Jm Fliegen bekundet er seine Meisterschaft; zum Schwimmen entschließt er sich seltener, vielleicht blos, um auf kurze Zeit ein wenig auszuruhen, und das Land betritt er außer der Brutzeit nur, um zu schlafen. Schon das Stehen scheint ihn zu ermüden; er sieht wenigstens im höchsten Grade unbe- holfen aus. Das Gehen kann kaum ein Watscheln genannt werden, und das Schwimmen ist, trotz der mächtigen Ruder, auch nicht weit her; denn er läßt sich lieber vom Winde treiben, als daß er rudert, scheint überhaupt jede Bewegung mit den Füßen nur als Nothhilfe anzusehen. Der Flug ist eigen- thümlich, minder ausgezeichnet wohl als der der Sturmvögel und anderer Langschwinger, aber doch noch immer vortrefflich. Nach einigen rasch sich folgenden Flügelschlägen gleitet der Tölpel eine Zeit- lang pfeilschnell durch die Luft, nicht in ruhiger Weise schwebend, sondern unter Annahme der verschiedensten Stellungen einfach dahinschießend, plötzlich schwenkend, wieder flatternd, von neuem schwebend, zeitweilig kreisend, ohne Flügelschlag sich drehend und wieder dahinstürmend, bald dicht über dem Wasser hinfliegend, bald zu bedeutenden Höhen emporstrebend. Als echter Stoßtaucher erwirbt er sich seine Nahrung nur fliegend, indem er sich aus einer gewissen Höhe auf das Wasser herabstürzt und mit solcher Gewalt in dasselbe eindringt, daß er sich zuweilen den Kopf an verborgenen Klippen zerschellt. Seine Stimme besteht aus kurzen, abgebrochenen, krächzenden Tönen, welche man ungefähr durch die Silben "Rab, rab, rab" ausdrücken kann. Die Jungen sollen abscheulich kreischen. Hin- sichtlich der geistigen Eigenschaften gilt ungefähr Dasselbe, was ich weiter oben von den Seevögeln überhaupt bemerkte. Die Tölpel haben keine Gelegenheit, den Menschen kennen zu lernen, und benehmen sich ihm gegenüber oft so, daß sie ihren Namen wirklich bethätigen, verlieren, wenn sie sich nicht mehr auf dem Meere befinden, förmlich die Besinnung und lassen dann, obschon nicht wider- standslos, Vieles über sich ergehen, scheinen auch wenig durch fortgesetzte Verfolgung zu lernen. Anderen Vögeln gegenüber zeigen sie sich hämisch und bissig, und in den großen Vereinen nimmt das Zanken und Beißen kein Ende. Jhr gewaltiger Schnabel ist eine so furchtbare Waffe, daß sie sich vor keinem anderen Seevogel zu fürchten brauchen, gleichwohl sollen sie durch den Fregattvogel und die Schmarotzermöven vielfach geängstigt und zum Ausbrechen der aufgenommenen Nahrung genöthigt werden.
Wenn man einmal Tölpel in der Nähe ihrer Brutplätze sah, begreift man, daß durch sie Guano- berge entstehen konnten. Auf den erwählten Eilanden sammeln sich Hunderttausende und Millionen, sodaß der Berg von ihnen im buchstäblichen Sinne des Wortes bedeckt und die Luft ringsum von ihnen erfüllt wird. "Die Flüge beeinträchtigen das Sonnenlicht, und ihre Stimmen betäuben die Sinne Desjenigen, welcher sich den Brutplätzen nähert." Unsere Vögel erscheinen gegen das Ende des April auf diesen Jnseln und verlassen sie gegen den Oktober wieder. Jhre Nester werden dicht neben einander angelegt, sodaß man an vielen Stellen kaum dazwischen durchgehen kann. Die ersten Nester, welche erbaut werden, sind sehr groß, die späteren klein, weil sich die letzten Paare einfach begnügen müssen, zwischen den Nestern der erstangekommenen zu bauen. Allerlei ohne Ordnung durch einander geschichtete Land- und Meergräser bilden die Wandungen; von einer eigentlichen Baukunst ist keine Rede. Jedes Weibchen legt nur ein einziges, verhältnißmäßig kleines, kalkkrustiges Ei, welches im Anfange weiß aussieht, durch langes Brüten aber von den Neststoffen schmuziggelbbraun gefärbt wird. Anfangs Juni findet man die eben ausgeschlüpften Jungen; Ende Julis sind sie bereits halb erwachsen, jedoch noch immer mit kurzen, gelbweißen Flaumen bekleidet. "Jm Jahre 1821", sagt Faber, "war ich zu dieser Zeit auf den Westmanöern und bestieg die kleine Felseninsel, auf welcher dieser Vogel brütet. Junge und Alte stimmten bei meiner Ankunft eine übelklingende Musik an, die aber aus einem einzigen Laute, einem tiefen, harten "Arrr" bestand, rührten sich aber nicht von der Stelle, sodaß ich soviele Alte nebst den Jungen mit den Händen greifen konnte, als ich wollte. Die Nester lagen dicht neben einander, der Boden war aber in Folge der schmuzigen Nester und aus- gewürgten Fische und anderweitigen Nahrungsmitteln so schlüpfrig, daß ich Gefahr lief, von der schrägen Klippe herabzustürzen. Merkwürdig war, daß beinahe ein Drittel der Nester faule Eier hatten, diese aber dennoch von den Alten bebrütet wurden, ja daß die letzteren sogar, von dem zu dieser
Die Schwimmer. Ruderfüßler. Fiſcherſtößer.
Jm Fliegen bekundet er ſeine Meiſterſchaft; zum Schwimmen entſchließt er ſich ſeltener, vielleicht blos, um auf kurze Zeit ein wenig auszuruhen, und das Land betritt er außer der Brutzeit nur, um zu ſchlafen. Schon das Stehen ſcheint ihn zu ermüden; er ſieht wenigſtens im höchſten Grade unbe- holfen aus. Das Gehen kann kaum ein Watſcheln genannt werden, und das Schwimmen iſt, trotz der mächtigen Ruder, auch nicht weit her; denn er läßt ſich lieber vom Winde treiben, als daß er rudert, ſcheint überhaupt jede Bewegung mit den Füßen nur als Nothhilfe anzuſehen. Der Flug iſt eigen- thümlich, minder ausgezeichnet wohl als der der Sturmvögel und anderer Langſchwinger, aber doch noch immer vortrefflich. Nach einigen raſch ſich folgenden Flügelſchlägen gleitet der Tölpel eine Zeit- lang pfeilſchnell durch die Luft, nicht in ruhiger Weiſe ſchwebend, ſondern unter Annahme der verſchiedenſten Stellungen einfach dahinſchießend, plötzlich ſchwenkend, wieder flatternd, von neuem ſchwebend, zeitweilig kreiſend, ohne Flügelſchlag ſich drehend und wieder dahinſtürmend, bald dicht über dem Waſſer hinfliegend, bald zu bedeutenden Höhen emporſtrebend. Als echter Stoßtaucher erwirbt er ſich ſeine Nahrung nur fliegend, indem er ſich aus einer gewiſſen Höhe auf das Waſſer herabſtürzt und mit ſolcher Gewalt in daſſelbe eindringt, daß er ſich zuweilen den Kopf an verborgenen Klippen zerſchellt. Seine Stimme beſteht aus kurzen, abgebrochenen, krächzenden Tönen, welche man ungefähr durch die Silben „Rab, rab, rab“ ausdrücken kann. Die Jungen ſollen abſcheulich kreiſchen. Hin- ſichtlich der geiſtigen Eigenſchaften gilt ungefähr Daſſelbe, was ich weiter oben von den Seevögeln überhaupt bemerkte. Die Tölpel haben keine Gelegenheit, den Menſchen kennen zu lernen, und benehmen ſich ihm gegenüber oft ſo, daß ſie ihren Namen wirklich bethätigen, verlieren, wenn ſie ſich nicht mehr auf dem Meere befinden, förmlich die Beſinnung und laſſen dann, obſchon nicht wider- ſtandslos, Vieles über ſich ergehen, ſcheinen auch wenig durch fortgeſetzte Verfolgung zu lernen. Anderen Vögeln gegenüber zeigen ſie ſich hämiſch und biſſig, und in den großen Vereinen nimmt das Zanken und Beißen kein Ende. Jhr gewaltiger Schnabel iſt eine ſo furchtbare Waffe, daß ſie ſich vor keinem anderen Seevogel zu fürchten brauchen, gleichwohl ſollen ſie durch den Fregattvogel und die Schmarotzermöven vielfach geängſtigt und zum Ausbrechen der aufgenommenen Nahrung genöthigt werden.
Wenn man einmal Tölpel in der Nähe ihrer Brutplätze ſah, begreift man, daß durch ſie Guano- berge entſtehen konnten. Auf den erwählten Eilanden ſammeln ſich Hunderttauſende und Millionen, ſodaß der Berg von ihnen im buchſtäblichen Sinne des Wortes bedeckt und die Luft ringsum von ihnen erfüllt wird. „Die Flüge beeinträchtigen das Sonnenlicht, und ihre Stimmen betäuben die Sinne Desjenigen, welcher ſich den Brutplätzen nähert.“ Unſere Vögel erſcheinen gegen das Ende des April auf dieſen Jnſeln und verlaſſen ſie gegen den Oktober wieder. Jhre Neſter werden dicht neben einander angelegt, ſodaß man an vielen Stellen kaum dazwiſchen durchgehen kann. Die erſten Neſter, welche erbaut werden, ſind ſehr groß, die ſpäteren klein, weil ſich die letzten Paare einfach begnügen müſſen, zwiſchen den Neſtern der erſtangekommenen zu bauen. Allerlei ohne Ordnung durch einander geſchichtete Land- und Meergräſer bilden die Wandungen; von einer eigentlichen Baukunſt iſt keine Rede. Jedes Weibchen legt nur ein einziges, verhältnißmäßig kleines, kalkkruſtiges Ei, welches im Anfange weiß ausſieht, durch langes Brüten aber von den Neſtſtoffen ſchmuziggelbbraun gefärbt wird. Anfangs Juni findet man die eben ausgeſchlüpften Jungen; Ende Julis ſind ſie bereits halb erwachſen, jedoch noch immer mit kurzen, gelbweißen Flaumen bekleidet. „Jm Jahre 1821“, ſagt Faber, „war ich zu dieſer Zeit auf den Weſtmanöern und beſtieg die kleine Felſeninſel, auf welcher dieſer Vogel brütet. Junge und Alte ſtimmten bei meiner Ankunft eine übelklingende Muſik an, die aber aus einem einzigen Laute, einem tiefen, harten „Arrr“ beſtand, rührten ſich aber nicht von der Stelle, ſodaß ich ſoviele Alte nebſt den Jungen mit den Händen greifen konnte, als ich wollte. Die Neſter lagen dicht neben einander, der Boden war aber in Folge der ſchmuzigen Neſter und aus- gewürgten Fiſche und anderweitigen Nahrungsmitteln ſo ſchlüpfrig, daß ich Gefahr lief, von der ſchrägen Klippe herabzuſtürzen. Merkwürdig war, daß beinahe ein Drittel der Neſter faule Eier hatten, dieſe aber dennoch von den Alten bebrütet wurden, ja daß die letzteren ſogar, von dem zu dieſer
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[912/0964]
Die Schwimmer. Ruderfüßler. Fiſcherſtößer.
Jm Fliegen bekundet er ſeine Meiſterſchaft; zum Schwimmen entſchließt er ſich ſeltener, vielleicht
blos, um auf kurze Zeit ein wenig auszuruhen, und das Land betritt er außer der Brutzeit nur, um
zu ſchlafen. Schon das Stehen ſcheint ihn zu ermüden; er ſieht wenigſtens im höchſten Grade unbe-
holfen aus. Das Gehen kann kaum ein Watſcheln genannt werden, und das Schwimmen iſt, trotz
der mächtigen Ruder, auch nicht weit her; denn er läßt ſich lieber vom Winde treiben, als daß er rudert,
ſcheint überhaupt jede Bewegung mit den Füßen nur als Nothhilfe anzuſehen. Der Flug iſt eigen-
thümlich, minder ausgezeichnet wohl als der der Sturmvögel und anderer Langſchwinger, aber doch
noch immer vortrefflich. Nach einigen raſch ſich folgenden Flügelſchlägen gleitet der Tölpel eine Zeit-
lang pfeilſchnell durch die Luft, nicht in ruhiger Weiſe ſchwebend, ſondern unter Annahme der
verſchiedenſten Stellungen einfach dahinſchießend, plötzlich ſchwenkend, wieder flatternd, von neuem
ſchwebend, zeitweilig kreiſend, ohne Flügelſchlag ſich drehend und wieder dahinſtürmend, bald dicht über
dem Waſſer hinfliegend, bald zu bedeutenden Höhen emporſtrebend. Als echter Stoßtaucher erwirbt
er ſich ſeine Nahrung nur fliegend, indem er ſich aus einer gewiſſen Höhe auf das Waſſer herabſtürzt
und mit ſolcher Gewalt in daſſelbe eindringt, daß er ſich zuweilen den Kopf an verborgenen Klippen
zerſchellt. Seine Stimme beſteht aus kurzen, abgebrochenen, krächzenden Tönen, welche man ungefähr
durch die Silben „Rab, rab, rab“ ausdrücken kann. Die Jungen ſollen abſcheulich kreiſchen. Hin-
ſichtlich der geiſtigen Eigenſchaften gilt ungefähr Daſſelbe, was ich weiter oben von den Seevögeln
überhaupt bemerkte. Die Tölpel haben keine Gelegenheit, den Menſchen kennen zu lernen, und
benehmen ſich ihm gegenüber oft ſo, daß ſie ihren Namen wirklich bethätigen, verlieren, wenn ſie ſich
nicht mehr auf dem Meere befinden, förmlich die Beſinnung und laſſen dann, obſchon nicht wider-
ſtandslos, Vieles über ſich ergehen, ſcheinen auch wenig durch fortgeſetzte Verfolgung zu lernen.
Anderen Vögeln gegenüber zeigen ſie ſich hämiſch und biſſig, und in den großen Vereinen nimmt das
Zanken und Beißen kein Ende. Jhr gewaltiger Schnabel iſt eine ſo furchtbare Waffe, daß ſie ſich vor
keinem anderen Seevogel zu fürchten brauchen, gleichwohl ſollen ſie durch den Fregattvogel und die
Schmarotzermöven vielfach geängſtigt und zum Ausbrechen der aufgenommenen Nahrung genöthigt
werden.
Wenn man einmal Tölpel in der Nähe ihrer Brutplätze ſah, begreift man, daß durch ſie Guano-
berge entſtehen konnten. Auf den erwählten Eilanden ſammeln ſich Hunderttauſende und Millionen,
ſodaß der Berg von ihnen im buchſtäblichen Sinne des Wortes bedeckt und die Luft ringsum von
ihnen erfüllt wird. „Die Flüge beeinträchtigen das Sonnenlicht, und ihre Stimmen betäuben die
Sinne Desjenigen, welcher ſich den Brutplätzen nähert.“ Unſere Vögel erſcheinen gegen das Ende
des April auf dieſen Jnſeln und verlaſſen ſie gegen den Oktober wieder. Jhre Neſter werden dicht
neben einander angelegt, ſodaß man an vielen Stellen kaum dazwiſchen durchgehen kann. Die erſten
Neſter, welche erbaut werden, ſind ſehr groß, die ſpäteren klein, weil ſich die letzten Paare einfach
begnügen müſſen, zwiſchen den Neſtern der erſtangekommenen zu bauen. Allerlei ohne Ordnung durch
einander geſchichtete Land- und Meergräſer bilden die Wandungen; von einer eigentlichen Baukunſt
iſt keine Rede. Jedes Weibchen legt nur ein einziges, verhältnißmäßig kleines, kalkkruſtiges Ei,
welches im Anfange weiß ausſieht, durch langes Brüten aber von den Neſtſtoffen ſchmuziggelbbraun
gefärbt wird. Anfangs Juni findet man die eben ausgeſchlüpften Jungen; Ende Julis ſind ſie bereits
halb erwachſen, jedoch noch immer mit kurzen, gelbweißen Flaumen bekleidet. „Jm Jahre 1821“,
ſagt Faber, „war ich zu dieſer Zeit auf den Weſtmanöern und beſtieg die kleine Felſeninſel, auf
welcher dieſer Vogel brütet. Junge und Alte ſtimmten bei meiner Ankunft eine übelklingende Muſik
an, die aber aus einem einzigen Laute, einem tiefen, harten „Arrr“ beſtand, rührten ſich aber nicht
von der Stelle, ſodaß ich ſoviele Alte nebſt den Jungen mit den Händen greifen konnte, als ich wollte.
Die Neſter lagen dicht neben einander, der Boden war aber in Folge der ſchmuzigen Neſter und aus-
gewürgten Fiſche und anderweitigen Nahrungsmitteln ſo ſchlüpfrig, daß ich Gefahr lief, von der
ſchrägen Klippe herabzuſtürzen. Merkwürdig war, daß beinahe ein Drittel der Neſter faule Eier
hatten, dieſe aber dennoch von den Alten bebrütet wurden, ja daß die letzteren ſogar, von dem zu dieſer
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 912. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/964>, abgerufen am 23.11.2024.
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