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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Dickechse. Erdwaran.
Eingeborenen glauben deshalb, sie heilig halten zu müssen, weil ihr Tod Wassermangel im Gefolge
haben könne. Von den holländischen Bauern wird sie sonderbarer Weise überaus gefürchtet und zwar
nicht blos ihres Zornes und der beachtenswerthen Zähne halber, sondern weil man fest überzeugt ist,
daß sie giftig sei: gerade deshalb bezeichnen sie die Bauern mit dem Namen "Adder."



Schon Herodot berichtet von einem "Landkrokodile", welches im Gebiet der lybischen Nomaden
lebt und den Eidechsen ähnlich sieht; Profper Alpin hält dasselbe Thier für den "Scincus" der
Alten, von welchem man annahm, daß er sich von gewürzreichen Pflanzen nähre, insbesondere den
Wermuth liebe und dadurch stärkende Heilkräfte erhalte, während wir gegenwärtig mit demselben
Namen eine andere Schuppenechse bezeichnen. Gedachtes Landkrokodil ist der Erdwaran der
Araber
(Psammosaurus griseus), Vertreter der Sippe der Sandechsen, ein Waran, welcher sich
von den bisher genannten hauptsächlich durch seinen runden, ungekielten Schwanz, die rundlichen, nicht
eiförmigen Schuppen und die kleinen, breiten Schneidezähne unterscheidet, etwas über 3 Fuß lang
wird, oben auf hellbraunem Grunde mit grünlichgelben, viereckigen Flecken gezeichnet, auf der
Unterseite einfach sandgelb gefärbt ist und auf seinem Schwanze mehrere gelbliche Ringe zeigt.

Der Erdwaran wird nur in den trockensten Theilen Nordostafrikas, insbesondere in den Wüsten
gefunden und wählt sich hier, wie sein südafrikanischer Verwandter, steinigte Stellen aus, jagt jedoch
zuweilen auch auf den sandigen Ebenen, zwischen den Felsenhügeln. Von den Arabern wird er mit
Recht gefürchtet, weil er an Muth und Bosheit alle übrigen Eidechsen des Landes übertrifft, sich,
wenn man ihn im Freien überrascht, ohne Weiteres zur Wehre stellt, mit Hilfe seines kräftigen
Schwanzes fußhoch vom Boden aufschnellt und dem Menschen nach dem Gesicht oder gegen die Brust,
den Reitthieren aber nach dem Bauche springt, sich hier fest beißt, Kamele, Pferde und Esel auf das
Aeußerste entsetzt und zum Durchgehen verleitet. Seine Nahrung besteht in dem verschiedensten
Kleingethier: Wagler fand in dem Magen eines Erdwarans, welchen er untersuchte, außer zwei
Kieselsteinen von Haselnußgröße, elf bis zwölf fast vollständige Heuschrecken, zwei Eier eines Lauf-
vogels und einen fingerlangen, fast unversehrten Skorpion. Die Araber versicherten mir, daß das
Thier hauptsächlich auf kleinere Eidechsen und Schlangen Jagd mache, aber auch Springmäuse und
Vögel zu berücken wisse und insbesondere die Nester der letzteren arg gefährde.

Auf dem Markte Kairos sieht man nicht selten gefangene Erdwaraus in den Händen eines Haui
oder Schlangenbeschwörers, welcher das den Städtern unbekannte Thier den Söhnen und Töchtern
Kairos unter großem Aufwande von allerlei Tollheiten vorführt, ihm die unglaublichsten Eigenschaften
andichtet und sich so sein kärgliches Brot zu gewinnen sucht. Daß der kluge Betrüger dem bissigen
Geschöpfe vorher die Zähne ausgebrochen, ihm überhaupt durch Mißhandlung den größten Theil seiner
Kraft und Bosheit genommen hat, versteht sich von selbst; denn mit einer wirklichen Pflege seiner
Thiere gibt sich der Haui nicht ab. Der Waran wie die Brillen- oder die Hornschlange werden zunächst
unschädlich gemacht und hierauf solange in Gefangenschaft gehalten, als sie letztere ertragen. Jhr
Käfig oder Behälter ist ein einfacher Ledersack oder eine mit Kleie angefüllte Kiste, aus welcher sie
hervorgeholt werden, wenn die Gaukelei beginnen soll. Die "Arbeitsthiere" erhalten weder zu
fressen, noch zu trinken; denn der Haui hält es für besser, nach Bedürfniß neue einzufangen und diese
abzurichten, als seine Einnahme durch Ankauf von Fleisch und anderweitigem Futter zu schmälern.
Hinsichtlich des Erdwarans hat er mit solchen Ansichten nicht ganz Unrecht, weil die gefangenen
Eidechsen dieser Art selten freiwillig an das Futter gehen, also gestopft werden müssen, wenn man
ihnen Nahrung beibringen will, dabei ihren Pfleger jedoch oft sehr empfindlich verwunden.



Dickechſe. Erdwaran.
Eingeborenen glauben deshalb, ſie heilig halten zu müſſen, weil ihr Tod Waſſermangel im Gefolge
haben könne. Von den holländiſchen Bauern wird ſie ſonderbarer Weiſe überaus gefürchtet und zwar
nicht blos ihres Zornes und der beachtenswerthen Zähne halber, ſondern weil man feſt überzeugt iſt,
daß ſie giftig ſei: gerade deshalb bezeichnen ſie die Bauern mit dem Namen „Adder.“



Schon Herodot berichtet von einem „Landkrokodile“, welches im Gebiet der lybiſchen Nomaden
lebt und den Eidechſen ähnlich ſieht; Profper Alpin hält daſſelbe Thier für den „Scincus“ der
Alten, von welchem man annahm, daß er ſich von gewürzreichen Pflanzen nähre, insbeſondere den
Wermuth liebe und dadurch ſtärkende Heilkräfte erhalte, während wir gegenwärtig mit demſelben
Namen eine andere Schuppenechſe bezeichnen. Gedachtes Landkrokodil iſt der Erdwaran der
Araber
(Psammosaurus griseus), Vertreter der Sippe der Sandechſen, ein Waran, welcher ſich
von den bisher genannten hauptſächlich durch ſeinen runden, ungekielten Schwanz, die rundlichen, nicht
eiförmigen Schuppen und die kleinen, breiten Schneidezähne unterſcheidet, etwas über 3 Fuß lang
wird, oben auf hellbraunem Grunde mit grünlichgelben, viereckigen Flecken gezeichnet, auf der
Unterſeite einfach ſandgelb gefärbt iſt und auf ſeinem Schwanze mehrere gelbliche Ringe zeigt.

Der Erdwaran wird nur in den trockenſten Theilen Nordoſtafrikas, insbeſondere in den Wüſten
gefunden und wählt ſich hier, wie ſein ſüdafrikaniſcher Verwandter, ſteinigte Stellen aus, jagt jedoch
zuweilen auch auf den ſandigen Ebenen, zwiſchen den Felſenhügeln. Von den Arabern wird er mit
Recht gefürchtet, weil er an Muth und Bosheit alle übrigen Eidechſen des Landes übertrifft, ſich,
wenn man ihn im Freien überraſcht, ohne Weiteres zur Wehre ſtellt, mit Hilfe ſeines kräftigen
Schwanzes fußhoch vom Boden aufſchnellt und dem Menſchen nach dem Geſicht oder gegen die Bruſt,
den Reitthieren aber nach dem Bauche ſpringt, ſich hier feſt beißt, Kamele, Pferde und Eſel auf das
Aeußerſte entſetzt und zum Durchgehen verleitet. Seine Nahrung beſteht in dem verſchiedenſten
Kleingethier: Wagler fand in dem Magen eines Erdwarans, welchen er unterſuchte, außer zwei
Kieſelſteinen von Haſelnußgröße, elf bis zwölf faſt vollſtändige Heuſchrecken, zwei Eier eines Lauf-
vogels und einen fingerlangen, faſt unverſehrten Skorpion. Die Araber verſicherten mir, daß das
Thier hauptſächlich auf kleinere Eidechſen und Schlangen Jagd mache, aber auch Springmäuſe und
Vögel zu berücken wiſſe und insbeſondere die Neſter der letzteren arg gefährde.

Auf dem Markte Kairos ſieht man nicht ſelten gefangene Erdwaraus in den Händen eines Haui
oder Schlangenbeſchwörers, welcher das den Städtern unbekannte Thier den Söhnen und Töchtern
Kairos unter großem Aufwande von allerlei Tollheiten vorführt, ihm die unglaublichſten Eigenſchaften
andichtet und ſich ſo ſein kärgliches Brot zu gewinnen ſucht. Daß der kluge Betrüger dem biſſigen
Geſchöpfe vorher die Zähne ausgebrochen, ihm überhaupt durch Mißhandlung den größten Theil ſeiner
Kraft und Bosheit genommen hat, verſteht ſich von ſelbſt; denn mit einer wirklichen Pflege ſeiner
Thiere gibt ſich der Haui nicht ab. Der Waran wie die Brillen- oder die Hornſchlange werden zunächſt
unſchädlich gemacht und hierauf ſolange in Gefangenſchaft gehalten, als ſie letztere ertragen. Jhr
Käfig oder Behälter iſt ein einfacher Lederſack oder eine mit Kleie angefüllte Kiſte, aus welcher ſie
hervorgeholt werden, wenn die Gaukelei beginnen ſoll. Die „Arbeitsthiere“ erhalten weder zu
freſſen, noch zu trinken; denn der Haui hält es für beſſer, nach Bedürfniß neue einzufangen und dieſe
abzurichten, als ſeine Einnahme durch Ankauf von Fleiſch und anderweitigem Futter zu ſchmälern.
Hinſichtlich des Erdwarans hat er mit ſolchen Anſichten nicht ganz Unrecht, weil die gefangenen
Eidechſen dieſer Art ſelten freiwillig an das Futter gehen, alſo geſtopft werden müſſen, wenn man
ihnen Nahrung beibringen will, dabei ihren Pfleger jedoch oft ſehr empfindlich verwunden.



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[103/0119] Dickechſe. Erdwaran. Eingeborenen glauben deshalb, ſie heilig halten zu müſſen, weil ihr Tod Waſſermangel im Gefolge haben könne. Von den holländiſchen Bauern wird ſie ſonderbarer Weiſe überaus gefürchtet und zwar nicht blos ihres Zornes und der beachtenswerthen Zähne halber, ſondern weil man feſt überzeugt iſt, daß ſie giftig ſei: gerade deshalb bezeichnen ſie die Bauern mit dem Namen „Adder.“ Schon Herodot berichtet von einem „Landkrokodile“, welches im Gebiet der lybiſchen Nomaden lebt und den Eidechſen ähnlich ſieht; Profper Alpin hält daſſelbe Thier für den „Scincus“ der Alten, von welchem man annahm, daß er ſich von gewürzreichen Pflanzen nähre, insbeſondere den Wermuth liebe und dadurch ſtärkende Heilkräfte erhalte, während wir gegenwärtig mit demſelben Namen eine andere Schuppenechſe bezeichnen. Gedachtes Landkrokodil iſt der Erdwaran der Araber (Psammosaurus griseus), Vertreter der Sippe der Sandechſen, ein Waran, welcher ſich von den bisher genannten hauptſächlich durch ſeinen runden, ungekielten Schwanz, die rundlichen, nicht eiförmigen Schuppen und die kleinen, breiten Schneidezähne unterſcheidet, etwas über 3 Fuß lang wird, oben auf hellbraunem Grunde mit grünlichgelben, viereckigen Flecken gezeichnet, auf der Unterſeite einfach ſandgelb gefärbt iſt und auf ſeinem Schwanze mehrere gelbliche Ringe zeigt. Der Erdwaran wird nur in den trockenſten Theilen Nordoſtafrikas, insbeſondere in den Wüſten gefunden und wählt ſich hier, wie ſein ſüdafrikaniſcher Verwandter, ſteinigte Stellen aus, jagt jedoch zuweilen auch auf den ſandigen Ebenen, zwiſchen den Felſenhügeln. Von den Arabern wird er mit Recht gefürchtet, weil er an Muth und Bosheit alle übrigen Eidechſen des Landes übertrifft, ſich, wenn man ihn im Freien überraſcht, ohne Weiteres zur Wehre ſtellt, mit Hilfe ſeines kräftigen Schwanzes fußhoch vom Boden aufſchnellt und dem Menſchen nach dem Geſicht oder gegen die Bruſt, den Reitthieren aber nach dem Bauche ſpringt, ſich hier feſt beißt, Kamele, Pferde und Eſel auf das Aeußerſte entſetzt und zum Durchgehen verleitet. Seine Nahrung beſteht in dem verſchiedenſten Kleingethier: Wagler fand in dem Magen eines Erdwarans, welchen er unterſuchte, außer zwei Kieſelſteinen von Haſelnußgröße, elf bis zwölf faſt vollſtändige Heuſchrecken, zwei Eier eines Lauf- vogels und einen fingerlangen, faſt unverſehrten Skorpion. Die Araber verſicherten mir, daß das Thier hauptſächlich auf kleinere Eidechſen und Schlangen Jagd mache, aber auch Springmäuſe und Vögel zu berücken wiſſe und insbeſondere die Neſter der letzteren arg gefährde. Auf dem Markte Kairos ſieht man nicht ſelten gefangene Erdwaraus in den Händen eines Haui oder Schlangenbeſchwörers, welcher das den Städtern unbekannte Thier den Söhnen und Töchtern Kairos unter großem Aufwande von allerlei Tollheiten vorführt, ihm die unglaublichſten Eigenſchaften andichtet und ſich ſo ſein kärgliches Brot zu gewinnen ſucht. Daß der kluge Betrüger dem biſſigen Geſchöpfe vorher die Zähne ausgebrochen, ihm überhaupt durch Mißhandlung den größten Theil ſeiner Kraft und Bosheit genommen hat, verſteht ſich von ſelbſt; denn mit einer wirklichen Pflege ſeiner Thiere gibt ſich der Haui nicht ab. Der Waran wie die Brillen- oder die Hornſchlange werden zunächſt unſchädlich gemacht und hierauf ſolange in Gefangenſchaft gehalten, als ſie letztere ertragen. Jhr Käfig oder Behälter iſt ein einfacher Lederſack oder eine mit Kleie angefüllte Kiſte, aus welcher ſie hervorgeholt werden, wenn die Gaukelei beginnen ſoll. Die „Arbeitsthiere“ erhalten weder zu freſſen, noch zu trinken; denn der Haui hält es für beſſer, nach Bedürfniß neue einzufangen und dieſe abzurichten, als ſeine Einnahme durch Ankauf von Fleiſch und anderweitigem Futter zu ſchmälern. Hinſichtlich des Erdwarans hat er mit ſolchen Anſichten nicht ganz Unrecht, weil die gefangenen Eidechſen dieſer Art ſelten freiwillig an das Futter gehen, alſo geſtopft werden müſſen, wenn man ihnen Nahrung beibringen will, dabei ihren Pfleger jedoch oft ſehr empfindlich verwunden.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/119>, abgerufen am 21.12.2024.