Mantels und die Flügeldeckfedern rostgelb gesäumt. Die Länge beträgt 9, die Breite 26, die Fittiglänge 91/2, die Schwanzlänge 31/2 Zoll.
Bei der weißflügeligen Wasserschwalbe (Hydrochelidon leucoptera) sind die Federn des Rumpfes tief sammtschwarz, die Flügel oben blaugrau, an der Schulter und an den Spitzen der Unter- armschwingen weißgrau, die Bürzel- und die Steuerfedern weiß. Der Schnabel ist kirschroth, schwarz an der Spitze, der Fuß lackroth. Bei der weißbärtigen Verwandten (Hydrochelidon leucopareja) wird der schwarze Oberkopf und Nacken durch einen breiten, weißlichen Zügelstreifen von dem Dunkelgraublau des Unterhalses getrennt; die Brust ist dunkelgrau, der Mantel hellgrau, der Bauch weißgrau.
Der gemäßigte nördliche Gürtel der Erde wird an geeigneten Stellen überall von der schwarzen Wasserschwalbe bewohnt, und während des Winters streicht sie soweit nach Süden hinab, daß auch sie in vier Erdtheilen gefunden wird. Bei uns zu Lande erscheint sie mit den übrigen Seeschwalben, verläßt uns auch um dieselbe Zeit wieder; sie bezieht aber nicht die Meeresküste oder Flüsse und Ströme, sondern siedelt sich nur in ausgedehnten Brüchen und Sümpfen, überhaupt blos an stehenden Gewässern an. Während der Reise, welche sie in Flügen von zwanzig bis tausend Stücken zurücklegt, folgt sie den Strömen und da, wo diese seitlich das Land unter Wasser gesetzt und Sümpfe gebildet haben, nimmt sie auch wohl unmittelbar an solchen längeren Aufenthalt; im übrigen meidet sie Fluß und Meer.
Von anderen Verwandten unterscheiden sich die Wasserschwalben nicht blos durch ihren Auf- enthalt, sondern auch durch ihre Bewegung, Ernährung und Fortpflanzung. Sie gehen ebenso wenig, auch ebenso schlecht wie die übrigen, schwimmen selten und nicht besser als jene, fliegen minder stürmisch, aber nicht so wankend, sondern weicher, sanfter, gemächlicher, demgemäß so leicht und zierlich und dabei so wechselvoll, daß man an dem Fluge seine wahre Freude haben muß. Während der Nachtstunden ruhen sie, übertages sind sie fast unablässig in Bewegung: sie bringen den größten Theil ihres Lebens fliegend und, was Dasselbe sagen will, jagend zu. Kerbthiere bilden zeitweilig ihre ausschließliche Beute, und wenn auch ein kleines Fischchen nicht gänzlich verschmäht und ab und zu ein anderes Wasserthier aufgenommen werden mag, so gilt doch die Jagd jenen. Sie sind keine vollendeten Stoßtaucher mehr, sondern jagen eher nach Art der Schwalben als nach Art ihrer Ver- wandten, schweben sehr niedrig über dem Wasserspiegel dahin, scheinbar mehr zu ihrer Belustigung als aus Nothwendigkeit Schwenkungen ausführend, rütteln lange, stürzen sich, wenn sie eine Beute erspäht, nicht so jählings und senkrecht auf das Wasser hernieder, wie es der Stoßtaucher Art, sondern fallen in einer mehr geschweiften Linie herab und nehmen die Beute mit dem Schnabel auf, ohne den Leib unterzutauchen. Diese Bewegungen geschehen jedoch immer noch sehr schnell, und die fischende Wasserschwalbe gewährt gerade deshalb ein ewig wechselndes Schauspiel. Heftiger Wind oder Sturm macht ihr das Fliegen fast unmöglich, weil ihre Schwingen noch mehr als bei den Ver- wandten außer allem Verhältnisse zu dem kleinen Leibe und der schwachen Kraft zu stehen scheinen; bei ruhigem Wetter aber beherrscht sie die Luft vollständig, steigt in schönen Schwenkungen und Kreisen so zu sagen bis in die Wolken empor und läßt sich ebenso zierlich aus bedeutenden Höhen wieder herab auf ein kleines Wässerchen, um dieses zu untersuchen und auszunutzen. Abweichend von den Verwandten zeigt sie sich anderen Geschöpfen gegenüber furchtlos und vertrauensvoll. Bei uns in Deutschland sieht sie sich allerdings vor dem Menschen noch immer einigermaßen vor; im Süden Europas und in Egypten dagegen, wo sie sich freundlicher Gesinnungen versichert halten darf, treibt sie in dessen unmittelbarer Nähe ihre Fischerei und fliegt an dem Erzfeinde der Thiere oft so nah vorbei, daß dieser meint, sie mit Händen greifen zu können. Doch ändert sie auch hier ihr Benehmen, wenn sie Nachstellungen erfuhr, und kann durch länger währende Verfolgungen sehr vorsichtig gemacht werden. Um andere Vögel bekümmert auch sie sich nicht, obgleich sie äußerst gesellig genannt werden muß, und eine einzelne nur selten bemerkt wird. Die Mitglieder eines Vereins hängen treu an einander, halten sich immer zusammen und verrichten alle Geschäfte gemeinschaftlich, leben auch, kleine
Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben.
Mantels und die Flügeldeckfedern roſtgelb geſäumt. Die Länge beträgt 9, die Breite 26, die Fittiglänge 9½, die Schwanzlänge 3½ Zoll.
Bei der weißflügeligen Waſſerſchwalbe (Hydrochelidon leucoptera) ſind die Federn des Rumpfes tief ſammtſchwarz, die Flügel oben blaugrau, an der Schulter und an den Spitzen der Unter- armſchwingen weißgrau, die Bürzel- und die Steuerfedern weiß. Der Schnabel iſt kirſchroth, ſchwarz an der Spitze, der Fuß lackroth. Bei der weißbärtigen Verwandten (Hydrochelidon leucopareja) wird der ſchwarze Oberkopf und Nacken durch einen breiten, weißlichen Zügelſtreifen von dem Dunkelgraublau des Unterhalſes getrennt; die Bruſt iſt dunkelgrau, der Mantel hellgrau, der Bauch weißgrau.
Der gemäßigte nördliche Gürtel der Erde wird an geeigneten Stellen überall von der ſchwarzen Waſſerſchwalbe bewohnt, und während des Winters ſtreicht ſie ſoweit nach Süden hinab, daß auch ſie in vier Erdtheilen gefunden wird. Bei uns zu Lande erſcheint ſie mit den übrigen Seeſchwalben, verläßt uns auch um dieſelbe Zeit wieder; ſie bezieht aber nicht die Meeresküſte oder Flüſſe und Ströme, ſondern ſiedelt ſich nur in ausgedehnten Brüchen und Sümpfen, überhaupt blos an ſtehenden Gewäſſern an. Während der Reiſe, welche ſie in Flügen von zwanzig bis tauſend Stücken zurücklegt, folgt ſie den Strömen und da, wo dieſe ſeitlich das Land unter Waſſer geſetzt und Sümpfe gebildet haben, nimmt ſie auch wohl unmittelbar an ſolchen längeren Aufenthalt; im übrigen meidet ſie Fluß und Meer.
Von anderen Verwandten unterſcheiden ſich die Waſſerſchwalben nicht blos durch ihren Auf- enthalt, ſondern auch durch ihre Bewegung, Ernährung und Fortpflanzung. Sie gehen ebenſo wenig, auch ebenſo ſchlecht wie die übrigen, ſchwimmen ſelten und nicht beſſer als jene, fliegen minder ſtürmiſch, aber nicht ſo wankend, ſondern weicher, ſanfter, gemächlicher, demgemäß ſo leicht und zierlich und dabei ſo wechſelvoll, daß man an dem Fluge ſeine wahre Freude haben muß. Während der Nachtſtunden ruhen ſie, übertages ſind ſie faſt unabläſſig in Bewegung: ſie bringen den größten Theil ihres Lebens fliegend und, was Daſſelbe ſagen will, jagend zu. Kerbthiere bilden zeitweilig ihre ausſchließliche Beute, und wenn auch ein kleines Fiſchchen nicht gänzlich verſchmäht und ab und zu ein anderes Waſſerthier aufgenommen werden mag, ſo gilt doch die Jagd jenen. Sie ſind keine vollendeten Stoßtaucher mehr, ſondern jagen eher nach Art der Schwalben als nach Art ihrer Ver- wandten, ſchweben ſehr niedrig über dem Waſſerſpiegel dahin, ſcheinbar mehr zu ihrer Beluſtigung als aus Nothwendigkeit Schwenkungen ausführend, rütteln lange, ſtürzen ſich, wenn ſie eine Beute erſpäht, nicht ſo jählings und ſenkrecht auf das Waſſer hernieder, wie es der Stoßtaucher Art, ſondern fallen in einer mehr geſchweiften Linie herab und nehmen die Beute mit dem Schnabel auf, ohne den Leib unterzutauchen. Dieſe Bewegungen geſchehen jedoch immer noch ſehr ſchnell, und die fiſchende Waſſerſchwalbe gewährt gerade deshalb ein ewig wechſelndes Schauſpiel. Heftiger Wind oder Sturm macht ihr das Fliegen faſt unmöglich, weil ihre Schwingen noch mehr als bei den Ver- wandten außer allem Verhältniſſe zu dem kleinen Leibe und der ſchwachen Kraft zu ſtehen ſcheinen; bei ruhigem Wetter aber beherrſcht ſie die Luft vollſtändig, ſteigt in ſchönen Schwenkungen und Kreiſen ſo zu ſagen bis in die Wolken empor und läßt ſich ebenſo zierlich aus bedeutenden Höhen wieder herab auf ein kleines Wäſſerchen, um dieſes zu unterſuchen und auszunutzen. Abweichend von den Verwandten zeigt ſie ſich anderen Geſchöpfen gegenüber furchtlos und vertrauensvoll. Bei uns in Deutſchland ſieht ſie ſich allerdings vor dem Menſchen noch immer einigermaßen vor; im Süden Europas und in Egypten dagegen, wo ſie ſich freundlicher Geſinnungen verſichert halten darf, treibt ſie in deſſen unmittelbarer Nähe ihre Fiſcherei und fliegt an dem Erzfeinde der Thiere oft ſo nah vorbei, daß dieſer meint, ſie mit Händen greifen zu können. Doch ändert ſie auch hier ihr Benehmen, wenn ſie Nachſtellungen erfuhr, und kann durch länger währende Verfolgungen ſehr vorſichtig gemacht werden. Um andere Vögel bekümmert auch ſie ſich nicht, obgleich ſie äußerſt geſellig genannt werden muß, und eine einzelne nur ſelten bemerkt wird. Die Mitglieder eines Vereins hängen treu an einander, halten ſich immer zuſammen und verrichten alle Geſchäfte gemeinſchaftlich, leben auch, kleine
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[862/0912]
Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben.
Mantels und die Flügeldeckfedern roſtgelb geſäumt. Die Länge beträgt 9, die Breite 26, die
Fittiglänge 9½, die Schwanzlänge 3½ Zoll.
Bei der weißflügeligen Waſſerſchwalbe (Hydrochelidon leucoptera) ſind die Federn des
Rumpfes tief ſammtſchwarz, die Flügel oben blaugrau, an der Schulter und an den Spitzen der Unter-
armſchwingen weißgrau, die Bürzel- und die Steuerfedern weiß. Der Schnabel iſt kirſchroth,
ſchwarz an der Spitze, der Fuß lackroth. Bei der weißbärtigen Verwandten (Hydrochelidon
leucopareja) wird der ſchwarze Oberkopf und Nacken durch einen breiten, weißlichen Zügelſtreifen
von dem Dunkelgraublau des Unterhalſes getrennt; die Bruſt iſt dunkelgrau, der Mantel hellgrau,
der Bauch weißgrau.
Der gemäßigte nördliche Gürtel der Erde wird an geeigneten Stellen überall von der ſchwarzen
Waſſerſchwalbe bewohnt, und während des Winters ſtreicht ſie ſoweit nach Süden hinab, daß auch ſie
in vier Erdtheilen gefunden wird. Bei uns zu Lande erſcheint ſie mit den übrigen Seeſchwalben,
verläßt uns auch um dieſelbe Zeit wieder; ſie bezieht aber nicht die Meeresküſte oder Flüſſe und
Ströme, ſondern ſiedelt ſich nur in ausgedehnten Brüchen und Sümpfen, überhaupt blos an ſtehenden
Gewäſſern an. Während der Reiſe, welche ſie in Flügen von zwanzig bis tauſend Stücken zurücklegt,
folgt ſie den Strömen und da, wo dieſe ſeitlich das Land unter Waſſer geſetzt und Sümpfe gebildet
haben, nimmt ſie auch wohl unmittelbar an ſolchen längeren Aufenthalt; im übrigen meidet ſie
Fluß und Meer.
Von anderen Verwandten unterſcheiden ſich die Waſſerſchwalben nicht blos durch ihren Auf-
enthalt, ſondern auch durch ihre Bewegung, Ernährung und Fortpflanzung. Sie gehen ebenſo wenig,
auch ebenſo ſchlecht wie die übrigen, ſchwimmen ſelten und nicht beſſer als jene, fliegen minder
ſtürmiſch, aber nicht ſo wankend, ſondern weicher, ſanfter, gemächlicher, demgemäß ſo leicht und
zierlich und dabei ſo wechſelvoll, daß man an dem Fluge ſeine wahre Freude haben muß. Während
der Nachtſtunden ruhen ſie, übertages ſind ſie faſt unabläſſig in Bewegung: ſie bringen den
größten Theil ihres Lebens fliegend und, was Daſſelbe ſagen will, jagend zu. Kerbthiere bilden
zeitweilig ihre ausſchließliche Beute, und wenn auch ein kleines Fiſchchen nicht gänzlich verſchmäht und
ab und zu ein anderes Waſſerthier aufgenommen werden mag, ſo gilt doch die Jagd jenen. Sie ſind keine
vollendeten Stoßtaucher mehr, ſondern jagen eher nach Art der Schwalben als nach Art ihrer Ver-
wandten, ſchweben ſehr niedrig über dem Waſſerſpiegel dahin, ſcheinbar mehr zu ihrer Beluſtigung
als aus Nothwendigkeit Schwenkungen ausführend, rütteln lange, ſtürzen ſich, wenn ſie eine
Beute erſpäht, nicht ſo jählings und ſenkrecht auf das Waſſer hernieder, wie es der Stoßtaucher Art,
ſondern fallen in einer mehr geſchweiften Linie herab und nehmen die Beute mit dem Schnabel auf,
ohne den Leib unterzutauchen. Dieſe Bewegungen geſchehen jedoch immer noch ſehr ſchnell, und die
fiſchende Waſſerſchwalbe gewährt gerade deshalb ein ewig wechſelndes Schauſpiel. Heftiger Wind
oder Sturm macht ihr das Fliegen faſt unmöglich, weil ihre Schwingen noch mehr als bei den Ver-
wandten außer allem Verhältniſſe zu dem kleinen Leibe und der ſchwachen Kraft zu ſtehen ſcheinen; bei
ruhigem Wetter aber beherrſcht ſie die Luft vollſtändig, ſteigt in ſchönen Schwenkungen und Kreiſen
ſo zu ſagen bis in die Wolken empor und läßt ſich ebenſo zierlich aus bedeutenden Höhen wieder
herab auf ein kleines Wäſſerchen, um dieſes zu unterſuchen und auszunutzen. Abweichend von den
Verwandten zeigt ſie ſich anderen Geſchöpfen gegenüber furchtlos und vertrauensvoll. Bei uns in
Deutſchland ſieht ſie ſich allerdings vor dem Menſchen noch immer einigermaßen vor; im Süden
Europas und in Egypten dagegen, wo ſie ſich freundlicher Geſinnungen verſichert halten darf, treibt
ſie in deſſen unmittelbarer Nähe ihre Fiſcherei und fliegt an dem Erzfeinde der Thiere oft ſo nah
vorbei, daß dieſer meint, ſie mit Händen greifen zu können. Doch ändert ſie auch hier ihr Benehmen,
wenn ſie Nachſtellungen erfuhr, und kann durch länger währende Verfolgungen ſehr vorſichtig gemacht
werden. Um andere Vögel bekümmert auch ſie ſich nicht, obgleich ſie äußerſt geſellig genannt werden
muß, und eine einzelne nur ſelten bemerkt wird. Die Mitglieder eines Vereins hängen treu an
einander, halten ſich immer zuſammen und verrichten alle Geſchäfte gemeinſchaftlich, leben auch, kleine
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 862. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/912>, abgerufen am 23.11.2024.
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