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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läuser. Stelzvögel. Reiher.
Genickfedern lassen einen Kampf auf Tod und Leben befürchten, und siehe, kaum berühren sie sich, und
zwar nur wenig mit den Flügelspitzen, höchst selten einmal gegenseitig mit dem Schnabel. Sie drohen
und schreien wie die homerischen Helden und Götter, aber Das ist auch Alles." Beachtenswerth ist,
daß der Nachtreiher während der Brutzeit sich auch bei Tage mit Fischfang beschäftigt. Freilich treibt
ihn der niemals zu stillende Hunger seiner Jungen zu ungleich größerer Thätigkeit an als sonst, und
wohl oder übel sieht er sich genöthigt, seine gewohnte Lebensweise zu verändern. "Von allen Seiten,
hoch und niedrig", berichtet Landbeck, "zieht der Nachtreiher, den Kropf mit Fischen, Fröschen und
Kerbthierlarven angefüllt, zu seinen Nestern. Ein im tiefsten Basse ausgestoßenes "Quak" oder
"Gewäk" kündigt seine Ankunft schon in bedeutender Entfernung an, und ein katzenartiges "Quäht,
quäht" oder "Queaohaaeh, queoeah" der Jungen ist die Antwort beim Füttern. Haben sich die
Alten entfernt, dann beginnt die Musik der Jungen aufs neue und aus allen Nestern tönt ein
ununterbrochenes "Zikzikzik, zäkzäkzäk, zgäzgäzgä" und "Gättgättgättgätt". Zur Abwechselung klettern
die jungen Reiher auf den Aesten hinaus auf die Wipfel der Nestbäume, wo sie eine freiere Aussicht
genießen und ihre Eltern schon in der Ferne kommen sehen, sich aber auch sehr oft täuschen." Unter
den Nestern sieht es nach demselben Forscher fürchterlich aus. Das Gras und die übrigen Pflanzen
sind mit dem Kothe der Reiher bedeckt, daß der Boden, von fern gesehen, einer weißen Schneedecke
gleicht. Die Erde unter den Bäumen ist mit zerbrochenen Eierschalen, faulenden Fischen, todten
Vögeln, zertrümmerten Nestern u. a. Unrath übersät; ein durchdringender Gestank verbreitet sich
ringsum. Junge Nachtreiher, welche aus ihren Nestern gestoßen wurden, laufen unten umher, die
Fische aufsammelnd, welche von den gefräßigen Nestjungen oben in den Bäumen herabgeworfen
werden, falls sich nicht die Alten bequemen, sie auch unten zu füttern. Schon in bedeutender Ent-
fernung vernimmt man ein sonderbares Prasseln und Plumpen, herrührend von dem dichten Kothregen
und dem Herabfallen von Fischen oder Herabstürzen der Jungen. Niemand kann unten umhergehen,
ohne grün und blau bemalt zu werden. Der Lärm ist so sonderbar, daß er eigentlich nicht beschrieben
werden kann, sondern selbst gehört worden sein muß, um einen deutlichen Begriff davon zu bekommen.
Jn größerer Entfernung, in welcher die vielen schauerlichen Stimmen noch in ein verworrenes Getöse
verschmelzen, glaubt man den Lärm von einer Rauferei betrunkener ungarischer Bauern zu hören.
Ganz in der Nähe ist der Lärm fürchterlich, der Gestank fast unerträglich und der Anblick von
Dutzenden verwesender junger Reiher, welche mit Tausenden von Fleischfliegen, Maden u. s. w.
bedeckt und dadurch tausendfältig wieder belebt sind, äußerst ekelhaft, dieses Treiben aber trotzdem für
den wahren Freund der Vögel ebenso unterhaltend als anziehend.

Bald nach dem Flüggewerden trennen sich die jungen Nachtreiher von ihren Eltern, ohne jedoch
die Gesellschaften zu verlassen, welche sich nunmehr bilden. Alt und Jung verweilt bis zum Zuge
noch im Brutlande; dann treten die Scharen vereinigt die Winterreise an.

Jn früheren Jahrhunderten scheint man an der Jagd auf Nachtreiher ein absonderliches Ver-
gnügen gefunden zu haben, weil man diesen Vogel zur hohen Jagd rechnete und als Wildpret in
Ehren hielt. Gegenwärtig erlegt man ihn wohl nur seiner drei weißen Genickfedern wegen, welche
von Federschmückern gesucht und zu Federbüschen verarbeitet werden, in Ungarn jedoch aus der Mode
gekommen sind. Gefangene sieht man in den meisten Thiergärten, weil sie sich bei einfachem Fisch-
futter jahrelang sehr gut halten. Zu den anziehenden Vögeln gehören sie übrigens nicht, da sie
auch in der Gefangenschaft den ganzen Tag verschlafen.



Geringe Größe, schlanker Schnabel, niedrige Läufe, welche bis zu den Fußgelenken befiedert
sind, verhältnißmäßig lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längste, ein kurzer, schwacher
Schwanz und ein nicht besonders reiches, nach Alter und Geschlecht verschieden gefärbtes Gefieder

Die Läuſer. Stelzvögel. Reiher.
Genickfedern laſſen einen Kampf auf Tod und Leben befürchten, und ſiehe, kaum berühren ſie ſich, und
zwar nur wenig mit den Flügelſpitzen, höchſt ſelten einmal gegenſeitig mit dem Schnabel. Sie drohen
und ſchreien wie die homeriſchen Helden und Götter, aber Das iſt auch Alles.“ Beachtenswerth iſt,
daß der Nachtreiher während der Brutzeit ſich auch bei Tage mit Fiſchfang beſchäftigt. Freilich treibt
ihn der niemals zu ſtillende Hunger ſeiner Jungen zu ungleich größerer Thätigkeit an als ſonſt, und
wohl oder übel ſieht er ſich genöthigt, ſeine gewohnte Lebensweiſe zu verändern. „Von allen Seiten,
hoch und niedrig“, berichtet Landbeck, „zieht der Nachtreiher, den Kropf mit Fiſchen, Fröſchen und
Kerbthierlarven angefüllt, zu ſeinen Neſtern. Ein im tiefſten Baſſe ausgeſtoßenes „Quak“ oder
„Gewäk“ kündigt ſeine Ankunft ſchon in bedeutender Entfernung an, und ein katzenartiges „Quäht,
quäht“ oder „Queaohaaeh, queoeah“ der Jungen iſt die Antwort beim Füttern. Haben ſich die
Alten entfernt, dann beginnt die Muſik der Jungen aufs neue und aus allen Neſtern tönt ein
ununterbrochenes „Zikzikzik, zäkzäkzäk, zgäzgäzgä“ und „Gättgättgättgätt“. Zur Abwechſelung klettern
die jungen Reiher auf den Aeſten hinaus auf die Wipfel der Neſtbäume, wo ſie eine freiere Ausſicht
genießen und ihre Eltern ſchon in der Ferne kommen ſehen, ſich aber auch ſehr oft täuſchen.“ Unter
den Neſtern ſieht es nach demſelben Forſcher fürchterlich aus. Das Gras und die übrigen Pflanzen
ſind mit dem Kothe der Reiher bedeckt, daß der Boden, von fern geſehen, einer weißen Schneedecke
gleicht. Die Erde unter den Bäumen iſt mit zerbrochenen Eierſchalen, faulenden Fiſchen, todten
Vögeln, zertrümmerten Neſtern u. a. Unrath überſät; ein durchdringender Geſtank verbreitet ſich
ringsum. Junge Nachtreiher, welche aus ihren Neſtern geſtoßen wurden, laufen unten umher, die
Fiſche aufſammelnd, welche von den gefräßigen Neſtjungen oben in den Bäumen herabgeworfen
werden, falls ſich nicht die Alten bequemen, ſie auch unten zu füttern. Schon in bedeutender Ent-
fernung vernimmt man ein ſonderbares Praſſeln und Plumpen, herrührend von dem dichten Kothregen
und dem Herabfallen von Fiſchen oder Herabſtürzen der Jungen. Niemand kann unten umhergehen,
ohne grün und blau bemalt zu werden. Der Lärm iſt ſo ſonderbar, daß er eigentlich nicht beſchrieben
werden kann, ſondern ſelbſt gehört worden ſein muß, um einen deutlichen Begriff davon zu bekommen.
Jn größerer Entfernung, in welcher die vielen ſchauerlichen Stimmen noch in ein verworrenes Getöſe
verſchmelzen, glaubt man den Lärm von einer Rauferei betrunkener ungariſcher Bauern zu hören.
Ganz in der Nähe iſt der Lärm fürchterlich, der Geſtank faſt unerträglich und der Anblick von
Dutzenden verweſender junger Reiher, welche mit Tauſenden von Fleiſchfliegen, Maden u. ſ. w.
bedeckt und dadurch tauſendfältig wieder belebt ſind, äußerſt ekelhaft, dieſes Treiben aber trotzdem für
den wahren Freund der Vögel ebenſo unterhaltend als anziehend.

Bald nach dem Flüggewerden trennen ſich die jungen Nachtreiher von ihren Eltern, ohne jedoch
die Geſellſchaften zu verlaſſen, welche ſich nunmehr bilden. Alt und Jung verweilt bis zum Zuge
noch im Brutlande; dann treten die Scharen vereinigt die Winterreiſe an.

Jn früheren Jahrhunderten ſcheint man an der Jagd auf Nachtreiher ein abſonderliches Ver-
gnügen gefunden zu haben, weil man dieſen Vogel zur hohen Jagd rechnete und als Wildpret in
Ehren hielt. Gegenwärtig erlegt man ihn wohl nur ſeiner drei weißen Genickfedern wegen, welche
von Federſchmückern geſucht und zu Federbüſchen verarbeitet werden, in Ungarn jedoch aus der Mode
gekommen ſind. Gefangene ſieht man in den meiſten Thiergärten, weil ſie ſich bei einfachem Fiſch-
futter jahrelang ſehr gut halten. Zu den anziehenden Vögeln gehören ſie übrigens nicht, da ſie
auch in der Gefangenſchaft den ganzen Tag verſchlafen.



Geringe Größe, ſchlanker Schnabel, niedrige Läufe, welche bis zu den Fußgelenken befiedert
ſind, verhältnißmäßig lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längſte, ein kurzer, ſchwacher
Schwanz und ein nicht beſonders reiches, nach Alter und Geſchlecht verſchieden gefärbtes Gefieder

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[710/0754] Die Läuſer. Stelzvögel. Reiher. Genickfedern laſſen einen Kampf auf Tod und Leben befürchten, und ſiehe, kaum berühren ſie ſich, und zwar nur wenig mit den Flügelſpitzen, höchſt ſelten einmal gegenſeitig mit dem Schnabel. Sie drohen und ſchreien wie die homeriſchen Helden und Götter, aber Das iſt auch Alles.“ Beachtenswerth iſt, daß der Nachtreiher während der Brutzeit ſich auch bei Tage mit Fiſchfang beſchäftigt. Freilich treibt ihn der niemals zu ſtillende Hunger ſeiner Jungen zu ungleich größerer Thätigkeit an als ſonſt, und wohl oder übel ſieht er ſich genöthigt, ſeine gewohnte Lebensweiſe zu verändern. „Von allen Seiten, hoch und niedrig“, berichtet Landbeck, „zieht der Nachtreiher, den Kropf mit Fiſchen, Fröſchen und Kerbthierlarven angefüllt, zu ſeinen Neſtern. Ein im tiefſten Baſſe ausgeſtoßenes „Quak“ oder „Gewäk“ kündigt ſeine Ankunft ſchon in bedeutender Entfernung an, und ein katzenartiges „Quäht, quäht“ oder „Queaohaaeh, queoeah“ der Jungen iſt die Antwort beim Füttern. Haben ſich die Alten entfernt, dann beginnt die Muſik der Jungen aufs neue und aus allen Neſtern tönt ein ununterbrochenes „Zikzikzik, zäkzäkzäk, zgäzgäzgä“ und „Gättgättgättgätt“. Zur Abwechſelung klettern die jungen Reiher auf den Aeſten hinaus auf die Wipfel der Neſtbäume, wo ſie eine freiere Ausſicht genießen und ihre Eltern ſchon in der Ferne kommen ſehen, ſich aber auch ſehr oft täuſchen.“ Unter den Neſtern ſieht es nach demſelben Forſcher fürchterlich aus. Das Gras und die übrigen Pflanzen ſind mit dem Kothe der Reiher bedeckt, daß der Boden, von fern geſehen, einer weißen Schneedecke gleicht. Die Erde unter den Bäumen iſt mit zerbrochenen Eierſchalen, faulenden Fiſchen, todten Vögeln, zertrümmerten Neſtern u. a. Unrath überſät; ein durchdringender Geſtank verbreitet ſich ringsum. Junge Nachtreiher, welche aus ihren Neſtern geſtoßen wurden, laufen unten umher, die Fiſche aufſammelnd, welche von den gefräßigen Neſtjungen oben in den Bäumen herabgeworfen werden, falls ſich nicht die Alten bequemen, ſie auch unten zu füttern. Schon in bedeutender Ent- fernung vernimmt man ein ſonderbares Praſſeln und Plumpen, herrührend von dem dichten Kothregen und dem Herabfallen von Fiſchen oder Herabſtürzen der Jungen. Niemand kann unten umhergehen, ohne grün und blau bemalt zu werden. Der Lärm iſt ſo ſonderbar, daß er eigentlich nicht beſchrieben werden kann, ſondern ſelbſt gehört worden ſein muß, um einen deutlichen Begriff davon zu bekommen. Jn größerer Entfernung, in welcher die vielen ſchauerlichen Stimmen noch in ein verworrenes Getöſe verſchmelzen, glaubt man den Lärm von einer Rauferei betrunkener ungariſcher Bauern zu hören. Ganz in der Nähe iſt der Lärm fürchterlich, der Geſtank faſt unerträglich und der Anblick von Dutzenden verweſender junger Reiher, welche mit Tauſenden von Fleiſchfliegen, Maden u. ſ. w. bedeckt und dadurch tauſendfältig wieder belebt ſind, äußerſt ekelhaft, dieſes Treiben aber trotzdem für den wahren Freund der Vögel ebenſo unterhaltend als anziehend. Bald nach dem Flüggewerden trennen ſich die jungen Nachtreiher von ihren Eltern, ohne jedoch die Geſellſchaften zu verlaſſen, welche ſich nunmehr bilden. Alt und Jung verweilt bis zum Zuge noch im Brutlande; dann treten die Scharen vereinigt die Winterreiſe an. Jn früheren Jahrhunderten ſcheint man an der Jagd auf Nachtreiher ein abſonderliches Ver- gnügen gefunden zu haben, weil man dieſen Vogel zur hohen Jagd rechnete und als Wildpret in Ehren hielt. Gegenwärtig erlegt man ihn wohl nur ſeiner drei weißen Genickfedern wegen, welche von Federſchmückern geſucht und zu Federbüſchen verarbeitet werden, in Ungarn jedoch aus der Mode gekommen ſind. Gefangene ſieht man in den meiſten Thiergärten, weil ſie ſich bei einfachem Fiſch- futter jahrelang ſehr gut halten. Zu den anziehenden Vögeln gehören ſie übrigens nicht, da ſie auch in der Gefangenſchaft den ganzen Tag verſchlafen. Geringe Größe, ſchlanker Schnabel, niedrige Läufe, welche bis zu den Fußgelenken befiedert ſind, verhältnißmäßig lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längſte, ein kurzer, ſchwacher Schwanz und ein nicht beſonders reiches, nach Alter und Geſchlecht verſchieden gefärbtes Gefieder

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/754>, abgerufen am 22.11.2024.