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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Storch.
ckeln ihn an, und er haßt sie so, daß er sie tödtet, aber niemals rührt er eine der gemordeten an.
"Zu einem Feldteiche", erzählt Naumann, "kamen ein paar Störche öfters und fischten nach kleinen
Karauschen, welche neben einer Menge von Kreuzkröten dieses Wasser fast allein belebten. Wenn
wir nun um Sonnenuntergang dort ankamen, um nach Schnepfenvögeln uns anzustellen, waren die
Störche schon fort, hatten aber ihre Spuren auf eine abscheuliche Weise bezeichnet; denn zahllose
Kröten lagen am Wasser, entweder auf dem Rücken und schon todt, oder wanden sich meist mit auf-
gerissenem Bauche und zerfetzten Gedärmen in den letzten Zuckungen, und die meisten hauchten erst
nach Untergang der Sonne ihr Leben aus." Man ersieht aus dieser Zusammenstellung der vom
Storche getödteten Thiere, daß das Volk die Nützlichkeit des Vogels sehr gut begriffen hat; denn der
geringe Schaden, welchen er durch seine Räubereien anrichtet, wird reichlich aufgewogen durch die
guten Dienste, welche er leistet. Aufmerksame Landwirthe haben beobachtet, daß in Jahren, in
denen die Störche selten waren, die Mäuse bedenklich überhand nahmen und gleichzeitig weit mehr
Ungeziefer anderer Art, insbesondere Kreuzottern und dergleichen gefunden wurden als sonst. Auch
dieser Räuber arbeitet also ganz entschieden zu unserem Vortheile.

Die wunderbare Anhänglichkeit des Storches an den Menschen bekundet sich vorzugsweise
während der Paarungszeit. Allerdings gilt es ihm als eine Einladung, wenn auf einem hohen
Gebäude oder Baume ein Rad in wagrechter Lage befestigt wird; denn da, wo Störche überhaupt
leben, werden sie selten oder nie es versäumen, darauf ihren Horst zu gründen und das Gebäude
gewiß dem schönsten Baumwipfel vorziehen. "Man muß erstaunen", sagt Naumann, "daß
Störche, welche in einer fremden Gegend groß wurden, bei allem angeborenen Mißtrauen sogleich
erkennen, daß man sie gern sieht, die Anstalten, mit denen man ihnen entgegen kommt, verstehen
und den Wünschen der Menschen folgen. Vor wenigen Jahren zeigte sich ein Storchpaar in meiner
Gegend und musterte die breiten Köpfe der alten hohen Pappeln zwischen zwei Nachbardörfern, ein
Zeichen, welches der dasige Jagdbesitzer nicht sogleich verstand, den Störchen, dort eine seltene
Erscheinung, mit Schießgewehr nachschlich, auch vergeblich eine Kugel ihnen nachsendete, worauf sie
eine Viertelstunde weiter gingen. Hier, in einem anderen Dorfe, errieth man ihre Absicht, befestigte
ein altes Wagenrad auf der Firste eines hohen Strohdaches; die Störche nahmen sogleich ihre Ein-
ladung an, waren in wenig Tagen mit dem Baue des Nestes auf jener Grundlage fertig, völlig
heimisch und kommen seitdem alle Jahre wieder. Welches der Grund dieser Zuneigung beim
Menschen sei, bleibt jedenfalls räthselhaft; daß aber doch wohl die Sicherheit, die ihnen aus
allgemeiner Zuneigung der Mensch in seiner Nähe gewährt, sowie der sichere, feste Stand des Nestes
sowohl für Alt als Jung wenigstens nicht Nebensache dabei sind, mag schwerlich geleugnet werden
können. Das Vertrauen auf menschliche Hilfe ist bei ihnen so groß, daß selbst solche Störche, welche
die Absicht verrathen, ihr Nest auf einem Baume zu bauen, es sogleich annahmen, wenn man ihnen
aufs Gerathewohl, auf dem ersten besten eine Grundlage machte, Stangen oder Stäbe annagelte, und
Reisbündel befestigte, worauf sie sogleich ihren Bau begannen. Man kann sie sogar dahin, wo sonst
keine waren, mit solchen Anstalten locken, falls die Gegend eine ihnen zusagende Beschaffenheit hat."
Noch auffallender erscheint es mir, wie ich hinzufügen will, daß eben nur der Haus- oder Klapper-
storch es ist, welcher sich so mit dem Menschen befreundet, nicht aber auch sein ihm in Gestalt und
Wesen höchst ähnlicher Verwandter, der Waldstorch, welcher stets fern vom Menschen, möglichst einsam
im Walde nistet. Und dieselben Verhältnisse finden sich in Afrika wieder. Hier lebt ein dem
schwarzen Storche unähnlicher, etwas kleinerer Verwandter (Ciconia Abdimii), in eben denselben
freundschaftlichen Verhältnissen mit dem Menschen, während eine zweite Art (Ciconia leucocephala)
den dortigen Eingebornen ebenso flieht, wie der Waldstorch den Weißen. Der Jnnerafrikaner thut
Nichts, um den "Simbil", wie er seinen Hausstorch nennt, einzuladen, und der Vogel muß sich
seinen Horst gewöhnlich auf den Bäumen errichten, welche im Dorfe stehen, erscheint aber dennoch und
wird nun selbstverständlich gern gesehen und als geheiligter Gast betrachtet. Derselbe Mensch würde
natürlich auch dem wollhalsigen Storche Gastfreundschaft gewähren; dieser aber findet sich ebenso-

Storch.
ckeln ihn an, und er haßt ſie ſo, daß er ſie tödtet, aber niemals rührt er eine der gemordeten an.
„Zu einem Feldteiche“, erzählt Naumann, „kamen ein paar Störche öfters und fiſchten nach kleinen
Karauſchen, welche neben einer Menge von Kreuzkröten dieſes Waſſer faſt allein belebten. Wenn
wir nun um Sonnenuntergang dort ankamen, um nach Schnepfenvögeln uns anzuſtellen, waren die
Störche ſchon fort, hatten aber ihre Spuren auf eine abſcheuliche Weiſe bezeichnet; denn zahlloſe
Kröten lagen am Waſſer, entweder auf dem Rücken und ſchon todt, oder wanden ſich meiſt mit auf-
geriſſenem Bauche und zerfetzten Gedärmen in den letzten Zuckungen, und die meiſten hauchten erſt
nach Untergang der Sonne ihr Leben aus.“ Man erſieht aus dieſer Zuſammenſtellung der vom
Storche getödteten Thiere, daß das Volk die Nützlichkeit des Vogels ſehr gut begriffen hat; denn der
geringe Schaden, welchen er durch ſeine Räubereien anrichtet, wird reichlich aufgewogen durch die
guten Dienſte, welche er leiſtet. Aufmerkſame Landwirthe haben beobachtet, daß in Jahren, in
denen die Störche ſelten waren, die Mäuſe bedenklich überhand nahmen und gleichzeitig weit mehr
Ungeziefer anderer Art, insbeſondere Kreuzottern und dergleichen gefunden wurden als ſonſt. Auch
dieſer Räuber arbeitet alſo ganz entſchieden zu unſerem Vortheile.

Die wunderbare Anhänglichkeit des Storches an den Menſchen bekundet ſich vorzugsweiſe
während der Paarungszeit. Allerdings gilt es ihm als eine Einladung, wenn auf einem hohen
Gebäude oder Baume ein Rad in wagrechter Lage befeſtigt wird; denn da, wo Störche überhaupt
leben, werden ſie ſelten oder nie es verſäumen, darauf ihren Horſt zu gründen und das Gebäude
gewiß dem ſchönſten Baumwipfel vorziehen. „Man muß erſtaunen“, ſagt Naumann, „daß
Störche, welche in einer fremden Gegend groß wurden, bei allem angeborenen Mißtrauen ſogleich
erkennen, daß man ſie gern ſieht, die Anſtalten, mit denen man ihnen entgegen kommt, verſtehen
und den Wünſchen der Menſchen folgen. Vor wenigen Jahren zeigte ſich ein Storchpaar in meiner
Gegend und muſterte die breiten Köpfe der alten hohen Pappeln zwiſchen zwei Nachbardörfern, ein
Zeichen, welches der daſige Jagdbeſitzer nicht ſogleich verſtand, den Störchen, dort eine ſeltene
Erſcheinung, mit Schießgewehr nachſchlich, auch vergeblich eine Kugel ihnen nachſendete, worauf ſie
eine Viertelſtunde weiter gingen. Hier, in einem anderen Dorfe, errieth man ihre Abſicht, befeſtigte
ein altes Wagenrad auf der Firſte eines hohen Strohdaches; die Störche nahmen ſogleich ihre Ein-
ladung an, waren in wenig Tagen mit dem Baue des Neſtes auf jener Grundlage fertig, völlig
heimiſch und kommen ſeitdem alle Jahre wieder. Welches der Grund dieſer Zuneigung beim
Menſchen ſei, bleibt jedenfalls räthſelhaft; daß aber doch wohl die Sicherheit, die ihnen aus
allgemeiner Zuneigung der Menſch in ſeiner Nähe gewährt, ſowie der ſichere, feſte Stand des Neſtes
ſowohl für Alt als Jung wenigſtens nicht Nebenſache dabei ſind, mag ſchwerlich geleugnet werden
können. Das Vertrauen auf menſchliche Hilfe iſt bei ihnen ſo groß, daß ſelbſt ſolche Störche, welche
die Abſicht verrathen, ihr Neſt auf einem Baume zu bauen, es ſogleich annahmen, wenn man ihnen
aufs Gerathewohl, auf dem erſten beſten eine Grundlage machte, Stangen oder Stäbe annagelte, und
Reisbündel befeſtigte, worauf ſie ſogleich ihren Bau begannen. Man kann ſie ſogar dahin, wo ſonſt
keine waren, mit ſolchen Anſtalten locken, falls die Gegend eine ihnen zuſagende Beſchaffenheit hat.“
Noch auffallender erſcheint es mir, wie ich hinzufügen will, daß eben nur der Haus- oder Klapper-
ſtorch es iſt, welcher ſich ſo mit dem Menſchen befreundet, nicht aber auch ſein ihm in Geſtalt und
Weſen höchſt ähnlicher Verwandter, der Waldſtorch, welcher ſtets fern vom Menſchen, möglichſt einſam
im Walde niſtet. Und dieſelben Verhältniſſe finden ſich in Afrika wieder. Hier lebt ein dem
ſchwarzen Storche unähnlicher, etwas kleinerer Verwandter (Ciconia Abdimii), in eben denſelben
freundſchaftlichen Verhältniſſen mit dem Menſchen, während eine zweite Art (Ciconia leucocephala)
den dortigen Eingebornen ebenſo flieht, wie der Waldſtorch den Weißen. Der Jnnerafrikaner thut
Nichts, um den „Simbil“, wie er ſeinen Hausſtorch nennt, einzuladen, und der Vogel muß ſich
ſeinen Horſt gewöhnlich auf den Bäumen errichten, welche im Dorfe ſtehen, erſcheint aber dennoch und
wird nun ſelbſtverſtändlich gern geſehen und als geheiligter Gaſt betrachtet. Derſelbe Menſch würde
natürlich auch dem wollhalſigen Storche Gaſtfreundſchaft gewähren; dieſer aber findet ſich ebenſo-

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[679/0721] Storch. ckeln ihn an, und er haßt ſie ſo, daß er ſie tödtet, aber niemals rührt er eine der gemordeten an. „Zu einem Feldteiche“, erzählt Naumann, „kamen ein paar Störche öfters und fiſchten nach kleinen Karauſchen, welche neben einer Menge von Kreuzkröten dieſes Waſſer faſt allein belebten. Wenn wir nun um Sonnenuntergang dort ankamen, um nach Schnepfenvögeln uns anzuſtellen, waren die Störche ſchon fort, hatten aber ihre Spuren auf eine abſcheuliche Weiſe bezeichnet; denn zahlloſe Kröten lagen am Waſſer, entweder auf dem Rücken und ſchon todt, oder wanden ſich meiſt mit auf- geriſſenem Bauche und zerfetzten Gedärmen in den letzten Zuckungen, und die meiſten hauchten erſt nach Untergang der Sonne ihr Leben aus.“ Man erſieht aus dieſer Zuſammenſtellung der vom Storche getödteten Thiere, daß das Volk die Nützlichkeit des Vogels ſehr gut begriffen hat; denn der geringe Schaden, welchen er durch ſeine Räubereien anrichtet, wird reichlich aufgewogen durch die guten Dienſte, welche er leiſtet. Aufmerkſame Landwirthe haben beobachtet, daß in Jahren, in denen die Störche ſelten waren, die Mäuſe bedenklich überhand nahmen und gleichzeitig weit mehr Ungeziefer anderer Art, insbeſondere Kreuzottern und dergleichen gefunden wurden als ſonſt. Auch dieſer Räuber arbeitet alſo ganz entſchieden zu unſerem Vortheile. Die wunderbare Anhänglichkeit des Storches an den Menſchen bekundet ſich vorzugsweiſe während der Paarungszeit. Allerdings gilt es ihm als eine Einladung, wenn auf einem hohen Gebäude oder Baume ein Rad in wagrechter Lage befeſtigt wird; denn da, wo Störche überhaupt leben, werden ſie ſelten oder nie es verſäumen, darauf ihren Horſt zu gründen und das Gebäude gewiß dem ſchönſten Baumwipfel vorziehen. „Man muß erſtaunen“, ſagt Naumann, „daß Störche, welche in einer fremden Gegend groß wurden, bei allem angeborenen Mißtrauen ſogleich erkennen, daß man ſie gern ſieht, die Anſtalten, mit denen man ihnen entgegen kommt, verſtehen und den Wünſchen der Menſchen folgen. Vor wenigen Jahren zeigte ſich ein Storchpaar in meiner Gegend und muſterte die breiten Köpfe der alten hohen Pappeln zwiſchen zwei Nachbardörfern, ein Zeichen, welches der daſige Jagdbeſitzer nicht ſogleich verſtand, den Störchen, dort eine ſeltene Erſcheinung, mit Schießgewehr nachſchlich, auch vergeblich eine Kugel ihnen nachſendete, worauf ſie eine Viertelſtunde weiter gingen. Hier, in einem anderen Dorfe, errieth man ihre Abſicht, befeſtigte ein altes Wagenrad auf der Firſte eines hohen Strohdaches; die Störche nahmen ſogleich ihre Ein- ladung an, waren in wenig Tagen mit dem Baue des Neſtes auf jener Grundlage fertig, völlig heimiſch und kommen ſeitdem alle Jahre wieder. Welches der Grund dieſer Zuneigung beim Menſchen ſei, bleibt jedenfalls räthſelhaft; daß aber doch wohl die Sicherheit, die ihnen aus allgemeiner Zuneigung der Menſch in ſeiner Nähe gewährt, ſowie der ſichere, feſte Stand des Neſtes ſowohl für Alt als Jung wenigſtens nicht Nebenſache dabei ſind, mag ſchwerlich geleugnet werden können. Das Vertrauen auf menſchliche Hilfe iſt bei ihnen ſo groß, daß ſelbſt ſolche Störche, welche die Abſicht verrathen, ihr Neſt auf einem Baume zu bauen, es ſogleich annahmen, wenn man ihnen aufs Gerathewohl, auf dem erſten beſten eine Grundlage machte, Stangen oder Stäbe annagelte, und Reisbündel befeſtigte, worauf ſie ſogleich ihren Bau begannen. Man kann ſie ſogar dahin, wo ſonſt keine waren, mit ſolchen Anſtalten locken, falls die Gegend eine ihnen zuſagende Beſchaffenheit hat.“ Noch auffallender erſcheint es mir, wie ich hinzufügen will, daß eben nur der Haus- oder Klapper- ſtorch es iſt, welcher ſich ſo mit dem Menſchen befreundet, nicht aber auch ſein ihm in Geſtalt und Weſen höchſt ähnlicher Verwandter, der Waldſtorch, welcher ſtets fern vom Menſchen, möglichſt einſam im Walde niſtet. Und dieſelben Verhältniſſe finden ſich in Afrika wieder. Hier lebt ein dem ſchwarzen Storche unähnlicher, etwas kleinerer Verwandter (Ciconia Abdimii), in eben denſelben freundſchaftlichen Verhältniſſen mit dem Menſchen, während eine zweite Art (Ciconia leucocephala) den dortigen Eingebornen ebenſo flieht, wie der Waldſtorch den Weißen. Der Jnnerafrikaner thut Nichts, um den „Simbil“, wie er ſeinen Hausſtorch nennt, einzuladen, und der Vogel muß ſich ſeinen Horſt gewöhnlich auf den Bäumen errichten, welche im Dorfe ſtehen, erſcheint aber dennoch und wird nun ſelbſtverſtändlich gern geſehen und als geheiligter Gaſt betrachtet. Derſelbe Menſch würde natürlich auch dem wollhalſigen Storche Gaſtfreundſchaft gewähren; dieſer aber findet ſich ebenſo-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/721>, abgerufen am 22.11.2024.