Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Schwimmer. Zahnschnäbler. Tauchenten.

Gefangene Sammt- oder Trauerenten überhaupt sieht man selten in den Thiergärten, obgleich
die Vogelsteller an den Seeküsten alljährlich viele von ihnen erbeuten. Sie lässen sich schwer halten,
selbst wenn man es ihnen an Muscheln, ihrem Lieblingsfutter, nicht fehlen läßt. Minder noch als
die veränderte Nahrung, zu welcher sie im gefangenen Zustande doch mehr oder weniger genöthigt
werden, scheint ihnen die Wärme unseres Sommers zu behagen. Sie überstehen den Winter
anscheinend sehr gut, fressen, befinden sich wohl und sind munter, welken aber sichtlich dahin, je höher
die Sonne steigt und erliegen endlich gewöhnlich im Hochsommer, wenn die Mauser bei ihnen eintritt.

Das Wildpret sagt unserem Gaumen nicht zu, gilt aber unter Lappen, Samojeden, Tungusen
und ähnlichen Völkerschaften als ein vorzüglicher Leckerbissen. Deshalb werden im hohen Norden und
in Sibirien alljährlich große Jagden auf diese Ente angestellt, hauptsächlich während der Mauserzeit,
welche für die nördlichen Mongolen überhaupt als günstigste Jagdzeit gilt. Jn den Meerbusen oder
Süßwasserteichen, auf welchen sich die mausernden Enten zusammenhalten, treibt man sie mit Hilfe
von mehreren Booten vorsichtig nach seichteren Stellen und beginnt, wenn sie diese erreichen, mit
Knüppeln eine fürchterliche Metzelei unter ihnen, zuweilen hundert und mehr an einem Tage
erbeutend. Ebensoviele noch werden bei solchen Jagden so verletzt, daß sie erst später zu Grunde
gehen, dem Jäger aber nicht zu gute kommen, weil sie unglaublich zählebig sind und noch
todtwund sich ihren Feinden zu entziehen wissen.



Die bekannteste aller Tauchenten ist die Tafelente, der im Binnenlande häufigste Vertreter
der Moorenten (Aythya), ein schöner, kräftiger Vogel mit mittellangem, am Grunde nicht aufge-
schwollenem Schnabel, kurzen, breitsohligen Füßen, mittellangen, aber spitzen Flügeln und einem glatt
anliegenden, nirgends verlängerten Gefieder.

Die männliche Tafelente (Aythya ferina) ist auf Kopf und Vorderhals schön braunroth,
auf der Vorderbrust schwarz, auf dem Rücken und auf den Weichen blaßaschgrau, sehr zart schwarz quer
gewellt, in der Steißgegend schwarz, auf der Unterseite grauweiß; die Flügeldeckfedern sind aschgrau,
diejenigen, welche den Spiegel bilden, lichtgrau, die Schwingen und Steuerfedern grau. Das Auge
ist gelb, der Schnabel an der Wurzel und an den Rändern schwarz, übrigens blaugrau, der Fuß
grünlichgrau. Beim Weibchen sind Kopf und Hals röthlichgraubraun, der Rücken, die Brust und
die Seiten auf gilblichgrauem Grunde mit dunkleren, schwarzbräunlichen, aber wenig hervortretenden
Mondflecken gezeichnet, die Mitte und der Bauch weißgrau, der Flügel aschgrau. Jhm ähnelt das
Männchen in seiner Sommertracht, nur daß alle Farben lebhafter und die Federn des Rückens reiner
grau sind. Die Länge beträgt 19, die Breite 30, die Fittiglänge 91/2, die Schwanzlänge 21/2 Zoll.

Vom Polarkreise an bis gegen den Wendekreis hin und vom Baikal an bis zum Felsengebirge,
hat man die Tafelente an entsprechenden Orten überall gefunden. Jm hohen Norden scheint sie nicht
vorzukommen, und die südlichen Theile ihres Verbreitungskreises besucht sie nur während ihres Zuges;
denn sie gehört eigentlich dem Norden des gemäßigten Gürtels an und findet schon im Süden
Europas die ihr zusagende Winterherberge. Jn Deutschland ist sie nirgends selten, in den wasser-
reichen Ebenen des Nordens ein regelmäßiger, hier und da sogar sehr häufiger Brutvogel. Sie
erscheint im März und verläßt die Heimat im Oktober und November wieder, bringt aber den Winter
bei gelinder Witterung einzeln auch in unserem Vaterlande zu. Jn Südrußland, den Donautief-
ländern, Griechenland, Süditalien, Spanien und in ganz Nordafrika wird sie während der
Wintermonate überall gefunden. Sie zieht des Nachts in großen Haufen, gewöhnlich unordentlich
durch einander, ausnahmsweise auch wohl in eine schiefe Reihe geordnet, meist schreiend oder
wenigstens knarrend, und erscheint im Frühjahre in kleineren Gesellschaften oder paarweise wieder.
Während des Sommers bezieht sie Süßwasserseen, große Teiche oder auch Brüche, welche freie

Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Tauchenten.

Gefangene Sammt- oder Trauerenten überhaupt ſieht man ſelten in den Thiergärten, obgleich
die Vogelſteller an den Seeküſten alljährlich viele von ihnen erbeuten. Sie läſſen ſich ſchwer halten,
ſelbſt wenn man es ihnen an Muſcheln, ihrem Lieblingsfutter, nicht fehlen läßt. Minder noch als
die veränderte Nahrung, zu welcher ſie im gefangenen Zuſtande doch mehr oder weniger genöthigt
werden, ſcheint ihnen die Wärme unſeres Sommers zu behagen. Sie überſtehen den Winter
anſcheinend ſehr gut, freſſen, befinden ſich wohl und ſind munter, welken aber ſichtlich dahin, je höher
die Sonne ſteigt und erliegen endlich gewöhnlich im Hochſommer, wenn die Mauſer bei ihnen eintritt.

Das Wildpret ſagt unſerem Gaumen nicht zu, gilt aber unter Lappen, Samojeden, Tunguſen
und ähnlichen Völkerſchaften als ein vorzüglicher Leckerbiſſen. Deshalb werden im hohen Norden und
in Sibirien alljährlich große Jagden auf dieſe Ente angeſtellt, hauptſächlich während der Mauſerzeit,
welche für die nördlichen Mongolen überhaupt als günſtigſte Jagdzeit gilt. Jn den Meerbuſen oder
Süßwaſſerteichen, auf welchen ſich die mauſernden Enten zuſammenhalten, treibt man ſie mit Hilfe
von mehreren Booten vorſichtig nach ſeichteren Stellen und beginnt, wenn ſie dieſe erreichen, mit
Knüppeln eine fürchterliche Metzelei unter ihnen, zuweilen hundert und mehr an einem Tage
erbeutend. Ebenſoviele noch werden bei ſolchen Jagden ſo verletzt, daß ſie erſt ſpäter zu Grunde
gehen, dem Jäger aber nicht zu gute kommen, weil ſie unglaublich zählebig ſind und noch
todtwund ſich ihren Feinden zu entziehen wiſſen.



Die bekannteſte aller Tauchenten iſt die Tafelente, der im Binnenlande häufigſte Vertreter
der Moorenten (Aythya), ein ſchöner, kräftiger Vogel mit mittellangem, am Grunde nicht aufge-
ſchwollenem Schnabel, kurzen, breitſohligen Füßen, mittellangen, aber ſpitzen Flügeln und einem glatt
anliegenden, nirgends verlängerten Gefieder.

Die männliche Tafelente (Aythya ferina) iſt auf Kopf und Vorderhals ſchön braunroth,
auf der Vorderbruſt ſchwarz, auf dem Rücken und auf den Weichen blaßaſchgrau, ſehr zart ſchwarz quer
gewellt, in der Steißgegend ſchwarz, auf der Unterſeite grauweiß; die Flügeldeckfedern ſind aſchgrau,
diejenigen, welche den Spiegel bilden, lichtgrau, die Schwingen und Steuerfedern grau. Das Auge
iſt gelb, der Schnabel an der Wurzel und an den Rändern ſchwarz, übrigens blaugrau, der Fuß
grünlichgrau. Beim Weibchen ſind Kopf und Hals röthlichgraubraun, der Rücken, die Bruſt und
die Seiten auf gilblichgrauem Grunde mit dunkleren, ſchwarzbräunlichen, aber wenig hervortretenden
Mondflecken gezeichnet, die Mitte und der Bauch weißgrau, der Flügel aſchgrau. Jhm ähnelt das
Männchen in ſeiner Sommertracht, nur daß alle Farben lebhafter und die Federn des Rückens reiner
grau ſind. Die Länge beträgt 19, die Breite 30, die Fittiglänge 9½, die Schwanzlänge 2½ Zoll.

Vom Polarkreiſe an bis gegen den Wendekreis hin und vom Baikal an bis zum Felſengebirge,
hat man die Tafelente an entſprechenden Orten überall gefunden. Jm hohen Norden ſcheint ſie nicht
vorzukommen, und die ſüdlichen Theile ihres Verbreitungskreiſes beſucht ſie nur während ihres Zuges;
denn ſie gehört eigentlich dem Norden des gemäßigten Gürtels an und findet ſchon im Süden
Europas die ihr zuſagende Winterherberge. Jn Deutſchland iſt ſie nirgends ſelten, in den waſſer-
reichen Ebenen des Nordens ein regelmäßiger, hier und da ſogar ſehr häufiger Brutvogel. Sie
erſcheint im März und verläßt die Heimat im Oktober und November wieder, bringt aber den Winter
bei gelinder Witterung einzeln auch in unſerem Vaterlande zu. Jn Südrußland, den Donautief-
ländern, Griechenland, Süditalien, Spanien und in ganz Nordafrika wird ſie während der
Wintermonate überall gefunden. Sie zieht des Nachts in großen Haufen, gewöhnlich unordentlich
durch einander, ausnahmsweiſe auch wohl in eine ſchiefe Reihe geordnet, meiſt ſchreiend oder
wenigſtens knarrend, und erſcheint im Frühjahre in kleineren Geſellſchaften oder paarweiſe wieder.
Während des Sommers bezieht ſie Süßwaſſerſeen, große Teiche oder auch Brüche, welche freie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0892" n="842"/>
          <fw place="top" type="header">Die Schwimmer. Zahn&#x017F;chnäbler. Tauchenten.</fw><lb/>
          <p>Gefangene Sammt- oder Trauerenten überhaupt &#x017F;ieht man &#x017F;elten in den Thiergärten, obgleich<lb/>
die Vogel&#x017F;teller an den Seekü&#x017F;ten alljährlich viele von ihnen erbeuten. Sie lä&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich &#x017F;chwer halten,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenn man es ihnen an Mu&#x017F;cheln, ihrem Lieblingsfutter, nicht fehlen läßt. Minder noch als<lb/>
die veränderte Nahrung, zu welcher &#x017F;ie im gefangenen Zu&#x017F;tande doch mehr oder weniger genöthigt<lb/>
werden, &#x017F;cheint ihnen die Wärme un&#x017F;eres Sommers zu behagen. Sie über&#x017F;tehen den Winter<lb/>
an&#x017F;cheinend &#x017F;ehr gut, fre&#x017F;&#x017F;en, befinden &#x017F;ich wohl und &#x017F;ind munter, welken aber &#x017F;ichtlich dahin, je höher<lb/>
die Sonne &#x017F;teigt und erliegen endlich gewöhnlich im Hoch&#x017F;ommer, wenn die Mau&#x017F;er bei ihnen eintritt.</p><lb/>
          <p>Das Wildpret &#x017F;agt un&#x017F;erem Gaumen nicht zu, gilt aber unter Lappen, Samojeden, Tungu&#x017F;en<lb/>
und ähnlichen Völker&#x017F;chaften als ein vorzüglicher Leckerbi&#x017F;&#x017F;en. Deshalb werden im hohen Norden und<lb/>
in Sibirien alljährlich große Jagden auf die&#x017F;e Ente ange&#x017F;tellt, haupt&#x017F;ächlich während der Mau&#x017F;erzeit,<lb/>
welche für die nördlichen Mongolen überhaupt als gün&#x017F;tig&#x017F;te Jagdzeit gilt. Jn den Meerbu&#x017F;en oder<lb/>
Süßwa&#x017F;&#x017F;erteichen, auf welchen &#x017F;ich die mau&#x017F;ernden Enten zu&#x017F;ammenhalten, treibt man &#x017F;ie mit Hilfe<lb/>
von mehreren Booten vor&#x017F;ichtig nach &#x017F;eichteren Stellen und beginnt, wenn &#x017F;ie die&#x017F;e erreichen, mit<lb/>
Knüppeln eine fürchterliche Metzelei unter ihnen, zuweilen hundert und mehr an einem Tage<lb/>
erbeutend. Eben&#x017F;oviele noch werden bei &#x017F;olchen Jagden &#x017F;o verletzt, daß &#x017F;ie er&#x017F;t &#x017F;päter zu Grunde<lb/>
gehen, dem Jäger aber nicht zu gute kommen, weil &#x017F;ie unglaublich zählebig &#x017F;ind und noch<lb/>
todtwund &#x017F;ich ihren Feinden zu entziehen wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die bekannte&#x017F;te aller Tauchenten i&#x017F;t die <hi rendition="#g">Tafelente,</hi> der im Binnenlande häufig&#x017F;te Vertreter<lb/>
der Moorenten (<hi rendition="#aq">Aythya</hi>), ein &#x017F;chöner, kräftiger Vogel mit mittellangem, am Grunde nicht aufge-<lb/>
&#x017F;chwollenem Schnabel, kurzen, breit&#x017F;ohligen Füßen, mittellangen, aber &#x017F;pitzen Flügeln und einem glatt<lb/>
anliegenden, nirgends verlängerten Gefieder.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">männliche Tafelente</hi> (<hi rendition="#aq">Aythya ferina</hi>) i&#x017F;t auf Kopf und Vorderhals &#x017F;chön braunroth,<lb/>
auf der Vorderbru&#x017F;t &#x017F;chwarz, auf dem Rücken und auf den Weichen blaßa&#x017F;chgrau, &#x017F;ehr zart &#x017F;chwarz quer<lb/>
gewellt, in der Steißgegend &#x017F;chwarz, auf der Unter&#x017F;eite grauweiß; die Flügeldeckfedern &#x017F;ind a&#x017F;chgrau,<lb/>
diejenigen, welche den Spiegel bilden, lichtgrau, die Schwingen und Steuerfedern grau. Das Auge<lb/>
i&#x017F;t gelb, der Schnabel an der Wurzel und an den Rändern &#x017F;chwarz, übrigens blaugrau, der Fuß<lb/>
grünlichgrau. Beim Weibchen &#x017F;ind Kopf und Hals röthlichgraubraun, der Rücken, die Bru&#x017F;t und<lb/>
die Seiten auf gilblichgrauem Grunde mit dunkleren, &#x017F;chwarzbräunlichen, aber wenig hervortretenden<lb/>
Mondflecken gezeichnet, die Mitte und der Bauch weißgrau, der Flügel a&#x017F;chgrau. Jhm ähnelt das<lb/>
Männchen in &#x017F;einer Sommertracht, nur daß alle Farben lebhafter und die Federn des Rückens reiner<lb/>
grau &#x017F;ind. Die Länge beträgt 19, die Breite 30, die Fittiglänge 9½, die Schwanzlänge 2½ Zoll.</p><lb/>
          <p>Vom Polarkrei&#x017F;e an bis gegen den Wendekreis hin und vom Baikal an bis zum Fel&#x017F;engebirge,<lb/>
hat man die Tafelente an ent&#x017F;prechenden Orten überall gefunden. Jm hohen Norden &#x017F;cheint &#x017F;ie nicht<lb/>
vorzukommen, und die &#x017F;üdlichen Theile ihres Verbreitungskrei&#x017F;es be&#x017F;ucht &#x017F;ie nur während ihres Zuges;<lb/>
denn &#x017F;ie gehört eigentlich dem Norden des gemäßigten Gürtels an und findet &#x017F;chon im Süden<lb/>
Europas die ihr zu&#x017F;agende Winterherberge. Jn Deut&#x017F;chland i&#x017F;t &#x017F;ie nirgends &#x017F;elten, in den wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
reichen Ebenen des Nordens ein regelmäßiger, hier und da &#x017F;ogar &#x017F;ehr häufiger Brutvogel. Sie<lb/>
er&#x017F;cheint im März und verläßt die Heimat im Oktober und November wieder, bringt aber den Winter<lb/>
bei gelinder Witterung einzeln auch in un&#x017F;erem Vaterlande zu. Jn Südrußland, den Donautief-<lb/>
ländern, Griechenland, Süditalien, Spanien und in ganz Nordafrika wird &#x017F;ie während der<lb/>
Wintermonate überall gefunden. Sie zieht des Nachts in großen Haufen, gewöhnlich unordentlich<lb/>
durch einander, ausnahmswei&#x017F;e auch wohl in eine &#x017F;chiefe Reihe geordnet, mei&#x017F;t &#x017F;chreiend oder<lb/>
wenig&#x017F;tens knarrend, und er&#x017F;cheint im Frühjahre in kleineren Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften oder paarwei&#x017F;e wieder.<lb/>
Während des Sommers bezieht &#x017F;ie Süßwa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;een, große Teiche oder auch Brüche, welche freie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[842/0892] Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Tauchenten. Gefangene Sammt- oder Trauerenten überhaupt ſieht man ſelten in den Thiergärten, obgleich die Vogelſteller an den Seeküſten alljährlich viele von ihnen erbeuten. Sie läſſen ſich ſchwer halten, ſelbſt wenn man es ihnen an Muſcheln, ihrem Lieblingsfutter, nicht fehlen läßt. Minder noch als die veränderte Nahrung, zu welcher ſie im gefangenen Zuſtande doch mehr oder weniger genöthigt werden, ſcheint ihnen die Wärme unſeres Sommers zu behagen. Sie überſtehen den Winter anſcheinend ſehr gut, freſſen, befinden ſich wohl und ſind munter, welken aber ſichtlich dahin, je höher die Sonne ſteigt und erliegen endlich gewöhnlich im Hochſommer, wenn die Mauſer bei ihnen eintritt. Das Wildpret ſagt unſerem Gaumen nicht zu, gilt aber unter Lappen, Samojeden, Tunguſen und ähnlichen Völkerſchaften als ein vorzüglicher Leckerbiſſen. Deshalb werden im hohen Norden und in Sibirien alljährlich große Jagden auf dieſe Ente angeſtellt, hauptſächlich während der Mauſerzeit, welche für die nördlichen Mongolen überhaupt als günſtigſte Jagdzeit gilt. Jn den Meerbuſen oder Süßwaſſerteichen, auf welchen ſich die mauſernden Enten zuſammenhalten, treibt man ſie mit Hilfe von mehreren Booten vorſichtig nach ſeichteren Stellen und beginnt, wenn ſie dieſe erreichen, mit Knüppeln eine fürchterliche Metzelei unter ihnen, zuweilen hundert und mehr an einem Tage erbeutend. Ebenſoviele noch werden bei ſolchen Jagden ſo verletzt, daß ſie erſt ſpäter zu Grunde gehen, dem Jäger aber nicht zu gute kommen, weil ſie unglaublich zählebig ſind und noch todtwund ſich ihren Feinden zu entziehen wiſſen. Die bekannteſte aller Tauchenten iſt die Tafelente, der im Binnenlande häufigſte Vertreter der Moorenten (Aythya), ein ſchöner, kräftiger Vogel mit mittellangem, am Grunde nicht aufge- ſchwollenem Schnabel, kurzen, breitſohligen Füßen, mittellangen, aber ſpitzen Flügeln und einem glatt anliegenden, nirgends verlängerten Gefieder. Die männliche Tafelente (Aythya ferina) iſt auf Kopf und Vorderhals ſchön braunroth, auf der Vorderbruſt ſchwarz, auf dem Rücken und auf den Weichen blaßaſchgrau, ſehr zart ſchwarz quer gewellt, in der Steißgegend ſchwarz, auf der Unterſeite grauweiß; die Flügeldeckfedern ſind aſchgrau, diejenigen, welche den Spiegel bilden, lichtgrau, die Schwingen und Steuerfedern grau. Das Auge iſt gelb, der Schnabel an der Wurzel und an den Rändern ſchwarz, übrigens blaugrau, der Fuß grünlichgrau. Beim Weibchen ſind Kopf und Hals röthlichgraubraun, der Rücken, die Bruſt und die Seiten auf gilblichgrauem Grunde mit dunkleren, ſchwarzbräunlichen, aber wenig hervortretenden Mondflecken gezeichnet, die Mitte und der Bauch weißgrau, der Flügel aſchgrau. Jhm ähnelt das Männchen in ſeiner Sommertracht, nur daß alle Farben lebhafter und die Federn des Rückens reiner grau ſind. Die Länge beträgt 19, die Breite 30, die Fittiglänge 9½, die Schwanzlänge 2½ Zoll. Vom Polarkreiſe an bis gegen den Wendekreis hin und vom Baikal an bis zum Felſengebirge, hat man die Tafelente an entſprechenden Orten überall gefunden. Jm hohen Norden ſcheint ſie nicht vorzukommen, und die ſüdlichen Theile ihres Verbreitungskreiſes beſucht ſie nur während ihres Zuges; denn ſie gehört eigentlich dem Norden des gemäßigten Gürtels an und findet ſchon im Süden Europas die ihr zuſagende Winterherberge. Jn Deutſchland iſt ſie nirgends ſelten, in den waſſer- reichen Ebenen des Nordens ein regelmäßiger, hier und da ſogar ſehr häufiger Brutvogel. Sie erſcheint im März und verläßt die Heimat im Oktober und November wieder, bringt aber den Winter bei gelinder Witterung einzeln auch in unſerem Vaterlande zu. Jn Südrußland, den Donautief- ländern, Griechenland, Süditalien, Spanien und in ganz Nordafrika wird ſie während der Wintermonate überall gefunden. Sie zieht des Nachts in großen Haufen, gewöhnlich unordentlich durch einander, ausnahmsweiſe auch wohl in eine ſchiefe Reihe geordnet, meiſt ſchreiend oder wenigſtens knarrend, und erſcheint im Frühjahre in kleineren Geſellſchaften oder paarweiſe wieder. Während des Sommers bezieht ſie Süßwaſſerſeen, große Teiche oder auch Brüche, welche freie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/892
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 842. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/892>, abgerufen am 23.11.2024.