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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Allgemeines.
hältnißmäßig große Auge zeigt einen länglichen Stern. Die Nasenlöcher öffnen sich nach oben.
Beide Lungen sind ausgebildet.

Alle heißen und wasserreichen Länder der alten und neuen Welt beherbergen Niesenschlangen;
es ist aber nicht unmöglich, daß sie in früheren Zeiten einen größeren Verbreitungskreis hatten als
gegenwärtig. Sie bewohnen vorzugsweise die großen Waldungen, am liebsten und häufigsten solche,
welche von Flüssen durchschnitten oder überhaupt reich an Wasser sind; einzelne Arten von ihnen
kommen jedoch auch in trockenen Gegenden vor. Mehrere Arten sind echte Wasserthiere, welche nur,
um sich zu sonnen und um zu schlafen, die Flüsse, Seen und Sümpfe verlassen, ihre Jagd aber haupt-
sächlich in den Gewässern oder doch am Rande derselben betreiben. Andere scheinen das Wasser zu
meiden und bis zu einem gewissen Grade zu scheuen. Der Bau ihres Auges läßt sie als Nachtthiere
erkennen, die Beobachtung der Gefangenen hierüber keinen Zweifel aufkommen. Allerdings
sieht man die Riesenschlangen in ihren heimischen Wäldern bei Tage sich bewegen und zu dieser Zeit
gelegentlich auch Beute machen; ihre eigentliche Regsamkeit aber beginnt mit Eintritt der Dämmerung
und endet mit anbrechendem Morgen. Hierüber liegen allerdings noch keine Beobachtungen vor,
aus dem sehr einfachen Grunde, weil die von Riesenschlangen bewohnten Gegenden während der
Nacht dem Menschen unzugänglich sind, und auch die Dunkelheit Erforschung des Freilebens erschwert
oder unmöglich macht: an den Gefangenen hingegen bemerkt man bald genug, daß sie vollkommene
Nachtthiere sind. So träge und ruheliebend sie sich übertages zeigen, so munter und lebhaft sind sie
des Nachts. Jetzt erst beginnen sie sich zu bewegen, -- jetzt also würden sie im Freien ihr Gebiet durch-
streifen, jetzt auf Raub ausgehen. Uebertages sieht man sie, in den verschiedensten Stellungen zusammen-
gerollt, der Ruhe pflegen oder der Sonnenwärme sich hingeben. Einzelne wählen sich hierzu Fels-
blöcke, trockene Stellen oder über das Wasser emporragende Aeste, andere erklettern Bäume, wickeln
sich im Gezweige derselben fest, verknäueln sich oder lassen den vorderen Theil ihres Leibes tief herab-
hängen; andere suchen sich eine freie Stelle im Dickichte, auf Felsgesimsen, an den Gehängen und legen
sich hier mehr oder weniger lang gestreckt oder in den sogenannten Teller zusammengerollt, ruhig hin.
Alle bewegen sich so wenig als möglich, eigentlich nur, wenn sie Gefahr fürchten und einer solchen zu
entgehen suchen, oder aber, wenn sie lange vergeblich gejagt haben und nunmehr eine Beute sich ihnen
darbietet. Dann löst sich plötzlich die Verknotung, und das gewaltige Thier stürzt sich mit Auf-
bietung seiner vollen Kraft auf das ersehene Opfer, packt es mit dem immerhin kräftigen Gebisse,
umwindet es, indem es mehrere Ringe seines Leibes bildet, zieht sich zusammen und erstickt es
unfehlbar. Nach einigen Minuten hat auch ein starkes Thier ausgelitten; die Schlange wickelt sich
bedächtig los und beginnt nunmehr das schwierige Geschäft des Verschlingens. Die Schauer-
geschichten, welche erzählt und geglaubt werden, sind unwahr: keine einzige Riesenschlange ist im
Stande, einen Menschen, ein Rind, ein Pferd, einen großen Hirsch zu verschlingen; schon das
Hinabwürgen eines Thieres von der Größe eines Rehes verursacht auch den Riesen dieser Familie
fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Jm höchsten Grade abgeschmackt ist die Angabe, daß die
Riesenschlange größere Thiere nur bewältige, indem sie warte, bis der Theil des Leibes, welchen sie
nicht hinabwürgen kann, in Fäulniß übergegangen, ebenso abgeschmackt die hierauf bezügliche Be-
merkung, daß der Geifer der Schlange eine faulige Zersetzung des thierischen Leibes rasch herbeiführe;
denn man hat keine hierauf bezüglichen Beobachtungen gemacht. Dagegen ist es begründet, daß
auch die Riesenschlange nach reichlich genossener Nahrung in einen Zustand großer Trägheit versinkt
und dann weniger als sonst auf ihre Sicherung Bedacht nimmt. Dies aber gilt, wie bemerkt, für
alle Schlangen überhaupt.

Ueber die Paarung freilebender Niesenschlangen sind, soviel mir bekannt, noch keine eingehenden
Beobachtungen angestellt worden. Man weiß hinsichtlich der Fortpflanzung nur soviel, daß einzelne
Arten Eier legen, aus denen nach geraumer Zeit die Jungen schlüpfen, andere die Eier soweit aus-
tragen, daß die Jungen lebend zur Welt kommen. An Gefangenen hat man wiederholt beobachtet,
daß die Mutter sich ihrer Eier in einem gewissen Grade annimmt, sie mit ihrem Leibe bedeckt und so

13 *

Allgemeines.
hältnißmäßig große Auge zeigt einen länglichen Stern. Die Naſenlöcher öffnen ſich nach oben.
Beide Lungen ſind ausgebildet.

Alle heißen und waſſerreichen Länder der alten und neuen Welt beherbergen Nieſenſchlangen;
es iſt aber nicht unmöglich, daß ſie in früheren Zeiten einen größeren Verbreitungskreis hatten als
gegenwärtig. Sie bewohnen vorzugsweiſe die großen Waldungen, am liebſten und häufigſten ſolche,
welche von Flüſſen durchſchnitten oder überhaupt reich an Waſſer ſind; einzelne Arten von ihnen
kommen jedoch auch in trockenen Gegenden vor. Mehrere Arten ſind echte Waſſerthiere, welche nur,
um ſich zu ſonnen und um zu ſchlafen, die Flüſſe, Seen und Sümpfe verlaſſen, ihre Jagd aber haupt-
ſächlich in den Gewäſſern oder doch am Rande derſelben betreiben. Andere ſcheinen das Waſſer zu
meiden und bis zu einem gewiſſen Grade zu ſcheuen. Der Bau ihres Auges läßt ſie als Nachtthiere
erkennen, die Beobachtung der Gefangenen hierüber keinen Zweifel aufkommen. Allerdings
ſieht man die Rieſenſchlangen in ihren heimiſchen Wäldern bei Tage ſich bewegen und zu dieſer Zeit
gelegentlich auch Beute machen; ihre eigentliche Regſamkeit aber beginnt mit Eintritt der Dämmerung
und endet mit anbrechendem Morgen. Hierüber liegen allerdings noch keine Beobachtungen vor,
aus dem ſehr einfachen Grunde, weil die von Rieſenſchlangen bewohnten Gegenden während der
Nacht dem Menſchen unzugänglich ſind, und auch die Dunkelheit Erforſchung des Freilebens erſchwert
oder unmöglich macht: an den Gefangenen hingegen bemerkt man bald genug, daß ſie vollkommene
Nachtthiere ſind. So träge und ruheliebend ſie ſich übertages zeigen, ſo munter und lebhaft ſind ſie
des Nachts. Jetzt erſt beginnen ſie ſich zu bewegen, — jetzt alſo würden ſie im Freien ihr Gebiet durch-
ſtreifen, jetzt auf Raub ausgehen. Uebertages ſieht man ſie, in den verſchiedenſten Stellungen zuſammen-
gerollt, der Ruhe pflegen oder der Sonnenwärme ſich hingeben. Einzelne wählen ſich hierzu Fels-
blöcke, trockene Stellen oder über das Waſſer emporragende Aeſte, andere erklettern Bäume, wickeln
ſich im Gezweige derſelben feſt, verknäueln ſich oder laſſen den vorderen Theil ihres Leibes tief herab-
hängen; andere ſuchen ſich eine freie Stelle im Dickichte, auf Felsgeſimſen, an den Gehängen und legen
ſich hier mehr oder weniger lang geſtreckt oder in den ſogenannten Teller zuſammengerollt, ruhig hin.
Alle bewegen ſich ſo wenig als möglich, eigentlich nur, wenn ſie Gefahr fürchten und einer ſolchen zu
entgehen ſuchen, oder aber, wenn ſie lange vergeblich gejagt haben und nunmehr eine Beute ſich ihnen
darbietet. Dann löſt ſich plötzlich die Verknotung, und das gewaltige Thier ſtürzt ſich mit Auf-
bietung ſeiner vollen Kraft auf das erſehene Opfer, packt es mit dem immerhin kräftigen Gebiſſe,
umwindet es, indem es mehrere Ringe ſeines Leibes bildet, zieht ſich zuſammen und erſtickt es
unfehlbar. Nach einigen Minuten hat auch ein ſtarkes Thier ausgelitten; die Schlange wickelt ſich
bedächtig los und beginnt nunmehr das ſchwierige Geſchäft des Verſchlingens. Die Schauer-
geſchichten, welche erzählt und geglaubt werden, ſind unwahr: keine einzige Rieſenſchlange iſt im
Stande, einen Menſchen, ein Rind, ein Pferd, einen großen Hirſch zu verſchlingen; ſchon das
Hinabwürgen eines Thieres von der Größe eines Rehes verurſacht auch den Rieſen dieſer Familie
faſt unüberwindliche Schwierigkeiten. Jm höchſten Grade abgeſchmackt iſt die Angabe, daß die
Rieſenſchlange größere Thiere nur bewältige, indem ſie warte, bis der Theil des Leibes, welchen ſie
nicht hinabwürgen kann, in Fäulniß übergegangen, ebenſo abgeſchmackt die hierauf bezügliche Be-
merkung, daß der Geifer der Schlange eine faulige Zerſetzung des thieriſchen Leibes raſch herbeiführe;
denn man hat keine hierauf bezüglichen Beobachtungen gemacht. Dagegen iſt es begründet, daß
auch die Rieſenſchlange nach reichlich genoſſener Nahrung in einen Zuſtand großer Trägheit verſinkt
und dann weniger als ſonſt auf ihre Sicherung Bedacht nimmt. Dies aber gilt, wie bemerkt, für
alle Schlangen überhaupt.

Ueber die Paarung freilebender Nieſenſchlangen ſind, ſoviel mir bekannt, noch keine eingehenden
Beobachtungen angeſtellt worden. Man weiß hinſichtlich der Fortpflanzung nur ſoviel, daß einzelne
Arten Eier legen, aus denen nach geraumer Zeit die Jungen ſchlüpfen, andere die Eier ſoweit aus-
tragen, daß die Jungen lebend zur Welt kommen. An Gefangenen hat man wiederholt beobachtet,
daß die Mutter ſich ihrer Eier in einem gewiſſen Grade annimmt, ſie mit ihrem Leibe bedeckt und ſo

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[195/0215] Allgemeines. hältnißmäßig große Auge zeigt einen länglichen Stern. Die Naſenlöcher öffnen ſich nach oben. Beide Lungen ſind ausgebildet. Alle heißen und waſſerreichen Länder der alten und neuen Welt beherbergen Nieſenſchlangen; es iſt aber nicht unmöglich, daß ſie in früheren Zeiten einen größeren Verbreitungskreis hatten als gegenwärtig. Sie bewohnen vorzugsweiſe die großen Waldungen, am liebſten und häufigſten ſolche, welche von Flüſſen durchſchnitten oder überhaupt reich an Waſſer ſind; einzelne Arten von ihnen kommen jedoch auch in trockenen Gegenden vor. Mehrere Arten ſind echte Waſſerthiere, welche nur, um ſich zu ſonnen und um zu ſchlafen, die Flüſſe, Seen und Sümpfe verlaſſen, ihre Jagd aber haupt- ſächlich in den Gewäſſern oder doch am Rande derſelben betreiben. Andere ſcheinen das Waſſer zu meiden und bis zu einem gewiſſen Grade zu ſcheuen. Der Bau ihres Auges läßt ſie als Nachtthiere erkennen, die Beobachtung der Gefangenen hierüber keinen Zweifel aufkommen. Allerdings ſieht man die Rieſenſchlangen in ihren heimiſchen Wäldern bei Tage ſich bewegen und zu dieſer Zeit gelegentlich auch Beute machen; ihre eigentliche Regſamkeit aber beginnt mit Eintritt der Dämmerung und endet mit anbrechendem Morgen. Hierüber liegen allerdings noch keine Beobachtungen vor, aus dem ſehr einfachen Grunde, weil die von Rieſenſchlangen bewohnten Gegenden während der Nacht dem Menſchen unzugänglich ſind, und auch die Dunkelheit Erforſchung des Freilebens erſchwert oder unmöglich macht: an den Gefangenen hingegen bemerkt man bald genug, daß ſie vollkommene Nachtthiere ſind. So träge und ruheliebend ſie ſich übertages zeigen, ſo munter und lebhaft ſind ſie des Nachts. Jetzt erſt beginnen ſie ſich zu bewegen, — jetzt alſo würden ſie im Freien ihr Gebiet durch- ſtreifen, jetzt auf Raub ausgehen. Uebertages ſieht man ſie, in den verſchiedenſten Stellungen zuſammen- gerollt, der Ruhe pflegen oder der Sonnenwärme ſich hingeben. Einzelne wählen ſich hierzu Fels- blöcke, trockene Stellen oder über das Waſſer emporragende Aeſte, andere erklettern Bäume, wickeln ſich im Gezweige derſelben feſt, verknäueln ſich oder laſſen den vorderen Theil ihres Leibes tief herab- hängen; andere ſuchen ſich eine freie Stelle im Dickichte, auf Felsgeſimſen, an den Gehängen und legen ſich hier mehr oder weniger lang geſtreckt oder in den ſogenannten Teller zuſammengerollt, ruhig hin. Alle bewegen ſich ſo wenig als möglich, eigentlich nur, wenn ſie Gefahr fürchten und einer ſolchen zu entgehen ſuchen, oder aber, wenn ſie lange vergeblich gejagt haben und nunmehr eine Beute ſich ihnen darbietet. Dann löſt ſich plötzlich die Verknotung, und das gewaltige Thier ſtürzt ſich mit Auf- bietung ſeiner vollen Kraft auf das erſehene Opfer, packt es mit dem immerhin kräftigen Gebiſſe, umwindet es, indem es mehrere Ringe ſeines Leibes bildet, zieht ſich zuſammen und erſtickt es unfehlbar. Nach einigen Minuten hat auch ein ſtarkes Thier ausgelitten; die Schlange wickelt ſich bedächtig los und beginnt nunmehr das ſchwierige Geſchäft des Verſchlingens. Die Schauer- geſchichten, welche erzählt und geglaubt werden, ſind unwahr: keine einzige Rieſenſchlange iſt im Stande, einen Menſchen, ein Rind, ein Pferd, einen großen Hirſch zu verſchlingen; ſchon das Hinabwürgen eines Thieres von der Größe eines Rehes verurſacht auch den Rieſen dieſer Familie faſt unüberwindliche Schwierigkeiten. Jm höchſten Grade abgeſchmackt iſt die Angabe, daß die Rieſenſchlange größere Thiere nur bewältige, indem ſie warte, bis der Theil des Leibes, welchen ſie nicht hinabwürgen kann, in Fäulniß übergegangen, ebenſo abgeſchmackt die hierauf bezügliche Be- merkung, daß der Geifer der Schlange eine faulige Zerſetzung des thieriſchen Leibes raſch herbeiführe; denn man hat keine hierauf bezüglichen Beobachtungen gemacht. Dagegen iſt es begründet, daß auch die Rieſenſchlange nach reichlich genoſſener Nahrung in einen Zuſtand großer Trägheit verſinkt und dann weniger als ſonſt auf ihre Sicherung Bedacht nimmt. Dies aber gilt, wie bemerkt, für alle Schlangen überhaupt. Ueber die Paarung freilebender Nieſenſchlangen ſind, ſoviel mir bekannt, noch keine eingehenden Beobachtungen angeſtellt worden. Man weiß hinſichtlich der Fortpflanzung nur ſoviel, daß einzelne Arten Eier legen, aus denen nach geraumer Zeit die Jungen ſchlüpfen, andere die Eier ſoweit aus- tragen, daß die Jungen lebend zur Welt kommen. An Gefangenen hat man wiederholt beobachtet, daß die Mutter ſich ihrer Eier in einem gewiſſen Grade annimmt, ſie mit ihrem Leibe bedeckt und ſo 13 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/215>, abgerufen am 04.05.2024.