zur Beute sich ihr darbieten, zerkleinert auch geschickt größere Fleischmassen in mundgerechte Brocken. Obschon sie Pflanzenstoffe verschmäht, gewöhnt sie sich doch bald an Brot und frißt es mit der Zeit ungemein gern. Jhre Jagd betreibt sie während des ganzen Tages, da sie abwechselnd ruht, abwechselnd wieder umherschwärmt. Von einem Binnengewässer aus fliegt sie auf Feld und Wiesen hinaus, sucht sich hier den Magen vollzufüllen, kehrt dann zum Wasser zurück, um hier zu trinken und sich zu baden, verdaut währenddem und beginnt einen neuen Jagdzug. Beim Ab- und Zufliegen pflegt sie bestimmte Straßen einzuhalten, aber bald diese, bald jene Gegend zu besuchen.
Ende Aprils beginnt das Brutgeschäft. Die Ansiedler haben sich nach vielem Zanken und Plärren über die Nistplätze geeinigt. Niemals brütet die Lachmöve einzeln, selten in kleinen Gesell- schaften, gewöhnlich in sehr bedeutenden Scharen, in solchen von Hunderten und Tausenden, welche sich auf einem kleinen Raume möglichst dicht zusammendrängen. Die Nester stehen auf kleinen, von flachem Wasser oder Morast umgebenen Schilf- oder Binsenbüscheln, alten Rohrstoppeln oder Haufen zusammengetriebenen Röhrichts, unter Umständen auch im Sumpfe zwischen dem Grase, selbstver- ständlich nur auf schwer zugänglichen Stellen. Durch Niederdrücken einzelner Schilf- und Gras- büschel wird der Bau begonnen, durch Herbeischaffen von Schilf, Rohr, Stroh und dergleichen weiter geführt, mit einer Auskleidung der Mulde beendet. Anfangs Mai enthält jedes Nest seine Eier, vier bis fünf an der Zahl; sie sind verhältnißmäßig groß und auf bleichölgrünem Grunde mit röthlich- aschgrauen, dunkelbraungrauen und ähnlichfarbigen Flecken, Tüpfeln und Punkten bezeichnet, ändern aber in Gestalt, Färbung und Zeichnung manchfach ab. Beide Geschlechter brüten abwechselnd, anhaltend jedoch nur des Nachts; denn in den Mittagsstunden halten sie die Sonnenwärme für genügend. Nach achtzehntägiger Bebrütung entschlüpfen die Jungen; drei bis vier Wochen später sind sie flügge geworden. Da, wo die Nester vom Wasser umgeben werden, verlassen sie das Nest in den ersten Tagen ihres Lebens nicht, auf kleinen Jnseln hingegen rennen sie gern aus demselben heraus und dann munter auf dem festen Lande umher; wenn sie eine Woche alt geworden sind, wagen sie sich auch wohl schon ins Wasser; in der zweiten Woche beginnen sie bereits umherzuflattern, in der dritten zeigen sie sich ziemlich selbständig. Die Eltern sind im höchsten Grade besorgt um sie und wittern fortwährend Gefahr. Jeder Raubvogel, welcher von fern sich zeigt, jede Krähe, jeder Reiher erregt die Ansiedler; ein ungeheueres Geschrei erhebt sich; selbst die brütenden verlassen die Eier, eine dichte Wolke schwärmt empor, und Alles stürzt auf den Feind los und wendet alle Mittel an, ihn zu verjagen. Auf den Hund oder den Fuchs stoßen sie mit Wuth herab; einen sich nahenden Menschen umschwärmen sie in engen Kreisen. Dabei schreien sie soviel sie können, und es gehört wahrhaftig ein gewisser Muth dazu, das Letztere auszuhalten. Mit wahrer Freude verfolgen sie Denjenigen, welcher sich zurückzieht. Erst nach und nach tritt eine gewisse Ruhe und verhältnißmäßige Stille wieder ein.
Jm Norden Deutschlands ist es üblich, an einem gewissen Tage gegen die harmlosen Lachmöven zu Felde zu ziehen und einen Vernichtungskrieg gegen sie zu eröffnen, welcher Hunderten das Leben kostet, glücklicherweise aber auch einem und dem anderen der Theilnehmer einen Schrotschuß mit ein- bringt. Das nutzlose Blutvergießen, welches unter dem Namen "Mövenschießen" als Volksfest gefeiert wird, erinnert an die Rohheit der Südeuropäer und läßt sich in keiner Weise entschuldigen. Die Lachmöven gehören nicht, wie man früher hier und da wohl glaubte, zu den schädlichen, sondern zu den nützlichen Vögeln, welche solange sie leben unseren Feldern nur Vortheil bringen. Die wenigen Fischchen, welche sie sich fangen, kommen der zahllosen Menge von Kerbthieren gegenüber, welche sie vertilgen, gar nicht in Betracht; man sollte sie also schonen, auch wenn man sich nicht zu der Anschauung erheben kann, daß sie eine wahre Zierde unserer ohnehin armen Gewässer bilden.
Gefangene Lachmöven sind allerliebst, namentlich wenn man jung aus dem Neste gehobene in seine Pflege nimmt. Diese verlangen allerdings zu ihrer Unterhaltung Fleisch- und Fischkost, gewöhnen sich aber nebenbei auch an Brot, so daß ihre Unterhaltung in Wirklichkeit nicht viel kostet.
Die Schwimmer. Seeflieger. Möven. Raubmöven.
zur Beute ſich ihr darbieten, zerkleinert auch geſchickt größere Fleiſchmaſſen in mundgerechte Brocken. Obſchon ſie Pflanzenſtoffe verſchmäht, gewöhnt ſie ſich doch bald an Brot und frißt es mit der Zeit ungemein gern. Jhre Jagd betreibt ſie während des ganzen Tages, da ſie abwechſelnd ruht, abwechſelnd wieder umherſchwärmt. Von einem Binnengewäſſer aus fliegt ſie auf Feld und Wieſen hinaus, ſucht ſich hier den Magen vollzufüllen, kehrt dann zum Waſſer zurück, um hier zu trinken und ſich zu baden, verdaut währenddem und beginnt einen neuen Jagdzug. Beim Ab- und Zufliegen pflegt ſie beſtimmte Straßen einzuhalten, aber bald dieſe, bald jene Gegend zu beſuchen.
Ende Aprils beginnt das Brutgeſchäft. Die Anſiedler haben ſich nach vielem Zanken und Plärren über die Niſtplätze geeinigt. Niemals brütet die Lachmöve einzeln, ſelten in kleinen Geſell- ſchaften, gewöhnlich in ſehr bedeutenden Scharen, in ſolchen von Hunderten und Tauſenden, welche ſich auf einem kleinen Raume möglichſt dicht zuſammendrängen. Die Neſter ſtehen auf kleinen, von flachem Waſſer oder Moraſt umgebenen Schilf- oder Binſenbüſcheln, alten Rohrſtoppeln oder Haufen zuſammengetriebenen Röhrichts, unter Umſtänden auch im Sumpfe zwiſchen dem Graſe, ſelbſtver- ſtändlich nur auf ſchwer zugänglichen Stellen. Durch Niederdrücken einzelner Schilf- und Gras- büſchel wird der Bau begonnen, durch Herbeiſchaffen von Schilf, Rohr, Stroh und dergleichen weiter geführt, mit einer Auskleidung der Mulde beendet. Anfangs Mai enthält jedes Neſt ſeine Eier, vier bis fünf an der Zahl; ſie ſind verhältnißmäßig groß und auf bleichölgrünem Grunde mit röthlich- aſchgrauen, dunkelbraungrauen und ähnlichfarbigen Flecken, Tüpfeln und Punkten bezeichnet, ändern aber in Geſtalt, Färbung und Zeichnung manchfach ab. Beide Geſchlechter brüten abwechſelnd, anhaltend jedoch nur des Nachts; denn in den Mittagsſtunden halten ſie die Sonnenwärme für genügend. Nach achtzehntägiger Bebrütung entſchlüpfen die Jungen; drei bis vier Wochen ſpäter ſind ſie flügge geworden. Da, wo die Neſter vom Waſſer umgeben werden, verlaſſen ſie das Neſt in den erſten Tagen ihres Lebens nicht, auf kleinen Jnſeln hingegen rennen ſie gern aus demſelben heraus und dann munter auf dem feſten Lande umher; wenn ſie eine Woche alt geworden ſind, wagen ſie ſich auch wohl ſchon ins Waſſer; in der zweiten Woche beginnen ſie bereits umherzuflattern, in der dritten zeigen ſie ſich ziemlich ſelbſtändig. Die Eltern ſind im höchſten Grade beſorgt um ſie und wittern fortwährend Gefahr. Jeder Raubvogel, welcher von fern ſich zeigt, jede Krähe, jeder Reiher erregt die Anſiedler; ein ungeheueres Geſchrei erhebt ſich; ſelbſt die brütenden verlaſſen die Eier, eine dichte Wolke ſchwärmt empor, und Alles ſtürzt auf den Feind los und wendet alle Mittel an, ihn zu verjagen. Auf den Hund oder den Fuchs ſtoßen ſie mit Wuth herab; einen ſich nahenden Menſchen umſchwärmen ſie in engen Kreiſen. Dabei ſchreien ſie ſoviel ſie können, und es gehört wahrhaftig ein gewiſſer Muth dazu, das Letztere auszuhalten. Mit wahrer Freude verfolgen ſie Denjenigen, welcher ſich zurückzieht. Erſt nach und nach tritt eine gewiſſe Ruhe und verhältnißmäßige Stille wieder ein.
Jm Norden Deutſchlands iſt es üblich, an einem gewiſſen Tage gegen die harmloſen Lachmöven zu Felde zu ziehen und einen Vernichtungskrieg gegen ſie zu eröffnen, welcher Hunderten das Leben koſtet, glücklicherweiſe aber auch einem und dem anderen der Theilnehmer einen Schrotſchuß mit ein- bringt. Das nutzloſe Blutvergießen, welches unter dem Namen „Mövenſchießen“ als Volksfeſt gefeiert wird, erinnert an die Rohheit der Südeuropäer und läßt ſich in keiner Weiſe entſchuldigen. Die Lachmöven gehören nicht, wie man früher hier und da wohl glaubte, zu den ſchädlichen, ſondern zu den nützlichen Vögeln, welche ſolange ſie leben unſeren Feldern nur Vortheil bringen. Die wenigen Fiſchchen, welche ſie ſich fangen, kommen der zahlloſen Menge von Kerbthieren gegenüber, welche ſie vertilgen, gar nicht in Betracht; man ſollte ſie alſo ſchonen, auch wenn man ſich nicht zu der Anſchauung erheben kann, daß ſie eine wahre Zierde unſerer ohnehin armen Gewäſſer bilden.
Gefangene Lachmöven ſind allerliebſt, namentlich wenn man jung aus dem Neſte gehobene in ſeine Pflege nimmt. Dieſe verlangen allerdings zu ihrer Unterhaltung Fleiſch- und Fiſchkoſt, gewöhnen ſich aber nebenbei auch an Brot, ſo daß ihre Unterhaltung in Wirklichkeit nicht viel koſtet.
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[878/0930]
Die Schwimmer. Seeflieger. Möven. Raubmöven.
zur Beute ſich ihr darbieten, zerkleinert auch geſchickt größere Fleiſchmaſſen in mundgerechte Brocken.
Obſchon ſie Pflanzenſtoffe verſchmäht, gewöhnt ſie ſich doch bald an Brot und frißt es mit der
Zeit ungemein gern. Jhre Jagd betreibt ſie während des ganzen Tages, da ſie abwechſelnd
ruht, abwechſelnd wieder umherſchwärmt. Von einem Binnengewäſſer aus fliegt ſie auf Feld und
Wieſen hinaus, ſucht ſich hier den Magen vollzufüllen, kehrt dann zum Waſſer zurück, um hier
zu trinken und ſich zu baden, verdaut währenddem und beginnt einen neuen Jagdzug. Beim Ab-
und Zufliegen pflegt ſie beſtimmte Straßen einzuhalten, aber bald dieſe, bald jene Gegend zu
beſuchen.
Ende Aprils beginnt das Brutgeſchäft. Die Anſiedler haben ſich nach vielem Zanken und
Plärren über die Niſtplätze geeinigt. Niemals brütet die Lachmöve einzeln, ſelten in kleinen Geſell-
ſchaften, gewöhnlich in ſehr bedeutenden Scharen, in ſolchen von Hunderten und Tauſenden, welche
ſich auf einem kleinen Raume möglichſt dicht zuſammendrängen. Die Neſter ſtehen auf kleinen, von
flachem Waſſer oder Moraſt umgebenen Schilf- oder Binſenbüſcheln, alten Rohrſtoppeln oder Haufen
zuſammengetriebenen Röhrichts, unter Umſtänden auch im Sumpfe zwiſchen dem Graſe, ſelbſtver-
ſtändlich nur auf ſchwer zugänglichen Stellen. Durch Niederdrücken einzelner Schilf- und Gras-
büſchel wird der Bau begonnen, durch Herbeiſchaffen von Schilf, Rohr, Stroh und dergleichen weiter
geführt, mit einer Auskleidung der Mulde beendet. Anfangs Mai enthält jedes Neſt ſeine Eier,
vier bis fünf an der Zahl; ſie ſind verhältnißmäßig groß und auf bleichölgrünem Grunde mit röthlich-
aſchgrauen, dunkelbraungrauen und ähnlichfarbigen Flecken, Tüpfeln und Punkten bezeichnet, ändern
aber in Geſtalt, Färbung und Zeichnung manchfach ab. Beide Geſchlechter brüten abwechſelnd,
anhaltend jedoch nur des Nachts; denn in den Mittagsſtunden halten ſie die Sonnenwärme für
genügend. Nach achtzehntägiger Bebrütung entſchlüpfen die Jungen; drei bis vier Wochen ſpäter
ſind ſie flügge geworden. Da, wo die Neſter vom Waſſer umgeben werden, verlaſſen ſie das Neſt in
den erſten Tagen ihres Lebens nicht, auf kleinen Jnſeln hingegen rennen ſie gern aus demſelben heraus
und dann munter auf dem feſten Lande umher; wenn ſie eine Woche alt geworden ſind, wagen ſie
ſich auch wohl ſchon ins Waſſer; in der zweiten Woche beginnen ſie bereits umherzuflattern, in der
dritten zeigen ſie ſich ziemlich ſelbſtändig. Die Eltern ſind im höchſten Grade beſorgt um ſie und
wittern fortwährend Gefahr. Jeder Raubvogel, welcher von fern ſich zeigt, jede Krähe, jeder Reiher
erregt die Anſiedler; ein ungeheueres Geſchrei erhebt ſich; ſelbſt die brütenden verlaſſen die Eier, eine
dichte Wolke ſchwärmt empor, und Alles ſtürzt auf den Feind los und wendet alle Mittel an, ihn zu
verjagen. Auf den Hund oder den Fuchs ſtoßen ſie mit Wuth herab; einen ſich nahenden Menſchen
umſchwärmen ſie in engen Kreiſen. Dabei ſchreien ſie ſoviel ſie können, und es gehört wahrhaftig
ein gewiſſer Muth dazu, das Letztere auszuhalten. Mit wahrer Freude verfolgen ſie Denjenigen,
welcher ſich zurückzieht. Erſt nach und nach tritt eine gewiſſe Ruhe und verhältnißmäßige Stille
wieder ein.
Jm Norden Deutſchlands iſt es üblich, an einem gewiſſen Tage gegen die harmloſen Lachmöven
zu Felde zu ziehen und einen Vernichtungskrieg gegen ſie zu eröffnen, welcher Hunderten das Leben
koſtet, glücklicherweiſe aber auch einem und dem anderen der Theilnehmer einen Schrotſchuß mit ein-
bringt. Das nutzloſe Blutvergießen, welches unter dem Namen „Mövenſchießen“ als Volksfeſt
gefeiert wird, erinnert an die Rohheit der Südeuropäer und läßt ſich in keiner Weiſe entſchuldigen.
Die Lachmöven gehören nicht, wie man früher hier und da wohl glaubte, zu den ſchädlichen, ſondern
zu den nützlichen Vögeln, welche ſolange ſie leben unſeren Feldern nur Vortheil bringen. Die wenigen
Fiſchchen, welche ſie ſich fangen, kommen der zahlloſen Menge von Kerbthieren gegenüber, welche ſie
vertilgen, gar nicht in Betracht; man ſollte ſie alſo ſchonen, auch wenn man ſich nicht zu der
Anſchauung erheben kann, daß ſie eine wahre Zierde unſerer ohnehin armen Gewäſſer bilden.
Gefangene Lachmöven ſind allerliebſt, namentlich wenn man jung aus dem Neſte gehobene in
ſeine Pflege nimmt. Dieſe verlangen allerdings zu ihrer Unterhaltung Fleiſch- und Fiſchkoſt,
gewöhnen ſich aber nebenbei auch an Brot, ſo daß ihre Unterhaltung in Wirklichkeit nicht viel koſtet.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 878. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/930>, abgerufen am 23.11.2024.
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