habe", sagt Lenz, "wenn ich sie auf einem Baume bemerkte, mir das Vergnügen gemacht, sie recht hoch hinaufzutreiben. Kann sie nicht mehr weiter, so schlängelt sie sich schnell an den Aesten herab oder geht, wenn es möglich ist, auf den nächststehenden Baum über und steigt durch dessen Zweige hernieder; sind aber die untersten Aeste fern vom Boden, so sucht sie nicht am Stamme herabzugleiten, sondern plumpt herab und entwischt."
Man nennt die Ringelnatter ein gutmüthiges Thier, weil sie dem Menschen gegenüber nur äußerst selten von ihrem Gebisse Gebrauch macht und mit anderen Schlangen oder Kriechthieren überhaupt oder auch mit Lurchen sich in der Freiheit und Gefangenschaft gut verträgt, mit Lurchen mindestens, so lange sie nicht hungrig ist. Gegen Raubsäugethiere und Raubvögel stellt sie sich allerdings zischend zur Wehre, versucht auch wohl zu beißen; wenn es aber angeht, entflieht sie vor solchen ihr gefährlich dünkenden Geschöpfen jedesmal, namentlich vor denjenigen, welche sie ver- folgen und verzehren. Linck nennt sie ein so friedliches, harmloses Geschöpf, "daß man sich versucht fühlen könnte, das arglose Vertrauen, mit welchem sie sich in die Nähe menschlicher Wohnungen wagt, auf Rechnung einer Art guten Gewissens zu setzen.... Der Mensch zumal hat Nichts von ihrem Gebisse zu befahren und darf ohne Furcht die Hand nach ihr ausstrecken, sie greifen, ja, wenn er will, am Busen tragen. Es fehlt ihr keineswegs an Muth zu ihrer Vertheidigung; man muß jedoch zur List greifen und sie unversehens und von hinten anfassen, um sie zum Beißen zu bringen". Zu ihrer Vertheidigung gegen den Menschen bedient sie sich nur ihres überaus stinkenden Unraths; großen Thieren, Raubvögeln und Raben gegenüber zeigt sie sich weit boshafter, zischt bei deren Annäherung sehr stark und beißt nach ihnen hin, erreicht aber nur selten ihren Feind. "Nie habe ich geseben", sagt Lenz, "daß sie solchen Feinden wirklich einen kräftigen Biß beigebracht hätte, obgleich sie im Stande ist, einige Tage hintereinander, wenn sie mit dem Feinde eingesperrt wurde, unaufhörlich zusammengeringelt und aufgeblasen dazuliegen und jedesmal bei seiner Annäherung zu beißen. Wird sie von dem Feinde, sei er ein Vogel oder ein Säugethier, wirklich gepackt, so wehrt sie sich nicht, sondern zischt nur stark, sucht sich loszumachen oder umwindet den Feind und läßt Mist und Stink- saft zur Vertheidigung los." Erzählungen, welche das Gegentheil der Beobachtungen unseres Lenz zu beweisen scheinen, habe ich übrigens auch vernommen; so berichtete mir ein sonst glaubwürdiger Forstmann, daß eine sehr große Ringelnatter sich um den Hals seines Hundes geschlungen und diesen fast erdrosselt habe, -- eine Angabe, welche mit einer Mittheilung Tschudi's sehr wohl überein- stimmt. "Wie sich dieses unwehrhafte Thier zu vertheidigen weiß", erzählt er, "zeigte im Mai 1864 ein merkwürdiges Beispiel. Das Männchen des auf dem Kirchthurme von Benken brütenden Storch- paares sing im nahen Riede eine starke Natter, welche es wahrscheinlich seiner Gattin zutragen wollte; die verwundete Natter aber schlang sich so fest um den Hals ihres Feindes, daß sie ihn erwürgte. Man fand den todten Storch von der Natter noch eng umstrickt." Für unmöglich möchte ich diese Angaben nicht erklären, Gewicht aber kann ich ihnen unmöglich beilegen, und die Regel vermögen sie nicht umzustoßen.
Die bevorzugte Beute der Ringelnatter besteht in Fröschen, und zwar stellt sie hauptsächlich den Landfröschen (Rana oxyrhinus und Rana platyrhinus) nach. Den Beobachtungen unseres Lenz zu Folge, scheint sie den Laubfrosch jedem anderen vorzuziehen, wenigstens hat man frischgefangene, welche andere Frösche verschmähten, durch vorgehaltene Laubfrösche öfters zum Fressen gebracht. Zu solcher Leckerei gelangt sie im Freileben aber nur während der Paarungszeit der Laubfrösche, welche sie auf den Boden hinabführt, und für gewöhnlich mögen wohl Thau- und Grasfrösche dasjenige Wild bilden, welches sie mit Leichtigkeit und regelmäßig erbeutet. Effeldt's Beobachtung, daß die Wassernattern vor dem grünen Wasserfrosche zurückschaudern, bei großem Hunger zwar anbeißen, ihn aber nicht fressen, gilt wenigstens für die Ringelnatter nur bedingungsweise: sie habe ich mehr als einmal Wasserfrösche verschlingen sehen. Wenn sie Frösche nicht zur Genüge hat, vergreift sie sich auch an Landeidechsen und ebenso an Kröten; erstere findet man jedoch selten in ihrem Magen, wahr- scheinlich weil sie zu schnell sind, und letztere verzehrt sie wohl nur bei sehr großem Hunger. Dagegen
Ringelnatter.
habe“, ſagt Lenz, „wenn ich ſie auf einem Baume bemerkte, mir das Vergnügen gemacht, ſie recht hoch hinaufzutreiben. Kann ſie nicht mehr weiter, ſo ſchlängelt ſie ſich ſchnell an den Aeſten herab oder geht, wenn es möglich iſt, auf den nächſtſtehenden Baum über und ſteigt durch deſſen Zweige hernieder; ſind aber die unterſten Aeſte fern vom Boden, ſo ſucht ſie nicht am Stamme herabzugleiten, ſondern plumpt herab und entwiſcht.“
Man nennt die Ringelnatter ein gutmüthiges Thier, weil ſie dem Menſchen gegenüber nur äußerſt ſelten von ihrem Gebiſſe Gebrauch macht und mit anderen Schlangen oder Kriechthieren überhaupt oder auch mit Lurchen ſich in der Freiheit und Gefangenſchaft gut verträgt, mit Lurchen mindeſtens, ſo lange ſie nicht hungrig iſt. Gegen Raubſäugethiere und Raubvögel ſtellt ſie ſich allerdings ziſchend zur Wehre, verſucht auch wohl zu beißen; wenn es aber angeht, entflieht ſie vor ſolchen ihr gefährlich dünkenden Geſchöpfen jedesmal, namentlich vor denjenigen, welche ſie ver- folgen und verzehren. Linck nennt ſie ein ſo friedliches, harmloſes Geſchöpf, „daß man ſich verſucht fühlen könnte, das argloſe Vertrauen, mit welchem ſie ſich in die Nähe menſchlicher Wohnungen wagt, auf Rechnung einer Art guten Gewiſſens zu ſetzen.... Der Menſch zumal hat Nichts von ihrem Gebiſſe zu befahren und darf ohne Furcht die Hand nach ihr ausſtrecken, ſie greifen, ja, wenn er will, am Buſen tragen. Es fehlt ihr keineswegs an Muth zu ihrer Vertheidigung; man muß jedoch zur Liſt greifen und ſie unverſehens und von hinten anfaſſen, um ſie zum Beißen zu bringen“. Zu ihrer Vertheidigung gegen den Menſchen bedient ſie ſich nur ihres überaus ſtinkenden Unraths; großen Thieren, Raubvögeln und Raben gegenüber zeigt ſie ſich weit boshafter, ziſcht bei deren Annäherung ſehr ſtark und beißt nach ihnen hin, erreicht aber nur ſelten ihren Feind. „Nie habe ich geſeben“, ſagt Lenz, „daß ſie ſolchen Feinden wirklich einen kräftigen Biß beigebracht hätte, obgleich ſie im Stande iſt, einige Tage hintereinander, wenn ſie mit dem Feinde eingeſperrt wurde, unaufhörlich zuſammengeringelt und aufgeblaſen dazuliegen und jedesmal bei ſeiner Annäherung zu beißen. Wird ſie von dem Feinde, ſei er ein Vogel oder ein Säugethier, wirklich gepackt, ſo wehrt ſie ſich nicht, ſondern ziſcht nur ſtark, ſucht ſich loszumachen oder umwindet den Feind und läßt Miſt und Stink- ſaft zur Vertheidigung los.“ Erzählungen, welche das Gegentheil der Beobachtungen unſeres Lenz zu beweiſen ſcheinen, habe ich übrigens auch vernommen; ſo berichtete mir ein ſonſt glaubwürdiger Forſtmann, daß eine ſehr große Ringelnatter ſich um den Hals ſeines Hundes geſchlungen und dieſen faſt erdroſſelt habe, — eine Angabe, welche mit einer Mittheilung Tſchudi’s ſehr wohl überein- ſtimmt. „Wie ſich dieſes unwehrhafte Thier zu vertheidigen weiß“, erzählt er, „zeigte im Mai 1864 ein merkwürdiges Beiſpiel. Das Männchen des auf dem Kirchthurme von Benken brütenden Storch- paares ſing im nahen Riede eine ſtarke Natter, welche es wahrſcheinlich ſeiner Gattin zutragen wollte; die verwundete Natter aber ſchlang ſich ſo feſt um den Hals ihres Feindes, daß ſie ihn erwürgte. Man fand den todten Storch von der Natter noch eng umſtrickt.“ Für unmöglich möchte ich dieſe Angaben nicht erklären, Gewicht aber kann ich ihnen unmöglich beilegen, und die Regel vermögen ſie nicht umzuſtoßen.
Die bevorzugte Beute der Ringelnatter beſteht in Fröſchen, und zwar ſtellt ſie hauptſächlich den Landfröſchen (Rana oxyrhinus und Rana platyrhinus) nach. Den Beobachtungen unſeres Lenz zu Folge, ſcheint ſie den Laubfroſch jedem anderen vorzuziehen, wenigſtens hat man friſchgefangene, welche andere Fröſche verſchmähten, durch vorgehaltene Laubfröſche öfters zum Freſſen gebracht. Zu ſolcher Leckerei gelangt ſie im Freileben aber nur während der Paarungszeit der Laubfröſche, welche ſie auf den Boden hinabführt, und für gewöhnlich mögen wohl Thau- und Grasfröſche dasjenige Wild bilden, welches ſie mit Leichtigkeit und regelmäßig erbeutet. Effeldt’s Beobachtung, daß die Waſſernattern vor dem grünen Waſſerfroſche zurückſchaudern, bei großem Hunger zwar anbeißen, ihn aber nicht freſſen, gilt wenigſtens für die Ringelnatter nur bedingungsweiſe: ſie habe ich mehr als einmal Waſſerfröſche verſchlingen ſehen. Wenn ſie Fröſche nicht zur Genüge hat, vergreift ſie ſich auch an Landeidechſen und ebenſo an Kröten; erſtere findet man jedoch ſelten in ihrem Magen, wahr- ſcheinlich weil ſie zu ſchnell ſind, und letztere verzehrt ſie wohl nur bei ſehr großem Hunger. Dagegen
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[219/0241]
Ringelnatter.
habe“, ſagt Lenz, „wenn ich ſie auf einem Baume bemerkte, mir das Vergnügen gemacht,
ſie recht hoch hinaufzutreiben. Kann ſie nicht mehr weiter, ſo ſchlängelt ſie ſich ſchnell an den Aeſten
herab oder geht, wenn es möglich iſt, auf den nächſtſtehenden Baum über und ſteigt durch deſſen
Zweige hernieder; ſind aber die unterſten Aeſte fern vom Boden, ſo ſucht ſie nicht am Stamme
herabzugleiten, ſondern plumpt herab und entwiſcht.“
Man nennt die Ringelnatter ein gutmüthiges Thier, weil ſie dem Menſchen gegenüber nur
äußerſt ſelten von ihrem Gebiſſe Gebrauch macht und mit anderen Schlangen oder Kriechthieren
überhaupt oder auch mit Lurchen ſich in der Freiheit und Gefangenſchaft gut verträgt, mit Lurchen
mindeſtens, ſo lange ſie nicht hungrig iſt. Gegen Raubſäugethiere und Raubvögel ſtellt ſie ſich
allerdings ziſchend zur Wehre, verſucht auch wohl zu beißen; wenn es aber angeht, entflieht ſie vor
ſolchen ihr gefährlich dünkenden Geſchöpfen jedesmal, namentlich vor denjenigen, welche ſie ver-
folgen und verzehren. Linck nennt ſie ein ſo friedliches, harmloſes Geſchöpf, „daß man ſich verſucht
fühlen könnte, das argloſe Vertrauen, mit welchem ſie ſich in die Nähe menſchlicher Wohnungen wagt,
auf Rechnung einer Art guten Gewiſſens zu ſetzen.... Der Menſch zumal hat Nichts von ihrem
Gebiſſe zu befahren und darf ohne Furcht die Hand nach ihr ausſtrecken, ſie greifen, ja, wenn er will,
am Buſen tragen. Es fehlt ihr keineswegs an Muth zu ihrer Vertheidigung; man muß jedoch zur
Liſt greifen und ſie unverſehens und von hinten anfaſſen, um ſie zum Beißen zu bringen“. Zu ihrer
Vertheidigung gegen den Menſchen bedient ſie ſich nur ihres überaus ſtinkenden Unraths; großen
Thieren, Raubvögeln und Raben gegenüber zeigt ſie ſich weit boshafter, ziſcht bei deren Annäherung
ſehr ſtark und beißt nach ihnen hin, erreicht aber nur ſelten ihren Feind. „Nie habe ich geſeben“,
ſagt Lenz, „daß ſie ſolchen Feinden wirklich einen kräftigen Biß beigebracht hätte, obgleich ſie im
Stande iſt, einige Tage hintereinander, wenn ſie mit dem Feinde eingeſperrt wurde, unaufhörlich
zuſammengeringelt und aufgeblaſen dazuliegen und jedesmal bei ſeiner Annäherung zu beißen. Wird
ſie von dem Feinde, ſei er ein Vogel oder ein Säugethier, wirklich gepackt, ſo wehrt ſie ſich nicht,
ſondern ziſcht nur ſtark, ſucht ſich loszumachen oder umwindet den Feind und läßt Miſt und Stink-
ſaft zur Vertheidigung los.“ Erzählungen, welche das Gegentheil der Beobachtungen unſeres Lenz
zu beweiſen ſcheinen, habe ich übrigens auch vernommen; ſo berichtete mir ein ſonſt glaubwürdiger
Forſtmann, daß eine ſehr große Ringelnatter ſich um den Hals ſeines Hundes geſchlungen und dieſen
faſt erdroſſelt habe, — eine Angabe, welche mit einer Mittheilung Tſchudi’s ſehr wohl überein-
ſtimmt. „Wie ſich dieſes unwehrhafte Thier zu vertheidigen weiß“, erzählt er, „zeigte im Mai 1864
ein merkwürdiges Beiſpiel. Das Männchen des auf dem Kirchthurme von Benken brütenden Storch-
paares ſing im nahen Riede eine ſtarke Natter, welche es wahrſcheinlich ſeiner Gattin zutragen wollte;
die verwundete Natter aber ſchlang ſich ſo feſt um den Hals ihres Feindes, daß ſie ihn erwürgte.
Man fand den todten Storch von der Natter noch eng umſtrickt.“ Für unmöglich möchte ich
dieſe Angaben nicht erklären, Gewicht aber kann ich ihnen unmöglich beilegen, und die Regel vermögen
ſie nicht umzuſtoßen.
Die bevorzugte Beute der Ringelnatter beſteht in Fröſchen, und zwar ſtellt ſie hauptſächlich den
Landfröſchen (Rana oxyrhinus und Rana platyrhinus) nach. Den Beobachtungen unſeres Lenz zu
Folge, ſcheint ſie den Laubfroſch jedem anderen vorzuziehen, wenigſtens hat man friſchgefangene,
welche andere Fröſche verſchmähten, durch vorgehaltene Laubfröſche öfters zum Freſſen gebracht. Zu
ſolcher Leckerei gelangt ſie im Freileben aber nur während der Paarungszeit der Laubfröſche, welche
ſie auf den Boden hinabführt, und für gewöhnlich mögen wohl Thau- und Grasfröſche dasjenige
Wild bilden, welches ſie mit Leichtigkeit und regelmäßig erbeutet. Effeldt’s Beobachtung, daß die
Waſſernattern vor dem grünen Waſſerfroſche zurückſchaudern, bei großem Hunger zwar anbeißen, ihn
aber nicht freſſen, gilt wenigſtens für die Ringelnatter nur bedingungsweiſe: ſie habe ich mehr als
einmal Waſſerfröſche verſchlingen ſehen. Wenn ſie Fröſche nicht zur Genüge hat, vergreift ſie ſich
auch an Landeidechſen und ebenſo an Kröten; erſtere findet man jedoch ſelten in ihrem Magen, wahr-
ſcheinlich weil ſie zu ſchnell ſind, und letztere verzehrt ſie wohl nur bei ſehr großem Hunger. Dagegen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/241>, abgerufen am 21.12.2024.
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