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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Kupferspecht.
mit ihren spitzen Schnäbeln wiederholt an dem Holze klopften; gleich darauf flogen sie an die Yucca-
stämme, wo sie dieselbe Arbeit aufs Neue vornahmen; dann kehrten sie schnell wieder zu den Aloen
zurück, und so fort. Jch näherte mich daher den Agaven, betrachtete ihre Stengel und fand sie
siebförmig durchbohrt und zwar so, daß die Löcher unregelmäßig eins über dem andern sich befanden.
Diese Oeffnungen standen offenbar mit Höhlungen im Jnnern in Verbindung; ich beeilte mich daher,
einen Blüthenschaft abzuhauen und ihn auseinanderzuschneiden, um seinen Mittelraum zu betrachten.
Wie groß war mein Erstaunen, als ich darin ein wahres Vorrathshaus von Nahrungsstoffen entdeckte!
Die weise Vorsicht, welche der kunstfertige Vogel durch die Wahl dieser Vorrathskammer und die
Geschicklichkeit, mit der er sie zu füllen versteht, an den Tag legt, verdienen beide in gleichem Maße
beschrieben zu werden."

"Die Agavepflanze stirbt, nachdem sie geblüht hat, ab und vertrocknet; aber noch lange nachher
bleibt sie aufrecht stehen, und ihr Schaft bildet gleichsam einen senkrechten Pfahl, dessen äußere Schicht
beim Abtrocknen erhärtet, während das Mark des Jnnern nach und nach verschwindet und so im
Mittelpunkt des Stengels eine Röhre frei läßt, die dessen ganze Länge einnimmt. Diese Röhre hat
der Specht dazu ersehen, seine Lebensmittel darin aufzuspeichern. Die Lebensmittel aber sind Eicheln,
welche von unsern Vögeln für den Winter in jenen natürlichen Speichern aufgehäuft werden. Die Mittel-
röhre des Schaftes der Agaven hat einen Durchmesser, gerade groß genug, um Eicheln einzeln durch-
zulassen, sodaß sie der Reihe nach, eine über der andern, wie die Kügelchen eines Rosenkranzes zu
liegen kommen; wenn man die Röhre der Länge nach spaltet, so findet man sie gleichsam mit einer
Säule von Eicheln angefüllt. Jndeß ist ihr Aufeinanderliegen nicht immer so regelmäßig. Jn den
stärksten Agaven ist die Mittelröhre weiter, und in einer solchen häufen sich dann die Eicheln unregel-
mäßiger an. Aber wie stellt es der Vogel an, um seine Vorrathskammer, welche die Natur
ringsum verschlossen hat, zu füllen?"

"Mit Schnabelhieben bohrt er am untersten Theile des Schaftes ein kleines rundes Loch durch
das Holz. Dieses Loch erstreckt sich bis zur mittleren Röhre. Er benutzt dann diese Oeffnung, um
Eicheln hineinzustopfen, bis er damit den Theil der Röhre gefüllt hat, welcher unterhalb des Loches
liegt. Hierauf bohrt er ein zweites Loch an einem höher gelegenen Punkte des Schaftes, durch welches
er den innern Raum der Mittelröhre, die sich zwischen den beiden Oeffnungen befindet, anfüllt.
Gleich darauf bringt er ein drittes Loch noch höher hinauf an, und so fährt er fort, bis er so hoch
hinaufgestiegen ist, daß er den Punkt des Schaftes erreicht, wo die Röhre so eng wird, daß sie keine
Eicheln mehr durchläßt. Man beachte jedoch, daß diese Schaftröhre weder weit noch rein genug ist,
als daß die Eicheln vermöge ihrer Schwere nach unten gezogen würden; der Vogel ist im Gegentheil
gezwungen, sie hineinzustoßen, und trotz seines großen Geschicks bei dieser Arbeit gelingt es ihm doch
meist nur, sie ein bis zwei Zoll tief in die Röhre hinabzuschieben; er ist daher in die Nothwendigkeit
versetzt, die Löcher sehr nahe über einander zu stellen, wenn er vom Grunde bis zum Gipfel ein voll-
ständiges Füllen des Schaftes bewerkstelligen will. Auch diese Arbeit verrichtet er indeß nicht immer
mit gleicher Regelmäßigkeit. Es gibt viele Agavenschafte, deren Mark noch fast unversehrt geblieben
ist und kaum irgend eine Röhre bildet. Jn diesem Falle muß der Specht andere Kunstgriffe
anwenden, um seine Eichelvorräthe niederzulegen. Wo er keine Höhlungen findet, muß er selbst
welche meiseln. Zu diesem Behuf bohrt er für jede Eichel, die er verstecken will, ein besonderes Loch
und legt dieselbe dann in dem Marke selbst nieder, indem er hier ein Loch meiselt, weit genug, eine
Eichel aufzunehmen. So findet man viele Stengel, in denen die Eicheln nicht in einer Röhre ange-
häuft sind, sondern jede für sich am Ende eines der Löcher liegt, mit welchen die Oberfläche des
Schaftes übersäet ist. Das ist eine harte Arbeit und verursacht dem Vogel viel Schweiß. Er muß
sehr fleißig sein, um eine solche Vorrathskammer anzulegen. Um so leichter wird es ihm nachher, sie
zu benutzen. Er hat dann nicht mehr nöthig, seine Nahrung unter einer mühsam zu durchbrechenden
Holzschicht zu suchen; er braucht nur seinen spitzen Schnabel in eine jener schon fertigen Oeffnungen
zu stecken, um eine Mahlzeit daraus hervorzulangen."

Kupferſpecht.
mit ihren ſpitzen Schnäbeln wiederholt an dem Holze klopften; gleich darauf flogen ſie an die Yucca-
ſtämme, wo ſie dieſelbe Arbeit aufs Neue vornahmen; dann kehrten ſie ſchnell wieder zu den Aloen
zurück, und ſo fort. Jch näherte mich daher den Agaven, betrachtete ihre Stengel und fand ſie
ſiebförmig durchbohrt und zwar ſo, daß die Löcher unregelmäßig eins über dem andern ſich befanden.
Dieſe Oeffnungen ſtanden offenbar mit Höhlungen im Jnnern in Verbindung; ich beeilte mich daher,
einen Blüthenſchaft abzuhauen und ihn auseinanderzuſchneiden, um ſeinen Mittelraum zu betrachten.
Wie groß war mein Erſtaunen, als ich darin ein wahres Vorrathshaus von Nahrungsſtoffen entdeckte!
Die weiſe Vorſicht, welche der kunſtfertige Vogel durch die Wahl dieſer Vorrathskammer und die
Geſchicklichkeit, mit der er ſie zu füllen verſteht, an den Tag legt, verdienen beide in gleichem Maße
beſchrieben zu werden.“

„Die Agavepflanze ſtirbt, nachdem ſie geblüht hat, ab und vertrocknet; aber noch lange nachher
bleibt ſie aufrecht ſtehen, und ihr Schaft bildet gleichſam einen ſenkrechten Pfahl, deſſen äußere Schicht
beim Abtrocknen erhärtet, während das Mark des Jnnern nach und nach verſchwindet und ſo im
Mittelpunkt des Stengels eine Röhre frei läßt, die deſſen ganze Länge einnimmt. Dieſe Röhre hat
der Specht dazu erſehen, ſeine Lebensmittel darin aufzuſpeichern. Die Lebensmittel aber ſind Eicheln,
welche von unſern Vögeln für den Winter in jenen natürlichen Speichern aufgehäuft werden. Die Mittel-
röhre des Schaftes der Agaven hat einen Durchmeſſer, gerade groß genug, um Eicheln einzeln durch-
zulaſſen, ſodaß ſie der Reihe nach, eine über der andern, wie die Kügelchen eines Roſenkranzes zu
liegen kommen; wenn man die Röhre der Länge nach ſpaltet, ſo findet man ſie gleichſam mit einer
Säule von Eicheln angefüllt. Jndeß iſt ihr Aufeinanderliegen nicht immer ſo regelmäßig. Jn den
ſtärkſten Agaven iſt die Mittelröhre weiter, und in einer ſolchen häufen ſich dann die Eicheln unregel-
mäßiger an. Aber wie ſtellt es der Vogel an, um ſeine Vorrathskammer, welche die Natur
ringsum verſchloſſen hat, zu füllen?“

„Mit Schnabelhieben bohrt er am unterſten Theile des Schaftes ein kleines rundes Loch durch
das Holz. Dieſes Loch erſtreckt ſich bis zur mittleren Röhre. Er benutzt dann dieſe Oeffnung, um
Eicheln hineinzuſtopfen, bis er damit den Theil der Röhre gefüllt hat, welcher unterhalb des Loches
liegt. Hierauf bohrt er ein zweites Loch an einem höher gelegenen Punkte des Schaftes, durch welches
er den innern Raum der Mittelröhre, die ſich zwiſchen den beiden Oeffnungen befindet, anfüllt.
Gleich darauf bringt er ein drittes Loch noch höher hinauf an, und ſo fährt er fort, bis er ſo hoch
hinaufgeſtiegen iſt, daß er den Punkt des Schaftes erreicht, wo die Röhre ſo eng wird, daß ſie keine
Eicheln mehr durchläßt. Man beachte jedoch, daß dieſe Schaftröhre weder weit noch rein genug iſt,
als daß die Eicheln vermöge ihrer Schwere nach unten gezogen würden; der Vogel iſt im Gegentheil
gezwungen, ſie hineinzuſtoßen, und trotz ſeines großen Geſchicks bei dieſer Arbeit gelingt es ihm doch
meiſt nur, ſie ein bis zwei Zoll tief in die Röhre hinabzuſchieben; er iſt daher in die Nothwendigkeit
verſetzt, die Löcher ſehr nahe über einander zu ſtellen, wenn er vom Grunde bis zum Gipfel ein voll-
ſtändiges Füllen des Schaftes bewerkſtelligen will. Auch dieſe Arbeit verrichtet er indeß nicht immer
mit gleicher Regelmäßigkeit. Es gibt viele Agavenſchafte, deren Mark noch faſt unverſehrt geblieben
iſt und kaum irgend eine Röhre bildet. Jn dieſem Falle muß der Specht andere Kunſtgriffe
anwenden, um ſeine Eichelvorräthe niederzulegen. Wo er keine Höhlungen findet, muß er ſelbſt
welche meiſeln. Zu dieſem Behuf bohrt er für jede Eichel, die er verſtecken will, ein beſonderes Loch
und legt dieſelbe dann in dem Marke ſelbſt nieder, indem er hier ein Loch meiſelt, weit genug, eine
Eichel aufzunehmen. So findet man viele Stengel, in denen die Eicheln nicht in einer Röhre ange-
häuft ſind, ſondern jede für ſich am Ende eines der Löcher liegt, mit welchen die Oberfläche des
Schaftes überſäet iſt. Das iſt eine harte Arbeit und verurſacht dem Vogel viel Schweiß. Er muß
ſehr fleißig ſein, um eine ſolche Vorrathskammer anzulegen. Um ſo leichter wird es ihm nachher, ſie
zu benutzen. Er hat dann nicht mehr nöthig, ſeine Nahrung unter einer mühſam zu durchbrechenden
Holzſchicht zu ſuchen; er braucht nur ſeinen ſpitzen Schnabel in eine jener ſchon fertigen Oeffnungen
zu ſtecken, um eine Mahlzeit daraus hervorzulangen.“

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[85/0099] Kupferſpecht. mit ihren ſpitzen Schnäbeln wiederholt an dem Holze klopften; gleich darauf flogen ſie an die Yucca- ſtämme, wo ſie dieſelbe Arbeit aufs Neue vornahmen; dann kehrten ſie ſchnell wieder zu den Aloen zurück, und ſo fort. Jch näherte mich daher den Agaven, betrachtete ihre Stengel und fand ſie ſiebförmig durchbohrt und zwar ſo, daß die Löcher unregelmäßig eins über dem andern ſich befanden. Dieſe Oeffnungen ſtanden offenbar mit Höhlungen im Jnnern in Verbindung; ich beeilte mich daher, einen Blüthenſchaft abzuhauen und ihn auseinanderzuſchneiden, um ſeinen Mittelraum zu betrachten. Wie groß war mein Erſtaunen, als ich darin ein wahres Vorrathshaus von Nahrungsſtoffen entdeckte! Die weiſe Vorſicht, welche der kunſtfertige Vogel durch die Wahl dieſer Vorrathskammer und die Geſchicklichkeit, mit der er ſie zu füllen verſteht, an den Tag legt, verdienen beide in gleichem Maße beſchrieben zu werden.“ „Die Agavepflanze ſtirbt, nachdem ſie geblüht hat, ab und vertrocknet; aber noch lange nachher bleibt ſie aufrecht ſtehen, und ihr Schaft bildet gleichſam einen ſenkrechten Pfahl, deſſen äußere Schicht beim Abtrocknen erhärtet, während das Mark des Jnnern nach und nach verſchwindet und ſo im Mittelpunkt des Stengels eine Röhre frei läßt, die deſſen ganze Länge einnimmt. Dieſe Röhre hat der Specht dazu erſehen, ſeine Lebensmittel darin aufzuſpeichern. Die Lebensmittel aber ſind Eicheln, welche von unſern Vögeln für den Winter in jenen natürlichen Speichern aufgehäuft werden. Die Mittel- röhre des Schaftes der Agaven hat einen Durchmeſſer, gerade groß genug, um Eicheln einzeln durch- zulaſſen, ſodaß ſie der Reihe nach, eine über der andern, wie die Kügelchen eines Roſenkranzes zu liegen kommen; wenn man die Röhre der Länge nach ſpaltet, ſo findet man ſie gleichſam mit einer Säule von Eicheln angefüllt. Jndeß iſt ihr Aufeinanderliegen nicht immer ſo regelmäßig. Jn den ſtärkſten Agaven iſt die Mittelröhre weiter, und in einer ſolchen häufen ſich dann die Eicheln unregel- mäßiger an. Aber wie ſtellt es der Vogel an, um ſeine Vorrathskammer, welche die Natur ringsum verſchloſſen hat, zu füllen?“ „Mit Schnabelhieben bohrt er am unterſten Theile des Schaftes ein kleines rundes Loch durch das Holz. Dieſes Loch erſtreckt ſich bis zur mittleren Röhre. Er benutzt dann dieſe Oeffnung, um Eicheln hineinzuſtopfen, bis er damit den Theil der Röhre gefüllt hat, welcher unterhalb des Loches liegt. Hierauf bohrt er ein zweites Loch an einem höher gelegenen Punkte des Schaftes, durch welches er den innern Raum der Mittelröhre, die ſich zwiſchen den beiden Oeffnungen befindet, anfüllt. Gleich darauf bringt er ein drittes Loch noch höher hinauf an, und ſo fährt er fort, bis er ſo hoch hinaufgeſtiegen iſt, daß er den Punkt des Schaftes erreicht, wo die Röhre ſo eng wird, daß ſie keine Eicheln mehr durchläßt. Man beachte jedoch, daß dieſe Schaftröhre weder weit noch rein genug iſt, als daß die Eicheln vermöge ihrer Schwere nach unten gezogen würden; der Vogel iſt im Gegentheil gezwungen, ſie hineinzuſtoßen, und trotz ſeines großen Geſchicks bei dieſer Arbeit gelingt es ihm doch meiſt nur, ſie ein bis zwei Zoll tief in die Röhre hinabzuſchieben; er iſt daher in die Nothwendigkeit verſetzt, die Löcher ſehr nahe über einander zu ſtellen, wenn er vom Grunde bis zum Gipfel ein voll- ſtändiges Füllen des Schaftes bewerkſtelligen will. Auch dieſe Arbeit verrichtet er indeß nicht immer mit gleicher Regelmäßigkeit. Es gibt viele Agavenſchafte, deren Mark noch faſt unverſehrt geblieben iſt und kaum irgend eine Röhre bildet. Jn dieſem Falle muß der Specht andere Kunſtgriffe anwenden, um ſeine Eichelvorräthe niederzulegen. Wo er keine Höhlungen findet, muß er ſelbſt welche meiſeln. Zu dieſem Behuf bohrt er für jede Eichel, die er verſtecken will, ein beſonderes Loch und legt dieſelbe dann in dem Marke ſelbſt nieder, indem er hier ein Loch meiſelt, weit genug, eine Eichel aufzunehmen. So findet man viele Stengel, in denen die Eicheln nicht in einer Röhre ange- häuft ſind, ſondern jede für ſich am Ende eines der Löcher liegt, mit welchen die Oberfläche des Schaftes überſäet iſt. Das iſt eine harte Arbeit und verurſacht dem Vogel viel Schweiß. Er muß ſehr fleißig ſein, um eine ſolche Vorrathskammer anzulegen. Um ſo leichter wird es ihm nachher, ſie zu benutzen. Er hat dann nicht mehr nöthig, ſeine Nahrung unter einer mühſam zu durchbrechenden Holzſchicht zu ſuchen; er braucht nur ſeinen ſpitzen Schnabel in eine jener ſchon fertigen Oeffnungen zu ſtecken, um eine Mahlzeit daraus hervorzulangen.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/99>, abgerufen am 23.11.2024.