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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Giftnattern. Schilderschwänze. Schildvipern.
übrigens keine Beziehung zur Nahrung der Schwarzotter, da diese, soviel bekannt, nur kleinen
Säugethieren, Vögeln, Kriechthieren und Lurchen nachstellt.

Die Giftschlangen Australiens verursachen vielen Schaden und gar manchen Unglücksfall, werden
deshalb auch allgemein gefürchtet und verfolgt. Viele von den Rindern und Schafen, welche man im
Sommer sterbend oder verendet auf den Ebenen liegen sieht, mögen an Schlangenbissen zu Grunde
gegangen sein, obgleich sie, wenigstens die Schafe, viele dieser gefährlichen Geschöpfe tödten, indem
sie mit allen vier Füßen auf sie springen und sie zerstampfen. Die Schwarzen fürchten sie ungemein,
trotzdem sie selten von ihnen gebissen werden, aus dem einfachen Grunde, weil sie nur mit äußerster
Vorsicht ihres Weges dahingehen, und ihre Adleraugen Alles entdecken, was vor ihnen sich regt oder
nicht regt. Lange Gewohnheit hat sie in hohem Grade vorsichtig gemacht; niemals z. B. durch-
schreiten sie eine Vertiefung, niemals treten sie in ein Loch, welches sie nicht genau übersehen können.
Sie essen Schlangen, welche sie selbst getödtet haben, nach der Versicherung des alten Buschmann
niemals aber solche, welche sich im Todeskampfe, wie es oft geschehen soll, selbst einen Biß
beigebracht haben.

Jn der Regel nimmt die Schwarzotter eiligst die Flucht, wenn sie einen Menschen zu Gesicht
bekommt oder hört; in die Enge getrieben aber und gereizt, ja nur längere Zeit verfolgt, geht sie
ihrem Angreifer kühn zu Leibe, hat sich deshalb bei den Ansiedlern auch den Namen "Sprungschlange"
erworben. Der "alte Buschmann" versichert übrigens, daß er nur ein einziges Mal eine Schwarz-
otter springen sah, und zwar in der Absicht, einen Hund zu beißen. Sie lag in halb aufgerichteter
Stellung und warf sich mit Blitzesschnelligkeit ihrer ganzen Länge nach vor. Manche Hunde sind
ungemein geschickt, Giftschlangen zu fassen und zu tödten, ohne sich selbst zu gefährden; fast alle aber
büßen früher oder später ihren Eifer mit dem Leben: sie werden zu kühn und versehen sich doch
einmal. Bennett erzählt, daß ein Hund, welcher gewohnt war, Schlangen zu tödten, eines Tages
längere Zeit mit einer Schwarzotter kämpfte, welche bis auf den Kopf unter Reißig verborgen war,
endlich zusprang, sie packte und auch im Nu abfing, dabei aber doch zwei Bisse von ihr erhielt, einen
in die Zunge, den anderen in das Vorderbein. Das Ergebniß war, daß das arme Thier, fast
unmittelbar darauf in Krämpfe verfiel, daß alle seine Glieder anschwollen, der Mund und die Zunge
schwarz wurden, und der Tod nach ungefähr zwanzig Minuten unter fürchterlichen Zuckungen erfolgte.
Der Hund, berühmt als Schlangentödter, war bis dahin glücklich jeder Gefahr entronnen, hatte aber
freilich bisher auch nur im offenen Felde mit seinen gefährlichen Feinden gekämpft. Alte Waldhunde
stellen die Schlangen, bleiben in einer ehrsurchtsvollen, gewissen Entfernung stehen und bellen so
lange bis der Jäger zur Stelle kommt.

Die schwarzen Ureinwohner Neuhollands behaupten, daß der Biß unserer Schlange dem
Menschen selten tödtlich wird, und in der That erinnert sich Bennett einzelner Fälle, daß Leute,
welche von ihr gebissen wurden, ohne Anwendung irgend welcher Heilmittel wieder genasen. Trotz-
dem steht soviel fest, daß der Biß stets die bedenklichsten Folgen hat. "Ein Ansiedler am Clarence-
flusse", so berichtet unser Forscher, "welcher erfahren hatte, daß eine Schwarzotter sich in seinem
Hause befand, machte sich, mit einem Stocke bewassnet, auf, um sie zu tödten, verfuhr jedoch ungeschickt
und wurde in den Fuß gebissen. Die Folgen des Bisses zeigten sich zunächst in einer auffallenden
Abspannung und Schläfrigkeit des Verwundeten. Man wandte Salmiakgeist innerlich und äußerlich
an, machte Einschnitte an der wunden Stelle, legte einen festen Verband an und ließ ihn umhergehen,
trotzdem er das größte Verlangen zum Schlafen kund gab, überhaupt sich benahm, als ob er mit
Opium vergiftet worden wäre. Stundenlang hielt derselbe Zustand an, bis der Mann nach und
nach sich erholte. Die Schwarzen behandeln einen Gebissenen ganz in ähnlicher Weise. Nachdem
sie die Wunde ausgesaugt haben, zwingen sie den Leidenden umherzulaufen, um ihn, wie sie sagen,
vom Schlafen abzuhalten und den Wirkungen des Giftes dadurch zu begegnen. Nebenbei widmen
sie übrigens auch der Wunde besondere Aufmerksamkeit, indem sie dieselbe entweder ausbrennen oder
Einschnitte machen und stundenlang eine Blutung unterhalten.

Die Schlangen. Giftnattern. Schilderſchwänze. Schildvipern.
übrigens keine Beziehung zur Nahrung der Schwarzotter, da dieſe, ſoviel bekannt, nur kleinen
Säugethieren, Vögeln, Kriechthieren und Lurchen nachſtellt.

Die Giftſchlangen Auſtraliens verurſachen vielen Schaden und gar manchen Unglücksfall, werden
deshalb auch allgemein gefürchtet und verfolgt. Viele von den Rindern und Schafen, welche man im
Sommer ſterbend oder verendet auf den Ebenen liegen ſieht, mögen an Schlangenbiſſen zu Grunde
gegangen ſein, obgleich ſie, wenigſtens die Schafe, viele dieſer gefährlichen Geſchöpfe tödten, indem
ſie mit allen vier Füßen auf ſie ſpringen und ſie zerſtampfen. Die Schwarzen fürchten ſie ungemein,
trotzdem ſie ſelten von ihnen gebiſſen werden, aus dem einfachen Grunde, weil ſie nur mit äußerſter
Vorſicht ihres Weges dahingehen, und ihre Adleraugen Alles entdecken, was vor ihnen ſich regt oder
nicht regt. Lange Gewohnheit hat ſie in hohem Grade vorſichtig gemacht; niemals z. B. durch-
ſchreiten ſie eine Vertiefung, niemals treten ſie in ein Loch, welches ſie nicht genau überſehen können.
Sie eſſen Schlangen, welche ſie ſelbſt getödtet haben, nach der Verſicherung des alten Buſchmann
niemals aber ſolche, welche ſich im Todeskampfe, wie es oft geſchehen ſoll, ſelbſt einen Biß
beigebracht haben.

Jn der Regel nimmt die Schwarzotter eiligſt die Flucht, wenn ſie einen Menſchen zu Geſicht
bekommt oder hört; in die Enge getrieben aber und gereizt, ja nur längere Zeit verfolgt, geht ſie
ihrem Angreifer kühn zu Leibe, hat ſich deshalb bei den Anſiedlern auch den Namen „Sprungſchlange“
erworben. Der „alte Buſchmann“ verſichert übrigens, daß er nur ein einziges Mal eine Schwarz-
otter ſpringen ſah, und zwar in der Abſicht, einen Hund zu beißen. Sie lag in halb aufgerichteter
Stellung und warf ſich mit Blitzesſchnelligkeit ihrer ganzen Länge nach vor. Manche Hunde ſind
ungemein geſchickt, Giftſchlangen zu faſſen und zu tödten, ohne ſich ſelbſt zu gefährden; faſt alle aber
büßen früher oder ſpäter ihren Eifer mit dem Leben: ſie werden zu kühn und verſehen ſich doch
einmal. Bennett erzählt, daß ein Hund, welcher gewohnt war, Schlangen zu tödten, eines Tages
längere Zeit mit einer Schwarzotter kämpfte, welche bis auf den Kopf unter Reißig verborgen war,
endlich zuſprang, ſie packte und auch im Nu abfing, dabei aber doch zwei Biſſe von ihr erhielt, einen
in die Zunge, den anderen in das Vorderbein. Das Ergebniß war, daß das arme Thier, faſt
unmittelbar darauf in Krämpfe verfiel, daß alle ſeine Glieder anſchwollen, der Mund und die Zunge
ſchwarz wurden, und der Tod nach ungefähr zwanzig Minuten unter fürchterlichen Zuckungen erfolgte.
Der Hund, berühmt als Schlangentödter, war bis dahin glücklich jeder Gefahr entronnen, hatte aber
freilich bisher auch nur im offenen Felde mit ſeinen gefährlichen Feinden gekämpft. Alte Waldhunde
ſtellen die Schlangen, bleiben in einer ehrſurchtsvollen, gewiſſen Entfernung ſtehen und bellen ſo
lange bis der Jäger zur Stelle kommt.

Die ſchwarzen Ureinwohner Neuhollands behaupten, daß der Biß unſerer Schlange dem
Menſchen ſelten tödtlich wird, und in der That erinnert ſich Bennett einzelner Fälle, daß Leute,
welche von ihr gebiſſen wurden, ohne Anwendung irgend welcher Heilmittel wieder genaſen. Trotz-
dem ſteht ſoviel feſt, daß der Biß ſtets die bedenklichſten Folgen hat. „Ein Anſiedler am Clarence-
fluſſe“, ſo berichtet unſer Forſcher, „welcher erfahren hatte, daß eine Schwarzotter ſich in ſeinem
Hauſe befand, machte ſich, mit einem Stocke bewaſſnet, auf, um ſie zu tödten, verfuhr jedoch ungeſchickt
und wurde in den Fuß gebiſſen. Die Folgen des Biſſes zeigten ſich zunächſt in einer auffallenden
Abſpannung und Schläfrigkeit des Verwundeten. Man wandte Salmiakgeiſt innerlich und äußerlich
an, machte Einſchnitte an der wunden Stelle, legte einen feſten Verband an und ließ ihn umhergehen,
trotzdem er das größte Verlangen zum Schlafen kund gab, überhaupt ſich benahm, als ob er mit
Opium vergiftet worden wäre. Stundenlang hielt derſelbe Zuſtand an, bis der Mann nach und
nach ſich erholte. Die Schwarzen behandeln einen Gebiſſenen ganz in ähnlicher Weiſe. Nachdem
ſie die Wunde ausgeſaugt haben, zwingen ſie den Leidenden umherzulaufen, um ihn, wie ſie ſagen,
vom Schlafen abzuhalten und den Wirkungen des Giftes dadurch zu begegnen. Nebenbei widmen
ſie übrigens auch der Wunde beſondere Aufmerkſamkeit, indem ſie dieſelbe entweder ausbrennen oder
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[262/0284] Die Schlangen. Giftnattern. Schilderſchwänze. Schildvipern. übrigens keine Beziehung zur Nahrung der Schwarzotter, da dieſe, ſoviel bekannt, nur kleinen Säugethieren, Vögeln, Kriechthieren und Lurchen nachſtellt. Die Giftſchlangen Auſtraliens verurſachen vielen Schaden und gar manchen Unglücksfall, werden deshalb auch allgemein gefürchtet und verfolgt. Viele von den Rindern und Schafen, welche man im Sommer ſterbend oder verendet auf den Ebenen liegen ſieht, mögen an Schlangenbiſſen zu Grunde gegangen ſein, obgleich ſie, wenigſtens die Schafe, viele dieſer gefährlichen Geſchöpfe tödten, indem ſie mit allen vier Füßen auf ſie ſpringen und ſie zerſtampfen. Die Schwarzen fürchten ſie ungemein, trotzdem ſie ſelten von ihnen gebiſſen werden, aus dem einfachen Grunde, weil ſie nur mit äußerſter Vorſicht ihres Weges dahingehen, und ihre Adleraugen Alles entdecken, was vor ihnen ſich regt oder nicht regt. Lange Gewohnheit hat ſie in hohem Grade vorſichtig gemacht; niemals z. B. durch- ſchreiten ſie eine Vertiefung, niemals treten ſie in ein Loch, welches ſie nicht genau überſehen können. Sie eſſen Schlangen, welche ſie ſelbſt getödtet haben, nach der Verſicherung des alten Buſchmann niemals aber ſolche, welche ſich im Todeskampfe, wie es oft geſchehen ſoll, ſelbſt einen Biß beigebracht haben. Jn der Regel nimmt die Schwarzotter eiligſt die Flucht, wenn ſie einen Menſchen zu Geſicht bekommt oder hört; in die Enge getrieben aber und gereizt, ja nur längere Zeit verfolgt, geht ſie ihrem Angreifer kühn zu Leibe, hat ſich deshalb bei den Anſiedlern auch den Namen „Sprungſchlange“ erworben. Der „alte Buſchmann“ verſichert übrigens, daß er nur ein einziges Mal eine Schwarz- otter ſpringen ſah, und zwar in der Abſicht, einen Hund zu beißen. Sie lag in halb aufgerichteter Stellung und warf ſich mit Blitzesſchnelligkeit ihrer ganzen Länge nach vor. Manche Hunde ſind ungemein geſchickt, Giftſchlangen zu faſſen und zu tödten, ohne ſich ſelbſt zu gefährden; faſt alle aber büßen früher oder ſpäter ihren Eifer mit dem Leben: ſie werden zu kühn und verſehen ſich doch einmal. Bennett erzählt, daß ein Hund, welcher gewohnt war, Schlangen zu tödten, eines Tages längere Zeit mit einer Schwarzotter kämpfte, welche bis auf den Kopf unter Reißig verborgen war, endlich zuſprang, ſie packte und auch im Nu abfing, dabei aber doch zwei Biſſe von ihr erhielt, einen in die Zunge, den anderen in das Vorderbein. Das Ergebniß war, daß das arme Thier, faſt unmittelbar darauf in Krämpfe verfiel, daß alle ſeine Glieder anſchwollen, der Mund und die Zunge ſchwarz wurden, und der Tod nach ungefähr zwanzig Minuten unter fürchterlichen Zuckungen erfolgte. Der Hund, berühmt als Schlangentödter, war bis dahin glücklich jeder Gefahr entronnen, hatte aber freilich bisher auch nur im offenen Felde mit ſeinen gefährlichen Feinden gekämpft. Alte Waldhunde ſtellen die Schlangen, bleiben in einer ehrſurchtsvollen, gewiſſen Entfernung ſtehen und bellen ſo lange bis der Jäger zur Stelle kommt. Die ſchwarzen Ureinwohner Neuhollands behaupten, daß der Biß unſerer Schlange dem Menſchen ſelten tödtlich wird, und in der That erinnert ſich Bennett einzelner Fälle, daß Leute, welche von ihr gebiſſen wurden, ohne Anwendung irgend welcher Heilmittel wieder genaſen. Trotz- dem ſteht ſoviel feſt, daß der Biß ſtets die bedenklichſten Folgen hat. „Ein Anſiedler am Clarence- fluſſe“, ſo berichtet unſer Forſcher, „welcher erfahren hatte, daß eine Schwarzotter ſich in ſeinem Hauſe befand, machte ſich, mit einem Stocke bewaſſnet, auf, um ſie zu tödten, verfuhr jedoch ungeſchickt und wurde in den Fuß gebiſſen. Die Folgen des Biſſes zeigten ſich zunächſt in einer auffallenden Abſpannung und Schläfrigkeit des Verwundeten. Man wandte Salmiakgeiſt innerlich und äußerlich an, machte Einſchnitte an der wunden Stelle, legte einen feſten Verband an und ließ ihn umhergehen, trotzdem er das größte Verlangen zum Schlafen kund gab, überhaupt ſich benahm, als ob er mit Opium vergiftet worden wäre. Stundenlang hielt derſelbe Zuſtand an, bis der Mann nach und nach ſich erholte. Die Schwarzen behandeln einen Gebiſſenen ganz in ähnlicher Weiſe. Nachdem ſie die Wunde ausgeſaugt haben, zwingen ſie den Leidenden umherzulaufen, um ihn, wie ſie ſagen, vom Schlafen abzuhalten und den Wirkungen des Giftes dadurch zu begegnen. Nebenbei widmen ſie übrigens auch der Wunde beſondere Aufmerkſamkeit, indem ſie dieſelbe entweder ausbrennen oder Einſchnitte machen und ſtundenlang eine Blutung unterhalten.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/284>, abgerufen am 21.12.2024.