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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Wasserhühner.
verborgen, in der Regel auf dem Wasserspiegel selbst, ist von dürren Gras- und Reisstengeln, Schilf
und Rohrblättern errichtet, etwas liederlich zusammengebaut, dem unseres Wasserhuhnes entfernt
ähnlich, und enthält im Mai drei bis fünf Eier. Letztere sind etwas größer als Birkhühnereier, haben
eine schöne längliche Eigestalt, eine glatte, aber wenig glänzende Schale und tragen auf dunkelsilber-
grauem, fleischfarbigen oder rothgrauen Grunde violetgrauliche Unter- und rothbraune, sehr einzeln
stehende Oberflecken. Tristram bezeichnet sie als die schönsten aller Eier überhaupt. Die Jungen
entschlüpfen in einem schwarzblauen Dunenkleide; Schnabel, Stirnplatte und Füße sehen auch
bläulich aus. Sie lernen sehr bald schwimmen und untertauchen, werden von beiden Eltern geführt,
mit großer Zärtlichkeit überwacht und bei Gefahr gewarnt. Da, wo sie wenig Nachstellungen zu
erleiden haben, sollen sie ebenso zutraulich sein als andere Wasserhühner auch. Jerdon erzählt,
daß man in Judien dem dort lebenden Sultanshuhne oft die Eier nimmt, sie von Hühnern bebrüten
und die Jungen von letzteren aufziehen läßt: ob man in Jtalien Dasselbe thut, weiß ich nicht; in
Egypten aber fängt man oft die Jungen ein, um sie in Gefangenschaft zu halten. Sie lassen sich
sehr leicht zähmen, gewöhnen sich bald an die Hausgenossen, leben friedlich mit den Hühnern, voraus-
gesetzt, daß diese keine Küchlein führen, treiben sich, wenn man ihnen größere Freiheit gibt, in Hof
und Garten oder auf den Straßen umher, kommen in die Zimmer, betteln bei Tische und werden
dann wirklich zu einer wahren Zierde des Gehöftes. Auf den europäischen Thiermarkt kommen sie
oft und in Massen, sodaß sie sich eigentlich jeder Liebhaber erwerben könnte. Jhr Preis ist so gering,
ihre Haltung während des Sommers vollkommen mühelos und ihr Betragen so anziehend, daß ich sie
auf das Wärmste empfehlen kann. Wenn man ihnen während des Winters einen warmen oder doch
wenigstens geschützten Stall anweist, halten sie sich viele Jahre lang, und wenn man sie in einem
größeren, gut geschlossenen Gehöfte oder Garten umherlaufen läßt, schreiten sie auch zur Fort-
pflanzung. Jn den Thiergärten haben sie schon wiederholt gebrütet.



Ein kegelförmiger, seitlich zusammengedrückter Schnabel mit Stirnschwiele und scharfer, fein-
gezähnelter Schneide, große Füße mit langen, an der Sohle breiten und belappten Zehen, stumpfe,
breite Flügel, deren dritte Schwinge die längste, kurzer, zwölffederiger Schwanz und ein reiches,
dichtes Gefieder kennzeichnet die Moorhühnchen (Stagnicola), welche bei uns zu Lande vertreten
werden durch das Teichhuhn oder Rothbläßchen (Stagnicola chloropus), ein trotz seines ein-
fachen Kleides höchst zierliches Geschöpf. Das Gefieder ist auf Mantel und Unterrücken dunkelöl-
braun, übrigens dunkelschiefergrau, in den Weichen weiß gefleckt und am Steiße reinweiß. Das
Auge hat um den Stern einen gelben, sodann einen schwarzgrauen und außerhalb desselben einen
rothen Ring; der Schnabel ist an der Wurzel sigellackroth, an der Spitze gelb, der Fuß gelbgrün.
Die Länge beträgt 12, die Breite 23, die Fittiglänge 73/4, die Schwanzlänge 31/2 Zoll.

Das Teichhühnchen verbreitet sich fast über ganz Europa und kommt wohl auch im westlichen
Mittelasien vor, streift aber nur selten nach Afrika hinüber. Jn Europa ist es, mit Ausnahme des
hohen Nordens, überall gemein, in Deutschland ein Zugvogel, welcher Ende März erscheint
und erst im Oktober wegzieht, im Süden Strich- oder Standvogel. Einzelne bleiben auch bei uns
während des Winters. Sie wandern des Nachts, wahrscheinlich in Paaren und theilweise zu Fuße;
wenigstens wurden einzelne unter Umständen angetroffen, welche eine solche Annahme rechtfertigen.
Jm Frühjahre kommen sie gemeinschaftlich auf ihrem Brutteiche an, gewöhnlich beide Gatten in einer
Nacht, ausnahmsweise beide bald nach einander. Naumann, welcher ein Pärchen jahrelang von seinem
Garten aus beobachten konnte, bemerkte manchmal das Männchen, manchmal das Weibchen zuerst.
Einmal aber erschien das Weibchen allein, suchte vergeblich ein vorüberziehendes Männchen herbeizu-
locken und verschwand nach zweiwöchigem Harren und sehnsüchtigem Rufen wieder. Ein anderes

Die Läufer. Stelzvögel. Waſſerhühner.
verborgen, in der Regel auf dem Waſſerſpiegel ſelbſt, iſt von dürren Gras- und Reisſtengeln, Schilf
und Rohrblättern errichtet, etwas liederlich zuſammengebaut, dem unſeres Waſſerhuhnes entfernt
ähnlich, und enthält im Mai drei bis fünf Eier. Letztere ſind etwas größer als Birkhühnereier, haben
eine ſchöne längliche Eigeſtalt, eine glatte, aber wenig glänzende Schale und tragen auf dunkelſilber-
grauem, fleiſchfarbigen oder rothgrauen Grunde violetgrauliche Unter- und rothbraune, ſehr einzeln
ſtehende Oberflecken. Triſtram bezeichnet ſie als die ſchönſten aller Eier überhaupt. Die Jungen
entſchlüpfen in einem ſchwarzblauen Dunenkleide; Schnabel, Stirnplatte und Füße ſehen auch
bläulich aus. Sie lernen ſehr bald ſchwimmen und untertauchen, werden von beiden Eltern geführt,
mit großer Zärtlichkeit überwacht und bei Gefahr gewarnt. Da, wo ſie wenig Nachſtellungen zu
erleiden haben, ſollen ſie ebenſo zutraulich ſein als andere Waſſerhühner auch. Jerdon erzählt,
daß man in Judien dem dort lebenden Sultanshuhne oft die Eier nimmt, ſie von Hühnern bebrüten
und die Jungen von letzteren aufziehen läßt: ob man in Jtalien Daſſelbe thut, weiß ich nicht; in
Egypten aber fängt man oft die Jungen ein, um ſie in Gefangenſchaft zu halten. Sie laſſen ſich
ſehr leicht zähmen, gewöhnen ſich bald an die Hausgenoſſen, leben friedlich mit den Hühnern, voraus-
geſetzt, daß dieſe keine Küchlein führen, treiben ſich, wenn man ihnen größere Freiheit gibt, in Hof
und Garten oder auf den Straßen umher, kommen in die Zimmer, betteln bei Tiſche und werden
dann wirklich zu einer wahren Zierde des Gehöftes. Auf den europäiſchen Thiermarkt kommen ſie
oft und in Maſſen, ſodaß ſie ſich eigentlich jeder Liebhaber erwerben könnte. Jhr Preis iſt ſo gering,
ihre Haltung während des Sommers vollkommen mühelos und ihr Betragen ſo anziehend, daß ich ſie
auf das Wärmſte empfehlen kann. Wenn man ihnen während des Winters einen warmen oder doch
wenigſtens geſchützten Stall anweiſt, halten ſie ſich viele Jahre lang, und wenn man ſie in einem
größeren, gut geſchloſſenen Gehöfte oder Garten umherlaufen läßt, ſchreiten ſie auch zur Fort-
pflanzung. Jn den Thiergärten haben ſie ſchon wiederholt gebrütet.



Ein kegelförmiger, ſeitlich zuſammengedrückter Schnabel mit Stirnſchwiele und ſcharfer, fein-
gezähnelter Schneide, große Füße mit langen, an der Sohle breiten und belappten Zehen, ſtumpfe,
breite Flügel, deren dritte Schwinge die längſte, kurzer, zwölffederiger Schwanz und ein reiches,
dichtes Gefieder kennzeichnet die Moorhühnchen (Stagnicola), welche bei uns zu Lande vertreten
werden durch das Teichhuhn oder Rothbläßchen (Stagnicola chloropus), ein trotz ſeines ein-
fachen Kleides höchſt zierliches Geſchöpf. Das Gefieder iſt auf Mantel und Unterrücken dunkelöl-
braun, übrigens dunkelſchiefergrau, in den Weichen weiß gefleckt und am Steiße reinweiß. Das
Auge hat um den Stern einen gelben, ſodann einen ſchwarzgrauen und außerhalb deſſelben einen
rothen Ring; der Schnabel iſt an der Wurzel ſigellackroth, an der Spitze gelb, der Fuß gelbgrün.
Die Länge beträgt 12, die Breite 23, die Fittiglänge 7¾, die Schwanzlänge 3½ Zoll.

Das Teichhühnchen verbreitet ſich faſt über ganz Europa und kommt wohl auch im weſtlichen
Mittelaſien vor, ſtreift aber nur ſelten nach Afrika hinüber. Jn Europa iſt es, mit Ausnahme des
hohen Nordens, überall gemein, in Deutſchland ein Zugvogel, welcher Ende März erſcheint
und erſt im Oktober wegzieht, im Süden Strich- oder Standvogel. Einzelne bleiben auch bei uns
während des Winters. Sie wandern des Nachts, wahrſcheinlich in Paaren und theilweiſe zu Fuße;
wenigſtens wurden einzelne unter Umſtänden angetroffen, welche eine ſolche Annahme rechtfertigen.
Jm Frühjahre kommen ſie gemeinſchaftlich auf ihrem Brutteiche an, gewöhnlich beide Gatten in einer
Nacht, ausnahmsweiſe beide bald nach einander. Naumann, welcher ein Pärchen jahrelang von ſeinem
Garten aus beobachten konnte, bemerkte manchmal das Männchen, manchmal das Weibchen zuerſt.
Einmal aber erſchien das Weibchen allein, ſuchte vergeblich ein vorüberziehendes Männchen herbeizu-
locken und verſchwand nach zweiwöchigem Harren und ſehnſüchtigem Rufen wieder. Ein anderes

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[758/0804] Die Läufer. Stelzvögel. Waſſerhühner. verborgen, in der Regel auf dem Waſſerſpiegel ſelbſt, iſt von dürren Gras- und Reisſtengeln, Schilf und Rohrblättern errichtet, etwas liederlich zuſammengebaut, dem unſeres Waſſerhuhnes entfernt ähnlich, und enthält im Mai drei bis fünf Eier. Letztere ſind etwas größer als Birkhühnereier, haben eine ſchöne längliche Eigeſtalt, eine glatte, aber wenig glänzende Schale und tragen auf dunkelſilber- grauem, fleiſchfarbigen oder rothgrauen Grunde violetgrauliche Unter- und rothbraune, ſehr einzeln ſtehende Oberflecken. Triſtram bezeichnet ſie als die ſchönſten aller Eier überhaupt. Die Jungen entſchlüpfen in einem ſchwarzblauen Dunenkleide; Schnabel, Stirnplatte und Füße ſehen auch bläulich aus. Sie lernen ſehr bald ſchwimmen und untertauchen, werden von beiden Eltern geführt, mit großer Zärtlichkeit überwacht und bei Gefahr gewarnt. Da, wo ſie wenig Nachſtellungen zu erleiden haben, ſollen ſie ebenſo zutraulich ſein als andere Waſſerhühner auch. Jerdon erzählt, daß man in Judien dem dort lebenden Sultanshuhne oft die Eier nimmt, ſie von Hühnern bebrüten und die Jungen von letzteren aufziehen läßt: ob man in Jtalien Daſſelbe thut, weiß ich nicht; in Egypten aber fängt man oft die Jungen ein, um ſie in Gefangenſchaft zu halten. Sie laſſen ſich ſehr leicht zähmen, gewöhnen ſich bald an die Hausgenoſſen, leben friedlich mit den Hühnern, voraus- geſetzt, daß dieſe keine Küchlein führen, treiben ſich, wenn man ihnen größere Freiheit gibt, in Hof und Garten oder auf den Straßen umher, kommen in die Zimmer, betteln bei Tiſche und werden dann wirklich zu einer wahren Zierde des Gehöftes. Auf den europäiſchen Thiermarkt kommen ſie oft und in Maſſen, ſodaß ſie ſich eigentlich jeder Liebhaber erwerben könnte. Jhr Preis iſt ſo gering, ihre Haltung während des Sommers vollkommen mühelos und ihr Betragen ſo anziehend, daß ich ſie auf das Wärmſte empfehlen kann. Wenn man ihnen während des Winters einen warmen oder doch wenigſtens geſchützten Stall anweiſt, halten ſie ſich viele Jahre lang, und wenn man ſie in einem größeren, gut geſchloſſenen Gehöfte oder Garten umherlaufen läßt, ſchreiten ſie auch zur Fort- pflanzung. Jn den Thiergärten haben ſie ſchon wiederholt gebrütet. Ein kegelförmiger, ſeitlich zuſammengedrückter Schnabel mit Stirnſchwiele und ſcharfer, fein- gezähnelter Schneide, große Füße mit langen, an der Sohle breiten und belappten Zehen, ſtumpfe, breite Flügel, deren dritte Schwinge die längſte, kurzer, zwölffederiger Schwanz und ein reiches, dichtes Gefieder kennzeichnet die Moorhühnchen (Stagnicola), welche bei uns zu Lande vertreten werden durch das Teichhuhn oder Rothbläßchen (Stagnicola chloropus), ein trotz ſeines ein- fachen Kleides höchſt zierliches Geſchöpf. Das Gefieder iſt auf Mantel und Unterrücken dunkelöl- braun, übrigens dunkelſchiefergrau, in den Weichen weiß gefleckt und am Steiße reinweiß. Das Auge hat um den Stern einen gelben, ſodann einen ſchwarzgrauen und außerhalb deſſelben einen rothen Ring; der Schnabel iſt an der Wurzel ſigellackroth, an der Spitze gelb, der Fuß gelbgrün. Die Länge beträgt 12, die Breite 23, die Fittiglänge 7¾, die Schwanzlänge 3½ Zoll. Das Teichhühnchen verbreitet ſich faſt über ganz Europa und kommt wohl auch im weſtlichen Mittelaſien vor, ſtreift aber nur ſelten nach Afrika hinüber. Jn Europa iſt es, mit Ausnahme des hohen Nordens, überall gemein, in Deutſchland ein Zugvogel, welcher Ende März erſcheint und erſt im Oktober wegzieht, im Süden Strich- oder Standvogel. Einzelne bleiben auch bei uns während des Winters. Sie wandern des Nachts, wahrſcheinlich in Paaren und theilweiſe zu Fuße; wenigſtens wurden einzelne unter Umſtänden angetroffen, welche eine ſolche Annahme rechtfertigen. Jm Frühjahre kommen ſie gemeinſchaftlich auf ihrem Brutteiche an, gewöhnlich beide Gatten in einer Nacht, ausnahmsweiſe beide bald nach einander. Naumann, welcher ein Pärchen jahrelang von ſeinem Garten aus beobachten konnte, bemerkte manchmal das Männchen, manchmal das Weibchen zuerſt. Einmal aber erſchien das Weibchen allein, ſuchte vergeblich ein vorüberziehendes Männchen herbeizu- locken und verſchwand nach zweiwöchigem Harren und ſehnſüchtigem Rufen wieder. Ein anderes

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/804>, abgerufen am 22.11.2024.