Einöden und Wüsten, in der Nähe des Wassers wie in gänzlich wasserlosen Gegenden. Jn den kälteren Theilen der gemäßigten Gürtel werden sie nur durch wenige Arten vertreten; ihre Artenzahl nimmt aber gegen den Gleicher hin sehr rasch zu. Einige Arten leben im Wasser und betreten das Land nach Art der Krokodile nur, um eine sich ihnen bietende Beute wegzunehmen oder um zu schlafen und sich zu sonnen; die Mehrzahl zählt zu den Landbewohnern im strengsten Sinne des Wortes und meidet schon feuchte Oertlichkeiten; nicht wenige leben auf Bäumen, die große Menge jedoch auf festem Boden oder an Felsenwänden. Von ihrer Leibesgestalt läßt sich im Voraus auf den Aufenthalt schließen. Diejenigen unter ihnen, deren Körper platt gedrückt erscheint, wohnen meist auf sandigen Ebenen und suchen unter Steinen, an Mauern oder in Höhlen Zuflucht, dieje- nigen, deren Leib seitlich zusammengedrückt ist, leben auf Gebüschen oder auf Bäumen, jene endlich, deren Körper rundlich ist, hausen in Erd- und Baumlöchern. Doch erleidet auch diese Regel mancherlei Ausnahmen.
Der Mensch hat sich mit den Schuppenechsen befreundet, und sie verdienen eine solche Bevor- zugung. Wir dürfen sie unbedingt als die begabtesten aller Kriechthiere betrachten. Wahrscheinlich stehen sie in keiner einzigen Fähigkeit hinter irgend einem anderen Klassenverwandten zurück. Jhre Bewegungen sind vielseitig, gewandt, geschickt und meist sehr schnell. Auch sie schleppen beim Gehen den Leib fast noch auf dem Boden dahin, laufen aber sehr rasch, obwohl mit schlängelnder Bewe- gung, und wissen sich durch Aufschlagen ihres Schwanzes gegen den Boden über denselben empor zu schleudern, also ziemlich weite Sprünge auszuführen. Die wenigen Arten, welche im Wasser leben, schwimmen und tauchen trotz ihrer nicht mit Schwimmhäuten ausgerüsteten Füße ganz vorzüglich, und auch andere, welche das Wasser ängstlich scheuen, wissen sich, wenn sie zufällig in das feindliche Element gerathen, hier mit vielem Geschicke zu behelfen; diejenigen endlich, welche an Felswänden, Mauerwerk oder auf Bäumen umherklettern, thun Dies meist mit einer wahrhaft überraschenden Fertigkeit. Bei den meisten Baumechsen wird der lange Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichts mit Erfolg gebraucht, und sie sind im Stande, fast ebenso schnell, wie die Verwandten auf dem Boden, längs der Zweige dahin zu rennen, oder von einem zum anderen zu springen. Einigen Schuppenechsen, welche ebenfalls auf Bäumen leben, dient der Schwanz als Greifwerkzeug; sie bewegen sich, wie alle Thiere, welche in ähnlicher Weise ausgerüstet sind, verhältnißmäßig langsam; andere laufen mit Hilfe ihrer scheibenartig verbreiterten, unten rauhhäutigen Zehen in jeder beliebigen Richtung, kopfoberst oder kopfunterst, ebenso sicher auf der Oberseite der Zweige wie an der unteren; einzelne endlich sind fähig, mit Hilfe ihrer faltbaren Haut Flugsprünge auszuführen, d. h. sich von höheren Zweigen herab auf tiefer stehende zu werfen. Bei den Schuppenechsen, deren Füße verkümmert sind oder gänzlich fehlen, geschieht die Fortbewegung genau in derselben Weise wie bei den Schlangen, obgleich bei ihnen die Rippen nicht in so ausgedehnte Wirksamkeit treten wie bei letztgenannten.
Wenige Schuppenechsen besitzen eine eigentliche Stimme. Von den meisten vernimmt man im Zorne höchstens ein fauchendes Zischen oder Blasen; einzelne Arten aber, insbesondere die nächtlich lebenden, geben abgerundete, lautschallende Töne zu hören, Laute, welche mit dem Gebrüll der Kro- kodile Nichts gemein haben, vielmehr an die Stimme der Frösche erinnern.
Unter den Sinnen steht das Gesicht ausnahmslos obenan. Die Mehrzahl besitzt ein wohl entwickeltes Auge mit rundem Stern, welcher keiner besonderen Zusammenziehung fähig ist; einige aber haben einen spaltförmigen Stern und geben sich dadurch schon äußerlich als Nachtthiere kund. Auf das Gesicht folgt wahrscheinlich das Gehör, welches bei der großen Mehrzahl als fein bezeichnet werden mag. An diesen Sinn dürfte sich der des Gefühls, bezüglich der Tastsinn anschließen; denn sehr viele benutzen ihre Zunge genau in derselben Weise wie die Schlangen, hauptsächlich zum Tasten und wohl nur in untergeordneter Weise zum Schmecken. Ueber den Sinn des Geruches wage ich nicht zu urtheilen, weil die mir bekannten, hierauf bezüglichen Beobachtungen kaum zu einem Urtheile berechtigen. Wirkliches Spürvermögen wird man kaum einer einzigen Art zusprechen dürfen. Auch der Geschmack kann nur ein untergeordneter sein, da die Schuppenechsen feste Nahrung nicht zer-
Die Schuppenechſen.
Einöden und Wüſten, in der Nähe des Waſſers wie in gänzlich waſſerloſen Gegenden. Jn den kälteren Theilen der gemäßigten Gürtel werden ſie nur durch wenige Arten vertreten; ihre Artenzahl nimmt aber gegen den Gleicher hin ſehr raſch zu. Einige Arten leben im Waſſer und betreten das Land nach Art der Krokodile nur, um eine ſich ihnen bietende Beute wegzunehmen oder um zu ſchlafen und ſich zu ſonnen; die Mehrzahl zählt zu den Landbewohnern im ſtrengſten Sinne des Wortes und meidet ſchon feuchte Oertlichkeiten; nicht wenige leben auf Bäumen, die große Menge jedoch auf feſtem Boden oder an Felſenwänden. Von ihrer Leibesgeſtalt läßt ſich im Voraus auf den Aufenthalt ſchließen. Diejenigen unter ihnen, deren Körper platt gedrückt erſcheint, wohnen meiſt auf ſandigen Ebenen und ſuchen unter Steinen, an Mauern oder in Höhlen Zuflucht, dieje- nigen, deren Leib ſeitlich zuſammengedrückt iſt, leben auf Gebüſchen oder auf Bäumen, jene endlich, deren Körper rundlich iſt, hauſen in Erd- und Baumlöchern. Doch erleidet auch dieſe Regel mancherlei Ausnahmen.
Der Menſch hat ſich mit den Schuppenechſen befreundet, und ſie verdienen eine ſolche Bevor- zugung. Wir dürfen ſie unbedingt als die begabteſten aller Kriechthiere betrachten. Wahrſcheinlich ſtehen ſie in keiner einzigen Fähigkeit hinter irgend einem anderen Klaſſenverwandten zurück. Jhre Bewegungen ſind vielſeitig, gewandt, geſchickt und meiſt ſehr ſchnell. Auch ſie ſchleppen beim Gehen den Leib faſt noch auf dem Boden dahin, laufen aber ſehr raſch, obwohl mit ſchlängelnder Bewe- gung, und wiſſen ſich durch Aufſchlagen ihres Schwanzes gegen den Boden über denſelben empor zu ſchleudern, alſo ziemlich weite Sprünge auszuführen. Die wenigen Arten, welche im Waſſer leben, ſchwimmen und tauchen trotz ihrer nicht mit Schwimmhäuten ausgerüſteten Füße ganz vorzüglich, und auch andere, welche das Waſſer ängſtlich ſcheuen, wiſſen ſich, wenn ſie zufällig in das feindliche Element gerathen, hier mit vielem Geſchicke zu behelfen; diejenigen endlich, welche an Felswänden, Mauerwerk oder auf Bäumen umherklettern, thun Dies meiſt mit einer wahrhaft überraſchenden Fertigkeit. Bei den meiſten Baumechſen wird der lange Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichts mit Erfolg gebraucht, und ſie ſind im Stande, faſt ebenſo ſchnell, wie die Verwandten auf dem Boden, längs der Zweige dahin zu rennen, oder von einem zum anderen zu ſpringen. Einigen Schuppenechſen, welche ebenfalls auf Bäumen leben, dient der Schwanz als Greifwerkzeug; ſie bewegen ſich, wie alle Thiere, welche in ähnlicher Weiſe ausgerüſtet ſind, verhältnißmäßig langſam; andere laufen mit Hilfe ihrer ſcheibenartig verbreiterten, unten rauhhäutigen Zehen in jeder beliebigen Richtung, kopfoberſt oder kopfunterſt, ebenſo ſicher auf der Oberſeite der Zweige wie an der unteren; einzelne endlich ſind fähig, mit Hilfe ihrer faltbaren Haut Flugſprünge auszuführen, d. h. ſich von höheren Zweigen herab auf tiefer ſtehende zu werfen. Bei den Schuppenechſen, deren Füße verkümmert ſind oder gänzlich fehlen, geſchieht die Fortbewegung genau in derſelben Weiſe wie bei den Schlangen, obgleich bei ihnen die Rippen nicht in ſo ausgedehnte Wirkſamkeit treten wie bei letztgenannten.
Wenige Schuppenechſen beſitzen eine eigentliche Stimme. Von den meiſten vernimmt man im Zorne höchſtens ein fauchendes Ziſchen oder Blaſen; einzelne Arten aber, insbeſondere die nächtlich lebenden, geben abgerundete, lautſchallende Töne zu hören, Laute, welche mit dem Gebrüll der Kro- kodile Nichts gemein haben, vielmehr an die Stimme der Fröſche erinnern.
Unter den Sinnen ſteht das Geſicht ausnahmslos obenan. Die Mehrzahl beſitzt ein wohl entwickeltes Auge mit rundem Stern, welcher keiner beſonderen Zuſammenziehung fähig iſt; einige aber haben einen ſpaltförmigen Stern und geben ſich dadurch ſchon äußerlich als Nachtthiere kund. Auf das Geſicht folgt wahrſcheinlich das Gehör, welches bei der großen Mehrzahl als fein bezeichnet werden mag. An dieſen Sinn dürfte ſich der des Gefühls, bezüglich der Taſtſinn anſchließen; denn ſehr viele benutzen ihre Zunge genau in derſelben Weiſe wie die Schlangen, hauptſächlich zum Taſten und wohl nur in untergeordneter Weiſe zum Schmecken. Ueber den Sinn des Geruches wage ich nicht zu urtheilen, weil die mir bekannten, hierauf bezüglichen Beobachtungen kaum zu einem Urtheile berechtigen. Wirkliches Spürvermögen wird man kaum einer einzigen Art zuſprechen dürfen. Auch der Geſchmack kann nur ein untergeordneter ſein, da die Schuppenechſen feſte Nahrung nicht zer-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0110"n="94"/><fwplace="top"type="header">Die Schuppenechſen.</fw><lb/>
Einöden und Wüſten, in der Nähe des Waſſers wie in gänzlich waſſerloſen Gegenden. Jn den<lb/>
kälteren Theilen der gemäßigten Gürtel werden ſie nur durch wenige Arten vertreten; ihre Artenzahl<lb/>
nimmt aber gegen den Gleicher hin ſehr raſch zu. Einige Arten leben im Waſſer und betreten das<lb/>
Land nach Art der Krokodile nur, um eine ſich ihnen bietende Beute wegzunehmen oder um zu<lb/>ſchlafen und ſich zu ſonnen; die Mehrzahl zählt zu den Landbewohnern im ſtrengſten Sinne des<lb/>
Wortes und meidet ſchon feuchte Oertlichkeiten; nicht wenige leben auf Bäumen, die große Menge<lb/>
jedoch auf feſtem Boden oder an Felſenwänden. Von ihrer Leibesgeſtalt läßt ſich im Voraus auf<lb/>
den Aufenthalt ſchließen. Diejenigen unter ihnen, deren Körper platt gedrückt erſcheint, wohnen<lb/>
meiſt auf ſandigen Ebenen und ſuchen unter Steinen, an Mauern oder in Höhlen Zuflucht, dieje-<lb/>
nigen, deren Leib ſeitlich zuſammengedrückt iſt, leben auf Gebüſchen oder auf Bäumen, jene endlich,<lb/>
deren Körper rundlich iſt, hauſen in Erd- und Baumlöchern. Doch erleidet auch dieſe Regel<lb/>
mancherlei Ausnahmen.</p><lb/><p>Der Menſch hat ſich mit den Schuppenechſen befreundet, und ſie verdienen eine ſolche Bevor-<lb/>
zugung. Wir dürfen ſie unbedingt als die begabteſten aller Kriechthiere betrachten. Wahrſcheinlich<lb/>ſtehen ſie in keiner einzigen Fähigkeit hinter irgend einem anderen Klaſſenverwandten zurück. Jhre<lb/>
Bewegungen ſind vielſeitig, gewandt, geſchickt und meiſt ſehr ſchnell. Auch ſie ſchleppen beim Gehen<lb/>
den Leib faſt noch auf dem Boden dahin, laufen aber ſehr raſch, obwohl mit ſchlängelnder Bewe-<lb/>
gung, und wiſſen ſich durch Aufſchlagen ihres Schwanzes gegen den Boden über denſelben empor zu<lb/>ſchleudern, alſo ziemlich weite Sprünge auszuführen. Die wenigen Arten, welche im Waſſer leben,<lb/>ſchwimmen und tauchen trotz ihrer nicht mit Schwimmhäuten ausgerüſteten Füße ganz vorzüglich,<lb/>
und auch andere, welche das Waſſer ängſtlich ſcheuen, wiſſen ſich, wenn ſie zufällig in das feindliche<lb/>
Element gerathen, hier mit vielem Geſchicke zu behelfen; diejenigen endlich, welche an Felswänden,<lb/>
Mauerwerk oder auf Bäumen umherklettern, thun Dies meiſt mit einer wahrhaft überraſchenden<lb/>
Fertigkeit. Bei den meiſten Baumechſen wird der lange Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichts mit<lb/>
Erfolg gebraucht, und ſie ſind im Stande, faſt ebenſo ſchnell, wie die Verwandten auf dem Boden, längs<lb/>
der Zweige dahin zu rennen, oder von einem zum anderen zu ſpringen. Einigen Schuppenechſen, welche<lb/>
ebenfalls auf Bäumen leben, dient der Schwanz als Greifwerkzeug; ſie bewegen ſich, wie alle Thiere,<lb/>
welche in ähnlicher Weiſe ausgerüſtet ſind, verhältnißmäßig langſam; andere laufen mit Hilfe ihrer<lb/>ſcheibenartig verbreiterten, unten rauhhäutigen Zehen in jeder beliebigen Richtung, kopfoberſt oder<lb/>
kopfunterſt, ebenſo ſicher auf der Oberſeite der Zweige wie an der unteren; einzelne endlich ſind fähig,<lb/>
mit Hilfe ihrer faltbaren Haut Flugſprünge auszuführen, d. h. ſich von höheren Zweigen herab auf<lb/>
tiefer ſtehende zu werfen. Bei den Schuppenechſen, deren Füße verkümmert ſind oder gänzlich<lb/>
fehlen, geſchieht die Fortbewegung genau in derſelben Weiſe wie bei den Schlangen, obgleich bei<lb/>
ihnen die Rippen nicht in ſo ausgedehnte Wirkſamkeit treten wie bei letztgenannten.</p><lb/><p>Wenige Schuppenechſen beſitzen eine eigentliche Stimme. Von den meiſten vernimmt man im<lb/>
Zorne höchſtens ein fauchendes Ziſchen oder Blaſen; einzelne Arten aber, insbeſondere die nächtlich<lb/>
lebenden, geben abgerundete, lautſchallende Töne zu hören, Laute, welche mit dem Gebrüll der Kro-<lb/>
kodile Nichts gemein haben, vielmehr an die Stimme der Fröſche erinnern.</p><lb/><p>Unter den Sinnen ſteht das Geſicht ausnahmslos obenan. Die Mehrzahl beſitzt ein wohl<lb/>
entwickeltes Auge mit rundem Stern, welcher keiner beſonderen Zuſammenziehung fähig iſt; einige<lb/>
aber haben einen ſpaltförmigen Stern und geben ſich dadurch ſchon äußerlich als Nachtthiere kund. Auf<lb/>
das Geſicht folgt wahrſcheinlich das Gehör, welches bei der großen Mehrzahl als fein bezeichnet<lb/>
werden mag. An dieſen Sinn dürfte ſich der des Gefühls, bezüglich der Taſtſinn anſchließen; denn<lb/>ſehr viele benutzen ihre Zunge genau in derſelben Weiſe wie die Schlangen, hauptſächlich zum Taſten<lb/>
und wohl nur in untergeordneter Weiſe zum Schmecken. Ueber den Sinn des Geruches wage ich<lb/>
nicht zu urtheilen, weil die mir bekannten, hierauf bezüglichen Beobachtungen kaum zu einem Urtheile<lb/>
berechtigen. Wirkliches Spürvermögen wird man kaum einer einzigen Art zuſprechen dürfen. Auch<lb/>
der Geſchmack kann nur ein untergeordneter ſein, da die Schuppenechſen feſte Nahrung nicht zer-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[94/0110]
Die Schuppenechſen.
Einöden und Wüſten, in der Nähe des Waſſers wie in gänzlich waſſerloſen Gegenden. Jn den
kälteren Theilen der gemäßigten Gürtel werden ſie nur durch wenige Arten vertreten; ihre Artenzahl
nimmt aber gegen den Gleicher hin ſehr raſch zu. Einige Arten leben im Waſſer und betreten das
Land nach Art der Krokodile nur, um eine ſich ihnen bietende Beute wegzunehmen oder um zu
ſchlafen und ſich zu ſonnen; die Mehrzahl zählt zu den Landbewohnern im ſtrengſten Sinne des
Wortes und meidet ſchon feuchte Oertlichkeiten; nicht wenige leben auf Bäumen, die große Menge
jedoch auf feſtem Boden oder an Felſenwänden. Von ihrer Leibesgeſtalt läßt ſich im Voraus auf
den Aufenthalt ſchließen. Diejenigen unter ihnen, deren Körper platt gedrückt erſcheint, wohnen
meiſt auf ſandigen Ebenen und ſuchen unter Steinen, an Mauern oder in Höhlen Zuflucht, dieje-
nigen, deren Leib ſeitlich zuſammengedrückt iſt, leben auf Gebüſchen oder auf Bäumen, jene endlich,
deren Körper rundlich iſt, hauſen in Erd- und Baumlöchern. Doch erleidet auch dieſe Regel
mancherlei Ausnahmen.
Der Menſch hat ſich mit den Schuppenechſen befreundet, und ſie verdienen eine ſolche Bevor-
zugung. Wir dürfen ſie unbedingt als die begabteſten aller Kriechthiere betrachten. Wahrſcheinlich
ſtehen ſie in keiner einzigen Fähigkeit hinter irgend einem anderen Klaſſenverwandten zurück. Jhre
Bewegungen ſind vielſeitig, gewandt, geſchickt und meiſt ſehr ſchnell. Auch ſie ſchleppen beim Gehen
den Leib faſt noch auf dem Boden dahin, laufen aber ſehr raſch, obwohl mit ſchlängelnder Bewe-
gung, und wiſſen ſich durch Aufſchlagen ihres Schwanzes gegen den Boden über denſelben empor zu
ſchleudern, alſo ziemlich weite Sprünge auszuführen. Die wenigen Arten, welche im Waſſer leben,
ſchwimmen und tauchen trotz ihrer nicht mit Schwimmhäuten ausgerüſteten Füße ganz vorzüglich,
und auch andere, welche das Waſſer ängſtlich ſcheuen, wiſſen ſich, wenn ſie zufällig in das feindliche
Element gerathen, hier mit vielem Geſchicke zu behelfen; diejenigen endlich, welche an Felswänden,
Mauerwerk oder auf Bäumen umherklettern, thun Dies meiſt mit einer wahrhaft überraſchenden
Fertigkeit. Bei den meiſten Baumechſen wird der lange Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichts mit
Erfolg gebraucht, und ſie ſind im Stande, faſt ebenſo ſchnell, wie die Verwandten auf dem Boden, längs
der Zweige dahin zu rennen, oder von einem zum anderen zu ſpringen. Einigen Schuppenechſen, welche
ebenfalls auf Bäumen leben, dient der Schwanz als Greifwerkzeug; ſie bewegen ſich, wie alle Thiere,
welche in ähnlicher Weiſe ausgerüſtet ſind, verhältnißmäßig langſam; andere laufen mit Hilfe ihrer
ſcheibenartig verbreiterten, unten rauhhäutigen Zehen in jeder beliebigen Richtung, kopfoberſt oder
kopfunterſt, ebenſo ſicher auf der Oberſeite der Zweige wie an der unteren; einzelne endlich ſind fähig,
mit Hilfe ihrer faltbaren Haut Flugſprünge auszuführen, d. h. ſich von höheren Zweigen herab auf
tiefer ſtehende zu werfen. Bei den Schuppenechſen, deren Füße verkümmert ſind oder gänzlich
fehlen, geſchieht die Fortbewegung genau in derſelben Weiſe wie bei den Schlangen, obgleich bei
ihnen die Rippen nicht in ſo ausgedehnte Wirkſamkeit treten wie bei letztgenannten.
Wenige Schuppenechſen beſitzen eine eigentliche Stimme. Von den meiſten vernimmt man im
Zorne höchſtens ein fauchendes Ziſchen oder Blaſen; einzelne Arten aber, insbeſondere die nächtlich
lebenden, geben abgerundete, lautſchallende Töne zu hören, Laute, welche mit dem Gebrüll der Kro-
kodile Nichts gemein haben, vielmehr an die Stimme der Fröſche erinnern.
Unter den Sinnen ſteht das Geſicht ausnahmslos obenan. Die Mehrzahl beſitzt ein wohl
entwickeltes Auge mit rundem Stern, welcher keiner beſonderen Zuſammenziehung fähig iſt; einige
aber haben einen ſpaltförmigen Stern und geben ſich dadurch ſchon äußerlich als Nachtthiere kund. Auf
das Geſicht folgt wahrſcheinlich das Gehör, welches bei der großen Mehrzahl als fein bezeichnet
werden mag. An dieſen Sinn dürfte ſich der des Gefühls, bezüglich der Taſtſinn anſchließen; denn
ſehr viele benutzen ihre Zunge genau in derſelben Weiſe wie die Schlangen, hauptſächlich zum Taſten
und wohl nur in untergeordneter Weiſe zum Schmecken. Ueber den Sinn des Geruches wage ich
nicht zu urtheilen, weil die mir bekannten, hierauf bezüglichen Beobachtungen kaum zu einem Urtheile
berechtigen. Wirkliches Spürvermögen wird man kaum einer einzigen Art zuſprechen dürfen. Auch
der Geſchmack kann nur ein untergeordneter ſein, da die Schuppenechſen feſte Nahrung nicht zer-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/110>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.