Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Späher. Klettervögel. Kukuksspechte.

"Die Geduld, welche unsere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, ist nicht das
einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die sie anwenden müssen, sich die Eicheln zu
verschaffen, ist noch staunenswerther. Der Pizarro erhebt sich inmitten einer Wüste von Sand und
Laven, auf denen kein Eichbaum wächst. Es ist mir unbegreiflich, von woher unsere Vögel ihre
Lebensmittel geholt hatten. Sie müssen mehrere Meilen weit danach geflogen sein, vielleicht bis zum
Abhang der Cordillera."

"Durch ein so kunstvolles Verfahren schützt die Natur diese Spechte gegen die Schrecken des
Hungers in einem öden Lande, während eines sechsmonatlichen Winters, wo ein stets heitrer Himmel
Alles aufs Höchste ausdorrt. Die Trockenheit verursacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei
uns die Kälte, und die allein ihr widerstehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächse der Savanne
ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu seinem Unterhalt bedarf. Ohne die
geschilderte Hilfsquelle bliebe unsern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu sterben."

"Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder sechsten Monat der rauhen Jahreszeit,
und die Spechte beschäftigten sich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles
veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln sind, die ihnen zur Speise dienen und nicht
etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weise, wie sie sie genießen; ist ebenso
merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen
des Spechts schwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um sie mit dem Schnabel
spalten zu können, nimmt der Vogel wieder seine Zuflucht zu einem sehr geschickten Kunstgriff.
Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccastämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug,
um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzustecken, aber nicht groß genug, um sie ganz
hineingehen zu lassen, klemmt sie in dies Loch und stößt sie mit seinem Schnabel hinein, wie
einen Zapfen in ein Spundloch. Die so festgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange-
griffen und mit der größten Leichtigkeit zerstückt; denn mit jedem Streiche stößt der Specht sie
tiefer und fester hinein. Aus diesem Grunde sind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenso durchlöchert,
wie die Agavenschafte. Wenn diese Bäume absterben, löst sich die sie bedeckende Rinde vom Stamm
und läßt so zwischen sich und dem Holze des Baumes einen sehr geräumigen Zwischenraum, der selbst
wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloestengel, dienen kann. Unsere Vögel, schnell
bereit, sich diesen Umstand zu Nutze zu machen, bohren die abgestorbene Rinde voller Löcher und stecken
Eicheln zwischen dieselbe und das Holz. Aber dies Verfahren scheint ihnen nicht besonders zuzu-
sagen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieser
natürlichen Tasche fallen läßt, aus welcher die Spechte sie nachher nicht wieder hervorziehen können.
Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenstücke meist nur Ueberbleibsel von Eicheln
gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte sie in den von außen her hineinge-
bohrten Löchern zerstückten. Ganze Eicheln waren darin sehr selten."

"Das im Vorstehenden geschilderte Verfahren ist merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der
Wintervorrath sammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die seiner Gattung sonst nicht eigen
ist und trägt sie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächst, die ihm zur Vorrathskammer
dient. Er verbirgt sie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felsenspalten oder Erdhöhlen, kurz an
keinem jener Orte, die sich naturgemäß seinem Suchen darzubieten scheinen, vielmehr in schmalen, im
Mittelpunkt eines Pflanzenstengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandensein er weiß. Zu diesen
Röhren bahnt er sich einen Weg, indem er das sie rings umschließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft
er seinen Vorrath in strengster Ordnung auf und bewahrt ihn so sicher vor der Feuchtigkeit in einem
Zustande, der höchst günstig auf seine Erhaltung einwirkt, geschützt zugleich vor Ratten und samen-
fressenden Vögeln, welche nicht im Stande sind, durch das ihn schützende Holz zu dringen."

"Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des
Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob sie ein ähnliches Verfahren beobachten.
Jn einer gewissen Gegend des Berges sah man unzählige trockene und in Vorrathskammern

Die Späher. Klettervögel. Kukuksſpechte.

„Die Geduld, welche unſere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, iſt nicht das
einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die ſie anwenden müſſen, ſich die Eicheln zu
verſchaffen, iſt noch ſtaunenswerther. Der Pizarro erhebt ſich inmitten einer Wüſte von Sand und
Laven, auf denen kein Eichbaum wächſt. Es iſt mir unbegreiflich, von woher unſere Vögel ihre
Lebensmittel geholt hatten. Sie müſſen mehrere Meilen weit danach geflogen ſein, vielleicht bis zum
Abhang der Cordillera.“

„Durch ein ſo kunſtvolles Verfahren ſchützt die Natur dieſe Spechte gegen die Schrecken des
Hungers in einem öden Lande, während eines ſechsmonatlichen Winters, wo ein ſtets heitrer Himmel
Alles aufs Höchſte ausdorrt. Die Trockenheit verurſacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei
uns die Kälte, und die allein ihr widerſtehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächſe der Savanne
ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu ſeinem Unterhalt bedarf. Ohne die
geſchilderte Hilfsquelle bliebe unſern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu ſterben.“

„Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder ſechsten Monat der rauhen Jahreszeit,
und die Spechte beſchäftigten ſich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles
veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln ſind, die ihnen zur Speiſe dienen und nicht
etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weiſe, wie ſie ſie genießen; iſt ebenſo
merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen
des Spechts ſchwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um ſie mit dem Schnabel
ſpalten zu können, nimmt der Vogel wieder ſeine Zuflucht zu einem ſehr geſchickten Kunſtgriff.
Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccaſtämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug,
um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzuſtecken, aber nicht groß genug, um ſie ganz
hineingehen zu laſſen, klemmt ſie in dies Loch und ſtößt ſie mit ſeinem Schnabel hinein, wie
einen Zapfen in ein Spundloch. Die ſo feſtgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange-
griffen und mit der größten Leichtigkeit zerſtückt; denn mit jedem Streiche ſtößt der Specht ſie
tiefer und feſter hinein. Aus dieſem Grunde ſind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenſo durchlöchert,
wie die Agavenſchafte. Wenn dieſe Bäume abſterben, löſt ſich die ſie bedeckende Rinde vom Stamm
und läßt ſo zwiſchen ſich und dem Holze des Baumes einen ſehr geräumigen Zwiſchenraum, der ſelbſt
wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloeſtengel, dienen kann. Unſere Vögel, ſchnell
bereit, ſich dieſen Umſtand zu Nutze zu machen, bohren die abgeſtorbene Rinde voller Löcher und ſtecken
Eicheln zwiſchen dieſelbe und das Holz. Aber dies Verfahren ſcheint ihnen nicht beſonders zuzu-
ſagen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieſer
natürlichen Taſche fallen läßt, aus welcher die Spechte ſie nachher nicht wieder hervorziehen können.
Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenſtücke meiſt nur Ueberbleibſel von Eicheln
gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte ſie in den von außen her hineinge-
bohrten Löchern zerſtückten. Ganze Eicheln waren darin ſehr ſelten.“

„Das im Vorſtehenden geſchilderte Verfahren iſt merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der
Wintervorrath ſammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die ſeiner Gattung ſonſt nicht eigen
iſt und trägt ſie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächſt, die ihm zur Vorrathskammer
dient. Er verbirgt ſie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felſenſpalten oder Erdhöhlen, kurz an
keinem jener Orte, die ſich naturgemäß ſeinem Suchen darzubieten ſcheinen, vielmehr in ſchmalen, im
Mittelpunkt eines Pflanzenſtengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandenſein er weiß. Zu dieſen
Röhren bahnt er ſich einen Weg, indem er das ſie rings umſchließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft
er ſeinen Vorrath in ſtrengſter Ordnung auf und bewahrt ihn ſo ſicher vor der Feuchtigkeit in einem
Zuſtande, der höchſt günſtig auf ſeine Erhaltung einwirkt, geſchützt zugleich vor Ratten und ſamen-
freſſenden Vögeln, welche nicht im Stande ſind, durch das ihn ſchützende Holz zu dringen.“

„Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des
Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob ſie ein ähnliches Verfahren beobachten.
Jn einer gewiſſen Gegend des Berges ſah man unzählige trockene und in Vorrathskammern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0100" n="86"/>
          <fw place="top" type="header">Die Späher. Klettervögel. Kukuks&#x017F;pechte.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Die Geduld, welche un&#x017F;ere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, i&#x017F;t nicht das<lb/>
einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die &#x017F;ie anwenden mü&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich die Eicheln zu<lb/>
ver&#x017F;chaffen, i&#x017F;t noch &#x017F;taunenswerther. Der Pizarro erhebt &#x017F;ich inmitten einer Wü&#x017F;te von Sand und<lb/>
Laven, auf denen kein Eichbaum wäch&#x017F;t. Es i&#x017F;t mir unbegreiflich, von woher un&#x017F;ere Vögel ihre<lb/>
Lebensmittel geholt hatten. Sie mü&#x017F;&#x017F;en mehrere Meilen weit danach geflogen &#x017F;ein, vielleicht bis zum<lb/>
Abhang der Cordillera.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Durch ein &#x017F;o kun&#x017F;tvolles Verfahren &#x017F;chützt die Natur die&#x017F;e Spechte gegen die Schrecken des<lb/>
Hungers in einem öden Lande, während eines &#x017F;echsmonatlichen Winters, wo ein &#x017F;tets heitrer Himmel<lb/>
Alles aufs Höch&#x017F;te ausdorrt. Die Trockenheit verur&#x017F;acht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei<lb/>
uns die Kälte, und die allein ihr wider&#x017F;tehenden, überaus dürren, lederartigen Gewäch&#x017F;e der Savanne<lb/>
ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu &#x017F;einem Unterhalt bedarf. Ohne die<lb/>
ge&#x017F;childerte Hilfsquelle bliebe un&#x017F;ern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu &#x017F;terben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder &#x017F;echsten Monat der rauhen Jahreszeit,<lb/>
und die Spechte be&#x017F;chäftigten &#x017F;ich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles<lb/>
veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln &#x017F;ind, die ihnen zur Spei&#x017F;e dienen und nicht<lb/>
etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Wei&#x017F;e, wie &#x017F;ie &#x017F;ie genießen; i&#x017F;t eben&#x017F;o<lb/>
merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen<lb/>
des Spechts &#x017F;chwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um &#x017F;ie mit dem Schnabel<lb/>
&#x017F;palten zu können, nimmt der Vogel wieder &#x017F;eine Zuflucht zu einem &#x017F;ehr ge&#x017F;chickten Kun&#x017F;tgriff.<lb/>
Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yucca&#x017F;tämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug,<lb/>
um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzu&#x017F;tecken, aber nicht groß genug, um &#x017F;ie ganz<lb/>
hineingehen zu la&#x017F;&#x017F;en, klemmt &#x017F;ie in dies Loch und &#x017F;tößt &#x017F;ie mit &#x017F;einem Schnabel hinein, wie<lb/>
einen Zapfen in ein Spundloch. Die &#x017F;o fe&#x017F;tgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange-<lb/>
griffen und mit der größten Leichtigkeit zer&#x017F;tückt; denn mit jedem Streiche &#x017F;tößt der Specht &#x017F;ie<lb/>
tiefer und fe&#x017F;ter hinein. Aus die&#x017F;em Grunde &#x017F;ind die Stämme vieler Yuccas ganz eben&#x017F;o durchlöchert,<lb/>
wie die Agaven&#x017F;chafte. Wenn die&#x017F;e Bäume ab&#x017F;terben, lö&#x017F;t &#x017F;ich die &#x017F;ie bedeckende Rinde vom Stamm<lb/>
und läßt &#x017F;o zwi&#x017F;chen &#x017F;ich und dem Holze des Baumes einen &#x017F;ehr geräumigen Zwi&#x017F;chenraum, der &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloe&#x017F;tengel, dienen kann. Un&#x017F;ere Vögel, &#x017F;chnell<lb/>
bereit, &#x017F;ich die&#x017F;en Um&#x017F;tand zu Nutze zu machen, bohren die abge&#x017F;torbene Rinde voller Löcher und &#x017F;tecken<lb/>
Eicheln zwi&#x017F;chen die&#x017F;elbe und das Holz. Aber dies Verfahren &#x017F;cheint ihnen nicht be&#x017F;onders zuzu-<lb/>
&#x017F;agen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden die&#x017F;er<lb/>
natürlichen Ta&#x017F;che fallen läßt, aus welcher die Spechte &#x017F;ie nachher nicht wieder hervorziehen können.<lb/>
Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rinden&#x017F;tücke mei&#x017F;t nur Ueberbleib&#x017F;el von Eicheln<lb/>
gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte &#x017F;ie in den von außen her hineinge-<lb/>
bohrten Löchern zer&#x017F;tückten. Ganze Eicheln waren darin &#x017F;ehr &#x017F;elten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das im Vor&#x017F;tehenden ge&#x017F;childerte Verfahren i&#x017F;t merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der<lb/>
Wintervorrath &#x017F;ammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die &#x017F;einer Gattung &#x017F;on&#x017F;t nicht eigen<lb/>
i&#x017F;t und trägt &#x017F;ie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wäch&#x017F;t, die ihm zur Vorrathskammer<lb/>
dient. Er verbirgt &#x017F;ie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Fel&#x017F;en&#x017F;palten oder Erdhöhlen, kurz an<lb/>
keinem jener Orte, die &#x017F;ich naturgemäß &#x017F;einem Suchen darzubieten &#x017F;cheinen, vielmehr in &#x017F;chmalen, im<lb/>
Mittelpunkt eines Pflanzen&#x017F;tengels verborgenen Röhren, von deren Vorhanden&#x017F;ein er weiß. Zu die&#x017F;en<lb/>
Röhren bahnt er &#x017F;ich einen Weg, indem er das &#x017F;ie rings um&#x017F;chließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft<lb/>
er &#x017F;einen Vorrath in &#x017F;treng&#x017F;ter Ordnung auf und bewahrt ihn &#x017F;o &#x017F;icher vor der Feuchtigkeit in einem<lb/>
Zu&#x017F;tande, der höch&#x017F;t gün&#x017F;tig auf &#x017F;eine Erhaltung einwirkt, ge&#x017F;chützt zugleich vor Ratten und &#x017F;amen-<lb/>
fre&#x017F;&#x017F;enden Vögeln, welche nicht im Stande &#x017F;ind, durch das ihn &#x017F;chützende Holz zu dringen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des<lb/>
Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob &#x017F;ie ein ähnliches Verfahren beobachten.<lb/>
Jn einer gewi&#x017F;&#x017F;en Gegend des Berges &#x017F;ah man unzählige trockene und in Vorrathskammern<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0100] Die Späher. Klettervögel. Kukuksſpechte. „Die Geduld, welche unſere Vögel beim Füllen ihrer Vorrathskammern zeigen, iſt nicht das einzige Bemerkenswerthe an ihnen: die Beharrlichkeit, die ſie anwenden müſſen, ſich die Eicheln zu verſchaffen, iſt noch ſtaunenswerther. Der Pizarro erhebt ſich inmitten einer Wüſte von Sand und Laven, auf denen kein Eichbaum wächſt. Es iſt mir unbegreiflich, von woher unſere Vögel ihre Lebensmittel geholt hatten. Sie müſſen mehrere Meilen weit danach geflogen ſein, vielleicht bis zum Abhang der Cordillera.“ „Durch ein ſo kunſtvolles Verfahren ſchützt die Natur dieſe Spechte gegen die Schrecken des Hungers in einem öden Lande, während eines ſechsmonatlichen Winters, wo ein ſtets heitrer Himmel Alles aufs Höchſte ausdorrt. Die Trockenheit verurſacht dann den Tod des Pflanzenlebens, wie bei uns die Kälte, und die allein ihr widerſtehenden, überaus dürren, lederartigen Gewächſe der Savanne ernähren keine von den Kerbthieren mehr, die der Specht zu ſeinem Unterhalt bedarf. Ohne die geſchilderte Hilfsquelle bliebe unſern Vögeln nur übrig, entweder fortzuziehen oder Hungers zu ſterben.“ „Wir waren damals im April, d. h. im fünften oder ſechsten Monat der rauhen Jahreszeit, und die Spechte beſchäftigten ſich damit, Eicheln aus ihren Vorrathskammern hervorzulangen. Alles veranlaßt zu dem Glauben, daß es wirklich die Eicheln ſind, die ihnen zur Speiſe dienen und nicht etwa kleine Larven, die jene enthalten können. Die Art und Weiſe, wie ſie ſie genießen; iſt ebenſo merkwürdig, als das oben angedeutete. Die platte, rundliche Eichel kann von den zu großen Füßen des Spechts ſchwer gefaßt werden. Um ihr einen Halt zu geben und um ſie mit dem Schnabel ſpalten zu können, nimmt der Vogel wieder ſeine Zuflucht zu einem ſehr geſchickten Kunſtgriff. Er bohrt in die Rinde, welche die verdorrten Yuccaſtämme umgibt, ein Loch, gerade groß genug, um die Eichel mit ihrem dünnen Ende hineinzuſtecken, aber nicht groß genug, um ſie ganz hineingehen zu laſſen, klemmt ſie in dies Loch und ſtößt ſie mit ſeinem Schnabel hinein, wie einen Zapfen in ein Spundloch. Die ſo feſtgehaltene Frucht wird dann mit Schnabelhieben ange- griffen und mit der größten Leichtigkeit zerſtückt; denn mit jedem Streiche ſtößt der Specht ſie tiefer und feſter hinein. Aus dieſem Grunde ſind die Stämme vieler Yuccas ganz ebenſo durchlöchert, wie die Agavenſchafte. Wenn dieſe Bäume abſterben, löſt ſich die ſie bedeckende Rinde vom Stamm und läßt ſo zwiſchen ſich und dem Holze des Baumes einen ſehr geräumigen Zwiſchenraum, der ſelbſt wieder zur Vorrathskammer, wie die Höhlung der Aloeſtengel, dienen kann. Unſere Vögel, ſchnell bereit, ſich dieſen Umſtand zu Nutze zu machen, bohren die abgeſtorbene Rinde voller Löcher und ſtecken Eicheln zwiſchen dieſelbe und das Holz. Aber dies Verfahren ſcheint ihnen nicht beſonders zuzu- ſagen, was leicht erklärlich, indem der allzuweite Raum die Eicheln gewöhnlich auf den Boden dieſer natürlichen Taſche fallen läßt, aus welcher die Spechte ſie nachher nicht wieder hervorziehen können. Auch habe ich beim Aufheben der durchlöcherten Rindenſtücke meiſt nur Ueberbleibſel von Eicheln gefunden, die am Holz hinabgeglitten waren, während die Spechte ſie in den von außen her hineinge- bohrten Löchern zerſtückten. Ganze Eicheln waren darin ſehr ſelten.“ „Das im Vorſtehenden geſchilderte Verfahren iſt merkwürdig. Hier haben wir einen Vogel, der Wintervorrath ſammelt! Aus weiter Ferne holt er eine Nahrung, die ſeiner Gattung ſonſt nicht eigen iſt und trägt ſie in andere Gegenden, dahin, wo die Pflanze wächſt, die ihm zur Vorrathskammer dient. Er verbirgt ſie nicht in hohlen Bäumen, nicht in Felſenſpalten oder Erdhöhlen, kurz an keinem jener Orte, die ſich naturgemäß ſeinem Suchen darzubieten ſcheinen, vielmehr in ſchmalen, im Mittelpunkt eines Pflanzenſtengels verborgenen Röhren, von deren Vorhandenſein er weiß. Zu dieſen Röhren bahnt er ſich einen Weg, indem er das ſie rings umſchließende Holz zertrümmert; in ihnen häuft er ſeinen Vorrath in ſtrengſter Ordnung auf und bewahrt ihn ſo ſicher vor der Feuchtigkeit in einem Zuſtande, der höchſt günſtig auf ſeine Erhaltung einwirkt, geſchützt zugleich vor Ratten und ſamen- freſſenden Vögeln, welche nicht im Stande ſind, durch das ihn ſchützende Holz zu dringen.“ „Mehrere Spechte, die zu kleineren Arten gehören, bevölkern ebenfalls die Savanne des Pizarro; ich habe indeß nicht ausfindig machen können, ob ſie ein ähnliches Verfahren beobachten. Jn einer gewiſſen Gegend des Berges ſah man unzählige trockene und in Vorrathskammern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/100
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/100>, abgerufen am 02.05.2024.