunter verkrochen; widerlegte die Meinung, daß die Viper ſelbſt als Heilmittel gegen den Biß anderer ihrer Art gebraucht werden könnte und bewies überhaupt gründlich, daß es nicht wohlgethan, auf das kindiſche Geſchwätz der Alten Etwas zu geben. Ende des achtzehnten Jahrhunderts nahm Fontana die Redi’ſchen Unterſuchungen wieder auf und verfolgte ſie mit ſoviel Eifer und Geſchick, daß ſie heute noch einen hohen Werth beanſpruchen dürfen. „Das Viperngift“, ſagt er, „iſt keine Säure: es röthet weder das Lackmus, welches es nur durch ſeine eigene Farbe etwas gelblich färbt, noch verändert es die Farbe des Veilchenſyrup, außer daß er ein wenig gelblich wird, wenn viel Gift hinzukommt. Mit Alkalien zuſammengebracht, brauſt es nicht auf, und vermiſcht ſich mit ihnen ſehr langſam; im Waſſer ſinkt es ſogleich zu Boden. Es iſt nicht brennbar, friſch ein wenig kleberig, getrocknet durchſcheinend gelblich, kleberig wie Pech, erhält ſich noch jahrelang in den Zähnen der todten Viper, ohne Farbe und Durchſichtigkeit zu verlieren; man kann es dann mit lauem Waſſer erweichen, und es iſt noch tödtlich; auch getrocknet hat man es gegen zehn Monate aufbewahrt, ohne daß es an Kraft verliert.“ Aus den unzähligen Verſuchen, welche er anſtellte, zieht er die Folgerungen: Unter übrigens gleichen Umſtänden iſt die größte Viper die gefährlichſte. Die Wirkſamkeit des Giftes ſteigert ſich mit der Wuth des Thieres. Je länger die Viper mit ihren Giftzähnen in der Wunde verweilt, um ſo ſicherer vergiftet ſie. Je langſamer ein Thier ſtirbt, umſomehr entwickelt ſich die Krankheit an dem gebiſſenen Theile. — Rück- ſichtlich der Wirkung des Giftes ſagt er, daß das Blut des gebiſſenen Thieres gerinne, das Blutwaſſer ſich von den Blutkügelchen trenne und ſich durch das Zellgewebe verbreite, wodurch der Umlauf des Blutes vernichtet und der Tod herbeigeführt wird. Das Blut, auf ſolche Weiſe in einen geronnenen und einen wäſſerigen Theil geſchieden, neigt ſich ſchnell zur Fäulniß und zieht ſo die Verderbniß des ganzen Körpers nach ſich. Fröſche können weit länger nach dem Vipernbiſſe leben, als warmblütige Thiere, weil ſie des Athmens und Blutumlaufes lange Zeit entbehren können, ohne zu ſterben. Wie umfaſſend die Verſuche dieſes ausgezeichneten Mannes ſind, wird durch die nachſtehenden Zahlen bewieſen. Er ließ mehr als viertauſend Thiere beißen und benutzte dazu über dreitauſend Vipern, wendete alle Gegenmittel an, welche ihm bekannt waren, nicht blos bei einem einzigen Thiere allein, ſondern gleich bei Dutzenden von ihnen und kam, ſtreng genommen, zu dem Ergebniß, daß es kein Gegenmittel gäbe. Nach ſeiner Anſicht ſtirbt der von einer Viper gebiſſene Menſch nicht; es gehörten vielmehr fünf bis ſechs dazu, um einen Menſchen zu tödten, eine Angabe, welche leider der Begründung entbehrt, da wir, wenn auch nicht viele, ſodoch immerhin einige Fälle kennen, daß von einer Viper gebiſſene Menſchen verendeten. Die dritte Giftſchlange Europas, die Sandotter (Vipera ammodytes), verbreitet ſich haupt- ſächlich über den Südoſten unſeres Erdtheils und erſetzt hier die beiden vorſtehend beſchriebenen Verwandten. Wegen eines häutigen, mit Schuppen bedeckten Anhanges an der Naſe, welche einer kegeligen Warze ähnelt, hat man ſie zum Vertreter der Sippe Naſenvipern (Rhinechis) erheben wollen; da jedoch auch die Viper wenigſtens eine Andeutung dieſer Warze hat, wird man ſolche Trennung kaum für gerechtfertigt erklären können. Von der Kreuzotter unterſcheidet ſich die Sand- otter ebenfalls durch die Bedeckung des Kopfes, auf welchem ſich außer den Augenbrauenſchildern keine Grubenſchilder finden, nicht aber, oder doch kaum merklich, durch die Geſtalt; ſelbſt die Färbung und Zeichnung der beiden, bezüglich aller drei Arten hat große Aehnlichkeit. Die Grundfärbung iſt ebenſo veränderlich wie bei jenen, meiſt gelbbräunlich, bei einzelnen Stücken aber mehr oder minder mit Roth geſättigt, bei manchen ſogar ſchön roſenroth und dann wirklich prachtvoll, die Zeichnung ein dunkles Zackenband, welches im Nacken beginnt, über den ganzen Rücken und Schwanz fortläuft und aus länglichen Vierecken beſteht, welche ſich mit einem Winkel an den des folgenden anreihen. Brehm, Thierleben. V. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/331
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/331>, abgerufen am 16.05.2024.