Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Gelbgrüne Natter. Balkennatter.
Schwanzspitze fortziehen. Bei vielen Stücken herrscht anstatt des Grün der Oberseite ein schönes
Grüngelb vor, und die Unterseite sieht dann kanariengelb aus. Bei den Jungen ist die Oberseite
olivenbraun und ungefleckt, bei einer gewissen Spielart fast vollständig schwarz, der Bauch in der Mitte
strohgelb, die Unterseite des Schwanzes, wie die Flanke stahlblau. Letztere Spielart hat man
Zamenis carbonaria genannt.

Die grüngelbe Natter verbreitet sich über einen großen Theil Südenropas und soll, nach
Leunis, sogar am Rheine vorkommen. Mit Bestimmtheit wird sie überall jenseits der Alpen
gefunden, in Frankreich in der Bretagne, Bourgogne und sonst im Süden des Landes, in Jtalien,
Sardinien und wahrscheinlich überall auf der Balkaninsel. Jn der Umgegend von Rom ist sie sehr
häufig, kommt auch in unmittelbarer Nähe der Stadt vor und dringt gar nicht selten in die inneren
Gärten ein; in Dalmatien tritt sie, laut Erber, häufiger als jede andere Schlange auf; in der
Levante hat man sie ebenfalls beobachtet. Jhren Aufenthalt wählt sie in Gebüschen neben Zäunen
oder in altem Gemäuer und in Steinhaufen bebaueter Gegenden, vorzüglich da, wo die Oertlichkeit
etwas feucht ist. Die Nahrung besteht, laut Erber, aus Eidechsen und Mäusen, wahrscheinlich
aber auch aus anderen Schlangen, da man in der Gefangenschaft beobachtete, daß sie solchen gefährlich
wird. Jedenfalls scheint sie Kriechthiere den Mäusen vorzuziehen: Effeldt erfuhr, daß sie,
gefangen, nur Eidechsen zu sich nahm, und Erber wie Metaxa lernten sie als Schlangenräuberin
kennen. Metaxa hielt eine gelbgrüne Natter mit anderen in einem und demselben Käfige zusammen,
mußte aber zu seinem Leidwesen wahrnehmen, daß erstere zwei ihrer Gefährten verschlang, unter
diesen ihre eigene Art. Sie wurde betroffen, als sie das zweite Opfer schon halb verschlungen hatte,
selbstverständlich gestört und veranlaßt, die Beute wieder von sich zu speien. Letztere kam lebend
und unversehrt wieder hervor; aber auch die erstgefressene Schlange, welche man nach Tödtung ihrer
Räuberin aus deren Magen hervorzog, war noch halb lebendig. Erber mußte zu seinem Schmerze
erleben, daß ihm eine unserer Nattern die seltenere Katzenschlange auffraß. Es scheint also, daß jene
im Freileben den Schaden, welchen sie durch Aufzehren von Eidechsen anrichtet, durch Vernichtung
von Schlangen wieder ausgleicht.

Unter den ungiftigen Schlangen Europas gilt die gelbgrüne Natter als die bissigste und lebhafteste.
Nach dem Fänger beißt sie regelmäßig, und auch der Pfleger, an welchen sie sich gewöhnt zu haben
scheint, darf sich ihr nur behutsam nähern, weil er vor ihren, glücklicherweise ganz unschädlichen Bissen
niemals sicher ist. Nach und nach wird sie allerdings zahm; bei uns zu Lande erlebt man aber selten
diese Freude, weil der Winter gewöhnlich ihren Tod herbeiführt.

Eine Verwandte, nach Ansicht einiger Naturforscher nur eine Spielart der gelbgrünen Natter,
wegen ihrer streifigen Zeichnung Balkennatter (Zamenis trabalis) genannt, scheint diese im Osten
zu vertreten oder zu ersetzen, ist jedoch neuerdings von Erber auch auf den griechischen Jnseln Korfu
und Tino aufgefunden worden. Sie gehört zu den größeren europäischen Schlangen; denn sie erreicht
nach Pallas eine Länge von 5 Fuß und darüber. Färbung und Zeichnung wechseln manchfach ab;
jedoch zeigt die Oberseite in der Regel achtzehn braune und gelbe Streifen, da die Schuppen in der
Mitte gelb, am Rande aber braun aussehen und in achtzehn, höchstens neunzehn Reihen stehen,
welche sich gegen die Schwanzspitze hin bis auf acht vermindern; die Unterseite ist gelb, an den
Seiten zuweilen roth angeflogen; die Ränder der Schilder sehen gewöhnlich lichter aus als die Mitte.

Die Balkennatter wurde von Jwan im südlichen Rußland entdeckt und im Jahre 1769
beschrieben und abgebildet, ihre Lebensweise zuerst durch Pallas geschildert. Man findet sie nach
diesem ausgezeichneten Forscher in der ganzen Tartarei vom Djnepr an bis zum kaspischen Meere
und zwar vorzugsweise in den heißesten und trockensten Ebenen, woselbst sie sich in den von
Mäusen und Springmäusen herrührenden Bauten ansiedelt. Bei Annäherung eines Menschen pflegt
sie sich zurückzuziehen; ein Pferd aber und ebenso den Reiter fürchtet sie weniger; ja, wenn sie dieser
überrascht, benimmt sie sich zuweilen sogar nach Art der Vipern, indem sie sich in den Teller

Gelbgrüne Natter. Balkennatter.
Schwanzſpitze fortziehen. Bei vielen Stücken herrſcht anſtatt des Grün der Oberſeite ein ſchönes
Grüngelb vor, und die Unterſeite ſieht dann kanariengelb aus. Bei den Jungen iſt die Oberſeite
olivenbraun und ungefleckt, bei einer gewiſſen Spielart faſt vollſtändig ſchwarz, der Bauch in der Mitte
ſtrohgelb, die Unterſeite des Schwanzes, wie die Flanke ſtahlblau. Letztere Spielart hat man
Zamenis carbonaria genannt.

Die grüngelbe Natter verbreitet ſich über einen großen Theil Südenropas und ſoll, nach
Leunis, ſogar am Rheine vorkommen. Mit Beſtimmtheit wird ſie überall jenſeits der Alpen
gefunden, in Frankreich in der Bretagne, Bourgogne und ſonſt im Süden des Landes, in Jtalien,
Sardinien und wahrſcheinlich überall auf der Balkaninſel. Jn der Umgegend von Rom iſt ſie ſehr
häufig, kommt auch in unmittelbarer Nähe der Stadt vor und dringt gar nicht ſelten in die inneren
Gärten ein; in Dalmatien tritt ſie, laut Erber, häufiger als jede andere Schlange auf; in der
Levante hat man ſie ebenfalls beobachtet. Jhren Aufenthalt wählt ſie in Gebüſchen neben Zäunen
oder in altem Gemäuer und in Steinhaufen bebaueter Gegenden, vorzüglich da, wo die Oertlichkeit
etwas feucht iſt. Die Nahrung beſteht, laut Erber, aus Eidechſen und Mäuſen, wahrſcheinlich
aber auch aus anderen Schlangen, da man in der Gefangenſchaft beobachtete, daß ſie ſolchen gefährlich
wird. Jedenfalls ſcheint ſie Kriechthiere den Mäuſen vorzuziehen: Effeldt erfuhr, daß ſie,
gefangen, nur Eidechſen zu ſich nahm, und Erber wie Metaxa lernten ſie als Schlangenräuberin
kennen. Metaxa hielt eine gelbgrüne Natter mit anderen in einem und demſelben Käfige zuſammen,
mußte aber zu ſeinem Leidweſen wahrnehmen, daß erſtere zwei ihrer Gefährten verſchlang, unter
dieſen ihre eigene Art. Sie wurde betroffen, als ſie das zweite Opfer ſchon halb verſchlungen hatte,
ſelbſtverſtändlich geſtört und veranlaßt, die Beute wieder von ſich zu ſpeien. Letztere kam lebend
und unverſehrt wieder hervor; aber auch die erſtgefreſſene Schlange, welche man nach Tödtung ihrer
Räuberin aus deren Magen hervorzog, war noch halb lebendig. Erber mußte zu ſeinem Schmerze
erleben, daß ihm eine unſerer Nattern die ſeltenere Katzenſchlange auffraß. Es ſcheint alſo, daß jene
im Freileben den Schaden, welchen ſie durch Aufzehren von Eidechſen anrichtet, durch Vernichtung
von Schlangen wieder ausgleicht.

Unter den ungiftigen Schlangen Europas gilt die gelbgrüne Natter als die biſſigſte und lebhafteſte.
Nach dem Fänger beißt ſie regelmäßig, und auch der Pfleger, an welchen ſie ſich gewöhnt zu haben
ſcheint, darf ſich ihr nur behutſam nähern, weil er vor ihren, glücklicherweiſe ganz unſchädlichen Biſſen
niemals ſicher iſt. Nach und nach wird ſie allerdings zahm; bei uns zu Lande erlebt man aber ſelten
dieſe Freude, weil der Winter gewöhnlich ihren Tod herbeiführt.

Eine Verwandte, nach Anſicht einiger Naturforſcher nur eine Spielart der gelbgrünen Natter,
wegen ihrer ſtreifigen Zeichnung Balkennatter (Zamenis trabalis) genannt, ſcheint dieſe im Oſten
zu vertreten oder zu erſetzen, iſt jedoch neuerdings von Erber auch auf den griechiſchen Jnſeln Korfu
und Tino aufgefunden worden. Sie gehört zu den größeren europäiſchen Schlangen; denn ſie erreicht
nach Pallas eine Länge von 5 Fuß und darüber. Färbung und Zeichnung wechſeln manchfach ab;
jedoch zeigt die Oberſeite in der Regel achtzehn braune und gelbe Streifen, da die Schuppen in der
Mitte gelb, am Rande aber braun ausſehen und in achtzehn, höchſtens neunzehn Reihen ſtehen,
welche ſich gegen die Schwanzſpitze hin bis auf acht vermindern; die Unterſeite iſt gelb, an den
Seiten zuweilen roth angeflogen; die Ränder der Schilder ſehen gewöhnlich lichter aus als die Mitte.

Die Balkennatter wurde von Jwan im ſüdlichen Rußland entdeckt und im Jahre 1769
beſchrieben und abgebildet, ihre Lebensweiſe zuerſt durch Pallas geſchildert. Man findet ſie nach
dieſem ausgezeichneten Forſcher in der ganzen Tartarei vom Djnepr an bis zum kaspiſchen Meere
und zwar vorzugsweiſe in den heißeſten und trockenſten Ebenen, woſelbſt ſie ſich in den von
Mäuſen und Springmäuſen herrührenden Bauten anſiedelt. Bei Annäherung eines Menſchen pflegt
ſie ſich zurückzuziehen; ein Pferd aber und ebenſo den Reiter fürchtet ſie weniger; ja, wenn ſie dieſer
überraſcht, benimmt ſie ſich zuweilen ſogar nach Art der Vipern, indem ſie ſich in den Teller

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0259" n="237"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Gelbgrüne Natter. Balkennatter</hi>.</fw><lb/>
Schwanz&#x017F;pitze fortziehen. Bei vielen Stücken herr&#x017F;cht an&#x017F;tatt des Grün der Ober&#x017F;eite ein &#x017F;chönes<lb/>
Grüngelb vor, und die Unter&#x017F;eite &#x017F;ieht dann kanariengelb aus. Bei den Jungen i&#x017F;t die Ober&#x017F;eite<lb/>
olivenbraun und ungefleckt, bei einer gewi&#x017F;&#x017F;en Spielart fa&#x017F;t voll&#x017F;tändig &#x017F;chwarz, der Bauch in der Mitte<lb/>
&#x017F;trohgelb, die Unter&#x017F;eite des Schwanzes, wie die Flanke &#x017F;tahlblau. Letztere Spielart hat man<lb/><hi rendition="#aq">Zamenis carbonaria</hi> genannt.</p><lb/>
          <p>Die grüngelbe Natter verbreitet &#x017F;ich über einen großen Theil Südenropas und &#x017F;oll, nach<lb/><hi rendition="#g">Leunis</hi>, &#x017F;ogar am Rheine vorkommen. Mit Be&#x017F;timmtheit wird &#x017F;ie überall jen&#x017F;eits der Alpen<lb/>
gefunden, in Frankreich in der Bretagne, Bourgogne und &#x017F;on&#x017F;t im Süden des Landes, in Jtalien,<lb/>
Sardinien und wahr&#x017F;cheinlich überall auf der Balkanin&#x017F;el. Jn der Umgegend von Rom i&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;ehr<lb/>
häufig, kommt auch in unmittelbarer Nähe der Stadt vor und dringt gar nicht &#x017F;elten in die inneren<lb/>
Gärten ein; in Dalmatien tritt &#x017F;ie, laut <hi rendition="#g">Erber</hi>, häufiger als jede andere Schlange auf; in der<lb/>
Levante hat man &#x017F;ie ebenfalls beobachtet. Jhren Aufenthalt wählt &#x017F;ie in Gebü&#x017F;chen neben Zäunen<lb/>
oder in altem Gemäuer und in Steinhaufen bebaueter Gegenden, vorzüglich da, wo die Oertlichkeit<lb/>
etwas feucht i&#x017F;t. Die Nahrung be&#x017F;teht, laut <hi rendition="#g">Erber</hi>, aus Eidech&#x017F;en und Mäu&#x017F;en, wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
aber auch aus anderen Schlangen, da man in der Gefangen&#x017F;chaft beobachtete, daß &#x017F;ie &#x017F;olchen gefährlich<lb/>
wird. Jedenfalls &#x017F;cheint &#x017F;ie Kriechthiere den Mäu&#x017F;en vorzuziehen: <hi rendition="#g">Effeldt</hi> erfuhr, daß &#x017F;ie,<lb/>
gefangen, nur Eidech&#x017F;en zu &#x017F;ich nahm, und <hi rendition="#g">Erber</hi> wie <hi rendition="#g">Metaxa</hi> lernten &#x017F;ie als Schlangenräuberin<lb/>
kennen. <hi rendition="#g">Metaxa</hi> hielt eine gelbgrüne Natter mit anderen in einem und dem&#x017F;elben Käfige zu&#x017F;ammen,<lb/>
mußte aber zu &#x017F;einem Leidwe&#x017F;en wahrnehmen, daß er&#x017F;tere zwei ihrer Gefährten ver&#x017F;chlang, unter<lb/>
die&#x017F;en ihre eigene Art. Sie wurde betroffen, als &#x017F;ie das zweite Opfer &#x017F;chon halb ver&#x017F;chlungen hatte,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich ge&#x017F;tört und veranlaßt, die Beute wieder von &#x017F;ich zu &#x017F;peien. Letztere kam lebend<lb/>
und unver&#x017F;ehrt wieder hervor; aber auch die er&#x017F;tgefre&#x017F;&#x017F;ene Schlange, welche man nach Tödtung ihrer<lb/>
Räuberin aus deren Magen hervorzog, war noch halb lebendig. <hi rendition="#g">Erber</hi> mußte zu &#x017F;einem Schmerze<lb/>
erleben, daß ihm eine un&#x017F;erer Nattern die &#x017F;eltenere Katzen&#x017F;chlange auffraß. Es &#x017F;cheint al&#x017F;o, daß jene<lb/>
im Freileben den Schaden, welchen &#x017F;ie durch Aufzehren von Eidech&#x017F;en anrichtet, durch Vernichtung<lb/>
von Schlangen wieder ausgleicht.</p><lb/>
          <p>Unter den ungiftigen Schlangen Europas gilt die gelbgrüne Natter als die bi&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;te und lebhafte&#x017F;te.<lb/>
Nach dem Fänger beißt &#x017F;ie regelmäßig, und auch der Pfleger, an welchen &#x017F;ie &#x017F;ich gewöhnt zu haben<lb/>
&#x017F;cheint, darf &#x017F;ich ihr nur behut&#x017F;am nähern, weil er vor ihren, glücklicherwei&#x017F;e ganz un&#x017F;chädlichen Bi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
niemals &#x017F;icher i&#x017F;t. Nach und nach wird &#x017F;ie allerdings zahm; bei uns zu Lande erlebt man aber &#x017F;elten<lb/>
die&#x017F;e Freude, weil der Winter gewöhnlich ihren Tod herbeiführt.</p><lb/>
          <p>Eine Verwandte, nach An&#x017F;icht einiger Naturfor&#x017F;cher nur eine Spielart der gelbgrünen Natter,<lb/>
wegen ihrer &#x017F;treifigen Zeichnung <hi rendition="#g">Balkennatter</hi> <hi rendition="#aq">(Zamenis trabalis)</hi> genannt, &#x017F;cheint die&#x017F;e im O&#x017F;ten<lb/>
zu vertreten oder zu er&#x017F;etzen, i&#x017F;t jedoch neuerdings von <hi rendition="#g">Erber</hi> auch auf den griechi&#x017F;chen Jn&#x017F;eln Korfu<lb/>
und Tino aufgefunden worden. Sie gehört zu den größeren europäi&#x017F;chen Schlangen; denn &#x017F;ie erreicht<lb/>
nach <hi rendition="#g">Pallas</hi> eine Länge von 5 Fuß und darüber. Färbung und Zeichnung wech&#x017F;eln manchfach ab;<lb/>
jedoch zeigt die Ober&#x017F;eite in der Regel achtzehn braune und gelbe Streifen, da die Schuppen in der<lb/>
Mitte gelb, am Rande aber braun aus&#x017F;ehen und in achtzehn, höch&#x017F;tens neunzehn Reihen &#x017F;tehen,<lb/>
welche &#x017F;ich gegen die Schwanz&#x017F;pitze hin bis auf acht vermindern; die Unter&#x017F;eite i&#x017F;t gelb, an den<lb/>
Seiten zuweilen roth angeflogen; die Ränder der Schilder &#x017F;ehen gewöhnlich lichter aus als die Mitte.</p><lb/>
          <p>Die Balkennatter wurde von <hi rendition="#g">Jwan</hi> im &#x017F;üdlichen Rußland entdeckt und im Jahre 1769<lb/>
be&#x017F;chrieben und abgebildet, ihre Lebenswei&#x017F;e zuer&#x017F;t durch <hi rendition="#g">Pallas</hi> ge&#x017F;childert. Man findet &#x017F;ie nach<lb/>
die&#x017F;em ausgezeichneten For&#x017F;cher in der ganzen Tartarei vom Djnepr an bis zum kaspi&#x017F;chen Meere<lb/>
und zwar vorzugswei&#x017F;e in den heiße&#x017F;ten und trocken&#x017F;ten Ebenen, wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;ich in den von<lb/>
Mäu&#x017F;en und Springmäu&#x017F;en herrührenden Bauten an&#x017F;iedelt. Bei Annäherung eines Men&#x017F;chen pflegt<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich zurückzuziehen; ein Pferd aber und eben&#x017F;o den Reiter fürchtet &#x017F;ie weniger; ja, wenn &#x017F;ie die&#x017F;er<lb/>
überra&#x017F;cht, benimmt &#x017F;ie &#x017F;ich zuweilen &#x017F;ogar nach Art der Vipern, indem &#x017F;ie &#x017F;ich in den Teller<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0259] Gelbgrüne Natter. Balkennatter. Schwanzſpitze fortziehen. Bei vielen Stücken herrſcht anſtatt des Grün der Oberſeite ein ſchönes Grüngelb vor, und die Unterſeite ſieht dann kanariengelb aus. Bei den Jungen iſt die Oberſeite olivenbraun und ungefleckt, bei einer gewiſſen Spielart faſt vollſtändig ſchwarz, der Bauch in der Mitte ſtrohgelb, die Unterſeite des Schwanzes, wie die Flanke ſtahlblau. Letztere Spielart hat man Zamenis carbonaria genannt. Die grüngelbe Natter verbreitet ſich über einen großen Theil Südenropas und ſoll, nach Leunis, ſogar am Rheine vorkommen. Mit Beſtimmtheit wird ſie überall jenſeits der Alpen gefunden, in Frankreich in der Bretagne, Bourgogne und ſonſt im Süden des Landes, in Jtalien, Sardinien und wahrſcheinlich überall auf der Balkaninſel. Jn der Umgegend von Rom iſt ſie ſehr häufig, kommt auch in unmittelbarer Nähe der Stadt vor und dringt gar nicht ſelten in die inneren Gärten ein; in Dalmatien tritt ſie, laut Erber, häufiger als jede andere Schlange auf; in der Levante hat man ſie ebenfalls beobachtet. Jhren Aufenthalt wählt ſie in Gebüſchen neben Zäunen oder in altem Gemäuer und in Steinhaufen bebaueter Gegenden, vorzüglich da, wo die Oertlichkeit etwas feucht iſt. Die Nahrung beſteht, laut Erber, aus Eidechſen und Mäuſen, wahrſcheinlich aber auch aus anderen Schlangen, da man in der Gefangenſchaft beobachtete, daß ſie ſolchen gefährlich wird. Jedenfalls ſcheint ſie Kriechthiere den Mäuſen vorzuziehen: Effeldt erfuhr, daß ſie, gefangen, nur Eidechſen zu ſich nahm, und Erber wie Metaxa lernten ſie als Schlangenräuberin kennen. Metaxa hielt eine gelbgrüne Natter mit anderen in einem und demſelben Käfige zuſammen, mußte aber zu ſeinem Leidweſen wahrnehmen, daß erſtere zwei ihrer Gefährten verſchlang, unter dieſen ihre eigene Art. Sie wurde betroffen, als ſie das zweite Opfer ſchon halb verſchlungen hatte, ſelbſtverſtändlich geſtört und veranlaßt, die Beute wieder von ſich zu ſpeien. Letztere kam lebend und unverſehrt wieder hervor; aber auch die erſtgefreſſene Schlange, welche man nach Tödtung ihrer Räuberin aus deren Magen hervorzog, war noch halb lebendig. Erber mußte zu ſeinem Schmerze erleben, daß ihm eine unſerer Nattern die ſeltenere Katzenſchlange auffraß. Es ſcheint alſo, daß jene im Freileben den Schaden, welchen ſie durch Aufzehren von Eidechſen anrichtet, durch Vernichtung von Schlangen wieder ausgleicht. Unter den ungiftigen Schlangen Europas gilt die gelbgrüne Natter als die biſſigſte und lebhafteſte. Nach dem Fänger beißt ſie regelmäßig, und auch der Pfleger, an welchen ſie ſich gewöhnt zu haben ſcheint, darf ſich ihr nur behutſam nähern, weil er vor ihren, glücklicherweiſe ganz unſchädlichen Biſſen niemals ſicher iſt. Nach und nach wird ſie allerdings zahm; bei uns zu Lande erlebt man aber ſelten dieſe Freude, weil der Winter gewöhnlich ihren Tod herbeiführt. Eine Verwandte, nach Anſicht einiger Naturforſcher nur eine Spielart der gelbgrünen Natter, wegen ihrer ſtreifigen Zeichnung Balkennatter (Zamenis trabalis) genannt, ſcheint dieſe im Oſten zu vertreten oder zu erſetzen, iſt jedoch neuerdings von Erber auch auf den griechiſchen Jnſeln Korfu und Tino aufgefunden worden. Sie gehört zu den größeren europäiſchen Schlangen; denn ſie erreicht nach Pallas eine Länge von 5 Fuß und darüber. Färbung und Zeichnung wechſeln manchfach ab; jedoch zeigt die Oberſeite in der Regel achtzehn braune und gelbe Streifen, da die Schuppen in der Mitte gelb, am Rande aber braun ausſehen und in achtzehn, höchſtens neunzehn Reihen ſtehen, welche ſich gegen die Schwanzſpitze hin bis auf acht vermindern; die Unterſeite iſt gelb, an den Seiten zuweilen roth angeflogen; die Ränder der Schilder ſehen gewöhnlich lichter aus als die Mitte. Die Balkennatter wurde von Jwan im ſüdlichen Rußland entdeckt und im Jahre 1769 beſchrieben und abgebildet, ihre Lebensweiſe zuerſt durch Pallas geſchildert. Man findet ſie nach dieſem ausgezeichneten Forſcher in der ganzen Tartarei vom Djnepr an bis zum kaspiſchen Meere und zwar vorzugsweiſe in den heißeſten und trockenſten Ebenen, woſelbſt ſie ſich in den von Mäuſen und Springmäuſen herrührenden Bauten anſiedelt. Bei Annäherung eines Menſchen pflegt ſie ſich zurückzuziehen; ein Pferd aber und ebenſo den Reiter fürchtet ſie weniger; ja, wenn ſie dieſer überraſcht, benimmt ſie ſich zuweilen ſogar nach Art der Vipern, indem ſie ſich in den Teller

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/259
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/259>, abgerufen am 21.12.2024.