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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Hühnergans.
ihre Unverträglichkeit lästig wird. Auch in Europa haben die Gefangenen schon oft gebrütet, und
wahrscheinlich werden die hier Gezüchteten sich vollständig einbürgern lassen. Bis jetzt wird ihre
Verbreitung und Vermehrung besonders noch dadurch gehindert, daß die Brutzeit, dem australischen
Frühlinge entsprechend, in die letzten Herbstmonate fällt, und die Strenge des Winters die Hoffnungen
des Züchters oft vereitelt. Doch hat man bereits erfahren, daß Hühnergänse, deren erste Eier durch
die Kälte zu Grunde gingen, im Februar wieder legten und dann ihre Jungen glücklich aufbrachten.
Die Paarungslust zeigt sich in unverkennbarer Weise. Beide Geschlechter lassen öfter als sonst ihre
brummende Stimme vernehmen; der Gansert umgeht seine Gattin mit zierlichem Kopfneigen, schaut
sich wachsam nach allen Seiten um und vertreibt unerbittlich alle übrigen Thiere, groß und klein, aus
seinem Gehege. Nach erfolgter Begattung baut die Gans sehr eifrig an ihrem Neste und wählt
hierzu unter den ihr zu Gebote stehenden Stoffen immer die besten aus. Das Nest ist nicht gerade
kunstvoll, aber doch weit besser als das der meisten übrigen Gänse, innen glatt gerundet und auch
hübsch mit Federn ausgelegt. Die Eier sind verhältnißmäßig klein, rundlich, glattschalig und gelb-
lichweiß von Färbung. Nach den in Paris gemachten Erfahrungen währt die Brutzeit dreißig Tage,
bei strenger Kälte jedoch länger: so brütete eine Hühnergans im Parke meines Freundes Cornely
in Belgien volle achtunddreißig Tage, bevor die Jungen ausschlüpften. Letztere laufen noch an
demselben Tage aus dem Neste und der Mutter nach, im Grase suchend und pickend. Sie verschmähen
hart gesottenes Ei, gehackte Regenwürmer, überhaupt thierische Stoffe, auch Weißbrot, und scheinen
sich nur an Pflanzennahrung zu halten. Sobald die Jungen dem Ei glücklich entschlüpft sind, zeigt
sich die muthige Kampflust des Gansert in ihrem vollen Glanze, und man begreift jetzt, warum die
neuholländischen Bauern einen solchen Vogel nicht auf ihren Höfen haben mögen. Es gibt kein
Hausthier, welches der männlichen Hühnergans Schreck einflößen könnte; sie bindet selbst mit dem
Menschen an. "War mein Gansert", erzählt Cornely, "vorher schon böse, so ist er jetzt geradezu
rasend. Mit größter Wuth verfolgt er Alles, was Leben hat. Ein großer Kranich kam ihm zufällig
in den Weg; er stürzte sich auf ihn und obgleich ein Knecht, um die Thiere zu trennen, nur einige
hundert Schritte zu laufen hatte, kam er doch schon zu spät." Der Kranich war bereits eine Leiche,
als er auf dem Wahlplatze anlangte. Jn einer Nacht kam der Gansert in einen Stall, worin ein
anderer Kranich schlief; am Morgen fanden wir dessen Körper ganz zerhackt. Die Kühe gehen vor
ihm durch, selbst die bei ihm vorbeikommenden Pferde fällt er an und muß durch Prügel weggetrieben
werden. Obgleich die Hühnergänse sehr gut gedeihen und sich auf grünem Rasen sehr hübsch aus-
nehmen, möchte ich doch Niemandem, welcher nicht einen großen Raum zur Verfügung hat, anrathen,
sie zu halten; denn nur da, wo sie mit anderen Thieren nicht zusammenkommen, stiften sie kein
Unheil an.



Die Schwimmenten (Anates), die zahl- und gestaltenreichste Familie der Ordnung, unter-
scheiden sich von den Gänsen hauptsächlich durch die niederen Füße und von den Schwänen durch den
kürzeren Hals. Jhr Leib ist kurz, breit oder von oben nach unten zusammengedrückt, der Hals kurz
oder höchstens mittellang, der Kopf dick, der Schnabel an Länge dem Kopfe gleich oder etwas kürzer,
seiner ganzen Länge nach gleich breit oder vorn etwas breiter als hinten, an der Wurzel mehr oder
weniger hoch, zuweilen auch knollig aufgetrieben; auf der Oberfirste gewölbt, an den Rändern so
übergebogen, daß der Unterschnabel größtentheils in dem oberen aufgenommen wird, die Bezahnung
deutlich und scharf, der Fuß weit nach hinten gestellt, niedrig, bis zur Ferse befiedert, der Lauf schwach,
seitlich zusammengedrückt, seine Mittelzehe länger als der Lauf, die Behäutung groß und vollkommen,
die Hinterzehe stets vorhanden und oft belappt, die Bekrallung schwach, der Flügel mittelgroß, schmal
und spitz, in ihm die zweite Schwinge regelmäßig die längste, der Afterflügel gewöhnlich sehr ent-
wickelt, auch wohl durch eigenthümlich gebildete Federn verziert, der aus vierzehn bis zwanzig Federn

Hühnergans.
ihre Unverträglichkeit läſtig wird. Auch in Europa haben die Gefangenen ſchon oft gebrütet, und
wahrſcheinlich werden die hier Gezüchteten ſich vollſtändig einbürgern laſſen. Bis jetzt wird ihre
Verbreitung und Vermehrung beſonders noch dadurch gehindert, daß die Brutzeit, dem auſtraliſchen
Frühlinge entſprechend, in die letzten Herbſtmonate fällt, und die Strenge des Winters die Hoffnungen
des Züchters oft vereitelt. Doch hat man bereits erfahren, daß Hühnergänſe, deren erſte Eier durch
die Kälte zu Grunde gingen, im Februar wieder legten und dann ihre Jungen glücklich aufbrachten.
Die Paarungsluſt zeigt ſich in unverkennbarer Weiſe. Beide Geſchlechter laſſen öfter als ſonſt ihre
brummende Stimme vernehmen; der Ganſert umgeht ſeine Gattin mit zierlichem Kopfneigen, ſchaut
ſich wachſam nach allen Seiten um und vertreibt unerbittlich alle übrigen Thiere, groß und klein, aus
ſeinem Gehege. Nach erfolgter Begattung baut die Gans ſehr eifrig an ihrem Neſte und wählt
hierzu unter den ihr zu Gebote ſtehenden Stoffen immer die beſten aus. Das Neſt iſt nicht gerade
kunſtvoll, aber doch weit beſſer als das der meiſten übrigen Gänſe, innen glatt gerundet und auch
hübſch mit Federn ausgelegt. Die Eier ſind verhältnißmäßig klein, rundlich, glattſchalig und gelb-
lichweiß von Färbung. Nach den in Paris gemachten Erfahrungen währt die Brutzeit dreißig Tage,
bei ſtrenger Kälte jedoch länger: ſo brütete eine Hühnergans im Parke meines Freundes Cornély
in Belgien volle achtunddreißig Tage, bevor die Jungen ausſchlüpften. Letztere laufen noch an
demſelben Tage aus dem Neſte und der Mutter nach, im Graſe ſuchend und pickend. Sie verſchmähen
hart geſottenes Ei, gehackte Regenwürmer, überhaupt thieriſche Stoffe, auch Weißbrot, und ſcheinen
ſich nur an Pflanzennahrung zu halten. Sobald die Jungen dem Ei glücklich entſchlüpft ſind, zeigt
ſich die muthige Kampfluſt des Ganſert in ihrem vollen Glanze, und man begreift jetzt, warum die
neuholländiſchen Bauern einen ſolchen Vogel nicht auf ihren Höfen haben mögen. Es gibt kein
Hausthier, welches der männlichen Hühnergans Schreck einflößen könnte; ſie bindet ſelbſt mit dem
Menſchen an. „War mein Ganſert“, erzählt Cornély, „vorher ſchon böſe, ſo iſt er jetzt geradezu
raſend. Mit größter Wuth verfolgt er Alles, was Leben hat. Ein großer Kranich kam ihm zufällig
in den Weg; er ſtürzte ſich auf ihn und obgleich ein Knecht, um die Thiere zu trennen, nur einige
hundert Schritte zu laufen hatte, kam er doch ſchon zu ſpät.“ Der Kranich war bereits eine Leiche,
als er auf dem Wahlplatze anlangte. Jn einer Nacht kam der Ganſert in einen Stall, worin ein
anderer Kranich ſchlief; am Morgen fanden wir deſſen Körper ganz zerhackt. Die Kühe gehen vor
ihm durch, ſelbſt die bei ihm vorbeikommenden Pferde fällt er an und muß durch Prügel weggetrieben
werden. Obgleich die Hühnergänſe ſehr gut gedeihen und ſich auf grünem Raſen ſehr hübſch aus-
nehmen, möchte ich doch Niemandem, welcher nicht einen großen Raum zur Verfügung hat, anrathen,
ſie zu halten; denn nur da, wo ſie mit anderen Thieren nicht zuſammenkommen, ſtiften ſie kein
Unheil an.



Die Schwimmenten (Anates), die zahl- und geſtaltenreichſte Familie der Ordnung, unter-
ſcheiden ſich von den Gänſen hauptſächlich durch die niederen Füße und von den Schwänen durch den
kürzeren Hals. Jhr Leib iſt kurz, breit oder von oben nach unten zuſammengedrückt, der Hals kurz
oder höchſtens mittellang, der Kopf dick, der Schnabel an Länge dem Kopfe gleich oder etwas kürzer,
ſeiner ganzen Länge nach gleich breit oder vorn etwas breiter als hinten, an der Wurzel mehr oder
weniger hoch, zuweilen auch knollig aufgetrieben; auf der Oberfirſte gewölbt, an den Rändern ſo
übergebogen, daß der Unterſchnabel größtentheils in dem oberen aufgenommen wird, die Bezahnung
deutlich und ſcharf, der Fuß weit nach hinten geſtellt, niedrig, bis zur Ferſe befiedert, der Lauf ſchwach,
ſeitlich zuſammengedrückt, ſeine Mittelzehe länger als der Lauf, die Behäutung groß und vollkommen,
die Hinterzehe ſtets vorhanden und oft belappt, die Bekrallung ſchwach, der Flügel mittelgroß, ſchmal
und ſpitz, in ihm die zweite Schwinge regelmäßig die längſte, der Afterflügel gewöhnlich ſehr ent-
wickelt, auch wohl durch eigenthümlich gebildete Federn verziert, der aus vierzehn bis zwanzig Federn

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[809/0859] Hühnergans. ihre Unverträglichkeit läſtig wird. Auch in Europa haben die Gefangenen ſchon oft gebrütet, und wahrſcheinlich werden die hier Gezüchteten ſich vollſtändig einbürgern laſſen. Bis jetzt wird ihre Verbreitung und Vermehrung beſonders noch dadurch gehindert, daß die Brutzeit, dem auſtraliſchen Frühlinge entſprechend, in die letzten Herbſtmonate fällt, und die Strenge des Winters die Hoffnungen des Züchters oft vereitelt. Doch hat man bereits erfahren, daß Hühnergänſe, deren erſte Eier durch die Kälte zu Grunde gingen, im Februar wieder legten und dann ihre Jungen glücklich aufbrachten. Die Paarungsluſt zeigt ſich in unverkennbarer Weiſe. Beide Geſchlechter laſſen öfter als ſonſt ihre brummende Stimme vernehmen; der Ganſert umgeht ſeine Gattin mit zierlichem Kopfneigen, ſchaut ſich wachſam nach allen Seiten um und vertreibt unerbittlich alle übrigen Thiere, groß und klein, aus ſeinem Gehege. Nach erfolgter Begattung baut die Gans ſehr eifrig an ihrem Neſte und wählt hierzu unter den ihr zu Gebote ſtehenden Stoffen immer die beſten aus. Das Neſt iſt nicht gerade kunſtvoll, aber doch weit beſſer als das der meiſten übrigen Gänſe, innen glatt gerundet und auch hübſch mit Federn ausgelegt. Die Eier ſind verhältnißmäßig klein, rundlich, glattſchalig und gelb- lichweiß von Färbung. Nach den in Paris gemachten Erfahrungen währt die Brutzeit dreißig Tage, bei ſtrenger Kälte jedoch länger: ſo brütete eine Hühnergans im Parke meines Freundes Cornély in Belgien volle achtunddreißig Tage, bevor die Jungen ausſchlüpften. Letztere laufen noch an demſelben Tage aus dem Neſte und der Mutter nach, im Graſe ſuchend und pickend. Sie verſchmähen hart geſottenes Ei, gehackte Regenwürmer, überhaupt thieriſche Stoffe, auch Weißbrot, und ſcheinen ſich nur an Pflanzennahrung zu halten. Sobald die Jungen dem Ei glücklich entſchlüpft ſind, zeigt ſich die muthige Kampfluſt des Ganſert in ihrem vollen Glanze, und man begreift jetzt, warum die neuholländiſchen Bauern einen ſolchen Vogel nicht auf ihren Höfen haben mögen. Es gibt kein Hausthier, welches der männlichen Hühnergans Schreck einflößen könnte; ſie bindet ſelbſt mit dem Menſchen an. „War mein Ganſert“, erzählt Cornély, „vorher ſchon böſe, ſo iſt er jetzt geradezu raſend. Mit größter Wuth verfolgt er Alles, was Leben hat. Ein großer Kranich kam ihm zufällig in den Weg; er ſtürzte ſich auf ihn und obgleich ein Knecht, um die Thiere zu trennen, nur einige hundert Schritte zu laufen hatte, kam er doch ſchon zu ſpät.“ Der Kranich war bereits eine Leiche, als er auf dem Wahlplatze anlangte. Jn einer Nacht kam der Ganſert in einen Stall, worin ein anderer Kranich ſchlief; am Morgen fanden wir deſſen Körper ganz zerhackt. Die Kühe gehen vor ihm durch, ſelbſt die bei ihm vorbeikommenden Pferde fällt er an und muß durch Prügel weggetrieben werden. Obgleich die Hühnergänſe ſehr gut gedeihen und ſich auf grünem Raſen ſehr hübſch aus- nehmen, möchte ich doch Niemandem, welcher nicht einen großen Raum zur Verfügung hat, anrathen, ſie zu halten; denn nur da, wo ſie mit anderen Thieren nicht zuſammenkommen, ſtiften ſie kein Unheil an. Die Schwimmenten (Anates), die zahl- und geſtaltenreichſte Familie der Ordnung, unter- ſcheiden ſich von den Gänſen hauptſächlich durch die niederen Füße und von den Schwänen durch den kürzeren Hals. Jhr Leib iſt kurz, breit oder von oben nach unten zuſammengedrückt, der Hals kurz oder höchſtens mittellang, der Kopf dick, der Schnabel an Länge dem Kopfe gleich oder etwas kürzer, ſeiner ganzen Länge nach gleich breit oder vorn etwas breiter als hinten, an der Wurzel mehr oder weniger hoch, zuweilen auch knollig aufgetrieben; auf der Oberfirſte gewölbt, an den Rändern ſo übergebogen, daß der Unterſchnabel größtentheils in dem oberen aufgenommen wird, die Bezahnung deutlich und ſcharf, der Fuß weit nach hinten geſtellt, niedrig, bis zur Ferſe befiedert, der Lauf ſchwach, ſeitlich zuſammengedrückt, ſeine Mittelzehe länger als der Lauf, die Behäutung groß und vollkommen, die Hinterzehe ſtets vorhanden und oft belappt, die Bekrallung ſchwach, der Flügel mittelgroß, ſchmal und ſpitz, in ihm die zweite Schwinge regelmäßig die längſte, der Afterflügel gewöhnlich ſehr ent- wickelt, auch wohl durch eigenthümlich gebildete Federn verziert, der aus vierzehn bis zwanzig Federn

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 809. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/859>, abgerufen am 23.11.2024.