Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
Rauhschweif. Korallenroller. Rothschlange.

Dumeril und Bibron geben als Vaterland dieser Schlange das holländische und französische
Guyana an und sagen, daß sie hier sehr gemein sei, auch weit nach Süden hin vorkommen müsse, da
Orbigny ein Stück aus Buenos Ayres eingesendet hat; andere Forscher behaupten ebenfalls, daß
der Roller, den man in allen Sammlungen sindet, in Guyana häufig ist, und es muß deshalb auf-
fallen, daß der sorgfältig beobachtende Schomburgk seiner nicht Erwähnung thut.

Ueber die Lebensweise wissen wir etwa Folgendes. Der Roller ist langsam in seinen Bewegungen,
entfernt sich nicht weit von seinem Schlupfwinkel, welchen er sich unter dem Gewurzel alter Bäume,
in Erdlöchern und ähnlichen Höhlen wählt, jagt auf kleine Kriechthiere, beispielsweise Blindschlangen,
und bringt Junge zur Welt, welche die Eihülle bereits gesprengt haben.

[Abbildung] Der Korallenroller (Tortrix Scytale).

Von der Farbenpracht des lebenden Thieres soll man sich, laut Bates, kaum eine Vorstellung
machen können, mindestens nicht nach Besichtigung der im Weingeist aufbewahrten, abgebleichten Stücke.

Die Walzenschlangen (Cylindrophis) unterscheiden sich von den Rollern dadurch, daß sie
keine Zähne im Zwischenkiefer haben, und ihre Augen nicht von der Körperhaut überzogen sind.

Als Vertreter der Sippe wird gewöhnlich die Rothschlange (Cylindrophis rufa) aufgestellt,
eine über Java und Bengalen verbreitete, anderthalb Fuß lange Wickelschlange von rothbrauner
Färbung mit weißem Halsbande und weißen Querbinden auf der Unterseite, über deren Lebensweise
wir noch nicht unterrichtet sind. Untersuchung des Mageninhalts hat ergeben, daß sie sich von
Blödaugen nährt.



Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Alten unter ihren Drachen unsere heutigen Riesen-
schlangen verstanden. Die auffallende Größe dieser Thiere, ihre bedeutende Stärke und die
allgemeine Furcht vor den Schlangen insgemein lassen die Uebertreibungen, deren sich jene schuldig

Rauhſchweif. Korallenroller. Rothſchlange.

Dumeril und Bibron geben als Vaterland dieſer Schlange das holländiſche und franzöſiſche
Guyana an und ſagen, daß ſie hier ſehr gemein ſei, auch weit nach Süden hin vorkommen müſſe, da
Orbigny ein Stück aus Buenos Ayres eingeſendet hat; andere Forſcher behaupten ebenfalls, daß
der Roller, den man in allen Sammlungen ſindet, in Guyana häufig iſt, und es muß deshalb auf-
fallen, daß der ſorgfältig beobachtende Schomburgk ſeiner nicht Erwähnung thut.

Ueber die Lebensweiſe wiſſen wir etwa Folgendes. Der Roller iſt langſam in ſeinen Bewegungen,
entfernt ſich nicht weit von ſeinem Schlupfwinkel, welchen er ſich unter dem Gewurzel alter Bäume,
in Erdlöchern und ähnlichen Höhlen wählt, jagt auf kleine Kriechthiere, beiſpielsweiſe Blindſchlangen,
und bringt Junge zur Welt, welche die Eihülle bereits geſprengt haben.

[Abbildung] Der Korallenroller (Tortrix Scytale).

Von der Farbenpracht des lebenden Thieres ſoll man ſich, laut Bates, kaum eine Vorſtellung
machen können, mindeſtens nicht nach Beſichtigung der im Weingeiſt aufbewahrten, abgebleichten Stücke.

Die Walzenſchlangen (Cylindrophis) unterſcheiden ſich von den Rollern dadurch, daß ſie
keine Zähne im Zwiſchenkiefer haben, und ihre Augen nicht von der Körperhaut überzogen ſind.

Als Vertreter der Sippe wird gewöhnlich die Rothſchlange (Cylindrophis rufa) aufgeſtellt,
eine über Java und Bengalen verbreitete, anderthalb Fuß lange Wickelſchlange von rothbrauner
Färbung mit weißem Halsbande und weißen Querbinden auf der Unterſeite, über deren Lebensweiſe
wir noch nicht unterrichtet ſind. Unterſuchung des Mageninhalts hat ergeben, daß ſie ſich von
Blödaugen nährt.



Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Alten unter ihren Drachen unſere heutigen Rieſen-
ſchlangen verſtanden. Die auffallende Größe dieſer Thiere, ihre bedeutende Stärke und die
allgemeine Furcht vor den Schlangen insgemein laſſen die Uebertreibungen, deren ſich jene ſchuldig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0211" n="191"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Rauh&#x017F;chweif. Korallenroller. Roth&#x017F;chlange.</hi> </fw><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Dumeril</hi> und <hi rendition="#g">Bibron</hi> geben als Vaterland die&#x017F;er Schlange das holländi&#x017F;che und franzö&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Guyana an und &#x017F;agen, daß &#x017F;ie hier &#x017F;ehr gemein &#x017F;ei, auch weit nach Süden hin vorkommen mü&#x017F;&#x017F;e, da<lb/><hi rendition="#g">Orbigny</hi> ein Stück aus Buenos Ayres einge&#x017F;endet hat; andere For&#x017F;cher behaupten ebenfalls, daß<lb/>
der Roller, den man in allen Sammlungen &#x017F;indet, in Guyana häufig i&#x017F;t, und es muß deshalb auf-<lb/>
fallen, daß der &#x017F;orgfältig beobachtende <hi rendition="#g">Schomburgk</hi> &#x017F;einer nicht Erwähnung thut.</p><lb/>
          <p>Ueber die Lebenswei&#x017F;e wi&#x017F;&#x017F;en wir etwa Folgendes. Der Roller i&#x017F;t lang&#x017F;am in &#x017F;einen Bewegungen,<lb/>
entfernt &#x017F;ich nicht weit von &#x017F;einem Schlupfwinkel, welchen er &#x017F;ich unter dem Gewurzel alter Bäume,<lb/>
in Erdlöchern und ähnlichen Höhlen wählt, jagt auf kleine Kriechthiere, bei&#x017F;pielswei&#x017F;e Blind&#x017F;chlangen,<lb/>
und bringt Junge zur Welt, welche die Eihülle bereits ge&#x017F;prengt haben.</p><lb/>
          <figure>
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Der Korallenroller</hi> <hi rendition="#aq">(Tortrix Scytale).</hi> </hi> </head>
          </figure><lb/>
          <p>Von der Farbenpracht des lebenden Thieres &#x017F;oll man &#x017F;ich, laut <hi rendition="#g">Bates,</hi> kaum eine Vor&#x017F;tellung<lb/>
machen können, minde&#x017F;tens nicht nach Be&#x017F;ichtigung der im Weingei&#x017F;t aufbewahrten, abgebleichten Stücke.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Walzen&#x017F;chlangen</hi> <hi rendition="#aq">(Cylindrophis)</hi> unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich von den Rollern dadurch, daß &#x017F;ie<lb/>
keine Zähne im Zwi&#x017F;chenkiefer haben, und ihre Augen nicht von der Körperhaut überzogen &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Als Vertreter der Sippe wird gewöhnlich die <hi rendition="#g">Roth&#x017F;chlange</hi> <hi rendition="#aq">(Cylindrophis rufa)</hi> aufge&#x017F;tellt,<lb/>
eine über Java und Bengalen verbreitete, anderthalb Fuß lange Wickel&#x017F;chlange von rothbrauner<lb/>
Färbung mit weißem Halsbande und weißen Querbinden auf der Unter&#x017F;eite, über deren Lebenswei&#x017F;e<lb/>
wir noch nicht unterrichtet &#x017F;ind. Unter&#x017F;uchung des Mageninhalts hat ergeben, daß &#x017F;ie &#x017F;ich von<lb/>
Blödaugen nährt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Alten unter ihren <hi rendition="#g">Drachen</hi> un&#x017F;ere heutigen Rie&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chlangen ver&#x017F;tanden. Die auffallende Größe die&#x017F;er Thiere, ihre bedeutende Stärke und die<lb/>
allgemeine Furcht vor den Schlangen insgemein la&#x017F;&#x017F;en die Uebertreibungen, deren &#x017F;ich jene &#x017F;chuldig<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0211] Rauhſchweif. Korallenroller. Rothſchlange. Dumeril und Bibron geben als Vaterland dieſer Schlange das holländiſche und franzöſiſche Guyana an und ſagen, daß ſie hier ſehr gemein ſei, auch weit nach Süden hin vorkommen müſſe, da Orbigny ein Stück aus Buenos Ayres eingeſendet hat; andere Forſcher behaupten ebenfalls, daß der Roller, den man in allen Sammlungen ſindet, in Guyana häufig iſt, und es muß deshalb auf- fallen, daß der ſorgfältig beobachtende Schomburgk ſeiner nicht Erwähnung thut. Ueber die Lebensweiſe wiſſen wir etwa Folgendes. Der Roller iſt langſam in ſeinen Bewegungen, entfernt ſich nicht weit von ſeinem Schlupfwinkel, welchen er ſich unter dem Gewurzel alter Bäume, in Erdlöchern und ähnlichen Höhlen wählt, jagt auf kleine Kriechthiere, beiſpielsweiſe Blindſchlangen, und bringt Junge zur Welt, welche die Eihülle bereits geſprengt haben. [Abbildung Der Korallenroller (Tortrix Scytale).] Von der Farbenpracht des lebenden Thieres ſoll man ſich, laut Bates, kaum eine Vorſtellung machen können, mindeſtens nicht nach Beſichtigung der im Weingeiſt aufbewahrten, abgebleichten Stücke. Die Walzenſchlangen (Cylindrophis) unterſcheiden ſich von den Rollern dadurch, daß ſie keine Zähne im Zwiſchenkiefer haben, und ihre Augen nicht von der Körperhaut überzogen ſind. Als Vertreter der Sippe wird gewöhnlich die Rothſchlange (Cylindrophis rufa) aufgeſtellt, eine über Java und Bengalen verbreitete, anderthalb Fuß lange Wickelſchlange von rothbrauner Färbung mit weißem Halsbande und weißen Querbinden auf der Unterſeite, über deren Lebensweiſe wir noch nicht unterrichtet ſind. Unterſuchung des Mageninhalts hat ergeben, daß ſie ſich von Blödaugen nährt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Alten unter ihren Drachen unſere heutigen Rieſen- ſchlangen verſtanden. Die auffallende Größe dieſer Thiere, ihre bedeutende Stärke und die allgemeine Furcht vor den Schlangen insgemein laſſen die Uebertreibungen, deren ſich jene ſchuldig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/211
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/211>, abgerufen am 04.05.2024.