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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Seeflieger. Sturmvögel.
Schwanz wie einen Fächer ausspreizt." Tschudi nennt sie einen sehr gefräßigen und äußerst
zänkischen Vogel. Jhre Nahrung besteht in Weichthieren, Krebsen und kleineren Fischen. Wenn sie
den Fahrzeugen folgt, so nährt sie sich bei stürmischem Wetter vorzüglich von Küchenabfällen aller
Art, welche über Bord geworfen werden und in den Schiffsfurchen treiben, auch von Menschenkoth.
"Mit widerlichem Geschrei stürzt sie sich oft auf die so ekelhafte Beute und jagt sich gegenseitig
jedes Stückchen ab." Man irrt gewiß nicht, wenn man annimmt, daß nur die Noth sie zwingt,
solche Nahrung aufzunehmen. Tschudi fand in den Magen der bei ruhiger See erbeuteten Kap-
tauben immer verschiedene Weich- und Schalthiere oder Ueberreste von Fischchen, im Magen der im
Sturme gefangenen dagegen Bohnen, Erbsen, Linsen, Knochen, Werg, Leder, Speck, Kohlblätter,
Schiffszwieback, Holzstückchen etc. -- kurz alle möglichen Abfälle vom Schiffe. Bei heiterem Wetter
ist sie ziemlich scheu und mißtrauisch, im Sturme aber, vom Hunger geplagt, rücksichtslos dreist, und
[Abbildung] Die Kaptaube (Procellaria-Daption-capensis). 1/4 der nat. Größe.
dann läßt sie sich mit größter Leichtigkeit fangen. Zu diesem Zwecke wird eine Stecknadel an einen
starken Faden gebunden und unter einen spitzen Winkel gebogen; ein daran gestecktes Stück Speck
oder Brot dient als Köder. Es währt nie lange, bis sich einige Vögel darum versammeln und es
gierig zu haschen suchen. Wenn nun die Schnur im richtigen Augenblicke angezogen wird, bleibt die
Angel im Oberkiefer des Vogels stecken, und er wird die Beute des Fängers. Bei heftigem Sturme
erreicht natürlich der leichte Köder das Wasser nicht, sondern flattert an der Schnur in der Luft; hier
aber suchen ihn die Kaptauben ebenfalls gierig zu verschlingen und fangen sich entweder mit dem
Schnabel oder verwickeln sich mit den Flügeln in dem Faden. An Bord gezogen vertheidigen sie sich
tapfer mit dem Schnabel und schleudern mit merkwürdiger Sicherheit eine eklige, schmierige, ölähnliche
Flüssigkeit ihrem Feinde ins Gesicht. Die Matrosen ziehen ihnen die Haut ab und machen Wetter-
fahnen daraus: das ist der einzige Nutzen, welchen die Kaptauben gewähren. Ueber das Brutgeschäft
mangeln noch sichere Berichte. Gould sagt, daß sie auf Tristan d'Acunha und auf anderen Jnseln,

Die Schwimmer. Seeflieger. Sturmvögel.
Schwanz wie einen Fächer ausſpreizt.“ Tſchudi nennt ſie einen ſehr gefräßigen und äußerſt
zänkiſchen Vogel. Jhre Nahrung beſteht in Weichthieren, Krebſen und kleineren Fiſchen. Wenn ſie
den Fahrzeugen folgt, ſo nährt ſie ſich bei ſtürmiſchem Wetter vorzüglich von Küchenabfällen aller
Art, welche über Bord geworfen werden und in den Schiffsfurchen treiben, auch von Menſchenkoth.
„Mit widerlichem Geſchrei ſtürzt ſie ſich oft auf die ſo ekelhafte Beute und jagt ſich gegenſeitig
jedes Stückchen ab.“ Man irrt gewiß nicht, wenn man annimmt, daß nur die Noth ſie zwingt,
ſolche Nahrung aufzunehmen. Tſchudi fand in den Magen der bei ruhiger See erbeuteten Kap-
tauben immer verſchiedene Weich- und Schalthiere oder Ueberreſte von Fiſchchen, im Magen der im
Sturme gefangenen dagegen Bohnen, Erbſen, Linſen, Knochen, Werg, Leder, Speck, Kohlblätter,
Schiffszwieback, Holzſtückchen ꝛc. — kurz alle möglichen Abfälle vom Schiffe. Bei heiterem Wetter
iſt ſie ziemlich ſcheu und mißtrauiſch, im Sturme aber, vom Hunger geplagt, rückſichtslos dreiſt, und
[Abbildung] Die Kaptaube (Procellaria-Daption-capensis). ¼ der nat. Größe.
dann läßt ſie ſich mit größter Leichtigkeit fangen. Zu dieſem Zwecke wird eine Stecknadel an einen
ſtarken Faden gebunden und unter einen ſpitzen Winkel gebogen; ein daran geſtecktes Stück Speck
oder Brot dient als Köder. Es währt nie lange, bis ſich einige Vögel darum verſammeln und es
gierig zu haſchen ſuchen. Wenn nun die Schnur im richtigen Augenblicke angezogen wird, bleibt die
Angel im Oberkiefer des Vogels ſtecken, und er wird die Beute des Fängers. Bei heftigem Sturme
erreicht natürlich der leichte Köder das Waſſer nicht, ſondern flattert an der Schnur in der Luft; hier
aber ſuchen ihn die Kaptauben ebenfalls gierig zu verſchlingen und fangen ſich entweder mit dem
Schnabel oder verwickeln ſich mit den Flügeln in dem Faden. An Bord gezogen vertheidigen ſie ſich
tapfer mit dem Schnabel und ſchleudern mit merkwürdiger Sicherheit eine eklige, ſchmierige, ölähnliche
Flüſſigkeit ihrem Feinde ins Geſicht. Die Matroſen ziehen ihnen die Haut ab und machen Wetter-
fahnen daraus: das iſt der einzige Nutzen, welchen die Kaptauben gewähren. Ueber das Brutgeſchäft
mangeln noch ſichere Berichte. Gould ſagt, daß ſie auf Triſtan d’Acunha und auf anderen Jnſeln,

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[898/0950] Die Schwimmer. Seeflieger. Sturmvögel. Schwanz wie einen Fächer ausſpreizt.“ Tſchudi nennt ſie einen ſehr gefräßigen und äußerſt zänkiſchen Vogel. Jhre Nahrung beſteht in Weichthieren, Krebſen und kleineren Fiſchen. Wenn ſie den Fahrzeugen folgt, ſo nährt ſie ſich bei ſtürmiſchem Wetter vorzüglich von Küchenabfällen aller Art, welche über Bord geworfen werden und in den Schiffsfurchen treiben, auch von Menſchenkoth. „Mit widerlichem Geſchrei ſtürzt ſie ſich oft auf die ſo ekelhafte Beute und jagt ſich gegenſeitig jedes Stückchen ab.“ Man irrt gewiß nicht, wenn man annimmt, daß nur die Noth ſie zwingt, ſolche Nahrung aufzunehmen. Tſchudi fand in den Magen der bei ruhiger See erbeuteten Kap- tauben immer verſchiedene Weich- und Schalthiere oder Ueberreſte von Fiſchchen, im Magen der im Sturme gefangenen dagegen Bohnen, Erbſen, Linſen, Knochen, Werg, Leder, Speck, Kohlblätter, Schiffszwieback, Holzſtückchen ꝛc. — kurz alle möglichen Abfälle vom Schiffe. Bei heiterem Wetter iſt ſie ziemlich ſcheu und mißtrauiſch, im Sturme aber, vom Hunger geplagt, rückſichtslos dreiſt, und [Abbildung Die Kaptaube (Procellaria-Daption-capensis). ¼ der nat. Größe.] dann läßt ſie ſich mit größter Leichtigkeit fangen. Zu dieſem Zwecke wird eine Stecknadel an einen ſtarken Faden gebunden und unter einen ſpitzen Winkel gebogen; ein daran geſtecktes Stück Speck oder Brot dient als Köder. Es währt nie lange, bis ſich einige Vögel darum verſammeln und es gierig zu haſchen ſuchen. Wenn nun die Schnur im richtigen Augenblicke angezogen wird, bleibt die Angel im Oberkiefer des Vogels ſtecken, und er wird die Beute des Fängers. Bei heftigem Sturme erreicht natürlich der leichte Köder das Waſſer nicht, ſondern flattert an der Schnur in der Luft; hier aber ſuchen ihn die Kaptauben ebenfalls gierig zu verſchlingen und fangen ſich entweder mit dem Schnabel oder verwickeln ſich mit den Flügeln in dem Faden. An Bord gezogen vertheidigen ſie ſich tapfer mit dem Schnabel und ſchleudern mit merkwürdiger Sicherheit eine eklige, ſchmierige, ölähnliche Flüſſigkeit ihrem Feinde ins Geſicht. Die Matroſen ziehen ihnen die Haut ab und machen Wetter- fahnen daraus: das iſt der einzige Nutzen, welchen die Kaptauben gewähren. Ueber das Brutgeſchäft mangeln noch ſichere Berichte. Gould ſagt, daß ſie auf Triſtan d’Acunha und auf anderen Jnſeln,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 898. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/950>, abgerufen am 06.06.2024.