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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Schwarzspecht.

Als Kennzeichen der Sippe der "Baumspechte" gelten folgende Merkmale: Der mehr als kopf-
lange Schnabel ist stark, breiter als hoch, auf der Firste gerade, scharf gekielt. Der Flügel, in
welchem die fünfte Schwinge die längste ist, reicht ungefähr bis zu zwei Drittel des ziemlich langen
Schwanzes hinab. Der Lauf des Fußes ist großentheils von Federn bedeckt und länger als die
Mittel- oder äußere Vorderzehe mit Nagel.

Europa, soweit es bewaldet ist und Asien bis zur Nordseite des Himalaya sind die Heimat des
Schwarzspechtes. Jn Europa wird er bis gegen den 68. Grad der nördl. Breite gefunden, nach Süden
hin ist er seltener, kommt aber einzeln noch in den Waldungen Griechenlands und Spaniens vor.
Jn England fehlt er und ebensowenig ist er bisher in Holland beobachtet worden. Seit Abnahme der
großen, zusammenhängenden Waldungen gehört er auch in unserm Vaterlande zu den Seltenheiten;
er findet sich einzeln nur noch in den Alpen und in den Mittelgebirgen, so auf dem Harz, dem Thü-
ringerwald, auch in Hannover und Mecklenburg, auf dem Erz- und dem Fichtelgebirge. Jn Rußland
und in Skandinavien ist er noch verhältnißmäßig häufig. Er bevorzugt große zusammenhängende
Nadelwälder und, wie es scheint, die der Gebirge. Den reinen Laubwald berührt er nur beim
Streichen. Alter Hochwald, welcher aus großen, starken Bäumen besteht, wenig besucht wird und
reich an Roßameisen ist, sagt ihm besonders zu. Den Menschen und sein Treiben meidet er ängstlich,
auch im Norden unseres heimatlichen Erdtheils, und deshalb zeigt er sich nur ausnahmsweise in der
Nähe der Ortschaften. Doch vermag ihn ein einziger hohler Baum an ein bestimmtes Gebiet zu
fesseln, und er verläßt dasselbe, sobald dieser Baum der Art verfallen. Wie alle bei uns lebenden
Arten seiner Familie ist er ein Standvogel, welcher wahrscheinlich nicht einmal streicht; denn die-
jenigen, welche man außerhalb ihrer eigentlichen Wohnsitze antrifft, scheinen jüngere Vögel zu sein,
welche in der Absicht umherstreifen, sich ein Gebiet zu erobern. Ein solches Gebiet dehnt sich unge-
fähr über den dritten Theil einer Geviertmeile, und nur an sehr günstigen Oertlichkeiten mag es vor-
kommen, daß Schwarzspechte enger neben einander wohnen.

Das Betragen dieses Vogels, welchen die Sage mit der zauberkräftigen Springwurzel in Ver-
bindung bringt, hat mein Vater zuerst ausführlich beschrieben, und deshalb lege ich seine Schilderung
dem Nachfolgenden zu Grunde.

Unser Schwarzspecht ist ein äußerst munterer, flüchtiger, scheuer, gewandter und starker Vogel.
Bald ist er da, bald dort, und so durchstreicht er seinen Bezirk oft in sehr kurzer Zeit. Dies kann man
recht deutlich an seinem Geschrei bemerken, welches man im Verlauf weniger Minuten an sehr ver-
schiedenen Orten hört. Er läßt besonders drei Töne vernehmen, zwei im Fluge und einen im Sitzen.
Die ersteren klingen wie "kirr kirr und klük klük", die letzteren wie "klüh", einsilbig lang gezogen und
sehr durchdringend, oder wie "klihä klihä". Beim Neste stößt er aber noch andere Laute aus. Sein
Flug ist von dem seiner Verwandten sehr verschieden. Er fliegt nicht ruckweise oder in auf- und
absteigender Linie, sondern wellenförmig, fast in gerader Richtung vorwärts, wobei er die Flügel sehr
weit ausbreitet und stark schlägt, so daß es aussieht, als ob sich die Schwingenspitzen biegen, nicht
unähnlich dem Eichelhäher. Der Flug ist sanfter und scheint nicht so anzustrengen als der anderer
Spechte, deshalb vernimmt man auch nicht ein Schnurren der Flügel wie bei diesen, sondern ein
eigenes Wuchteln, welches nach Naumann bei trüber, feuchter Witterung besonders hörbar wird.
Obgleich er ungern weit fliegt, legt er doch zuweilen Strecken von einer Viertelmeile und mehr in
einem Striche zurück. Auf dem Boden hüpft er ziemlich ungeschickt umher, demungeachtet kommt er
nicht selten auf ihn herab, hauptsächlich den Ameisenhaufen zu Gefallen. Jm Klettern und Meiseln
ist er der geschickteste unter allen europäischen Spechten. Wenn er klettert, setzt er immer beide Füße
zu gleicher Zeit fort, wie alle seine Verwandten. Er hüpft also eigentlich an den Bäumen hinauf
und zwar mit großer Kraft, sodaß man es deutlich hört, wenn er die Nägel einschlägt. An Stauden
klettert er zwar auch herüm, aber doch seltener, und niemals meiselt er hier, wie in den brüchigen
Bäumen, in denen er die Larven der Niesenwespe oder Roßameisen wittert. Beim Klettern hält er
die Brust weit vom Baumstamme ab und biegt den Hals nach hinten zurück.

Schwarzſpecht.

Als Kennzeichen der Sippe der „Baumſpechte“ gelten folgende Merkmale: Der mehr als kopf-
lange Schnabel iſt ſtark, breiter als hoch, auf der Firſte gerade, ſcharf gekielt. Der Flügel, in
welchem die fünfte Schwinge die längſte iſt, reicht ungefähr bis zu zwei Drittel des ziemlich langen
Schwanzes hinab. Der Lauf des Fußes iſt großentheils von Federn bedeckt und länger als die
Mittel- oder äußere Vorderzehe mit Nagel.

Europa, ſoweit es bewaldet iſt und Aſien bis zur Nordſeite des Himalaya ſind die Heimat des
Schwarzſpechtes. Jn Europa wird er bis gegen den 68. Grad der nördl. Breite gefunden, nach Süden
hin iſt er ſeltener, kommt aber einzeln noch in den Waldungen Griechenlands und Spaniens vor.
Jn England fehlt er und ebenſowenig iſt er bisher in Holland beobachtet worden. Seit Abnahme der
großen, zuſammenhängenden Waldungen gehört er auch in unſerm Vaterlande zu den Seltenheiten;
er findet ſich einzeln nur noch in den Alpen und in den Mittelgebirgen, ſo auf dem Harz, dem Thü-
ringerwald, auch in Hannover und Mecklenburg, auf dem Erz- und dem Fichtelgebirge. Jn Rußland
und in Skandinavien iſt er noch verhältnißmäßig häufig. Er bevorzugt große zuſammenhängende
Nadelwälder und, wie es ſcheint, die der Gebirge. Den reinen Laubwald berührt er nur beim
Streichen. Alter Hochwald, welcher aus großen, ſtarken Bäumen beſteht, wenig beſucht wird und
reich an Roßameiſen iſt, ſagt ihm beſonders zu. Den Menſchen und ſein Treiben meidet er ängſtlich,
auch im Norden unſeres heimatlichen Erdtheils, und deshalb zeigt er ſich nur ausnahmsweiſe in der
Nähe der Ortſchaften. Doch vermag ihn ein einziger hohler Baum an ein beſtimmtes Gebiet zu
feſſeln, und er verläßt daſſelbe, ſobald dieſer Baum der Art verfallen. Wie alle bei uns lebenden
Arten ſeiner Familie iſt er ein Standvogel, welcher wahrſcheinlich nicht einmal ſtreicht; denn die-
jenigen, welche man außerhalb ihrer eigentlichen Wohnſitze antrifft, ſcheinen jüngere Vögel zu ſein,
welche in der Abſicht umherſtreifen, ſich ein Gebiet zu erobern. Ein ſolches Gebiet dehnt ſich unge-
fähr über den dritten Theil einer Geviertmeile, und nur an ſehr günſtigen Oertlichkeiten mag es vor-
kommen, daß Schwarzſpechte enger neben einander wohnen.

Das Betragen dieſes Vogels, welchen die Sage mit der zauberkräftigen Springwurzel in Ver-
bindung bringt, hat mein Vater zuerſt ausführlich beſchrieben, und deshalb lege ich ſeine Schilderung
dem Nachfolgenden zu Grunde.

Unſer Schwarzſpecht iſt ein äußerſt munterer, flüchtiger, ſcheuer, gewandter und ſtarker Vogel.
Bald iſt er da, bald dort, und ſo durchſtreicht er ſeinen Bezirk oft in ſehr kurzer Zeit. Dies kann man
recht deutlich an ſeinem Geſchrei bemerken, welches man im Verlauf weniger Minuten an ſehr ver-
ſchiedenen Orten hört. Er läßt beſonders drei Töne vernehmen, zwei im Fluge und einen im Sitzen.
Die erſteren klingen wie „kirr kirr und klük klük“, die letzteren wie „klüh“, einſilbig lang gezogen und
ſehr durchdringend, oder wie „klihä klihä“. Beim Neſte ſtößt er aber noch andere Laute aus. Sein
Flug iſt von dem ſeiner Verwandten ſehr verſchieden. Er fliegt nicht ruckweiſe oder in auf- und
abſteigender Linie, ſondern wellenförmig, faſt in gerader Richtung vorwärts, wobei er die Flügel ſehr
weit ausbreitet und ſtark ſchlägt, ſo daß es ausſieht, als ob ſich die Schwingenſpitzen biegen, nicht
unähnlich dem Eichelhäher. Der Flug iſt ſanfter und ſcheint nicht ſo anzuſtrengen als der anderer
Spechte, deshalb vernimmt man auch nicht ein Schnurren der Flügel wie bei dieſen, ſondern ein
eigenes Wuchteln, welches nach Naumann bei trüber, feuchter Witterung beſonders hörbar wird.
Obgleich er ungern weit fliegt, legt er doch zuweilen Strecken von einer Viertelmeile und mehr in
einem Striche zurück. Auf dem Boden hüpft er ziemlich ungeſchickt umher, demungeachtet kommt er
nicht ſelten auf ihn herab, hauptſächlich den Ameiſenhaufen zu Gefallen. Jm Klettern und Meiſeln
iſt er der geſchickteſte unter allen europäiſchen Spechten. Wenn er klettert, ſetzt er immer beide Füße
zu gleicher Zeit fort, wie alle ſeine Verwandten. Er hüpft alſo eigentlich an den Bäumen hinauf
und zwar mit großer Kraft, ſodaß man es deutlich hört, wenn er die Nägel einſchlägt. An Stauden
klettert er zwar auch herüm, aber doch ſeltener, und niemals meiſelt er hier, wie in den brüchigen
Bäumen, in denen er die Larven der Nieſenweſpe oder Roßameiſen wittert. Beim Klettern hält er
die Bruſt weit vom Baumſtamme ab und biegt den Hals nach hinten zurück.

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[61/0075] Schwarzſpecht. Als Kennzeichen der Sippe der „Baumſpechte“ gelten folgende Merkmale: Der mehr als kopf- lange Schnabel iſt ſtark, breiter als hoch, auf der Firſte gerade, ſcharf gekielt. Der Flügel, in welchem die fünfte Schwinge die längſte iſt, reicht ungefähr bis zu zwei Drittel des ziemlich langen Schwanzes hinab. Der Lauf des Fußes iſt großentheils von Federn bedeckt und länger als die Mittel- oder äußere Vorderzehe mit Nagel. Europa, ſoweit es bewaldet iſt und Aſien bis zur Nordſeite des Himalaya ſind die Heimat des Schwarzſpechtes. Jn Europa wird er bis gegen den 68. Grad der nördl. Breite gefunden, nach Süden hin iſt er ſeltener, kommt aber einzeln noch in den Waldungen Griechenlands und Spaniens vor. Jn England fehlt er und ebenſowenig iſt er bisher in Holland beobachtet worden. Seit Abnahme der großen, zuſammenhängenden Waldungen gehört er auch in unſerm Vaterlande zu den Seltenheiten; er findet ſich einzeln nur noch in den Alpen und in den Mittelgebirgen, ſo auf dem Harz, dem Thü- ringerwald, auch in Hannover und Mecklenburg, auf dem Erz- und dem Fichtelgebirge. Jn Rußland und in Skandinavien iſt er noch verhältnißmäßig häufig. Er bevorzugt große zuſammenhängende Nadelwälder und, wie es ſcheint, die der Gebirge. Den reinen Laubwald berührt er nur beim Streichen. Alter Hochwald, welcher aus großen, ſtarken Bäumen beſteht, wenig beſucht wird und reich an Roßameiſen iſt, ſagt ihm beſonders zu. Den Menſchen und ſein Treiben meidet er ängſtlich, auch im Norden unſeres heimatlichen Erdtheils, und deshalb zeigt er ſich nur ausnahmsweiſe in der Nähe der Ortſchaften. Doch vermag ihn ein einziger hohler Baum an ein beſtimmtes Gebiet zu feſſeln, und er verläßt daſſelbe, ſobald dieſer Baum der Art verfallen. Wie alle bei uns lebenden Arten ſeiner Familie iſt er ein Standvogel, welcher wahrſcheinlich nicht einmal ſtreicht; denn die- jenigen, welche man außerhalb ihrer eigentlichen Wohnſitze antrifft, ſcheinen jüngere Vögel zu ſein, welche in der Abſicht umherſtreifen, ſich ein Gebiet zu erobern. Ein ſolches Gebiet dehnt ſich unge- fähr über den dritten Theil einer Geviertmeile, und nur an ſehr günſtigen Oertlichkeiten mag es vor- kommen, daß Schwarzſpechte enger neben einander wohnen. Das Betragen dieſes Vogels, welchen die Sage mit der zauberkräftigen Springwurzel in Ver- bindung bringt, hat mein Vater zuerſt ausführlich beſchrieben, und deshalb lege ich ſeine Schilderung dem Nachfolgenden zu Grunde. Unſer Schwarzſpecht iſt ein äußerſt munterer, flüchtiger, ſcheuer, gewandter und ſtarker Vogel. Bald iſt er da, bald dort, und ſo durchſtreicht er ſeinen Bezirk oft in ſehr kurzer Zeit. Dies kann man recht deutlich an ſeinem Geſchrei bemerken, welches man im Verlauf weniger Minuten an ſehr ver- ſchiedenen Orten hört. Er läßt beſonders drei Töne vernehmen, zwei im Fluge und einen im Sitzen. Die erſteren klingen wie „kirr kirr und klük klük“, die letzteren wie „klüh“, einſilbig lang gezogen und ſehr durchdringend, oder wie „klihä klihä“. Beim Neſte ſtößt er aber noch andere Laute aus. Sein Flug iſt von dem ſeiner Verwandten ſehr verſchieden. Er fliegt nicht ruckweiſe oder in auf- und abſteigender Linie, ſondern wellenförmig, faſt in gerader Richtung vorwärts, wobei er die Flügel ſehr weit ausbreitet und ſtark ſchlägt, ſo daß es ausſieht, als ob ſich die Schwingenſpitzen biegen, nicht unähnlich dem Eichelhäher. Der Flug iſt ſanfter und ſcheint nicht ſo anzuſtrengen als der anderer Spechte, deshalb vernimmt man auch nicht ein Schnurren der Flügel wie bei dieſen, ſondern ein eigenes Wuchteln, welches nach Naumann bei trüber, feuchter Witterung beſonders hörbar wird. Obgleich er ungern weit fliegt, legt er doch zuweilen Strecken von einer Viertelmeile und mehr in einem Striche zurück. Auf dem Boden hüpft er ziemlich ungeſchickt umher, demungeachtet kommt er nicht ſelten auf ihn herab, hauptſächlich den Ameiſenhaufen zu Gefallen. Jm Klettern und Meiſeln iſt er der geſchickteſte unter allen europäiſchen Spechten. Wenn er klettert, ſetzt er immer beide Füße zu gleicher Zeit fort, wie alle ſeine Verwandten. Er hüpft alſo eigentlich an den Bäumen hinauf und zwar mit großer Kraft, ſodaß man es deutlich hört, wenn er die Nägel einſchlägt. An Stauden klettert er zwar auch herüm, aber doch ſeltener, und niemals meiſelt er hier, wie in den brüchigen Bäumen, in denen er die Larven der Nieſenweſpe oder Roßameiſen wittert. Beim Klettern hält er die Bruſt weit vom Baumſtamme ab und biegt den Hals nach hinten zurück.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/75>, abgerufen am 26.11.2024.