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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Marabu.
stellten aber fortan regelmäßig Wachen aus und entflohen, sowie sich ein weißes Gesicht oder ein
weißgekleideter Mensch nur von weitem sehen ließ. Es wurde uns deshalb schwer, soviele zu erlegen,
als wir für unsere Sammlungen nothwendigerweise bedurften, und an ein Sammeln von Marabu-
federn war gar nicht zu denken. Nach der gehaltenen Mahlzeit entfernten sich die Marabus von
dem Schlachtplatze, flogen nach dem Nile hin, fischten dort noch ein wenig und erhoben sich hierauf
in der Regel, um während der heißesten Stunden des Tages in ungemessener Höhe zu kreisen,
vielleicht auch, um sicheren Ruheplätzen zuzufliegen, von denen aus sie gegen Abend wiederum zurück-
zukehren pflegten. Der Flug ist wahrhaft prachtvoll, majestätisch, dem der Geier ähnlicher, als dem
unseres Storches; der Hals wird dabei ausgestreckt, aber, vielleicht des schweren Schnabels wegen,
etwas nach unten gesenkt, die Flügelspitzen wie bei einzelnen Geiern und Adlern, etwas in die Höhe
gehoben, der Flügel überhaupt selten bewegt.

Wahrscheinlich gibt es keinen Vogel, welcher an Gefräßigkeit dem Marabu gleichkäme. Wir
zogen aus seinem Kropfe ganze Rinderohren und ganze Rinderbeine sammt den Hufen hervor, auch
Knochen von einer Größe, daß sie ein anderer Vogel gar nicht hätte verschlingen können, beobachteten,
daß er blutgetränkte Erde oder blutgetränkte Fetzen hinunterschlang, bemerkten wiederholt, daß flügel-
lahm geschossene im Laufen gleich noch einen guten Bissen aufnahmen. Einmal sah ich zehn bis
zwölf Marabus im weißen Flusse Fische fangen. Sie besitzen darin viel Geschicklichkeit, schließen
einen Kreis und treiben sich Fische gegenseitig zu. Einer von ihnen hatte Glück, nämlich einen
großen Fisch erhascht, welcher alsbald hinabgewürgt, einstweilen aber noch im Kropfsacke aufbewahrt
wurde. Der Fisch zappelte in dem Kropfe herum und dehnte ihn fußlang aus. Sofort stürzten sich
alle Marabus auf den glücklichen Fänger los und schnappten so ernstlich nach dessen Kropfe, daß er
sich genöthigt sah, die Flucht zu ergreifen, um den Fangversuchen ein Ziel zu setzen. Mit Geiern und
Hunden liegt der Marabu stets im Streite. Er fällt mit den Geiern regelmäßig auf das Aas und
weiß seinen Platz zu behaupten. Ein Ohrengeier, welcher die Speise zerreißen, namentlich die
Höhlen aufbrechen muß, steht seinen Mann; aber den Marabu vertreibt er nicht; denn dieser weiß
sich zu vertheidigen und theilt mit seinem Keilschnabel nach rechts und links so kräftige Hiebe aus,
daß er sich unter allen Umständen seinen Antheil sichert. Von seiner Gefräßigkeit gab mir ein
Marabu einen Beweis, welcher mich mit Entsetzen erfüllte. Mein brauner Diener hatte einem Vogel
dieser Art durch seinen Schuß beide Flügelknochen und einen Fuß zerschmettert, aber verabsäumt, das
verstümmelte Thier sogleich zu tödten, und brachte es noch lebend in unsere Wohnung. Hier wurden
gerade große Geier abgebalgt und das Fleisch von den Beinen und Flügeln, die Hälse u. s. w. lagen
in Haufen umher. Tomboldo, der Jäger, warf den Marabu einem der Abbälger zu; der Vogel
brach natürlich sofort zusammen, lag kläglich da, begann aber dennoch sofort Massen des Fleisches zu
verschlingen. Jch tödtete ihn augenblicklich.

Die Jagd auf Marabus bleibt stets schwierig, weil die außerordentliche Schen der Vögel dem
Jäger sein Handwerk verleidet. Nicht einmal auf den Schlafplätzen kann man mit Sicherheit darauf
rechnen, diese klugen Vögel zu hinterlisten. Einige, welche wir beunruhigt hatten, flogen während
der ganzen Nacht über den Schlafbäumen hin und her, ohne sich wieder zu setzen, und diejenigen,
welche bei den Schlachthäusern einmal geänstigt wurden, konnten uns Jäger zur Verzweiflung bringen.
Leichter noch gelingt der Fang, wenn auch blos den Eingebornen, an welche die Marabus gewöhnt
sind. Man bindet nämlich ein Schafbein an einen dünnen, aber festen, langen Faden und wirft es
unter die übrigen Abfälle. Der Marabu schlingt es hinab und wird wie an einer Angel gefangen,
noch ehe er Zeit hat, den eingewürgten Knochen wieder von sich zu geben.

Auf diese Weise gelangten mehrere Kropfstörche in meinen Besitz, und ich habe die Gefangenen,
trotz ihrer ungeheueren Gefräßigkeit, stets gern gehalten, weil sie bald ungemein zahm und
zutraulich wurden. Wenn wir Vögel abbalgten, standen sie ernsthaft zuschauend nebenan und
lauerten auf jeden Bissen, welcher ihnen zugeworfen wurde, fingen denselben höchst geschickt, beinahe
unfehlbar aus der Luft und zeigten sich gegen den Pfleger sehr dankbar. Der erste, welchen ich besaß,

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Marabu.
ſtellten aber fortan regelmäßig Wachen aus und entflohen, ſowie ſich ein weißes Geſicht oder ein
weißgekleideter Menſch nur von weitem ſehen ließ. Es wurde uns deshalb ſchwer, ſoviele zu erlegen,
als wir für unſere Sammlungen nothwendigerweiſe bedurften, und an ein Sammeln von Marabu-
federn war gar nicht zu denken. Nach der gehaltenen Mahlzeit entfernten ſich die Marabus von
dem Schlachtplatze, flogen nach dem Nile hin, fiſchten dort noch ein wenig und erhoben ſich hierauf
in der Regel, um während der heißeſten Stunden des Tages in ungemeſſener Höhe zu kreiſen,
vielleicht auch, um ſicheren Ruheplätzen zuzufliegen, von denen aus ſie gegen Abend wiederum zurück-
zukehren pflegten. Der Flug iſt wahrhaft prachtvoll, majeſtätiſch, dem der Geier ähnlicher, als dem
unſeres Storches; der Hals wird dabei ausgeſtreckt, aber, vielleicht des ſchweren Schnabels wegen,
etwas nach unten geſenkt, die Flügelſpitzen wie bei einzelnen Geiern und Adlern, etwas in die Höhe
gehoben, der Flügel überhaupt ſelten bewegt.

Wahrſcheinlich gibt es keinen Vogel, welcher an Gefräßigkeit dem Marabu gleichkäme. Wir
zogen aus ſeinem Kropfe ganze Rinderohren und ganze Rinderbeine ſammt den Hufen hervor, auch
Knochen von einer Größe, daß ſie ein anderer Vogel gar nicht hätte verſchlingen können, beobachteten,
daß er blutgetränkte Erde oder blutgetränkte Fetzen hinunterſchlang, bemerkten wiederholt, daß flügel-
lahm geſchoſſene im Laufen gleich noch einen guten Biſſen aufnahmen. Einmal ſah ich zehn bis
zwölf Marabus im weißen Fluſſe Fiſche fangen. Sie beſitzen darin viel Geſchicklichkeit, ſchließen
einen Kreis und treiben ſich Fiſche gegenſeitig zu. Einer von ihnen hatte Glück, nämlich einen
großen Fiſch erhaſcht, welcher alsbald hinabgewürgt, einſtweilen aber noch im Kropfſacke aufbewahrt
wurde. Der Fiſch zappelte in dem Kropfe herum und dehnte ihn fußlang aus. Sofort ſtürzten ſich
alle Marabus auf den glücklichen Fänger los und ſchnappten ſo ernſtlich nach deſſen Kropfe, daß er
ſich genöthigt ſah, die Flucht zu ergreifen, um den Fangverſuchen ein Ziel zu ſetzen. Mit Geiern und
Hunden liegt der Marabu ſtets im Streite. Er fällt mit den Geiern regelmäßig auf das Aas und
weiß ſeinen Platz zu behaupten. Ein Ohrengeier, welcher die Speiſe zerreißen, namentlich die
Höhlen aufbrechen muß, ſteht ſeinen Mann; aber den Marabu vertreibt er nicht; denn dieſer weiß
ſich zu vertheidigen und theilt mit ſeinem Keilſchnabel nach rechts und links ſo kräftige Hiebe aus,
daß er ſich unter allen Umſtänden ſeinen Antheil ſichert. Von ſeiner Gefräßigkeit gab mir ein
Marabu einen Beweis, welcher mich mit Entſetzen erfüllte. Mein brauner Diener hatte einem Vogel
dieſer Art durch ſeinen Schuß beide Flügelknochen und einen Fuß zerſchmettert, aber verabſäumt, das
verſtümmelte Thier ſogleich zu tödten, und brachte es noch lebend in unſere Wohnung. Hier wurden
gerade große Geier abgebalgt und das Fleiſch von den Beinen und Flügeln, die Hälſe u. ſ. w. lagen
in Haufen umher. Tomboldo, der Jäger, warf den Marabu einem der Abbälger zu; der Vogel
brach natürlich ſofort zuſammen, lag kläglich da, begann aber dennoch ſofort Maſſen des Fleiſches zu
verſchlingen. Jch tödtete ihn augenblicklich.

Die Jagd auf Marabus bleibt ſtets ſchwierig, weil die außerordentliche Schen der Vögel dem
Jäger ſein Handwerk verleidet. Nicht einmal auf den Schlafplätzen kann man mit Sicherheit darauf
rechnen, dieſe klugen Vögel zu hinterliſten. Einige, welche wir beunruhigt hatten, flogen während
der ganzen Nacht über den Schlafbäumen hin und her, ohne ſich wieder zu ſetzen, und diejenigen,
welche bei den Schlachthäuſern einmal geänſtigt wurden, konnten uns Jäger zur Verzweiflung bringen.
Leichter noch gelingt der Fang, wenn auch blos den Eingebornen, an welche die Marabus gewöhnt
ſind. Man bindet nämlich ein Schafbein an einen dünnen, aber feſten, langen Faden und wirft es
unter die übrigen Abfälle. Der Marabu ſchlingt es hinab und wird wie an einer Angel gefangen,
noch ehe er Zeit hat, den eingewürgten Knochen wieder von ſich zu geben.

Auf dieſe Weiſe gelangten mehrere Kropfſtörche in meinen Beſitz, und ich habe die Gefangenen,
trotz ihrer ungeheueren Gefräßigkeit, ſtets gern gehalten, weil ſie bald ungemein zahm und
zutraulich wurden. Wenn wir Vögel abbalgten, ſtanden ſie ernſthaft zuſchauend nebenan und
lauerten auf jeden Biſſen, welcher ihnen zugeworfen wurde, fingen denſelben höchſt geſchickt, beinahe
unfehlbar aus der Luft und zeigten ſich gegen den Pfleger ſehr dankbar. Der erſte, welchen ich beſaß,

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[691/0733] Marabu. ſtellten aber fortan regelmäßig Wachen aus und entflohen, ſowie ſich ein weißes Geſicht oder ein weißgekleideter Menſch nur von weitem ſehen ließ. Es wurde uns deshalb ſchwer, ſoviele zu erlegen, als wir für unſere Sammlungen nothwendigerweiſe bedurften, und an ein Sammeln von Marabu- federn war gar nicht zu denken. Nach der gehaltenen Mahlzeit entfernten ſich die Marabus von dem Schlachtplatze, flogen nach dem Nile hin, fiſchten dort noch ein wenig und erhoben ſich hierauf in der Regel, um während der heißeſten Stunden des Tages in ungemeſſener Höhe zu kreiſen, vielleicht auch, um ſicheren Ruheplätzen zuzufliegen, von denen aus ſie gegen Abend wiederum zurück- zukehren pflegten. Der Flug iſt wahrhaft prachtvoll, majeſtätiſch, dem der Geier ähnlicher, als dem unſeres Storches; der Hals wird dabei ausgeſtreckt, aber, vielleicht des ſchweren Schnabels wegen, etwas nach unten geſenkt, die Flügelſpitzen wie bei einzelnen Geiern und Adlern, etwas in die Höhe gehoben, der Flügel überhaupt ſelten bewegt. Wahrſcheinlich gibt es keinen Vogel, welcher an Gefräßigkeit dem Marabu gleichkäme. Wir zogen aus ſeinem Kropfe ganze Rinderohren und ganze Rinderbeine ſammt den Hufen hervor, auch Knochen von einer Größe, daß ſie ein anderer Vogel gar nicht hätte verſchlingen können, beobachteten, daß er blutgetränkte Erde oder blutgetränkte Fetzen hinunterſchlang, bemerkten wiederholt, daß flügel- lahm geſchoſſene im Laufen gleich noch einen guten Biſſen aufnahmen. Einmal ſah ich zehn bis zwölf Marabus im weißen Fluſſe Fiſche fangen. Sie beſitzen darin viel Geſchicklichkeit, ſchließen einen Kreis und treiben ſich Fiſche gegenſeitig zu. Einer von ihnen hatte Glück, nämlich einen großen Fiſch erhaſcht, welcher alsbald hinabgewürgt, einſtweilen aber noch im Kropfſacke aufbewahrt wurde. Der Fiſch zappelte in dem Kropfe herum und dehnte ihn fußlang aus. Sofort ſtürzten ſich alle Marabus auf den glücklichen Fänger los und ſchnappten ſo ernſtlich nach deſſen Kropfe, daß er ſich genöthigt ſah, die Flucht zu ergreifen, um den Fangverſuchen ein Ziel zu ſetzen. Mit Geiern und Hunden liegt der Marabu ſtets im Streite. Er fällt mit den Geiern regelmäßig auf das Aas und weiß ſeinen Platz zu behaupten. Ein Ohrengeier, welcher die Speiſe zerreißen, namentlich die Höhlen aufbrechen muß, ſteht ſeinen Mann; aber den Marabu vertreibt er nicht; denn dieſer weiß ſich zu vertheidigen und theilt mit ſeinem Keilſchnabel nach rechts und links ſo kräftige Hiebe aus, daß er ſich unter allen Umſtänden ſeinen Antheil ſichert. Von ſeiner Gefräßigkeit gab mir ein Marabu einen Beweis, welcher mich mit Entſetzen erfüllte. Mein brauner Diener hatte einem Vogel dieſer Art durch ſeinen Schuß beide Flügelknochen und einen Fuß zerſchmettert, aber verabſäumt, das verſtümmelte Thier ſogleich zu tödten, und brachte es noch lebend in unſere Wohnung. Hier wurden gerade große Geier abgebalgt und das Fleiſch von den Beinen und Flügeln, die Hälſe u. ſ. w. lagen in Haufen umher. Tomboldo, der Jäger, warf den Marabu einem der Abbälger zu; der Vogel brach natürlich ſofort zuſammen, lag kläglich da, begann aber dennoch ſofort Maſſen des Fleiſches zu verſchlingen. Jch tödtete ihn augenblicklich. Die Jagd auf Marabus bleibt ſtets ſchwierig, weil die außerordentliche Schen der Vögel dem Jäger ſein Handwerk verleidet. Nicht einmal auf den Schlafplätzen kann man mit Sicherheit darauf rechnen, dieſe klugen Vögel zu hinterliſten. Einige, welche wir beunruhigt hatten, flogen während der ganzen Nacht über den Schlafbäumen hin und her, ohne ſich wieder zu ſetzen, und diejenigen, welche bei den Schlachthäuſern einmal geänſtigt wurden, konnten uns Jäger zur Verzweiflung bringen. Leichter noch gelingt der Fang, wenn auch blos den Eingebornen, an welche die Marabus gewöhnt ſind. Man bindet nämlich ein Schafbein an einen dünnen, aber feſten, langen Faden und wirft es unter die übrigen Abfälle. Der Marabu ſchlingt es hinab und wird wie an einer Angel gefangen, noch ehe er Zeit hat, den eingewürgten Knochen wieder von ſich zu geben. Auf dieſe Weiſe gelangten mehrere Kropfſtörche in meinen Beſitz, und ich habe die Gefangenen, trotz ihrer ungeheueren Gefräßigkeit, ſtets gern gehalten, weil ſie bald ungemein zahm und zutraulich wurden. Wenn wir Vögel abbalgten, ſtanden ſie ernſthaft zuſchauend nebenan und lauerten auf jeden Biſſen, welcher ihnen zugeworfen wurde, fingen denſelben höchſt geſchickt, beinahe unfehlbar aus der Luft und zeigten ſich gegen den Pfleger ſehr dankbar. Der erſte, welchen ich beſaß, 44*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/733>, abgerufen am 22.11.2024.