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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Echsenschleiche. Scheltopusik.
werthen Hausthiere gemacht werden können. Von anderen Schuppenechsen unterscheidet er sich sehr
zu seinem Vortheile durch seine Regsamkeit. Er ist beständig in Bewegung, schlängelt sich in
anmuthigen Windungen ohne Unterlaß durch seinen Käfig, züngelt und untersucht jede Ritze, jeden
Spalt zwischen dem Gestein und Mos auf das Genaueste. Läßt man ihn im Zimmer frei, so beginnt
er sofort seine Jagd auf Geziefer aller Art, zunächst auf die in so vielen Wohnungen vorhandenen,
häßlichen Küchenschaben, welche er in allen ihren Schlupfwinkeln aufspürt und selbst bis in das
Kamin verfolgt.

Vorstehendes machte mich begierig, etwas Genaueres über den Scheltopusik zu erfahren. Jch
wandte mich daher an Erber mit der Bitte, mir seine Beobachtungen freundlichst mittheilen zu
wollen und empfing zu meiner und sicherlich auch zu meiner Leser Freude nachstehenden Bericht, den
ersten, welcher uns wirklich Etwas über das Freileben der Panzerschleichen mittheilt.

"Der Scheltopusik, seiner wenigen Scheu, Harmlosigkeit und Nützlichkeit halber mein besonderer
Liebling, ist ebenso anziehend im Freien als im Käfig. Dort kann man ihn, wenn man ihn oft
besucht, zuletzt so an sich gewöhnen, daß er sich widerstandslos greifen läßt. Die einzige Waffe,
welche er dem Menschen gegenüber in Anwendung bringt, ist sein -- After. Wenn man ihn fängt,
weiß er es durch die merkwürdige Drehbarkeit seines sonst so harten Körpers jederzeit so einzurichten,
daß er Einem mit seinem abscheulich stinkenden Unrathe von oben bis unten besudelt. Hiermit begnügt
er sich aber auch; denn die im Verhältniß sehr bedeutende Stärke seines Gebisses bringt er merk-
würdigerweise dem Menschen gegenüber nie in Anwendung. Wenn man sieht, wie er im Freien mit
einer ihm sonst nicht eigenen Schnelligkeit die Hornviper abfängt und sie mit Leichtigkeit entzweibeißt,
nimmt es Einem Wunder, daß er diese Kraft nicht auch zur Vertheidigung anwendet; Dies aber
geschieht, soweit meine Beobachtungen reichen, niemals.

"Wahrhaft fesselnd für den Beobachter wird der Scheltopusik, wenn er eine Maus, einen Maul-
wurf etc. fängt und tödtet. Sobald er eine solche Beute gepackt hat, dreht er sich sammt derselben mit
unglaublicher Schnelligkeit solange um sich selbst, daß das gefangene Thier vollkommen matt und
schwindelig wird, ihm also nicht mehr entwischen kann. Nunmehr erst zerdrückt er ihm den Kopf und
fängt an, es zu verzehren. Letzteres erfordert eine geraume Zeit, da er seine Beute immer nur stück-
weise zu sich nimmt und sein Gebiß doch nicht so scharf ist, als daß es Haut und Sehnen durchschneiden
könnte. Eidechsen haben an ihm einen höchst gefährlichen Nachbar; denn er beißt jenen die Schwänze
ab und verzehrt dieselben, während ihm das übrige nicht zu munden scheint.

"Die Liebe des Scheltopusik ist eine außerordentlich feurige. Während der Begattung vergißt
er Alles um sich her, läßt sich dann sogar durch den Fang nicht stören. Von einem Versteck aus
beobachtete ich, daß das Männchen während derselben nach Allem schnappte, was ihm in die Nähe
kam. Beide Gatten sind in Folge der starken und zackigen Doppelruthe des Männchens so innig
vereinigt, daß man sie, ohne letzteres zu beschädigen, vor vollzogener Begattung nicht zu trennen
vermag. Die Eier werden unter dichtem Gebüsch und Laubschichten, dem beliebtesten Aufenthalte des
Thieres selbst, abgelegt. Die Jungen sind von den Alten ganz verschieden, scheinen auch mehrere
Jahre durchleben zu müssen, bevor sie ihren Erzeugern ähnlich werden. Jnwiefern ich nach dem
Wachsthum meiner Gefangenen zu einem Urtheil berechtigt bin, weiß ich nicht; trotzdem glaube ich
nicht zu irren, wenn ich das Alter eines ausgewachsenen Scheltopusik auf vierzig bis sechzig
Jahre annehme."

Der Scheltopusik (Pseudopus Pallasii) vertritt die Sippe der Panzerschleichen und
kennzeichnet sich durch folgende Merkmale: Der Leib ist schlangenähnlich, lang, walzenförmig, seitlich
etwas zusammengedrückt, fast von gleicher Dicke wie der Hals, der Kopf deutlich abgesetzt viereckig,
etwa ebensolang als hoch, an der Schnauze verlängert und zugespitzt, der Schwanz um ein Drittel
länger als der Körper, dünn und einfach zugespitzt. Von den Vorderfüßen bemerkt man keine Spur,
von den hinteren nur eine Andeutung in Gestalt unförmlicher Stummel. Die Augen haben einen

Echſenſchleiche. Scheltopuſik.
werthen Hausthiere gemacht werden können. Von anderen Schuppenechſen unterſcheidet er ſich ſehr
zu ſeinem Vortheile durch ſeine Regſamkeit. Er iſt beſtändig in Bewegung, ſchlängelt ſich in
anmuthigen Windungen ohne Unterlaß durch ſeinen Käfig, züngelt und unterſucht jede Ritze, jeden
Spalt zwiſchen dem Geſtein und Mos auf das Genaueſte. Läßt man ihn im Zimmer frei, ſo beginnt
er ſofort ſeine Jagd auf Geziefer aller Art, zunächſt auf die in ſo vielen Wohnungen vorhandenen,
häßlichen Küchenſchaben, welche er in allen ihren Schlupfwinkeln aufſpürt und ſelbſt bis in das
Kamin verfolgt.

Vorſtehendes machte mich begierig, etwas Genaueres über den Scheltopuſik zu erfahren. Jch
wandte mich daher an Erber mit der Bitte, mir ſeine Beobachtungen freundlichſt mittheilen zu
wollen und empfing zu meiner und ſicherlich auch zu meiner Leſer Freude nachſtehenden Bericht, den
erſten, welcher uns wirklich Etwas über das Freileben der Panzerſchleichen mittheilt.

„Der Scheltopuſik, ſeiner wenigen Scheu, Harmloſigkeit und Nützlichkeit halber mein beſonderer
Liebling, iſt ebenſo anziehend im Freien als im Käfig. Dort kann man ihn, wenn man ihn oft
beſucht, zuletzt ſo an ſich gewöhnen, daß er ſich widerſtandslos greifen läßt. Die einzige Waffe,
welche er dem Menſchen gegenüber in Anwendung bringt, iſt ſein — After. Wenn man ihn fängt,
weiß er es durch die merkwürdige Drehbarkeit ſeines ſonſt ſo harten Körpers jederzeit ſo einzurichten,
daß er Einem mit ſeinem abſcheulich ſtinkenden Unrathe von oben bis unten beſudelt. Hiermit begnügt
er ſich aber auch; denn die im Verhältniß ſehr bedeutende Stärke ſeines Gebiſſes bringt er merk-
würdigerweiſe dem Menſchen gegenüber nie in Anwendung. Wenn man ſieht, wie er im Freien mit
einer ihm ſonſt nicht eigenen Schnelligkeit die Hornviper abfängt und ſie mit Leichtigkeit entzweibeißt,
nimmt es Einem Wunder, daß er dieſe Kraft nicht auch zur Vertheidigung anwendet; Dies aber
geſchieht, ſoweit meine Beobachtungen reichen, niemals.

„Wahrhaft feſſelnd für den Beobachter wird der Scheltopuſik, wenn er eine Maus, einen Maul-
wurf ꝛc. fängt und tödtet. Sobald er eine ſolche Beute gepackt hat, dreht er ſich ſammt derſelben mit
unglaublicher Schnelligkeit ſolange um ſich ſelbſt, daß das gefangene Thier vollkommen matt und
ſchwindelig wird, ihm alſo nicht mehr entwiſchen kann. Nunmehr erſt zerdrückt er ihm den Kopf und
fängt an, es zu verzehren. Letzteres erfordert eine geraume Zeit, da er ſeine Beute immer nur ſtück-
weiſe zu ſich nimmt und ſein Gebiß doch nicht ſo ſcharf iſt, als daß es Haut und Sehnen durchſchneiden
könnte. Eidechſen haben an ihm einen höchſt gefährlichen Nachbar; denn er beißt jenen die Schwänze
ab und verzehrt dieſelben, während ihm das übrige nicht zu munden ſcheint.

„Die Liebe des Scheltopuſik iſt eine außerordentlich feurige. Während der Begattung vergißt
er Alles um ſich her, läßt ſich dann ſogar durch den Fang nicht ſtören. Von einem Verſteck aus
beobachtete ich, daß das Männchen während derſelben nach Allem ſchnappte, was ihm in die Nähe
kam. Beide Gatten ſind in Folge der ſtarken und zackigen Doppelruthe des Männchens ſo innig
vereinigt, daß man ſie, ohne letzteres zu beſchädigen, vor vollzogener Begattung nicht zu trennen
vermag. Die Eier werden unter dichtem Gebüſch und Laubſchichten, dem beliebteſten Aufenthalte des
Thieres ſelbſt, abgelegt. Die Jungen ſind von den Alten ganz verſchieden, ſcheinen auch mehrere
Jahre durchleben zu müſſen, bevor ſie ihren Erzeugern ähnlich werden. Jnwiefern ich nach dem
Wachsthum meiner Gefangenen zu einem Urtheil berechtigt bin, weiß ich nicht; trotzdem glaube ich
nicht zu irren, wenn ich das Alter eines ausgewachſenen Scheltopuſik auf vierzig bis ſechzig
Jahre annehme.“

Der Scheltopuſik (Pseudopus Pallasii) vertritt die Sippe der Panzerſchleichen und
kennzeichnet ſich durch folgende Merkmale: Der Leib iſt ſchlangenähnlich, lang, walzenförmig, ſeitlich
etwas zuſammengedrückt, faſt von gleicher Dicke wie der Hals, der Kopf deutlich abgeſetzt viereckig,
etwa ebenſolang als hoch, an der Schnauze verlängert und zugeſpitzt, der Schwanz um ein Drittel
länger als der Körper, dünn und einfach zugeſpitzt. Von den Vorderfüßen bemerkt man keine Spur,
von den hinteren nur eine Andeutung in Geſtalt unförmlicher Stummel. Die Augen haben einen

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[157/0177] Echſenſchleiche. Scheltopuſik. werthen Hausthiere gemacht werden können. Von anderen Schuppenechſen unterſcheidet er ſich ſehr zu ſeinem Vortheile durch ſeine Regſamkeit. Er iſt beſtändig in Bewegung, ſchlängelt ſich in anmuthigen Windungen ohne Unterlaß durch ſeinen Käfig, züngelt und unterſucht jede Ritze, jeden Spalt zwiſchen dem Geſtein und Mos auf das Genaueſte. Läßt man ihn im Zimmer frei, ſo beginnt er ſofort ſeine Jagd auf Geziefer aller Art, zunächſt auf die in ſo vielen Wohnungen vorhandenen, häßlichen Küchenſchaben, welche er in allen ihren Schlupfwinkeln aufſpürt und ſelbſt bis in das Kamin verfolgt. Vorſtehendes machte mich begierig, etwas Genaueres über den Scheltopuſik zu erfahren. Jch wandte mich daher an Erber mit der Bitte, mir ſeine Beobachtungen freundlichſt mittheilen zu wollen und empfing zu meiner und ſicherlich auch zu meiner Leſer Freude nachſtehenden Bericht, den erſten, welcher uns wirklich Etwas über das Freileben der Panzerſchleichen mittheilt. „Der Scheltopuſik, ſeiner wenigen Scheu, Harmloſigkeit und Nützlichkeit halber mein beſonderer Liebling, iſt ebenſo anziehend im Freien als im Käfig. Dort kann man ihn, wenn man ihn oft beſucht, zuletzt ſo an ſich gewöhnen, daß er ſich widerſtandslos greifen läßt. Die einzige Waffe, welche er dem Menſchen gegenüber in Anwendung bringt, iſt ſein — After. Wenn man ihn fängt, weiß er es durch die merkwürdige Drehbarkeit ſeines ſonſt ſo harten Körpers jederzeit ſo einzurichten, daß er Einem mit ſeinem abſcheulich ſtinkenden Unrathe von oben bis unten beſudelt. Hiermit begnügt er ſich aber auch; denn die im Verhältniß ſehr bedeutende Stärke ſeines Gebiſſes bringt er merk- würdigerweiſe dem Menſchen gegenüber nie in Anwendung. Wenn man ſieht, wie er im Freien mit einer ihm ſonſt nicht eigenen Schnelligkeit die Hornviper abfängt und ſie mit Leichtigkeit entzweibeißt, nimmt es Einem Wunder, daß er dieſe Kraft nicht auch zur Vertheidigung anwendet; Dies aber geſchieht, ſoweit meine Beobachtungen reichen, niemals. „Wahrhaft feſſelnd für den Beobachter wird der Scheltopuſik, wenn er eine Maus, einen Maul- wurf ꝛc. fängt und tödtet. Sobald er eine ſolche Beute gepackt hat, dreht er ſich ſammt derſelben mit unglaublicher Schnelligkeit ſolange um ſich ſelbſt, daß das gefangene Thier vollkommen matt und ſchwindelig wird, ihm alſo nicht mehr entwiſchen kann. Nunmehr erſt zerdrückt er ihm den Kopf und fängt an, es zu verzehren. Letzteres erfordert eine geraume Zeit, da er ſeine Beute immer nur ſtück- weiſe zu ſich nimmt und ſein Gebiß doch nicht ſo ſcharf iſt, als daß es Haut und Sehnen durchſchneiden könnte. Eidechſen haben an ihm einen höchſt gefährlichen Nachbar; denn er beißt jenen die Schwänze ab und verzehrt dieſelben, während ihm das übrige nicht zu munden ſcheint. „Die Liebe des Scheltopuſik iſt eine außerordentlich feurige. Während der Begattung vergißt er Alles um ſich her, läßt ſich dann ſogar durch den Fang nicht ſtören. Von einem Verſteck aus beobachtete ich, daß das Männchen während derſelben nach Allem ſchnappte, was ihm in die Nähe kam. Beide Gatten ſind in Folge der ſtarken und zackigen Doppelruthe des Männchens ſo innig vereinigt, daß man ſie, ohne letzteres zu beſchädigen, vor vollzogener Begattung nicht zu trennen vermag. Die Eier werden unter dichtem Gebüſch und Laubſchichten, dem beliebteſten Aufenthalte des Thieres ſelbſt, abgelegt. Die Jungen ſind von den Alten ganz verſchieden, ſcheinen auch mehrere Jahre durchleben zu müſſen, bevor ſie ihren Erzeugern ähnlich werden. Jnwiefern ich nach dem Wachsthum meiner Gefangenen zu einem Urtheil berechtigt bin, weiß ich nicht; trotzdem glaube ich nicht zu irren, wenn ich das Alter eines ausgewachſenen Scheltopuſik auf vierzig bis ſechzig Jahre annehme.“ Der Scheltopuſik (Pseudopus Pallasii) vertritt die Sippe der Panzerſchleichen und kennzeichnet ſich durch folgende Merkmale: Der Leib iſt ſchlangenähnlich, lang, walzenförmig, ſeitlich etwas zuſammengedrückt, faſt von gleicher Dicke wie der Hals, der Kopf deutlich abgeſetzt viereckig, etwa ebenſolang als hoch, an der Schnauze verlängert und zugeſpitzt, der Schwanz um ein Drittel länger als der Körper, dünn und einfach zugeſpitzt. Von den Vorderfüßen bemerkt man keine Spur, von den hinteren nur eine Andeutung in Geſtalt unförmlicher Stummel. Die Augen haben einen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/177>, abgerufen am 02.05.2024.