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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Wiesenknarrer.

Sofort nach seiner Ankunft denkt der Wiesenknarrer an die Fortpflanzung, und deshalb eben
läßt er sein "Errp, errp, errp" oder "Knerrp, knerrp" fast ununterbrochen vernehmen. Durch ein
zärtliches "Kjü, kjo, kjä" kos't er mit seinem Weibchen, welches die Liebeswerbung in ähnlicher Weise
erwidert. Ueberschreitet ein anderes Männchen die Grenzen seines Gebietes, so wird es sofort unter
häßlichem Geschrei angegriffen und wieder zurückgescheucht. Mit dem Bau des Nestes beginnt das
Pärchen, wenn das Gras eine bedeutende Höhe erreicht hat, in manchen Jahren also nicht vor Ende
Juni's. Es erwählt sich einen trockenen Ort inmitten seines Gebietes und kleidet hier eine ausgescharrte
Vertiefung kunstlos mit trockenen Grashalmen, Grasblättern, Mos und feinen Wurzeln aus. Die
Anzahl der Eier beträgt in den meisten Fällen zwischen sieben und neun, kann jedoch bis auf zwölf
steigen. Sie sind verhältnißmäßig groß, schön eigestaltig, festschalig, aber feinkörnig, glatt, glänzend
und auf gelblichem oder grünlichweißem Grunde mit feinen lehm- und bleichrothen, rothbraunen und
aschblauen Flecken spärlicher oder dichter überstreut. Das Weibchen brütet drei Wochen so eifrig,
daß es sich unter Umständen mit der Hand vom Neste wegnehmen läßt, nicht einmal vor der behenden
Sense die Flucht ergreift und oft ein Opfer seiner Treue wird. Die schwarzwolligen Jungen laufen
bald davon, werden von der Mutter zusammengehalten, antworten piepend auf deren Ruf,
versammeln sich oft unter ihren Flügeln, stieben bei Ueberraschung aus einander, huschen wie
Mäuse über den Boden dahin und haben sich im Nu so geschickt verkrochen, daß es recht schwer hält,
sie aufzufinden. Wenn sie etwas herangewachsen sind, suchen sie auch rennend zu entkommen und
zeigen dann im Laufen ebensoviele Geschicklichkeit als vorher im Verstecken.

Jn Deutschland erlegt man den Wiesenknarrer zufällig mit; in Spanien und Griechenland
wird er häufiger geschossen und regelmäßig auf den Markt gebracht, weil man sein Fleisch zu dem
schmackhaftesten Wildpret zählt. Mehr Wiesenknarrer als durch das Gewehr getödtet werden, fallen
durch die mähende Sense.



Auf stillstehenden oder ruhig fließenden Gewässern wärmerer Länder, deren Oberfläche mit
breiten, schwimmenden Blättern verschiedener Wasserpflanzen, insbesondere der Wasserrosen bedeckt
ist, leben höchst zierliche Vögel, deren Fußbau von dem aller übrigen durch die außerordentliche Länge
der Nägel sich unterscheidet. Man findet die Blätterhühnchen (Parrae), wie wir sie nennen
wollen, in den Gleicherländern der alten wie der neuen Welt; jeder Erdtheil hat seine besonderen
Arten, alle aber ähneln sich in der Lebensweise. Jene Blätter sind ihr Jagdgebiet; sie verlassen den
schwimmenden Boden nur ausnahmsweise, namentlich, wenn sie brüten wollen.

Abweichend von ihren Zunftverwandten kennen sie kaum Scheu vor dem Menschen, zeigen sich
im Gegentheil stets frei, gestatten, daß man mit dem Boote dicht an sie herankommt, fliegen endlich
auf, flattern über dem Wasser dahin und lassen sich bald wieder nieder. Sie verdienen ihren wissen-
schaftlichen Namen in keiner Weise; denn sie sind nichts weniger als "unglückverkündende", vielmehr
höchst anmuthige und harmlose Vögel, welche die ohnehin anziehenden Wasserrosen und ähnliche
Pflanzen in so hohem Grade schmücken, daß sie Jedermann für sich einnehmen, wenn auch ihr Wesen
dem günstigen Eindrucke, welchen sie hervorrufen, nicht in jeder Hinsicht entspricht. Jn ihrem Gange
auf den Blättern, welche keinen anderen Vogel gleicher Größe tragen, liegt der Zauber, mit welchem
sie den Reisenden umstricken, oder der Grund der abergläubischen Sagen, welche sie hier oder da ins
Leben gerufen haben. Jhren Blättern entrückt, erscheinen sie ungefügig und ungelenk. Zwar sind sie
auch sähig, mit Leichtigkeit über dünnflüssigen Schlamm zu wandeln, aber kaum noch im Stande, in
höherem Grase sich zu bewegen, und ebensowenig geschickt im Schwimmen oder im Fliegen. Einige
Arten hat man noch gar nicht schwimmen sehen, andere jedoch als Taucher kennen gelernt. Jm
Fluge leistet keine einzige Art etwas Hervorragendes -- jede Ralle scheint sie hierin zu überbieten. Die
Stimme soll durch ihre Sonderbarkeit auffallen und bei einigen wie ein Gelächter klingen.

Wieſenknarrer.

Sofort nach ſeiner Ankunft denkt der Wieſenknarrer an die Fortpflanzung, und deshalb eben
läßt er ſein „Errp, errp, errp“ oder „Knerrp, knerrp“ faſt ununterbrochen vernehmen. Durch ein
zärtliches „Kjü, kjo, kjä“ koſ’t er mit ſeinem Weibchen, welches die Liebeswerbung in ähnlicher Weiſe
erwidert. Ueberſchreitet ein anderes Männchen die Grenzen ſeines Gebietes, ſo wird es ſofort unter
häßlichem Geſchrei angegriffen und wieder zurückgeſcheucht. Mit dem Bau des Neſtes beginnt das
Pärchen, wenn das Gras eine bedeutende Höhe erreicht hat, in manchen Jahren alſo nicht vor Ende
Juni’s. Es erwählt ſich einen trockenen Ort inmitten ſeines Gebietes und kleidet hier eine ausgeſcharrte
Vertiefung kunſtlos mit trockenen Grashalmen, Grasblättern, Mos und feinen Wurzeln aus. Die
Anzahl der Eier beträgt in den meiſten Fällen zwiſchen ſieben und neun, kann jedoch bis auf zwölf
ſteigen. Sie ſind verhältnißmäßig groß, ſchön eigeſtaltig, feſtſchalig, aber feinkörnig, glatt, glänzend
und auf gelblichem oder grünlichweißem Grunde mit feinen lehm- und bleichrothen, rothbraunen und
aſchblauen Flecken ſpärlicher oder dichter überſtreut. Das Weibchen brütet drei Wochen ſo eifrig,
daß es ſich unter Umſtänden mit der Hand vom Neſte wegnehmen läßt, nicht einmal vor der behenden
Senſe die Flucht ergreift und oft ein Opfer ſeiner Treue wird. Die ſchwarzwolligen Jungen laufen
bald davon, werden von der Mutter zuſammengehalten, antworten piepend auf deren Ruf,
verſammeln ſich oft unter ihren Flügeln, ſtieben bei Ueberraſchung aus einander, huſchen wie
Mäuſe über den Boden dahin und haben ſich im Nu ſo geſchickt verkrochen, daß es recht ſchwer hält,
ſie aufzufinden. Wenn ſie etwas herangewachſen ſind, ſuchen ſie auch rennend zu entkommen und
zeigen dann im Laufen ebenſoviele Geſchicklichkeit als vorher im Verſtecken.

Jn Deutſchland erlegt man den Wieſenknarrer zufällig mit; in Spanien und Griechenland
wird er häufiger geſchoſſen und regelmäßig auf den Markt gebracht, weil man ſein Fleiſch zu dem
ſchmackhafteſten Wildpret zählt. Mehr Wieſenknarrer als durch das Gewehr getödtet werden, fallen
durch die mähende Senſe.



Auf ſtillſtehenden oder ruhig fließenden Gewäſſern wärmerer Länder, deren Oberfläche mit
breiten, ſchwimmenden Blättern verſchiedener Waſſerpflanzen, insbeſondere der Waſſerroſen bedeckt
iſt, leben höchſt zierliche Vögel, deren Fußbau von dem aller übrigen durch die außerordentliche Länge
der Nägel ſich unterſcheidet. Man findet die Blätterhühnchen (Parrae), wie wir ſie nennen
wollen, in den Gleicherländern der alten wie der neuen Welt; jeder Erdtheil hat ſeine beſonderen
Arten, alle aber ähneln ſich in der Lebensweiſe. Jene Blätter ſind ihr Jagdgebiet; ſie verlaſſen den
ſchwimmenden Boden nur ausnahmsweiſe, namentlich, wenn ſie brüten wollen.

Abweichend von ihren Zunftverwandten kennen ſie kaum Scheu vor dem Menſchen, zeigen ſich
im Gegentheil ſtets frei, geſtatten, daß man mit dem Boote dicht an ſie herankommt, fliegen endlich
auf, flattern über dem Waſſer dahin und laſſen ſich bald wieder nieder. Sie verdienen ihren wiſſen-
ſchaftlichen Namen in keiner Weiſe; denn ſie ſind nichts weniger als „unglückverkündende“, vielmehr
höchſt anmuthige und harmloſe Vögel, welche die ohnehin anziehenden Waſſerroſen und ähnliche
Pflanzen in ſo hohem Grade ſchmücken, daß ſie Jedermann für ſich einnehmen, wenn auch ihr Weſen
dem günſtigen Eindrucke, welchen ſie hervorrufen, nicht in jeder Hinſicht entſpricht. Jn ihrem Gange
auf den Blättern, welche keinen anderen Vogel gleicher Größe tragen, liegt der Zauber, mit welchem
ſie den Reiſenden umſtricken, oder der Grund der abergläubiſchen Sagen, welche ſie hier oder da ins
Leben gerufen haben. Jhren Blättern entrückt, erſcheinen ſie ungefügig und ungelenk. Zwar ſind ſie
auch ſähig, mit Leichtigkeit über dünnflüſſigen Schlamm zu wandeln, aber kaum noch im Stande, in
höherem Graſe ſich zu bewegen, und ebenſowenig geſchickt im Schwimmen oder im Fliegen. Einige
Arten hat man noch gar nicht ſchwimmen ſehen, andere jedoch als Taucher kennen gelernt. Jm
Fluge leiſtet keine einzige Art etwas Hervorragendes — jede Ralle ſcheint ſie hierin zu überbieten. Die
Stimme ſoll durch ihre Sonderbarkeit auffallen und bei einigen wie ein Gelächter klingen.

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[751/0797] Wieſenknarrer. Sofort nach ſeiner Ankunft denkt der Wieſenknarrer an die Fortpflanzung, und deshalb eben läßt er ſein „Errp, errp, errp“ oder „Knerrp, knerrp“ faſt ununterbrochen vernehmen. Durch ein zärtliches „Kjü, kjo, kjä“ koſ’t er mit ſeinem Weibchen, welches die Liebeswerbung in ähnlicher Weiſe erwidert. Ueberſchreitet ein anderes Männchen die Grenzen ſeines Gebietes, ſo wird es ſofort unter häßlichem Geſchrei angegriffen und wieder zurückgeſcheucht. Mit dem Bau des Neſtes beginnt das Pärchen, wenn das Gras eine bedeutende Höhe erreicht hat, in manchen Jahren alſo nicht vor Ende Juni’s. Es erwählt ſich einen trockenen Ort inmitten ſeines Gebietes und kleidet hier eine ausgeſcharrte Vertiefung kunſtlos mit trockenen Grashalmen, Grasblättern, Mos und feinen Wurzeln aus. Die Anzahl der Eier beträgt in den meiſten Fällen zwiſchen ſieben und neun, kann jedoch bis auf zwölf ſteigen. Sie ſind verhältnißmäßig groß, ſchön eigeſtaltig, feſtſchalig, aber feinkörnig, glatt, glänzend und auf gelblichem oder grünlichweißem Grunde mit feinen lehm- und bleichrothen, rothbraunen und aſchblauen Flecken ſpärlicher oder dichter überſtreut. Das Weibchen brütet drei Wochen ſo eifrig, daß es ſich unter Umſtänden mit der Hand vom Neſte wegnehmen läßt, nicht einmal vor der behenden Senſe die Flucht ergreift und oft ein Opfer ſeiner Treue wird. Die ſchwarzwolligen Jungen laufen bald davon, werden von der Mutter zuſammengehalten, antworten piepend auf deren Ruf, verſammeln ſich oft unter ihren Flügeln, ſtieben bei Ueberraſchung aus einander, huſchen wie Mäuſe über den Boden dahin und haben ſich im Nu ſo geſchickt verkrochen, daß es recht ſchwer hält, ſie aufzufinden. Wenn ſie etwas herangewachſen ſind, ſuchen ſie auch rennend zu entkommen und zeigen dann im Laufen ebenſoviele Geſchicklichkeit als vorher im Verſtecken. Jn Deutſchland erlegt man den Wieſenknarrer zufällig mit; in Spanien und Griechenland wird er häufiger geſchoſſen und regelmäßig auf den Markt gebracht, weil man ſein Fleiſch zu dem ſchmackhafteſten Wildpret zählt. Mehr Wieſenknarrer als durch das Gewehr getödtet werden, fallen durch die mähende Senſe. Auf ſtillſtehenden oder ruhig fließenden Gewäſſern wärmerer Länder, deren Oberfläche mit breiten, ſchwimmenden Blättern verſchiedener Waſſerpflanzen, insbeſondere der Waſſerroſen bedeckt iſt, leben höchſt zierliche Vögel, deren Fußbau von dem aller übrigen durch die außerordentliche Länge der Nägel ſich unterſcheidet. Man findet die Blätterhühnchen (Parrae), wie wir ſie nennen wollen, in den Gleicherländern der alten wie der neuen Welt; jeder Erdtheil hat ſeine beſonderen Arten, alle aber ähneln ſich in der Lebensweiſe. Jene Blätter ſind ihr Jagdgebiet; ſie verlaſſen den ſchwimmenden Boden nur ausnahmsweiſe, namentlich, wenn ſie brüten wollen. Abweichend von ihren Zunftverwandten kennen ſie kaum Scheu vor dem Menſchen, zeigen ſich im Gegentheil ſtets frei, geſtatten, daß man mit dem Boote dicht an ſie herankommt, fliegen endlich auf, flattern über dem Waſſer dahin und laſſen ſich bald wieder nieder. Sie verdienen ihren wiſſen- ſchaftlichen Namen in keiner Weiſe; denn ſie ſind nichts weniger als „unglückverkündende“, vielmehr höchſt anmuthige und harmloſe Vögel, welche die ohnehin anziehenden Waſſerroſen und ähnliche Pflanzen in ſo hohem Grade ſchmücken, daß ſie Jedermann für ſich einnehmen, wenn auch ihr Weſen dem günſtigen Eindrucke, welchen ſie hervorrufen, nicht in jeder Hinſicht entſpricht. Jn ihrem Gange auf den Blättern, welche keinen anderen Vogel gleicher Größe tragen, liegt der Zauber, mit welchem ſie den Reiſenden umſtricken, oder der Grund der abergläubiſchen Sagen, welche ſie hier oder da ins Leben gerufen haben. Jhren Blättern entrückt, erſcheinen ſie ungefügig und ungelenk. Zwar ſind ſie auch ſähig, mit Leichtigkeit über dünnflüſſigen Schlamm zu wandeln, aber kaum noch im Stande, in höherem Graſe ſich zu bewegen, und ebenſowenig geſchickt im Schwimmen oder im Fliegen. Einige Arten hat man noch gar nicht ſchwimmen ſehen, andere jedoch als Taucher kennen gelernt. Jm Fluge leiſtet keine einzige Art etwas Hervorragendes — jede Ralle ſcheint ſie hierin zu überbieten. Die Stimme ſoll durch ihre Sonderbarkeit auffallen und bei einigen wie ein Gelächter klingen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 751. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/797>, abgerufen am 22.11.2024.